EuGH Rs. C-344/98, Slg. 2000, S. I-11369 - Masterfoods und HB
 
Urteil
des Gerichtshofes
vom 14. Dezember 2000
In der Rechtssache
-- C-344/98 --
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom irischen Supreme Court in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Masterfoods Ltd
gegen
HB Ice Cream Ltd und HB Ice Cream Ltd
gegen
Masterfoods Ltd, handelnd unter der Firma "Mars Ireland", vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 85, 86 und 222 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 295 EG)
erlässt
Der Gerichtshof unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodriguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola, M. Wathelet und V. Skouris sowie der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevon (Berichterstatter), R. Schintgen und der Richterin F. Macken, Generalanwalt: G. Cosmas Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Masterfoods Ltd, vertreten durch D. O'Donnell, SC, beauftragt von Solicitors A. Cox und P. G. H. Collins, der HB Ice Cream Ltd, vertreten durch M. M. Collins, B. Shipsey und M. Cush, SC, beauftragt von Solicitors Hayes & Sons und Slaughter & May, der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und R. Loosli-Surrans, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, der italienischen Regierung, vertreten durch Professor U. Leanza, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums, als Bevollmächtigten, der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse, Departementsrad im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Assistant Treasury Solicitor J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von Barrister N. Green, QC, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty und W. Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Masterfoods Ltd, vertreten durch P. G. H. Collins und D. O'Donnell, der HB Ice Cream Ltd, vertreten durch M. M. Collins und B. Shipsey, der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins im Beistand von Barrister A. Robertson, und der Kommission, vertreten durch B. Doherty und W. Wils, in der Sitzung vom 15. März 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2000 folgendes
 
Urteil
1. Der Supreme Court hat mit Beschluss vom 16. Juni 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 85, 86 und 222 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 295 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Masterfoods Ltd (im Folgenden: Masterfoods) und der HB Ice Cream Ltd, jetzt Van den Bergh Foods Ltd (im Folgenden: HB) wegen der Ausschließlichkeitsklausel in den Vereinbarungen über die Aufstellung von Kühltruhen, die die HB mit Wiederverkäufern von zum sofortigen Verzehr bestimmtem Speiseeis geschlossen hat.
 
Die Ausgangsrechtsstreitigkeiten
3. Die HB, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Unilever-Gruppe, ist der Haupthersteller von Speiseeis in Irland. Sie stellt den Speiseeis-Wiederverkäufern seit mehreren Jahren kostenlos oder gegen einen geringfügigen Mietzins in ihrem Eigentum verbleibende Kühltruhen unter der Bedingung zur Verfügung, dass sie ausschließlich für die von ihr hergestellten Speiseeiserzeugnisse benutzt werden ("Ausschließlichkeitsklausel").
4. Masterfoods, eine Tochtergesellschaft der amerikanischen Firma Mars Inc., trat 1989 in den irischen Speiseeismarkt ein.
5. Im Sommer 1989 begannen zahlreiche Wiederverkäufer, die von der HB bereitgestellte Kühltruhen besaßen, darin Erzeugnisse der Masterfoods aufzubewahren und zupräsentieren. Daraufhin forderte HB sie auf, die Ausschließlichkeitsklausel zu beachten.
6. Im März 1990 erhob Masterfoods vor dem irischen High Court Klage u.a. auf Feststellung, dass die Ausschließlichkeitsklausel nach irischem Recht und nach den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag nichtig ist. HB erhob ihrerseits Klage mit dem Antrag, es Masterfoods im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, die Wiederverkäufer zur Nichtbeachtung der Ausschließlichkeitsklausel zu veranlassen. Beide Gesellschaften verlangten Schadensersatz.
7. Im April 1990 erließ der High Court eine einstweilige Verfügung zugunsten von HB.
8. Am 28. Mai 1992 entschied der High Court über die Begründetheit der Klagen von Masterfoods und HB. Er wies die Klage von Masterfoods ab und erließ zugunsten von HB eine endgültige Verfügung, durch die er es Masterfoods untersagte, die Wiederverkäufer zur Aufbewahrung ihrer Erzeugnisse in HB gehörenden Kühltruhen zu veranlassen. Der Schadensersatzantrag von HB wurde dagegen zurückgewiesen.
9. Masterfoods legte am 4. September 1992 gegen diese Entscheidungen ein Rechtsmittel zum Supreme Court ein.
10. Parallel zu diesem streitigen Verfahren erhob Masterfoods am 18. September 1991 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen HB eine Beschwerde gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204). Diese Beschwerde richtete sich dagegen, dass HB an eine große Zahl von Wiederverkäufern Kühltruhen lieferte, die ausschließlich für die Erzeugnisse der Marke HB benutzt werden durften.
11. Die Kommission vertrat in ihrer an HB gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 29. Juli 1993 die Auffassung, dass deren Vertriebssystem gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag verstoße.
12. Nach einer Reihe von Gesprächen mit der Kommission legte HB dieser am 8. März 1995 Änderungsvorschläge im Hinblick auf eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag vor. Am 15. August 1995 erklärte die Kommission gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17, dass sie nach einer ersten summarischen Prüfung der Auffassung sei, dass für das Vertriebssystem von HB eine Freistellung gewährt werden könne.
13. Am 22. Januar 1997 übersandte die Kommission HB jedoch eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte, da sie der Meinung war, dass die Änderungen nicht zu dem erwarteten freien Zugang zu den Verkaufsstellen geführt hätten.
14. Die Kommission erklärte in ihrer Entscheidung vom 11. März 1998 in einem Verfahren nach den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag (Sachen IV/34.073, IV/34. 395 und IV/35. 436 - Van den Bergh Foods Limited) (ABl. L 246, S. 1),
    - dass die Ausschließlichkeitsklausel in den zwischen der HB und Wiederverkäufern in Irland geschlossenen Vereinbarungen über die Aufstellung von Kühltruhen in Verkaufsstellen, die zur Vorratshaltung von Einzelportionspackungen von Impuls-Speiseeis nur über eine oder mehrere von der HB gelieferte Kühltruhe(n) verfügten, nicht aber über eine oder mehrere selbst angeschaffte oder von anderen Speiseeisherstellern als der HB bereitgestellte Kühltruhe(n), eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstelle (Artikel 1 der Entscheidung 98/531)
    und
    - dass das Verhalten von HB, Wiederverkäufer in Irland, die keine selbst angeschaffte(n) oder von anderen Speiseeislieferanten als HB bereitgestellte(n) Kühltruhe(n) aufgestellt hätten, dadurch zum Abschluss von Kühltruhenvereinbarungen mit Ausschließlichkeitsklausel zu bewegen, dass sie ihnen anbiete, zur Vorratshaltung von Einzelportionspackungen von Impuls-Speiseeis eine oder mehrere Kühltruhen ohne direkte Inrechnungstellung zu liefern und zu warten, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 EG-Vertrag darstelle (Artikel 3 der Entscheidung 98/531).
15. Außerdem lehnte sie den Antrag auf eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag ab (Artikel 2 der Entscheidung 98/531) und wies HB an, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen und von Maßnahmen mit gleicher Zweckbestimmung oder Wirkung abzusehen (Artikel 4 der Entscheidung 98/531). Weiterhin forderte sie HB auf, alle Wiederverkäufer, mit denen Kühltruhenvereinbarungen bestanden, die nach Artikel 1 der Entscheidung 98/531 gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstießen, über den vollständigen Wortlaut der Artikel 1 und 3 der Entscheidung in Kenntnis zu setzen und ihnen mitzuteilen, dass die in diesen Vereinbarungen enthaltene Ausschließlichkeitsklausel nichtig sei (Artikel 5 der Entscheidung 98/531).
16. HB beantragte unter ihrem jetzigen Namen Van den Bergh Foods Ltd mit Klageschrift, die am 21. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften einging, gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) die Nichtigerklärung der Entscheidung 98/531.
17. Sie ersuchte das Gericht mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tage bei der Kanzlei des Gerichts einging, gemäß Artikel 185 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 242 EG), den Vollzug dieser Entscheidung bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen.
18. Bei dieser Sachlage hat der Supreme Court das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Unter Berücksichtigung des Urteils und der Anordnungen des High Court of Ireland vom 28. Mai 1992, der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 11. März 1998 sowie der Anträge der Van Den Bergh Foods Ltd gemäß den Artikeln 173, 185 und 186 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), diese Entscheidung für nichtig zu erklären und ihren Vollzug auszusetzen:
    a) Verlangt die Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit mit der Kommission, wie sie der Gerichtshof ausgelegt hat, dass der Supreme Court das vorliegende Verfahren aussetzt, bis das Gericht erster Instanz über die gegen die genannte Entscheidung der Kommission erhobene Klage und der Gerichtshof über ein möglicherweise eingelegtes Rechtsmittel entschieden haben?
    b) Hindert eine an einen Einzelnen gerichtete Entscheidung der Kommission (gegen die dieser eine Nichtigkeitsklage erhoben und einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs gestellt hat), mit der die Kühltruhenvereinbarung des Betreffenden für mit den Artikeln 85 Absatz 1 und/oder 86 EG-Vertrag unvereinbar erklärt wird, diesen daran, die Aufrechterhaltung eines abweichenden Urteils eines nationalen Gerichts zu beantragen, das zu der gleichen oder einer ähnlichen Frage betreffend die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag zu seinen Gunsten ergangen ist, wenn gegen diese Entscheidung des nationalen Gerichts ein Rechtsmittel zum letztinstanzlich zuständigen nationalen Gericht eingelegt worden ist?
    Die Fragen 2 und 3 stellen sich nur bei Verneinung der Frage 1 a
    2. Verstößt eine Praxis, die darin besteht, dass ein Speiseeishersteller und/oder -lieferant einem Wiederverkäufer eine Kühltruhe frei von unmittelbaren Kosten zur Verfügung stellt - oder den Wiederverkäufer auf andere Weise dazu veranlasst, die Kühltruhe anzunehmen -, dies aber davon abhängig macht, dass der Wiederverkäufer in dieser Kühltruhe kein anderes als das von dem genannten Hersteller und/oder -lieferanten gelieferte Speiseeis vorrätig hält, unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts, in dem diese Vereinbarungen auf dem Markt für in Einzelportionen verpacktes, zum sofortigen Verzehr bestimmtes Speiseeis getroffen werden, gegen die Artikel 85 Absatz 1 und/oder 86 EG-Vertrag?
    3. Sind Ausschließlichkeitsvereinbarungen für Kühltruhen aufgrund von Artikel 222 EG-Vertrag gegen eine Beanstandung gemäß den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag geschützt?
19. Der Präsident des Gerichts setzte mit Beschluss vom 7. Juli 1998 in der Rechtssache T-65/98 R (Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 1998, II-2641) den Vollzug der Entscheidung 98/531 bis zum Erlass des Urteils des Gerichts zur Hauptsache in der Rechtssache T-65/98 aus.
20. Der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts setzte mit Beschluss vom 28. April 1999 gemäß Artikel 47 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes das Verfahren in der Rechtssache T-65/98 bis zum Erlass des Urteils des Gerichtshofes in der vorliegenden Rechtssache aus.
 
Zur ersten Frage
Ausführungen der Parteien
21. Masterfoods weist vorab darauf hin, dass die Verneinung der ersten Frage zur Folge hätte, dass ein letztinstanzlich entscheidendes nationales Gericht dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag zu einem Zeitpunkt vorlegen könnte, zu dem das Gericht bereits aufgrund einer Klage gegen eine Entscheidung, die die Kommission nach diesen Artikeln erlassen habe, praktisch gleich lautende Fragen prüfe. Die Vorabentscheidung des Gerichtshofes würde dann von dem nationalen Gericht in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zur gleichen Zeit angewandt, zu der das Gericht und eventuell nach Einlegung eines Rechtsmittels der Gerichtshof über die Klage gegen die Entscheidung der Kommission entschieden. Zudem sei es durchaus möglich, dass diese Anwendung vor Abschluss des gegen diese Entscheidung gerichteten Verfahrens erfolge.
22. Sodann bemerken Masterfoods und die französische Regierung unter Hinweis auf das Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnrn. 44 und 45) und Nummer 4 der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrags (ABl. 1993, C 39, S. 6; im Folgenden: Bekanntmachung), dass die Kommission für die Durchführung und die Orientierung der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft verantwortlich sei und dieses Ziel im öffentlichen Interesse verfolgen müsse, während die nationalen Gerichte die subjektiven Rechte der Einzelnen in ihren gegenseitigen Beziehungen zu wahren hätten.
23. Masterfoods trägt vor, die Kommission übe ihre Befugnisse aus und erlasse ihre Entscheidungen, wenn dies im Interesse der Gemeinschaften notwendig sei (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnrn. 77 und 85 bis 87, sowie Nr. 13 der Bekanntmachung). Sie räume solchen Fällen Vorrang ein, die von besonderem politischem, wirtschaftlichem oder rechtlichem Interesse für die Gemeinschaft seien. Ihre Entscheidungen seien in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, an die sie gerichtet seien.
24. Folglich sei die Kommission die geeignete Stelle, um Entscheidungen über Fragen zu erlassen, die die Interessen der Gemeinschaft berührten.
25. Im Verfahren nach Artikel 177 EG-Vertrag sei der Gerichtshof anders als im Verfahren nach Artikel 173 EG-Vertrag nicht befugt, Tatsachen festzustellen, sondern könne nur zu Rechtsfragen Stellung nehmen. Es sei Sache des nationalen Gerichts, den Rechtsstreit zu entscheiden, indem es die vom Gerichtshof erlassene Entscheidung auf den in dem bei ihm anhängigen Verfahren festgestellten Sachverhalt anwende.
26. Es bestehe die große Gefahr, dass ein letztinstanzlich entscheidendes nationales Gericht bei der Anwendung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes zu einem Ergebnis gelange, das mit einer Entscheidung der Kommission unvereinbar sei, wenn diese vom Gericht oder gegebenenfalls nach Einlegung eines Rechtsmittels vom Gerichtshof bestätigt werde, oder aber der endgültigen Entscheidung des Gerichts oder des Gerichtshofes zuwiderlaufe, wenn die Entscheidung der Kommission nicht in vollem Umfang bestätigt werde. Derartige miteinander unvereinbare Entscheidungen zu vermeiden, sei Teil der Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und den Gemeinschaftsorganen, die insbesondere der Gewährleistung der Rechtssicherheit dienen solle (Urteil Delimitis, Randnr. 47).
27. Sowohl Masterfoods als auch die französische Regierung sind der Auffassung, dass die Notwendigkeit, einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, auch für die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gericht gelte, wenn dieses in erster Instanz über eine Klage gegen eine Entscheidung der Kommission zu befinden habe. Die französische Regierung trägt vor, dass ein nationales Gericht das Verfahren aussetzen müsse, wenn die Gefahr eines Widerspruchs zwischen der von ihm zu erlassenden Entscheidung und der Entscheidung eines Gemeinschaftsgerichts bestehe, wenn also ein wirkliches Problem der Rechtssicherheit oder der loyalen Zusammenarbeit vorliege. Die Aussetzung sei umso mehr geboten, wenn es um ein nationales Gericht gehe, das in letzter Instanz entscheide.
28. Masterfoods führt aus, das mitgliedstaatliche Gericht könne durch den Erlass einer geeigneten Zwischenentscheidung Ungerechtigkeiten vermeiden, zu denen es durch die Aussetzung des Verfahrens kommen könne.
29. HB, die italienische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs weisen vorab darauf hin, dass die nationalen Gerichte und die Kommission konkurrierende Kompetenzen bei der Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag hätten (Urteil Delimitis, Randnrn. 44 und 45) und dass diese Artikel direkte Wirkungen für die Beziehungen zwischen Einzelpersonen hätten (Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT, "BRT I", Slg. 1974, 51).
30. Nach Auffassung von HB verstößt der Widerspruch zwischen der Entscheidung 98/531 und dem Urteil des High Court in den Ausgangsverfahren gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wie ihn der Gerichtshof in Randnummer 47 des Urteils Delimitis ausgelegt habe. Dieses Urteil enthalte allerdings keinen direkten Hinweis darauf, wiedie Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in Fällen vermieden werden könne, in denen die Kommission durch ihr Eingreifen angesichts eines Sachverhalts, der bereits Gegenstand eines Verfahrens vor einem nationalen Gericht sei, eine Situation der Rechtunsicherheit heraufbeschworen habe.
31. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass die Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit unter bestimmten Umständen ein nationales Gericht dazu veranlassen könne, in Ausübung seines Ermessens ein bei ihm anhängiges Verfahren auszusetzen (Urteile Delimitis und Automec/Kommission). Zudem könne das nationale Gericht unbestreitbar einen Vorlagebeschluss gemäß Artikel 177 EG-Vertrag erlassen (Nr. 32 der Bekanntmachung).
32. Da die Entscheidung 98/531 unter Verletzung der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit erlassen und sodann bis zur Entscheidung des Gerichts über die Nichtigkeitsklage ausgesetzt worden sei und aufgrund des Prinzips, dass diese Entscheidung das vorlegende Gericht nicht binde, sondern ihm allenfalls wichtige Anhaltspunkte für seine Urteilsfindung liefere (Nr. 20 der Bekanntmachung), sei eine Aussetzung des beim High Court anhängigen Verfahrens nicht die zweckmäßigste Maßnahme. Dagegen würde die Aussetzung des Verfahrens vor dem Gericht bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gerichtshof seine Vorabentscheidung erlasse und der Supreme Court diese Entscheidung anwende, es dem Gericht ermöglichen, über die Nichtigkeitsklage von HB unter Berücksichtigung der Auslegung der in den beiden Ausgangsrechtsstreitigkeiten aufgeworfenen Rechtsfragen durch den Gerichtshof zu entscheiden.
33. HB führt weiter aus, eine Entscheidung der Kommission binde ein nationales Gericht nicht in derselben Weise wie ein Urteil des Gerichts oder des Gerichtshofes; auch könne sie einer Partei nicht das Recht nehmen, ihre Argumente geltend zu machen. Das Recht, die Gerichte anzurufen, sei durch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 geschützt und in den Verfassungen der Mitgliedstaaten verankert, so dass es als grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts anzusehen sei (Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18).
34. Die italienische Regierung trägt vor, die der Kommission und den nationalen Gerichten durch Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) auferlegte Verpflichtung zur Zusammenarbeit könne nicht so weit gehen, dass die nationalen Gerichte ihre autonome und besondere Zuständigkeit verlören.
35. Wenn die Kommission wegen konkreter Verstöße gegen die Artikel 85 und 86 EG-Vertrag ein Verfahren eingeleitet habe, sei das nationale Gericht, bei dem ein diesen Fall betreffender Rechtsstreit anhängig sei, nicht verpflichtet, seine Entscheidung auszusetzen, bis die Kommission ihr Verfahren abgeschlossen habe (Urteil BRT I, Randnr. 21). Obwohl in den Ausgangsverfahren das von der Kommission eingeleitete Verfahren zu einer Entscheidung im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 geführt habe, handele es sich dabei nicht um eine endgültige Entscheidung, denn sie sei gemäß Artikel 173 EG-Vertrag vor dem Gericht angefochten und vor allem gemäß Artikel 185 EG-Vertrag ausgesetzt worden.
36. Das nationale Gericht sei verpflichtet, in seinem Urteil die Entscheidung der Kommission zu berücksichtigen, es sei denn, es beabsichtige, deren Gültigkeit durch die Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage gemäß Artikel 177 EG-Vertrag in Frage zu stellen. Diese Möglichkeit bestehe jedoch nicht, wenn die Partei, die die Entscheidung beanstande, diese gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag hätte anfechten können, dies aber nicht getan habe (Urteil vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833). Sei die Entscheidung der Kommission dagegen vor Gericht angefochten worden, so könne das nationale Gericht, statt eine Frage nach der Gültigkeit dieser Entscheidung vorzulegen, das Verfahren bis zur Entscheidung der Gemeinschaftsgerichte aussetzen, sei dazu aber nicht verpflichtet.
37. Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist darauf hin, dass eine Entscheidung der Kommission nach Artikel 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG) für diejenigen verbindlich sei, die sie bezeichne, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Notifizierung in Kraft trete und dass so lange eine Vermutung für ihre Gültigkeit bestehe, bis sie auf eine Klage gemäß Artikel 173 oder 177 EG-Vertrag hin vom Gericht oder vom Gerichtshof für ungültig erklärt werde.
38. Aus dem in Artikel 5 EG-Vertrag verankerten allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit und der Verpflichtung zur Zusammenarbeit ergebe sich, dass die nationalen Gerichte ihre Befugnisse so ausüben müssten, dass jede reale Gefahr eines Widerspruchs vermieden werde, nicht nur im Hinblick auf Entscheidungen, die die Kommission noch nicht getroffen habe, sondern auch auf solche, die sie förmlich erlassen habe.
39. Diese Gefahr könnte auf verschiedene Arten vermieden werden. Erstens könnten die nationalen Gerichte das Verfahren aussetzen und die Kommission auffordern, ihre Entscheidung zu überprüfen, wenn sie diese für sachlich unrichtig hielten. Zweitens könnten sie dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag Fragen nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission vorlegen. Drittens könnten sie, wenn bei dem Gericht ein Rechtsstreit über die Entscheidung der Kommission anhängig sei, das Verfahren bis zum Erlass des Urteils aussetzen. Das nationale Gericht sei zur Aussetzung verpflichtet, wenn die Gefahr bestehe, dass die Entscheidung, die es treffen wolle, im Widerspruch zu einer bereits erlassenen oder zukünftigen Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans stehen werde (Urteile vom 12. Dezember 1967 in der Rechtssache 23/67, Brasserie de Haecht, Slg 1967, 544, Urteile BRT I und Delimitis sowie Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92, DLG, Slg. 1994, I-5641). Viertens müsse das mitgliedstaatliche Gericht, da nicht jede Gefahr eines Widerspruchs es rechtfertige, das Verfahren vor den nationalen Gerichten zu verzögern, bei der Entscheidungsfindung beurteilen, wie schwer diese Gefahr in dembetreffenden Verfahren sei. Auch müsse es im Fall der Aussetzung des Verfahrens prüfen, ob vorläufige Maßnahmen anzuordnen seien.
40. Die Kommission weist darauf hin, dass in dem Fall, um den es in den Ausgangsverfahren gehe, ihre auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 gestützte Entscheidung noch vom Gericht für nichtig erklärt werden könne. Es handele sich bei dieser Entscheidung um einen zwingenden Rechtsakt der Gemeinschaft. Nur die Gemeinschaftsgerichte seien befugt, die Ungültigkeit eines solchen Aktes festzustellen.
41. In einem solchen Fall müsse das nationale Gericht zur Vermeidung der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen normalerweise das Verfahren aussetzen, bis durch ein endgültiges Urteil über die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission entschieden werde (Urteil Delimitis, Randnr. 52).
42. Wenn das nationale Gericht meine, diese Entscheidung nicht abwarten zu können, könne es dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen (Urteil Delimitis, Randnr. 54). In diesem Fall sei ein nationales Gericht wie der Supreme Court, dessen Entscheidung nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden könnte, nach Artikel 177 EG-Vertrag verpflichtet, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Es sei jedoch nicht verpflichtet, dies sofort zu tun, sondern könne den Ausgang des Verfahrens vor dem Gericht sowie den des späteren Rechtsmittelverfahrens abwarten und sodann prüfen, ob noch ein vernünftiger Zweifel bestehe.
43. Die Kommission verweist darauf, dass das Gericht dem Gerichtshof zu dem Zweck beigeordnet worden sei, den Rechtsschutz für den Einzelnen zu verbessern und Qualität und Effizienz der gerichtlichen Kontrolle in der Rechtsordnung der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten (Urteil vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 41); deshalb sollte das abschließende Urteil über die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission abgewartet werden.
44. Zur Aussetzung ihrer Entscheidung führt die Kommission aus, wenn das Gericht und gegebenenfalls nach Einlegung eines Rechtsmittels der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bestätigten, wäre die Gefahr eines Widerspruchs zu der Entscheidung eines nationalen Gerichts nicht beseitigt, sondern lediglich aufgeschoben.
Würdigung durch den Gerichtshof
45. Zunächst ist auf die Grundsätze hinzuweisen, die die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten bei der Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln beherrschen.
46. Die Kommission, die nach Artikel 89 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 85 Absatz 1 EG) die Aufgabe hat, auf die Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 des Vertrages niedergelegten Grundsätze zu achten, hat dieWettbewerbspolitik der Gemeinschaft festzulegen und gemäß ihrer Ausrichtung durchzuführen. Sie hat vorbehaltlich der Nachprüfung durch das Gericht und den Gerichtshof Einzelfallentscheidungen nach den geltenden Verfahrensregelungen zu treffen und Freistellungsverordnungen zu erlassen. Zur wirksamen Erfüllung dieser Aufgabe, die notwendig mit der Beurteilung komplexer Fragen wirtschaftlicher Art verbunden ist, darf sie den ihr vorliegenden Beschwerden unterschiedliche Priorität zuweisen (Urteil Delimitis, Randnr. 44, und Urteil vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-119/97 P, Ufex u.a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Randnr. 88).
47. Gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ist ausschließlich die Kommission zum Erlass von Entscheidungen zur Durchführung des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag befugt (Urteil Delimitis, Randnr. 44). Dagegen teilt sie die Befugnis zur Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag mit den nationalen Gerichten (Urteil Delimitis, Randnr. 45). Diese letztgenannten Vorschriften erzeugen in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen und lassen unmittelbar in ihrer Person Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (Urteil BRT I, Randnr. 16). Diese bleiben somit auch nach Einleitung eines Verfahrens gemäß Artikel 2, 3 oder 6 der Verordnung Nr. 17 durch die Kommission für die Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag zuständig (Urteil BRT I, Randnrn. 17 bis 20).
48. Ungeachtet dieser Zuständigkeitsverteilung kann die Kommission bei der Erfüllung der ihr durch den Vertrag zugewiesenen Aufgabe nicht an eine Entscheidung gebunden sein, die ein nationales Gericht in Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag erlässt. Sie ist somit befugt, jederzeit Einzelentscheidungen zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag zu treffen, auch wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines nationalen Gerichts ist und die von der Kommission ins Auge gefasste Entscheidung zu dieser in Widerspruch steht.
49. Weiter bindet nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes die sich aus Artikel 5 EG-Vertrag für die Mitgliedstaaten ergebende Verpflichtung, alle zur Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen und von solchen Maßnahmen abzusehen, die geeignet sind, die Verwirklichung der Ziele des Vertrages zu gefährden, alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, also im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch die Gerichte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-2/97, IP, Slg. 1998, I-8597, Randnr. 26).
50. Eine von der Kommission nach den Artikeln 85 Absatz 1, 85 Absatz 3 oder 86 EG-Vertrag erlassene Entscheidung ist gemäß Artikel 189 Absatz 4 EG-Vertrag in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet.
51. Der Gerichtshof hat in Randnummer 47 des Urteils Delimitis ausgeführt, dass die nationalen Gerichte, wenn sie über Praktiken oder Vereinbarungen befinden, zu denen noch eine Entscheidung der Kommission ergehen kann, es vermeiden müssen,Entscheidungen erlassen, die Entscheidungen zuwiderlaufen, die die Kommission zur Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 sowie des Artikels 85 Absatz 3 zu treffen beabsichtigt.
52. Erst recht dürfen die nationalen Gerichte, wenn sie über Vereinbarungen oder Verhaltensweisen befinden, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, keine Entscheidungen erlassen, die dieser zuwiderlaufen, selbst wenn sie im Widerspruch zu der Entscheidung eines erstinstanzlichen nationalen Gerichts steht.
53. Der Umstand, dass der Präsident des Gerichts den Vollzug der Entscheidung 98/531 bis zur Verkündung des abschließenden Urteils in dem beim Gericht anhängigen Verfahren ausgesetzt hat, ist insoweit unerheblich. Denn für die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane spricht grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen worden sind (Urteil vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P, Kommission/BASF u.a., Slg. 1994, I-2555, Randnr. 48). Die Entscheidung des Richters der einstweiligen Anordnung, den Vollzug des angefochtenen Rechtsakts gemäß Artikel 185 EG-Vertrag auszusetzen, hat nur vorläufige Wirkung. Sie greift den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vor und neutralisiert nicht im Voraus die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung (Beschluss vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P(R), Kommission/Atlantic Container Line u.a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 22).
54. Im Übrigen kann oder muss ein nationales Gericht, das Zweifel an der Gültigkeit oder der Auslegung einer Handlung eines Gemeinschaftsorgans hat, dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen.
55. Hat wie in den Ausgangsverfahren der Adressat der Entscheidung der Kommission innerhalb der in Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag vorgesehenen Frist gemäß dieser Vorschrift eine Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung erhoben, so muss das nationale Gericht prüfen, ob es das Verfahren aussetzen soll, um eine endgültige Entscheidung über diese Nichtigkeitsklage abzuwarten oder um dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage vorzulegen.
56. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft beruht auf einer Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und der Kommission bzw. den Gemeinschaftsgerichten, bei der jeder entsprechend der ihm durch den Vertrag zugewiesenen Rolle handelt.
57. Hängt die Entscheidung des bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreits von der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission ab, so folgt aus der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit, dass dieses Gericht, um nicht eine der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufende Entscheidung zu erlassen, das Verfahren aussetzen sollte, bis die Gemeinschaftsgerichte eine endgültige Entscheidung über die Nichtigkeitsklage erlassen haben, es sei denn, es hält es unter den gegebenen Umständen fürgerechtfertigt, dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission vorzulegen.
58. Setzt ein nationales Gericht das Verfahren aus, so hat es zu prüfen, ob vorläufige Maßnahmen zu erlassen sind, um die Interessen der Beteiligten bis zu seiner abschließenden Entscheidung zu schützen.
59. In der vorliegenden Rechtssache ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass die Aufrechterhaltung der endgültigen Verfügung des High Court, durch die es Masterfoods untersagt wird, die Wiederverkäufer dazu zu veranlassen, ihre Waren in den HB gehörenden Kühltruhen aufzubewahren, von der Gültigkeit der Entscheidung 98/531 abhängt. Somit folgt aus der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit, dass das vorlegende Gericht das Verfahren aussetzen sollte, bis die Gemeinschaftsgerichte eine endgültige Entscheidung über die Nichtigkeitsklage erlassen haben, es sei denn, es hält es unter den gegebenen Umständen für gerechtfertigt, dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission vorzulegen.
60. Deshalb ist auf die erste Frage zu antworten, dass ein nationales Gericht, wenn es zu einer Vereinbarung oder einer Verhaltensweise Stellung nimmt, deren Vereinbarkeit mit den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission ist, keine Entscheidung erlassen darf, die der Entscheidung der Kommission zuwiderläuft, selbst wenn Letztere im Widerspruch zu der Entscheidung eines erstinstanzlichen nationalen Gerichts steht. Hat der Adressat der Entscheidung der Kommission innerhalb der in Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag vorgesehenen Frist eine Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung erhoben, so muss das nationale Gericht prüfen, ob es das Verfahren aussetzen soll, um eine endgültige Entscheidung über diese Nichtigkeitsklage abzuwarten oder um dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage vorzulegen.
 
Zur zweiten und zur dritten Frage
61. Die zweite und die dritte Frage sind nur für den Fall gestellt worden, dass die erste Frage zu verneinen ist. In Anbetracht der auf die erste Frage gegebenen Antwort brauchen sie nicht beantwortet zu werden.
 
Kosten
62. Die Auslagen der französischen, der italienischen und der schwedischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof auf die ihm vom Supreme Court mit Beschluss vom 16. Juni 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Nimmt ein nationales Gericht zu einer Vereinbarung oder einer Verhaltensweise Stellung, deren Vereinbarkeit mit den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG und 82 EG) bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission ist, so darf es keine Entscheidung erlassen, die der Entscheidung der Kommission zuwiderläuft, selbst wenn Letztere im Widerspruch zu der Entscheidung eines erstinstanzlichen nationalen Gerichts steht. Hat der Adressat der Entscheidung der Kommission in der in Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 5 EG) vorgesehenen Frist eine Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung erhoben, so muss das nationale Gericht prüfen, ob es das Verfahren aussetzen soll, um eine endgültige Entscheidung über diese Nichtigkeitsklage abzuwarten oder um dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage vorzulegen.
Rodriguez Iglesias, Gulmann, La Pergola, Wathelet, Skouris, Edward, Puissochet, Jann, Sevon, Schintgen, Macken
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2000.
R. Grass (Der Kanzler), G. C. Rodriguez Iglesias (Der Präsident)