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Informationen zum Dokument  BGE 109 Ib 95  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
3. Die Voraussetzungen der Bewilligungspflicht nach Art. 2 lit. c ...
4. Die im Privatrecht gefundene Auslegung der Sachübernahmeg ...
5. Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht verletzt, indem sie verne ...
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14. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Februar 1983 i.S. Bundesamt für Justiz gegen Kappeli Buchs AG und Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Ausländische Beteiligung an der Gründung einer Immobiliengesellschaft.  
 
Sachverhalt
 
BGE 109 Ib, 95 (96)Am 3. Juni 1981 gründeten Martin und Ellen Litscher sowie der liechtensteinische Staatsangehörige Dr. Benno Matt, wohnhaft in Schaan/FL, die Kappeli Buchs AG mit Sitz in Buchs/SG. Nach Art. 2 der Statuten bezweckt die Gesellschaft den An- und Verkauf sowie die Überbauung und Verwaltung von Grundstücken im In- und Ausland. Das Aktienkapital beträgt Fr. 120'000.-- und ist in 120 Inhaberaktien zu Fr. 1'000.-- eingeteilt. Martin und Ellen Litscher zeichneten zusammen 80 Inhaberaktien treuhänderisch und auf Rechnung der schweizerischen Staatsangehörigen Anny Schöller, wohnhaft in Gamprin/FL und Dr. Robert Rohner, wohnhaft in Buchs/SG, während Dr. Benno Matt in eigenem Namen 40 Inhaberaktien übernahm. Die Kappeli Buchs AG wurde am 5. Juni 1981 ins Handelsregister eingetragen.
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Die Kappeli Buchs AG kaufte am 9. Juli 1981 von der Christian Vetsch AG und von Ida Tobler die Grundstücke Nrn. 3135 und 3091, Grundbuch Buchs, an der Kappelistrasse. Am 23. Juli 1981 stellte sie beim Bezirksamt Werdenberg das Gesuch um Feststellung, dass die beiden Kaufverträge nach den Vorschriften über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland nicht bewilligungspflichtig seien. Mit Entscheid vom 27. August 1981 hat das Bezirksamt Werdenberg eine Bewilligungspflicht verneint, da sowohl beim Aktienkapital als auch bei den Darlehen zur Restfinanzierung eine finanzielle Beteiligung einer Person im Ausland von nur einem Drittel vorliege. Diesen Entscheid focht das Bundesamt für Justiz vergeblich beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen an.
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Das Bundesamt für Justiz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben, der Erwerb von Anteilen an der Kappeli Buchs AG durch eine Person im Ausland sei als bewilligungspflichtig zu erklären und die Sache sei an die erstinstanzliche kantonale Bewilligungsbehörde zwecks Durchführung des Bewilligungsverfahrens für den Erwerb dieser Anteile zurückzuweisen. Der Regierungsrat des Kantons BGE 109 Ib, 95 (97)St. Gallen sowie die Kappeli Buchs AG beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
3. Die Voraussetzungen der Bewilligungspflicht nach Art. 2 lit. c BewB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 BewV können im Falle einer qualifizierten Gründung einer Aktiengesellschaft gemäss Art. 628 OR erfüllt sein. Da im vorliegenden Fall keine Sacheinlagegründung nach Art. 628 Abs. 1 OR vorlag und keine Gründervorteile nach Art. 628 Abs. 3 OR gewährt wurden, stellt sich zunächst die Frage, ob durch den Kauf der Grundstücke unmittelbar nach der Gründung der Beschwerdegegnerin die Voraussetzungen einer Sachübernahmegründung erfüllt seien. Eine Sachübernahmegründung liegt vor, wenn die Gesellschaft vor oder unmittelbar nach ihrer Gründung Vermögenswerte übernimmt (Art. 628 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 81 Abs. 2 der Verordnung über das Handelsregister vom 7. Juni 1937). Seit langem nimmt die herrschende Meinung eine Sachübernahme auch dann an, wenn bei der Gründung zwar noch keine Übernahmeverträge abgeschlossen sind, wohl aber "einigermassen feste Absichten für die nächste Zukunft und eine fast sichere Aussicht auf Verwirklichung derselben besteht" (SIEGWART, Zürcher Kommentar, N. 55 zu Art. 628 OR; vgl. auch WEHRLI, Die Sachübernahmegründung der AG nach schweizerischem und deutschem Recht, S. 72 f.; FUNK, Kommentar des Obligationenrechts, N. 3 zu Art. 628 OR; V. STEIGER, Das Recht der AG, II. Aufl., S. 77 f.; FURLER, Die Sachübernahme im Aktienrecht in SJZ 45/1949 S. 133 f.; SCHUCANY, Kommentar zum schweizerischen Aktienrecht, N. 6 zu Art. 753 OR). Das Bundesgericht hat diese Auffassung grundsätzlich bestätigt, aber gleichzeitig gefunden, sie sei eher zu eng formuliert; denn es komme nicht nur eine Übernahme von Sachwerten in Betracht, die unmittelbar nach der Gründung oder Kapitalerhöhung erfolge, sondern auch eine erst für später vorgesehene, sofern sie nur zum voraus geplant und ihre Ausführung z.B. mit Rücksicht auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrates als einigermassen sicher anzusehen sei (BGE 83 II 290 E. 3c). Die neuere Lehre bestätigt dies, offensichtlich auch FORSTMOSER (FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht, Zürich 1981, N. 79 zu § 10; PATRY, Précis de droit suisse des sociétés, Bd. II, S. 97). Eine Meinungsverschiedenheit zwischen diesen beiden Autoren, wie die Vorinstanz behauptet, ist nicht feststellbar. Wie es sich bei eigentlichen BGE 109 Ib, 95 (98)Optionen verhält, ist nicht zu prüfen, da es im vorliegenden Fall nicht um eine Option ging.
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Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass sie vor der Gründung der Gesellschaft die Absicht hatte, die Grundstücke Nrn. 3135 und 3091 zu erwerben, macht aber geltend, von einer fast sicheren Aussicht auf Verwirklichung der Erwerbsabsicht könne keine Rede sein. Sie habe erst nach der Gründung mit den Verkäufern Vetragsverhandlungen über die Grundstücke aufgenommen und diese seien im Zeitpunkt der Gründung mit anderen Interessenten in Verhandlung gestanden. Die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Sachübernahmegründung nach den Regeln des Privatrechts vorliegt, kann jedoch offengelassen werden. Die Bewilligungspflicht nach BewB kann jedenfalls nicht verneint werden.
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a) Art. 2 lit. c BewB unterstellt den ausländischen Erwerb von Anteilen am Vermögen juristischer Personen oder Personengesellschaften, deren Vermögen ganz oder überwiegend aus Grundstücken besteht, der Bewilligungspflicht. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, den Erwerb von Kapitalanteilen unter 25 Prozent an Gesellschaften mit Grundeigentum durch Personen im Ausland von der Bewilligungspflicht zu befreien (BBl 1972 II 1254). Damit wäre eine Angleichung an die Regel geschaffen worden, wonach der Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz durch eine bereits bestehende Immobiliengesellschaft mit geringem ausländischen Kapitalanteil (weniger als ein Drittel) nicht bewilligungspflichtig ist (vgl. Art. 5 Abs. 1 BewV). Die Kommission des Nationalrates hat diese Lockerung jedoch gestrichen, da Schwierigkeiten bei der Anwendung sowie Umgehungsmanöver nicht hätten ausgeschlossen werden können (vgl. Amtl.Bull. 1972 N 2221). Daraus kann nun entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin nicht abgeleitet werden, Art. 2 lit. c BewB und Art. 2 Abs. 1 BewV müssten einschränkend interpretiert werden. Die Streichung der BGE 109 Ib, 95 (99)vom Bundesrat vorgeschlagenen Lockerung für den Erwerb von Minderheitsanteilen durch Personen im Ausland besagt vielmehr, dass diese Bestimmungen in einem strengen Sinn anzuwenden sind.
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b) In Auslegung von Art. 2 lit. c BewB unterstellt Art. 2 Abs. 1 BewV auch die Beteiligung von Personen im Ausland an einer Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung der Bewilligungspflicht. In diesem Sinn ist Art. 2 lit. c BewB in der Gesetzesberatung stets aufgefasst worden. Im Nationalrat wurde zwar ein Antrag abgelehnt, die "Gründung von Immobiliengesellschaften" als bewilligungspflichtigen Erwerb von Grundstücken zu bezeichnen. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, es fehle eine klare Definition des Ausdruckes "Immobiliengesellschaft" und eine Apportgründung falle sowieso unter die Bewilligungspflicht (Amtl.Bull. 1972 N 2221-2223). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass nur die Beteiligung an einer Sacheinlage- oder -übernahmegründung, nicht aber an einer Bargründung bewilligungspflichtig sei. In der nationalrätlichen Debatte wurde zwar die gesellschaftsrechtliche Unterscheidung zwischen Bar- und Apportgründung zweimal erwähnt, aber die Unterscheidung ist nicht in den Gesetzestext aufgenommen worden. Die Kommissionssprecher haben versichert, dass neu gegründete Gesellschaften mit Ausländer-Beteiligung der Bewilligungspflicht unterstehen, wenn sie nach der Gründung Grundstücke erwerben. Es widerspricht dem Sinn der parlamentarischen Verhandlungen keineswegs, auch Gesellschaftsgründungen, die nach Obligationenrecht möglicherweise noch als Bargründungen zu gelten hätten, unter Bewilligungspflicht zu stellen, wenn Personen im Ausland beteiligt sind und von vornherein zu erkennen ist, dass ein grosser Teil des Gesellschaftsvermögens in absehbarer Zeit in Grundstücken angelegt sein wird.
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c) Unter welchen nähern Voraussetzungen eine neugegründete, zum Handelsregistereintrag angemeldete Gesellschaft der Bewilligungspflicht untersteht, folgt nicht allein aus Art. 2 lit. c BewB und Art. 2 Abs. 1 BewV und den darin verwendeten Ausdrücken, sondern ist vor allem auch aus dem Zweck des BewB, unter Berücksichtigung der praktischen Folgen zu beurteilen. Es ist nicht sinnvoll, die Beteiligung von Personen im Ausland an der Gründung einer juristischen Person oder Personengesellschaft ohne juristische Persönlichkeit der Bewilligungspflicht nur dann zu unterstellen, wenn deren Vermögen schon im Zeitpunkt der Gründung ganz oder überwiegend aus Grundstücken besteht. Die BGE 109 Ib, 95 (100)ausländische Beteiligung muss auch dann erfasst werden können, wenn die feste Absicht der Gründer vorhanden ist, Grundstücke zu erwerben, jedoch im Zeitpunkt der Gründung die Verwirklichung der ins Auge gefassten Projekte noch nicht gewiss ist, sofern auf Grund der gesamten Umstände anzunehmen ist, dass die Gesellschaft in absehbarer Zeit Grundstücke erwerben wird und im Hinblick auf dieses Ziel gegründet würde. Art. 2 lit. c BewB erfasst also in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 BewV etwas mehr als nur die Sachübernahmegründung nach Art. 628 Abs. 2 OR. Dies entspricht dem Ziel des BewB, die Bewilligungspflicht mit Blick auf den Grundstückerwerb von Personen im Ausland zu verschärfen (vgl. Amtl.Bull. 1972 N 2223). Andernfalls wäre es ein leichtes, die Bewilligungspflicht zu umgehen, indem zunächst eine Immobiliengesellschaft mit geringer ausländischer Beteiligung gegründet würde, und erst einige Zeit nach der Gründung würden bestimmte Projekte realisiert.
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d) Der Erwerb von Grundstücken durch bestehende Gesellschaften mit Minderheitsbeteiligung von Personen im Ausland ist bewilligungsfrei, ebenso die Umwandlung einer Betriebsgesellschaft mit ausländischer Minderheitsbeteiligung in eine Immobiliengesellschaft; Neugründungen von Immobiliengesellschaften mit gleichen Beteiligungsverhältnissen sind dagegen bewilligungspflichtig. Diese Unterschiede wurden vom Parlament bewusst nicht beseitigt. Das gesetzgeberische Motiv braucht nicht nur in der Abwehr von Umgehungsgefahren oder Anwendungsschwierigkeiten zu liegen; es kann der Zweckrichtung des BewB entsprechend ein selbständiger Grund sein, bestehende Gesellschaften in ihrer Tätigkeit nicht zu hemmen, aber neue Ausländerbeteiligungen an Immobiliengesellschaften abzuwehren.
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e) Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdegegnerin zum Zwecke des An- und Verkaufes sowie der Überbauung und Verwaltung von Grundstücken im In- und Ausland gegründet. Dass sie in absehbarer Zeit nach der Gründung Grundstücke kaufen würde, war nach ihren eigenen Angaben vorgesehen. Ungewiss war lediglich die Realisierbarkeit eines bestimmten Projektes. Dass die Gesellschaft auch gegründet worden wäre, wenn kein Grundstück hätte erworben werden können, wird nicht geltend gemacht, und es ergeben sich dafür auch keine Anhaltspunkte in den Akten. Demnach unterlag die Beteiligung von Dr. Benno Matt an der Gründung der Beschwerdegegnerin der Bewilligungspflicht nach BewB.
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BGE 109 Ib, 95 (101)Bei dieser Sachlage hätte das Handelsregisteramt des Kantons St. Gallen die Eintragung der neu gegründeten Kappeli Buchs AG ins Handelsregister nicht ohne weiteres vornehmen dürfen. Denn nach Art. 22 BewV muss der Handelsregisterführer die Anmeldung abweisen, wenn sich die Bewilligungspflicht für die Gründung oder Kapitalerhöhung ohne nähere Prüfung annehmen lässt und die rechtskräftige Bewilligung nicht vorliegt (Abs. 1); lässt sich die Bewilligungspflicht ohne nähere Prüfung nicht ausschliessen und liegt eine rechtskräftige Bewilligung nicht vor, so muss der Handelsregisterführer den Anmeldenden an die Bewilligungsbehörde verweisen (Abs. 2). Im vorliegenden Fall hätte er zumindest Bedenken bezüglich der Bewilligungspflicht haben müssen, handelte es sich doch um eine Eintragung einer Aktiengesellschaft, die lediglich den An- und Verkauf sowie die Überbauung und Verwaltung von Grundstücken im In- und Ausland bezweckte und an deren Gründung Personen mit Wohnsitz im Ausland beteiligt waren.
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