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Informationen zum Dokument  BGE 100 Ib 166  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerdeführerin ist offenbar der Meinung, der rev. ...
2. Nach Art. 29 WUStB darf die Warenumsatzsteuer auf den Warenabn ...
3. Die Beschwerdeführerin befasst sich u.a. mit der Verlegun ...
4. Hieraus folgt, dass die Beschwerdeführerin bei allen von  ...
5. Allerdings räumt Ziff. II Abs. 4 des BRB vom 28. Juni 197 ...
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27. Urteil vom 5. Juli 1974 i.S. X. AG gegen Eidg. Steuerverwaltung
 
 
Regeste
 
Warenumsatzsteuer, Überwälzung auf den Abnehmer.  
2. Die Steuer auf baugewerblichen Arbeiten (z.B. Bodenbelagsarbeiten) darf nur durch Einrechnung in den Lieferungspreis überwälzt werden, auch wenn der Abnehmer nicht ein privater Bauherr, sondern ein Gewerbetreibender ist, der die Arbeiten seinerseits seinem Besteller in Rechnung stellt.  
 
Sachverhalt
 
BGE 100 Ib, 166 (166)A.- Art. 29 WUStB bestimmte in der ursprünglichen Fassung: BGE 100 Ib, 166 (167)"Die Überwälzung der Steuer bleibt der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Lieferanten und ihren Abnehmern vorbehalten.
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Wird nichts anderes abgemacht, so gilt als vereinbart, dass die Warenumsatzsteuer bei Detaillieferungen im Entgelt eingeschlossen ist und bei Engroslieferungen dem Abnehmer der Waren neben dem Entgelt angerechnet werden kann.
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Vorbehalten bleiben die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement aufzustellenden Grundsätze über die Berücksichtigung der Warenumsatzsteuerbelastung beim Erlass von Preisvorschriften."
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Die heutige, durch den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950 über die Ausführung der Finanzordnung 1951 bis 1954 eingeführte und auf den 1. Oktober 1951 in Kraft gesetzte Fassung lautet:
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"Die Überwälzung der Steuer auf den Warenabnehmer ist gestattet. Bei Detaillieferungen darf sie nur in der Weise bewirkt werden, dass der Lieferer den von ihm geschuldeten oder ihm auf dem Überwälzungswege angerechneten Steuerbetrag in den Lieferungspreis einrechnet. Ausnahmen kann der Bundesrat bewilligen."
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Auf den letzten Satz des rev. Art. 29 WUStB stützt sich der Bundesratsbeschluss vom 24. Juli 1951 betreffend Überwälzung der Warenumsatzsteuer (BRB 1951), der bestimmt:
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"Art. 1
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Der Grossist darf die Warenumsatzsteuer auf Detaillieferungen dem Abnehmer gesondert in Rechnung stellen, wenn er diese Lieferungen zu Preisen ausführt, die er in seinem Geschäftsbetrieb für Engroslieferungen fordert.
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Art. 2
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Dieser Beschluss tritt am 1. Oktober 1951 in Kraft."
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B.- Die X. AG ist als Grossist im Sinne des WUStB steuerpflichtig. Sie vertreibt Teppiche und andere Bodenbeläge aus Textilien. Zum Teil verlegt sie solche Beläge selber oder lässt sie in ihrem Namen durch Unterakkordanten verlegen. Ausserdem liefert sie Belagsmaterial an selbständige Unternehmer, die im eigenen Namen Verlegearbeiten ausführen. Soweit sie das Material selber verlegt, sind ihre Kunden entweder private Besteller oder Gewerbetreibende, welche bei ihnen bestellte Belagsarbeiten von ihr ausführen lassen.
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C.- Die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) stellte fest, dass die X. AG bei der Fakturierung der für andere Unternehmer besorgten Verlegearbeiten die Warenumsatzsteuer gesondert BGE 100 Ib, 166 (168)aufführte. Am 18. Januar 1973 entschied sie, dass die Firma die Steuerüberwälzung bei Arbeiten an Bauwerken (Bodenbelagsarbeiten) nur durch Einrechnung des Steuerbetrags in den Lieferungspreis bewirken dürfe, und dass in Preislisten und Offerten für solche Arbeiten jeder Hinweis auf die Warenumsatzsteuer untersagt sei. Auf Einsprache der Steuerpflichtigen hin bestätigte die EStV diesen Entscheid am 19. Juli 1973.
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Sie führte aus, nach den klaren Vorschriften könne der Grossist bei Detaillieferungen die Steuer nur dann offen überwälzen, wenn er nachweise, dass er für Detail- und Engroslieferungen der in Frage stehenden Art die gleichen Preise berechne. Arbeiten an Bauwerken - mit oder ohne Einbau von Werkstoffen - könnten aber nie Engroslieferungen sein; wie Art. 15 bis Abs. 3 WUStB bestätige, seien sie immer Detaillieferungen, gleichgültig, ob der Besteller ein Privater oder ein Unternehmer sei, welcher sie seinerseits seinem Besteller verrechne. Die Anwendung des BRB 1951 auf die Herstellung von Bauwerken sei somit generell ausgeschlossen.
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D.- Die X. AG erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Einspracheentscheid sei aufzuheben, und es sei zu erkennen, "dass die Beschwerdeführerin die Warenumsatzsteuer bei Lieferung von Bodenbelägen an Wiederverkäufer mit Ausführung des Verlegens offen in Rechnung stellen und erwähnen darf".
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Es wird geltend gemacht, Art. 15 bis WUStB stelle jedenfalls dann, wenn er im Sinne der Auffassung der EStV verstanden werde, eine Fiktion auf, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme. Die Lieferung von Bodenbelägen an Wiederverkäufer sei nicht eine Detail-, sondern eine Engroslieferung, auch wenn der Lieferer für den Engroskunden die Verbindung mit dem Bauwerk besorge und ihm dafür Rechnung stelle.
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Der Grundsatz, dass die Steuer bei Detaillieferungen nur verdeckt überwälzt werden darf, sei offensichtlich nur eingeführt worden, um die Stimmbürger nicht zu verärgern, obwohl er tatsächlich ihrem Interesse zuwiderlaufe, da er dazu anreize, ihnen einen zu hohen Betrag zu überwälzen. Er sei nun überholt, nachdem die Warenumsatzsteuer den Charakter der Neuheit verloren habe; er dürfe daher nicht ausdehnend interpretiert werden. Beim Erlass des BRB 1951 sei anscheinend kein Wert mehr auf das Verdecken der Steuer gelegt worden; deshalb habe man die offene Überwälzung selbst bei BGE 100 Ib, 166 (169)Fakturierung an Detailkunden gestattet, wenn Engros- und Detailpreise zusammenfallen. Offenbar sollten damit doppelte Kosten für Drucksachen usw. vermieden werden, welche nur die Ware verteuerten. Die gleiche ratio legis gelte erst recht, wenn nicht dem Detailkunden fakturiert werde, sondern dem Wiederverkäufer, für den das offene Überwälzen ohnehin die Regel sei.
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Die Kosten des Verlegens müssten ihrer Natur nach allen Kunden zum gleichen Preis fakturiert werden. Werde auf der Fiktion beharrt, dass die Beschwerdeführerin ein Detailgeschäft tätige. wenn sie beim Verkauf des Bodenbelags an Engroskunden auch das Verlegen übernehme, so müsse der BRB 1951 auf dieses Geschäft ebenfalls Anwendung finden.
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Wenn es beim angefochtenen Entscheid bliebe, müsste die Beschwerdeführerin zweierlei Preislisten erstellen und versenden, was einen jährlichen Mehraufwand von mindestens Fr. 12 800.-- erfordern würde, der schliesslich dem Detailkunden zur Last fiele, ohne ihm irgendwelchen Nutzen zu bringen.
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Die Steuererhöhung, die am 1. Januar 1972 in Kraft getreten ist, habe selbst bei Detaillieferungen und Bauarbeiten offen überwälzt werden dürfen, wenn die frühere Offerte oder Vereinbarung auf den alten Steueransätzen beruht habe. Auch in diesem Fall, der sich bei jeder neuen Steuererhöhung wiederhole, werde also die Regel des Art. 29 WUStB durchbrochen.
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Übrigens stelle sich auch die Frage, ob die strittigen Bestimmungen über die Steuerüberwälzung gesetz- und verfassungsmässig seien. Sie stammten aus einer Zeit, da die Preise behördlich vorgeschrieben gewesen seien. Heute beständen aber keine solchen Preisvorschriften mehr. Nach dem geltenden Verfassungsrecht - Art. 41 ter BV - sei die Kompetenz der Verwaltung auf die Festsetzung der Steuerforderung beschränkt. Die umstrittene Ordnung ermangle nun der gesetzlichen Grundlage. Sie widerspreche der Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit.
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E.- Die EStV beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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BGE 100 Ib, 166 (170)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Die Bundesversammlung hat den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950 über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954, in dem sie Art. 29 WStB neu gefasst hat, gestützt auf eine ihr durch die Bundesverfassung (Art. 5 des Bundesbeschlusses vom 29. September 1950 über die Finanzordnung 1951-1954) erteilte Ermächtigung unter Ausschluss des Referendums erlassen. Sie hat ihn nach der damaligen Praxis in die Form des einfachen Bundesbeschlusses gekleidet. In der Lehre ist umstritten, ob rechtsetzende einfache Bundesbeschlüsse zu den "von der Bundesversammlung erlassenen Gesetzen und allgemein verbindlichen Beschlüssen" gehören, an die das Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3 BV gebunden ist, oder ob sie vom Gericht gleich wie Rechtsverordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtsbeständigkeit überprüft werden können. In einem Urteil vom 13. Mai 1966 (ASA Bd. 35 S. 385), das ebenfalls den genannten Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1950 betrifft, hat das Bundesgericht die Frage offengelassen. Sie stellt sich heute hinsichtlich des neuen Art. 29 WUStB nicht mehr, wie sich aus den folgenden Überlegungen ergibt.
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Nachdem die Bestimmungen der Finanzordnung 1951-1954 (des Bundesbeschlusses vom 29. September 1950) durch Bundesbeschluss vom 25. Juni 1954 über die Finanzordnung 1955-1958 auch für diese Jahre anwendbar erklärt worden waren, wurde in Art. 8 Üb. Best. BV (Fassung gemäss Bundesbeschluss vom 31. Januar 1958 über die verfassungsmässige Neuordnung des Finanzhaushaltes des Bundes) u.a. angeordnet, dass bis zum Erlass eines einschlägigen Ausführungsgesetzes zu Art. 41 ter BV "die bisherigen Bestimmungen" über die Warenumsatzsteuer (unter gewissen hier nicht in Betracht fallenden Vorbehalten) "in Kraft bleiben". Entsprechend sagt der heutige Text des Art. 8 Üb. Best. BV (Fassung gemäss Bundesbeschluss vom 11. März 1971 über die Weiterführung der Finanzordnung des Bundes), dass unter Vorbehalt der Änderung durch Bundesgesetz im Rahmen von Art. 41 ter BGE 100 Ib, 166 (171)(und unter weiteren Vorbehalten, die hier nicht von Bedeutung sind) "die am 31. Dezember 1970 geltenden Bestimmungen" über die Warenumsatzsteuer "in Kraft bleiben". Zu den "bisheri-gen" und den "am 31. Dezember 1970 geltenden" Bestimmungen über die Warenumsatzsteuer, die durch Art. 8 Üb. Best. BV (alt und neu) in Kraft belassen worden sind, gehören aber auch der revidierte Art. 29 WUStB und der BRB 1951. Sie sind demnach durch die Bundesverfassung bestätigt worden und können daher vom Bundesgericht nicht auf ihre Rechtsbeständigkeit überprüft werden. Da das Gericht an Art. 8 Üb. Best. BV gebunden ist, muss es auch die Bestimmungen, die in dieser Verfassungsvorschrift für verbindlich erklärt werden, ohne weiteres als massgebend betrachten.
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Zu prüfen bleibt der weitere Einwand der Beschwerdeführerin, jedenfalls habe die EStV im angefochtenen Entscheid den Art. 29 WUStB und den BRB 1951 unrichtig ausgelegt und angewandt.
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2. Nach Art. 29 WUStB darf die Warenumsatzsteuer auf den Warenabnehmer überwälzt werden. Die Art der Überwälzung ist aber nicht völlig dem Belieben des Lieferers überlassen. Für die Engroslieferungen bestehen in dieser Beziehung keine Vorschriften. Anders verhält es sich mit den Detaillieferungen: Bei ihnen darf nach Art. 29 WUStB die Überwälzung nur in der Weise bewirkt werden, dass der Lieferer den von ihm geschuldeten oder ihm auf dem Überwälzungswege angerechneten Steuerbetrag in den Lieferungspreis einrechnet, unter Vorbehalt von Ausnahmen, die der Bundesrat bewilligen kann. Gestützt auf diesen Vorbehalt hat der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 24. Juli 1951 dem Grossisten erlaubt, die Steuer auf Detaillieferungen den Abnehmern dann gesondert in Rechnung zu stellen, wenn er diese Lieferungen zu Preisen ausführt, die er in seinem Geschäftsbetriebe für Engroslieferungen fordert. Wo die offene Überwälzung verboten ist, darf die Steuer auch in Unterlagen (Preislisten, Offerten usw.), die den Abnehmer vor dem Vertragsabschluss über die Preise orientieren, nicht in Erscheinung treten.
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Wie Art. 15 Abs. 3 WUStB bestimmt, gilt als Engroslieferung die Lieferung von Waren für den Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken. Als Detaillieferungen gelten nach Art. 19 Abs. 2 WUStB alle Lieferungen, auf welche die Voraussetzungen BGE 100 Ib, 166 (172)von Art. 15 Abs. 3 nicht zutreffen. Gemäss Art. 15bis Abs. 3 WUStB gilt die Herstellung von Bauwerken für fremde Rechnung als Detaillieferung desjenigen, der die Herstellung ausführt. Der Art. 29 WUStB und der BRB 1951 sind im Sinne dieser Umschreibungen auszulegen. Es versteht sich von selbst, dass die Ausdrücke "Engroslieferungen" und "Detaillieferungen" in allen Vorschriften der Gesetzgebung über die Warenumsatzsteuer, in denen sie verwendet werden, die gleiche Bedeutung haben müssen.
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In der Tat können baugewerbliche Arbeiten, wie sie hier in Frage stehen, unter keinen Umständen als Engroslieferungen im Sinne des Art. 15 Abs. 3 WUStB angesehen werden. Durch die Verbindung mit dem Bauwerk verlieren die verwendeten Belagsmaterialien (Werkstoffe) die Wareneigenschaft; denn sie können nun nicht mehr Gegenstand eines Fahrniskaufes sein (Art. 17 WUStB). Sie werden dem Besteller nicht "für den Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken" (Art. 15 Abs. 3 WUStB) geliefert, Vielmehr wird ihm das bestellte Werk geliefert, in das die Belagsmaterialien bei der Herstellung übergegangen sind (Art. 18 WUStB). Gegenstand einer Engroslieferung im Sinne des Warenumsatzsteuerrechts können nur Waren sein, nicht auch Bauwerke. Das ergibt sich schon aus Art. 15 Abs. 3 WUStB und wird durch Art. 15 bis Abs. 3 WUStB bestätigt. Arbeiten, mit denen Bauwerke für fremde Rechnung hergestellt werden, sind demnach immer Detaillieferungen, auch wenn der Besteller nicht ein privater Bauherr ist, sondern ein Gewerbetreibender, der die Arbeit seinerseits seinem Besteller verrechnet.
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Die Beschwerdeführerin behauptet, mit der "Lieferung von BGE 100 Ib, 166 (173)Bodenbelägen an Wiederverkäufer" führe sie eine "Engroslieferung" aus, und zwar auch dann, wenn sie für den "Engroskunden" die Verbindung mit dem Bauwerk besorge. Diese Ausdrucksweise mag einem kaufmännischen Sprachgebrauch entsprechen, doch deckt sie sich nicht ganz mit den steuerrechtlichen Begriffen der Detail- und der Engroslieferung. Allerdings liegt eine Engroslieferung im Sinne des Art. 15 Abs. 3 WUStB vor, wenn die Beschwerdeführerin Bodenbelagsmaterial für den Wiederverkauf oder als Werkstoff für die vom Abnehmer auszuführende gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken verkauft. Anders verhält es sich dagegen, wenn nicht der "Engroskunde", sondern die Beschwerdeführerin selber den von ihr gelieferten Werkstoff mit dem Bauwerk verbindet. In diesem - Gegenstand des Streites bildenden - Fall führt sie auf Grund eines Werkvertrages eine Lieferung aus, die in der Herstellung eines Bauwerkes besteht. Solche Lieferungen sind aber, wie gesagt, immer Detaillieferungen im Sinne des Warenumsatzsteuerrechts.
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Freilich ist daraus, dass der Text einer gesetzlichen Bestimmung an sich klar ist, nicht ohne weiteres zu schliessen, dass für eine sinngemässe Auslegung kein Raum bleibe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf von ihm abgewichen werden, wenn triftige Gründe die Annahme aufdrängen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 99 I/b 507 f. mit Hinweisen).
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BGE 100 Ib, 166 (174)Das grundsätzliche Verbot, die Steuer auf Detaillieferungen offen zu überwälzen, wurde eingeführt, weil die ursprüngliche Ordnung - Freiheit der Wahl zwischen offener und stiller Überwälzung - als unbefriedigend betrachtet wurde. Man fand, das System der verdeckten Überwälzung sei für den Detaillisten einfacher und bewahre ihn vor Fehlrechnungen. Es sei aber auch für den Konsumenten vorteilhafter; denn es erlaube ihm, sich schneller und zuverlässiger über die wirklichen Preise und deren Unterschiede zu orientieren, und es schütze ihn vor Benachteiligung durch irrtümliche Berechnungen. Zudem sollte vermieden werden, dass der Bürger auf Schritt und Tritt an die unbeliebte Steuerbelastung erinnert werde (vgl. Botschaften des Bundesrates vom 19. Juli 1950 über die Finanzordnung 1951-1954 und vom 4. Dezember 1950 über die Ausführung dieser Finanzordnung, BBl 1950 II 438 f. und III 579 f.). Man wollte vor allem dem privaten Konsumenten Anstände und Ärger ersparen. Der Einfachheit halber wurden aber alle Detaillieferungen (im steuerrechtlichen Sinne) in das Verbot einbezogen, ohne Unterschied danach, ob der gelieferte Gegenstand vom Abnehmer zum privaten oder zum gewerblichen Gebrauch verwendet wird (WELLAUER, Warenumsatzsteuer, N 978). Immerhin wurde der Bundesrat ermächtigt, Ausnahmen vom Verbot zu bewilligen, was er durch Erlass des BRB 1951 getan hat. Die dort vorgesehene Ausnahme wurde deshalb als erforderlich erachtet, weil sonst der Grossist, um bei der Festsetzung des Offertpreises den richtigen Steueransatz anrechnen zu können, den einzelnen Interessenten zum voraus anfragen müsste, wozu er die Ware verwenden werde (WELLAUER, a.a.O., N 982). Diese Erwägung trifft aber auf baugewerbliche Arbeiten nicht zu, weil diese stets Detaillieferungen im Sinne des Warenumsatzsteuerrechtes darstellen und daher der Satz, zu dem sie zu versteuern sind, vom Lieferer immer von vornherein, ohne Anfrage beim Abnehmer, festgestellt werden kann. Der BRB 1951 kann daher auf baugewerbliche Arbeiten nicht, auch nicht analog, angewandt werden.
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Mit dem rev. Art. 29 WUStB und dem BRB 1951 wurde eine einfache, leicht durchführbare Ordnung geschaffen. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass diese Regelung zu offensichtlich sinnwidrigen, der ratio legis widersprechenden Ergebnissen führt, wenn die dort verwendeten Begriffe der BGE 100 Ib, 166 (175)Detail-und der Engroslieferung so verstanden werden, wie sie in Art. 15 Abs. 3, Art. 15bis Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 WUStB umschrieben sind. Es mag sein, dass die Beachtung der so ausgelegten Überwälzungsvorschriften in einem Unternehmen, wie es die Beschwerdeführerin betreibt, einen zusätzlichen administrativen Aufwand zur Folge hat. Wenn dies zutrifft, lässt sich daraus aber nicht ableiten, dass die Vorschriften entgegen ihrem klaren Wortlaut ausgelegt werden müssen. Würden die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände eine Ausnahme von der Regel des Art. 29 WUStB rechtfertigen, so wäre es Sache des Gesetzgebers, das Erforderliche anzuordnen.
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5. Allerdings räumt Ziff. II Abs. 4 des BRB vom 28. Juni 1971 über die Änderung des WUStB dem Lieferer unter Vorbehalt einer abweichenden Abmachung das Recht ein, vom Abnehmer die zusätzliche Vergütung des Betrages zu verlangen, um den die Steuer nach den geänderten Bestimmungen höher ist, wenn die Lieferung, für die das Entgelt vor dem 1. Januar 1972 vereinbart wurde, nach den neuen Bestimmungen zu versteuern ist. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Ziff. II Abs. 3 des BRB vom 4. Juli 1973, durch den die Steuersätze nochmals erhöht worden sind. Diese Vorschriften waren zum Schutz des Lieferers erforderlich. Die in ihnen vorgesehene zusätzliche Vergütung der Steuerdifferenz ist naturgemäss nur auf dem Wege der offenen Überwälzung erreichbar. Das gilt auch für Detaillieferungen. Es liegt indes auf der Hand, dass mit den genannten Vorschriften, welche blosse Übergangsbestimmungen sind, das grundsätzliche Verbot der offenen Überwälzung bei Detaillieferungen nicht preisgegeben worden ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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