BVerwGE 69, 208 - Streikarbeit


BVerwGE 69, 208 (208):

Beamte können während eines Streiks auf bestreikten Arbeitnehmer-Dienstposten der Verwaltung eingesetzt werden.
Art. 9 Abs. 3, Art. 33 Abs. 4, 5 GG; BBG SS 27, 54, 55, 79
 
Urteil
des 2. Senats vom 10. Mai 1984
- BVerwG 2 C 18.82 -
I. Verwaltungsgericht Düsseldorf
Der Kläger, Technischer Fernmeldeobersekretär, wurde im November 1980 für einen Tag zum Postamt W. "abgeordnet". In der Verfügung hieß es: Infolge eines Streiks des Tarifpersonals bei der beklagten Bundespost könnten die hoheitlichen Aufgaben im Postdienst beim Postamt W. nicht durchgeführt werden. Es bestehe daher ein öffentliches Interesse, Beamte | des Fernmeldeamtes beim Postamt einzusetzen. Die sofortige Vollziehung der verfügten "Abordnungen" wurde angeordnet. Der Kläger wurde beim Postamt zur Briefkastenleerung eingesetzt. Sein Widerspruch wurde zurückgewiesen, die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides und die Sprungrevision blieben ohne Erfolg.
 
Aus den Gründen:
Die rechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von Beamten auf bestreikten Arbeitnehmer-Dienstposten ihrer Verwaltung ist insbesondere im Anschluß an den auch diesem Verfahren zugrundeliegenden Streik bei der beklagten Deutschen Bundespost im November 1980 Gegenstand eingehender und

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gegensätzlicher Äußerungen im Schrifttum geworden (vgl. verneinend u.a. Bieback, RiA 1982, 61; Menkens, RdA 1982, 101; G. Müller, RdA 1982, 86; H. P. Schneider, RdA 1982, 104; bejahend u.a. Badura in Badura/Stern, Die Rechtmäßigkeit des Beamteneinsatzes beim Streik der Tarifkräfte [München  1983], S. 1-52;  Stern in Badura/Stern [a.a.O.], S. 53-142; von Munch, DÖV 1982, 337; jeweils m.w.N.) . . . Der Senat folgt im Ergebnis den Stimmen, die die Zulässigkeit bejahen.
1. Die streitige Maßnahme war beamtenrechtlich zulässig.
Für die rechtliche Prüfung ist nach dem Zusammenhang des festgestellten Sachverhalts davon auszugehen, daß der angegriffene Bescheid auf eine Tätigkeit des Klägers wie die Briefkastenleerung, zu der er dann eingeteilt wurde, gerichtet war.
Diese Anordnung der Beklagten kann allerdings, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb nicht auf § 27 Abs. 1 BBG gestützt werden, weil die angeordnete Tätigkeit des Klägers nicht seinem statusrechtlichen Amt als Technischer Fernmeldeobersekretär entsprach. Das Wesen der Abordnung i. S. des § 27 Abs. 1 BBG besteht grundsätzlich in der vorübergehenden Zuweisung einer dem statusrechtlichen Amt des betroffenen Beamten entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Behörde) desselben oder eines anderen Dienstherrn, wobei die Zugehörigkeit zur bisherigen Stammdienststelle aufrechterhalten bleibt (vgl. BVerwGE 60, 144 [147]; Urteile vom 20. April 1977 - BVerwG 6 C 154.73  [Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 18] und vom 12. Juni 1979 - BVerwG 2 C  14 78 - [Buchholz 232 § 27 BBG Nr. 3 = ZBR 1979, 306]).
Indessen schließt § 27 Abs. 1 BBG nicht die Möglichkeit aus, den Beamten mit einer seinem statusrechtlichen Amt nicht entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Behörde) dann zu beauftragen, wenn nach anderen Vorschriften oder nach allgemeinen Grundsätzen die (vorübergehende) Übertragung dieser Tätigkeit gerechtfertigt ist. Mit dem Abstellen auf eine dem Amt entsprechende Tätigkeit bringt der Gesetzgeber in § 27 Abs. 1 BBG - worauf die Revision insoweit zutreffend hinweist - für den Fall der Abordnung den auch sonst geltenden Grundsatz zum Ausdruck, daß der Beamte Anspruch auf Übertragung eines seinem statusrecht

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lichen Amt entsprechenden funktionellen Amtes, eines "amtsgemäßen Aufgabenbereichs", hat (vgl. auch § 26 BBG sowie BVerwGE 49, 64 [69]; 144 [150]; 65, 270 [273]). Soweit dieser Grundsatz nicht entgegensteht, dem Beamten innerhalb seiner Stammdienststelle eine seinem Amt nicht entsprechende Tätigkeit zu übertragen, schließt auch § 27 Abs. 1 BBG nicht aus, dem Beamten eine derartige Tätigkeit vorübergehend bei einer anderen Dienststelle (Behörde) zu übertragen. In diesem Sinne hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. Juni 1979 (a.a.O.) den Fall des Einverständnisses des Beamten sowie Not- oder Katastrophenfälle erwähnt.
Im vorliegenden Falle war die vorübergehende Einteilung des Klägers zur Briefkastenleerung durch das Weisungsrecht des Dienstherrn (§ 55 Satz 2 BBG) im Rahmen der Beamtenpflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 54 Satz 1 BBG) gerechtfertigt. Das Recht des Dienstherrn, nach diesen Vorschriften dem Beamten Aufgaben  zuzuweisen, ist allerdings grundsätzlich begrenzt durch den genannten Anspruch des Beamten auf Zuweisung eines amtsgemäßen Aufgabenbereichs.  Indessen steht dieser Anspruch unter Berücksichtigung der das Beamtenverhältnis kennzeichnenden besonderen Treuepflicht und Verpflichtung auf das Wohl der Allgemeinheit (Art. 33 Abs. 4, 5 GG, § 52 BBG) nicht jeder Heranziehung einer vorübergehenden aushilfsweisen Dienstleistung außerhalb des amtsgemäßen Aufgabenbereichs entgegen (vgl. auch Urteil des Senats vom 12. Juni 1979 [a.a.O.]; RGSt. 59, 149 [151 ff.]). Die Voraussetzungen für die vorüber gehende Anordnung einer nicht amtsgemäßen Tätigkeit, wie sie hier vor liegt, müssen enger sein als das in § 27 BBG für Abordnungen allgemein geforderte dienstliche Bedürfnis sowie die in der - nur für Bundesbahnbeamte geltende - Sondervorschrift des §21 Bundesbahngesetz geforderten betrieblichen  Gründe.  Erforderlich  für eine solche Anordnung ist eine infolge einer Ausnahmesituation (z. B. Katastrophen, Streiks, sehr hoher Krankenstand)  zu  befürchtende  Störung in  der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung. Diesen Erwägungen entspricht es, daß der frühere Bundesdisziplinarhof z. B. im Falle stoßweiser sehr hoher Arbeitsbelastung durch den Weihnachts- und Neujahrsverkehr die kurzzeitige Einteilung eines Postbeamten des gehobenen technischen Dienstes zum Verteilen von Postsendungen sowie eines Zollinspektors auf den Dienstposten eines Zoll

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hauptsekretärs als zulässig angesehen hat (BDHE 6, 92 = ZBR 1963, 29; Beschluß vom 7. Juli 1965 - III DV 3/65 -), nicht dagegen die längere Beschäftigung eines Posthauptschaffners auf dem Arbeiterdienstposten eines Pförtners aufgrund seiner eingeschränkten Dienstfähigkeit (BDHE 7, 88 = ZBR 1966, 383).
Im vorliegenden Falle diente der vorübergehende nicht amtsgemäße Einsatz des Klägers der Aufrechterhaltung der der Beklagten als öffentliche Aufgabe obliegenden Postbeförderung (§ 2 PostG, § 1 Postverwaltungsgesetz), deren Störung infolge der mit dem Streik gegebenen Ausnahmesituation zu befürchten war, und war somit nach den vorstehenden Erwägungen gerechtfertigt. Dies hängt- entgegen der Meinung der Revision, die diese in der mündlichen Verhandlung noch vertieft hat - nicht davon ab, ob die Störung im einzelnen in bezug auf wichtigere oder weniger wichtige Teile der Aufgabenerfüllung der Beklagten und für kürzere oder längere Dauer zu befürchten war. Die gleichfalls von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Wahrnehmung eines Arbeitnehmer-Dienstpostens gegenüber einem Beamten-Dienstposten, wie ihn der Kläger innehatte, vordringlich sein könne, läuft hier auf die Zweckmäßigkeitsfrage hinaus, welche organisatorischen oder personellen Maßnahmen in der gegebenen Situation geeignet waren, die Störung in der Aufgabenerfüllung der Beklagten insgesamt möglichst gering zu halten. Die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist aber ," von den Gerichten bei der richterlichen Kontrolle von Personalmaßnahmen 'nicht nachzuprüfen (vgl. hier z. B. BVerwGE 53, 95 [97]).
In diesem Zusammenhang bedarf es auch keines Eingehens auf die weitere von der Revision angesprochene Frage, ob die Beklagte die Ausnahmesituation ganz oder teilweise hätte vermeiden können oder gar müssen, indem sie einen wesentlich größeren Teil der Dienstposten im Postbereich mit Beamten besetzte (Art. 33 Abs. 4 GG, § 4 BBG; vgl. auch BVerfGE 9, 268 [284]) und/oder sich für diesen Bereich um weitgehende Notdienstvereinbarungen mit den Gewerkschaften bemühte. Selbst wenn die entstandene Situation auf einem unzweckmäßigen oder gar rechtswidrigen Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit beruht hätte, wie der Kläger meint, so hätte dies im Zeitpunkt der streitigen Anordnung nichts an dem gegenwärtigen Erfordernis der Abhilfe geändert. Auch kann ein Beamter eine Tätigkeit, zu

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der er in sonst zulässiger Weise angewiesen wird, nicht etwa deshalb ablehnen, weil sie bei früherem rechtmäßigen und zweckmäßigen Verhalten des Dienstherrn nicht erforderlich geworden wäre. Soweit im übrigen die Beklagte bei der Besetzung der Dienstposten im Postbereich auch von der Erwartung geleitet gewesen sein sollte, daß sie wichtige Dienstposten im Streikfalle durch Beamte wahrnehmen lassen könne, läge darin nicht - wie die Revision meint - ein Widerspruch zu ihrem jetzt streitigen Verhalten, sondern eine insoweit zutreffende Einschätzung der Rechtslage. Hinsichtlich der von der Revision angesprochenen Möglichkeit von Vereinbarungen mit den Gewerkschaften ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß die Beklagte nicht befugt gewesen wäre, sich durch derartige Vereinbarungen der zur Aufrechterhaltung ihrer Aufgabenerfüllung erforderlichen Organisationsfreiheit und Personalhoheit in bezug auf den Einsatz von Beamten zu begeben (vgl. BVerwGE 60, 144 [154]).
Ermessensfehler der Beklagten bei der Anordnung der streitigen Maßnahme oder bei der Auswahl des Klägers hierfür sind aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich, von der Revision auch nicht geltend gemacht.
2. Der Kläger war als Beamter nicht berechtigt, aus Solidarität mit den streikenden Arbeitnehmern den im übrigen zulässigen Einsatz auf einem bestreikten Arbeitnehmer-Dienstposten der Beklagten abzulehnen (vgl. dazu in bezug auf Arbeitnehmer BAG, Urteil vom 25. Juli 1957 - 1 AZR 194/56 - [AP Nr. 3 zu § 615 BGB Betriebsrisiko = JZ 1957, 762]). Ebenso war die Beklagte als Dienstherr nicht aus Rücksicht auf eine solche Solidarität - etwa aufgrund ihrer Fürsorgepflicht, § 79 BBG - am Einsatz des Klägers auf einem bestreikten Arbeitnehmer-Dienstposten gehindert.
Die hierauf bezüglichen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts, das im Hinblick auf Arbeitskämpfe in dem Gesichtspunkt einer allseitigen Solidarität der Arbeitnehmerschaft ein in bestimmten Grenzen zu verwertendes Rechtsprinzip sieht, können nicht auf Beamte übertragen werden. Beamte sind nach einhelliger und ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Hinblick auf ihre besonderen, verfassungsrechtlich verankerten Pflichten und Rechte gegenüber der Allgemeinheit gemäß Art. 33 Abs. 5 GG, § 54 BBG nicht befugt, zur Förderung gemeinsamer Berufsinteressen kollektive

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wirtschaftliche Kampfmaßnahmen zu ergreifen (BVerfGE 8, 1 [17]; 44, 249 [264]; BVerwGE 73, 97 [102]; BGHZ 70, 277 [279] = NJW 1978, 816 f.; jeweils m.w.N.). Die Verpflichtung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Dienst am ganzen Volke (§ 52 Abs. 1 BBG) hat für den Beamten auch hier Vorrang vor der Verfolgung sowohl eigener als fremder Gruppeninteressen. Deshalb und im Blick auf die gesetzliche Regelung seiner Bezüge und sonstigen Rechte und Pflichten steht der Beamte von vornherein außerhalb des auf jeweils solidarische Vertretung der Gruppeninteressen von Arbeitnehmern einerseits und Arbeitgebern andererseits angelegten Systems von Tarifvertrag und Arbeitskampf.
Beamte, die in Erfüllung ihrer verfassungs- und gesetzmäßigen Pflichten anstelle streikender Arbeitnehmer öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können sich dadurch keinen berechtigten Vorwürfen dieser Arbeitnehmer aussetzen. Die etwaige Befürchtung unberechtigter Vorwürfe entbindet sie nicht von der Erfüllung ihrer Dienstpflichten und hindert den Dienstherrn nicht, die rechtmäßigen Möglichkeiten zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben auszuschöpfen.
3. Die streitige Anordnung ist nicht wegen Verstoßes gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG als Bestandteil der Koalitionsfreiheit im Kern gewährleistete Einrichtung der Tarifautonomie rechtswidrig.
Das ergibt sich allerdings - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht schon daraus, daß der Kläger durch seine Klage nicht Rechte Dritter, hier das Koalitionsrecht der Arbeitnehmer bzw. ihrer Gewerkschaften, geltend machen kann (§ 42 Abs. 2, §113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann geltend machen und macht geltend, im Hinblick auf die behauptete objektive Rechtswidrigkeit der streitigen Anordnung sei er zu Unrecht zur vorübergehenden Tätigkeit außerhalb seiner bisherigen Dienststelle und seines amtsgemäßen Aufgabenbereichs herangezogen worden. Die behauptete Rechtswidrigkeit ist jedoch nicht gegeben.
Bei der Prüfung dieser Trage geht der Senat, ohne daß dies hier zu vertiefen wäre, von der der langjährigen Staatspraxis zugrundeliegenden Meinung aus, daß hinsichtlich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes - ungeachtet vielfältiger sachlicher Unterschiede gegenüber der gewerblichen Wirt

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schaft - der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse (vgl. BVerfGE 9, 268 [285]) die Geltung des Tarifvertragssystems (§ 191 BBG) einschließlich des Arbeitskampfrechts folgt (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 3 BPersVG; zum Meinungsstand im Schrifttum vgl. u.a. G. Müller, RdA 1982, 86 [91 f.]; von Münch, DÖV 1982, 337 [338 ff.]; H. P. Schneider, RdA 1982, 104 [106 f.]; Stern, Rechtsgutachten [a.a.O.], S. 100 ff.). Gleichwohl ist die streitige Anordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Tarifautonomie nicht rechtswidrig.
Es geht hier um die Frage, inwieweit die Beklagte beim Streik von Arbeitnehmern gerade von ihren hoheitlichen Befugnissen Gebrauch machen darf, um Beamte auf bestreikten Arbeitnehmer-Dienstposten einzusetzen und dadurch ihre Aufgaben weiter zu erfüllen. Hierfür gelten nicht die Regeln, die die Arbeitsgerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, für das Verhalten der Tarifparteien im Arbeitskampf herausgebildet haben. Diese Regeln befassen sich insbesondere unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit sowie einer prinzipiellen Kampfparität mit der Zulässigkeit und Begrenzung der einzelnen Kampfmittel der Tarifparteien im Arbeitskampf (vgl. z.B. BAG 1, 291 = NJW 1955, 882; BAG 23, 292 = NJW 1971, 1668; BAG 33, 140 = NJW 1980, 1642). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Regeln mangels Tätigwerdens des (einfachen) Bundesgesetzgebers als "gesetzesvertretendes Richterrecht" (BAG 23, 292 [320]) aus den Wertentscheidungen des (bundesgesetzlichen) Tarifrechts abgeleitet. Sie gehören daher diesem Recht, das sie auslegen oder ergänzen, an (BAG 33, 140 [160] = NJW 1980, 1642 [1646]). Hoheitliches Handeln staatlicher Stellen, wie hier, ist aber nicht Gegenstand des arbeitsrechtlichen Tarifrechtes.
Im vorliegenden Rechtsstreit stellt sich daher nicht die Frage, welche Maßnahmen der Streikgegenwehr der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber der Streikenden zustehen. Setzt, wie hier, eine Verwaltung, die sowohl Beamte als auch Arbeitnehmer beschäftigt, beim Streik von Arbeitnehmern Beamte auf Arbeitnehmer-Dienstposten ein, um ihre Aufgaben weiter zu erfüllen, so ergreift sie damit nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber Maßnahmen der Streikgegenwehr, sondern sie wird in ihrer Eigenschaft als Verwaltung hoheitlich tätig, um die durch den Streik ausgelöste

BVerwGE 69, 208 (215):

Störung in der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben soweit wie möglich zu vermeiden. Sie wird durch einen gemäß Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Streik von Arbeitnehmern nicht von der Verpflichtung entbunden, die ihr im Interesse der Allgemeinheit als Hoheitsträger übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Deshalb ist sie auch im Falle eines Streiks befugt, hierzu durch entsprechenden Einsatz ihrer Beamten öffentlich-rechtlich tätig zu werden. Soweit sich dies auf die Erfolgsaussichten des von einer Gewerkschaft geführten Streiks von Arbeitnehmern nachteilig auswirkt, ist dies von Verfassungs wegen durch Art. 33 Abs. 4, 5 GG vorgegeben. Von den ihr somit eingeräumten Befugnissen hat die Beklagte mit der streitigen Maßnahme Gebrauch gemacht.
Die Verpflichtung der Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit wird auch nicht durch eine - in bezug auf Arbeitskämpfe Dritter geltende - Pflicht des Staates zur Neutralität eingeschränkt. Soweit eine solche Pflicht z. B. in § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes als allgemeiner Grundsatz zum Ausdruck kommt (vgl. dazu BSGE 40, 190 [197 ff.] = NJW 1976, 689 [690 f.]), betrifft dieser nicht die vorliegende Fallgestaltung, in der eine Verwaltung selbst in ihrer Aufgabenerfüllung vom Arbeitskampf betroffen ist und hierauf durch anderweitige Organisation ihrer Aufgabenerfüllung reagiert.