VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 104 Ib 374  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Erwägung:
1. Es ist unbestritten, dass sich der Lagerplatz der Beschwerdef& ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
58. Auszug aus dem Urteil vom 10. November 1978 i.S. Schnellmann AG gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz
 
 
Regeste
 
Gewässerschutz.  
- Begriff der Anlage im Sinne von Art. 20 GSchG (E. 1b).  
 
Sachverhalt
 
BGE 104 Ib, 374 (374)Die Bauunternehmung Schnellmann AG, Siebnen, ist Pächterin eines Grundstückes, das ausserhalb des generellen Kanalisationsprojektes (GKP) der Gemeinde Wangen SZ, auf der sogenannten Wangener Allmeind liegt. Die Schnellmann AG errichtete auf diesem Grundstück einen Lagerplatz für ihre Bauunternehmung. Sie schüttete zu diesem Zweck Kies auf und errichtete eine Baracke sowie einen Unterstand. Heute werden auf diesem Gelände Baumaschinen und Baumaterialien sowie nicht mehr verwendbare Maschinen und Materialien abgelagert.
1
Da das Amt für Umweltschutz des Kantons Schwyz der Auffassung war, die Errichtung dieses Lagerplatzes verstosse gegen das Gewässerschutzgesetz (GSchG) und den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung (BMR), verfügte es, der Lagerplatz und die BGE 104 Ib, 374 (375)darauf errichteten Bauten müssten beseitigt und der frühere Zustand wiederhergestellt werden. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz bestätigte auf Beschwerde hin diesen Entscheid am 9. Januar 1978 im wesentlichen, war aber der Ansicht, das aufgeschüttete Kies stelle keine Gefährdung der Gewässer dar; eine Entfernung desselben brauche daher im Rahmen des Gewässerschutzrechtes nicht gefordert zu werden. Er ordnete jedoch eine Wegräumung der Kiesaufschüttung an, soweit der Lagerplatz im Bereiche der Schutzzone im Sinne des BMR liege.
2
Die Schnellmann AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates. Sie verlangt die vollumfängliche Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist den Regierungsrat an, die Anordnung der Wegschaffung des Kieses nochmals zu überprüfen. Soweit der angefochtene Entscheid jedoch gestützt auf das GSchG die Entfernung der Bauten, Maschinen und übrigen Ablagerungen fordert, weist das Bundesgericht die Beschwerde ab, aus der folgenden
3
 
Erwägung:
 
4
a) Das Bundesgericht hat im unveröffentlichten Urteil Weber vom 11. Oktober 1974 festgehalten, Art. 20 GSchG beziehe sich, gleich wie Art. 19 GSchG, auf "Bauten und Anlagen aller Art", also auch auf Bauten und Anlagen, aus denen kein Abwasser anfalle. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Es sollen grundsätzlich alle Bauten und Anlagen, für die nicht ein sachlich begründetes Bedürfnis nachzuweisen ist, in den Bauzonen konzentriert werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Bauten oder Anlagen eine konkrete gewässerpolizeiliche Gefahr mit sich bringen. Bei der Schaffung von Art. 20 GSchG BGE 104 Ib, 374 (376)wurden nicht nur gewässerpolizeiliche, sondern auch raumplanerische Ziele verfolgt (BGE 103 Ib 113, BGE 100 Ib 91). Der Bund war im Zeitpunkt des Erlasses des Gewässerschutzgesetzes (8. Oktober 1971) bereits befugt, über den Gewässerschutz hinaus im Rahmen der Art. 22quater BV und 24septies BV raumplanerische Ziele sowie Ziele des Umweltschutzes zu verfolgen. Es entspricht einer verfassungskonformen Auslegung, wenn angenommen wird, Art. 20 GSchG müsse auch dann angewandt werden, wenn im Einzelfall nicht dargetan ist, dass von der Baute oder Anlage eine konkrete Gefährdung für ein ober- oder unterirdisches Gewässer ausgeht.
5
Bei dieser Rechtslage ist es unter dem Gesichtspunkt von Art. 20 GSchG unerheblich, ob beim Lagerplatz der Beschwerdeführerin Abwasser anfallen oder nicht. Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt zwar, dass auf dem Lagerplatz einer Bauunternehmung immer mit Schmutzwasser oder Verlusten von wassergefährdenden Flüssigkeiten zu rechnen ist und dass diese Einrichtungen daher eine latente Gefährdung für das Grundwasser in sich schliessen. Nach der zitierten Rechtsprechung braucht aber nicht geprüft zu werden, wie konkret diese Gefährdung im vorliegenden Fall ist, da Gebäude und Anlagen ausserhalb des GKP auch ohne Nachweis einer solchen Gefährdung unter die Bestimmung von Art. 20 GSchG fallen.
6
b) Die Beschwerdeführerin wendet ein, sie habe keine Anlage im Sinne von Art. 20 GSchG erstellt. Der Begriff der Anlage sei im GSchG der gleiche wie im BMR und gemäss Art. 6 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum BMR könne man nur "bei erheblichen Geländeveränderungen" von einer Anlage sprechen. Dieses Argument ist nicht stichhaltig, denn Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung zählt nur Beispiele auf, die unter den Begriff der Anlage fallen. Diese Aufzählung ist aber nicht abschliessend. Das Bundesgericht hat im übrigen den Begriff der Anlage im GSchG und im BMR nach dem Sinn und Zweck der beiden Erlasse zu beurteilen.
7
Art. 20 GSchG stellt die Anlagen den Gebäuden gleich und lässt beide ausserhalb des GKP nur zu, wenn ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen wird. Aus dieser Gleichstellung muss geschlossen werden, dass eine Einrichtung dann als Anlage im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren ist, wenn ihre Wirkung, insbesondere in bezug auf die Gewässer und die Raumordnung ähnlich ist wie diejenige von Gebäuden.
8
BGE 104 Ib, 374 (377)Die Beschwerdeführerin hat zur Einrichtung ihres Lagerplatzes Kies aufgeschüttet sowie eine Baracke und einen Unterstand aufgebaut. Sie lagert auf diesem Areal Baumaschinen und Baumaterial sowie nicht mehr verwendbare Maschinen und Materialien ab. Eine Einrichtung von diesem Ausmass und solcher Ausstattung hat in gewässerpolizeilicher und raumplanerischer Hinsicht eine ähnliche Wirkung wie ein Gebäude. Sie kann in gleicher Weise, oder möglicherweise noch stärker als ein Gebäude, die Landschaft verunstalten und bringt eine, mindestens latente Gefährdung der Gewässer mit sich. Der Lagerplatz der Beschwerdeführerin ist daher als Anlage im Sinne von Art. 20 GSchG zu betrachten.
9
c) Die Beschwerdeführerin hat für ihren Lagerplatz kein sachlich begründetes Bedürfnis im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dargetan. Der Regierungsrat konnte daher ohne Bundesrechtsverletzung die Aufhebung dieses Lagerplatzes und die Entfernung sämtlicher Materialien, die sich darauf befinden, verlangen.
10
Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit, welche das Bundesgericht im Bereiche des GSchG überprüfen kann (Art. 10 GSchG), ist der regierungsrätliche Entscheid ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die vom Gesetz geforderte Ordnung kann grundsätzlich nicht ohne Abräumung des Lagerplatzes verwirklicht werden.
11
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).