EuGH Rs. C-300/98 und C-392/98, Slg. 2000, S. I-11307 - Dior u.a.
 
Urteil
des Gerichtshofes
vom 14. Dezember 2000
In den verbundenen Rechtssachen
-- C-300/98 und C-392/98 --
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) von der Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage (Niederlande) (C-300/98) und dem Hoge Raad der Nederlanden (C-392/98) in den bei diesen anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Parfums Christian Dior SA
gegen
Tuk Consultancy BV (C-300/98) und Assco Gerüste GmbH, Rob van Dijk, handelnd unter der Firma "Assco Holland Steigers Plettac Nederland"
gegen
Wilhelm Layher GmbH & Co. KG, Layher BV (C-392/98)
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 50 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das im Namen der Gemeinschaft hinsichtlich der in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 336, S. 1) genehmigt worden ist,
erlässt
Der Gerichtshof unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodriguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola, M. Wathelet und V. Skouris sowie der Richter D. A. O. Edward (Berichterstatter), J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevon, R. Schintgen und der Richterin F. Macken, Generalanwalt: G. Cosmas Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Tuk Consultancy BV, vertreten durch Rechtsanwälte K. T. M. Stöpetie und M. van Empel, Amsterdam (Rechtssache C-300/98), der Assco Gerüste GmbH und des R. Van Dijk, vertreten durch Rechtsanwälte G. van der Wal, Brüssel (Rechtssache C-392/98), der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europarecht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten (Rechtssache C-392/98), der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und S. Seam, Sekretär für auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte (Rechtssache C-392/98), der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes, Direktor des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, sowie T. Moreira, Stellvertretende Generaldirektorin in der Generaldirektion Internationale Wirtschaftsbeziehungen, und M. J. Palma, Juristin in dieser Generaldirektion, als Bevollmächtigte (Rechtssache C-300/98), der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten im Beistand der Barrister D. Anderson (Rechtssache C-300/98) und M. Hoskins (Rechtssache C-392/98), des Rates der Europäischen Union, vertreten durch die Rechtsberater J. Huber und G. Houttuin als Bevollmächtigte (Rechtssachen C-300/98 und C-392/98), der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater P. J. Kuijper als Bevollmächtigten (Rechtssachen C-300/98 und C-392/98), aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Assco Gerüste GmbH und des R. Van Dijk, vertreten durch Rechtsanwälte G. van der Wal und G. A. Zonnekeyn, Brüssel, der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, der dänischen Regierung, vertreten durch Abteilungsleiter J. Molde, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado N. Diaz Abad als Bevollmächtigte, der französischen Regierung, vertreten durch S. Seam, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins im Beistand von M. Hoskins, des Rates, vertreten durch G. Houttuin, und der Kommission, vertreten durch H. van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten in der Sitzung vom 23. Mai 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2000 folgendes
 
Urteil
1. Die Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage (C-300/98) und der Hoge Raad der Nederlanden (Rechtssache C-392/98) haben mit Urteilen vom 25. Juni 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 1998, bzw. vom 30. Oktober 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage bzw. drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 50 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPs-Übereinkommen) in Anhang I C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO-Übereinkommen), das im Namen der Gemeinschaften hinsichtlich der in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 336, S. 1) genehmigt worden ist, zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. In der Rechtssache C-300/98 stellt sich die vorgelegte Frage in einem Rechtsstreit zwischen der Parfums Christian Dior SA (im Folgenden: Dior) und der Tuk Consultancy BV (im Folgenden: Tuk).
3. In der Rechtssache C-392/98 stellen sich die vorgelegten Fragen in einem Rechtsstreit zwischen der Assco Gerüste GmbH und R. Van Dijk (im Folgenden zusammen: Assco) einerseits und der Wilhelm Layher GmbH & Co. KG (im Folgenden: Layher Deutschland) und deren Tochtergesellschaft Layher BV (im Folgenden: Layher Niederlande) andererseits.
 
Rechtlicher Rahmen
4. Die elfte Begründungserwägung des Beschlusses 94/800 lautet:
    "Das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation einschließlich seiner Anhänge ist nicht so angelegt, dass es unmittelbar vor den Rechtsprechungsorganen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten angeführt werden kann[.]"
5. Artikel 1 Absatz 1 erster Gedankenstrich dieses Beschlusses bestimmt:
    "Im Namen der Europäischen Gemeinschaft werden hinsichtlich des in ihre Zuständigkeit fallenden Teils die folgenden multilateralen Übereinkünfte sowie Rechtsakte genehmigt:
    - das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation sowie die Übereinkünfte in den Anhängen 1, 2 und 3 dieses Übereinkommens ..."
6. Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens bestimmt:
    "(1) Die Gerichte sind befugt, schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen anzuordnen,
    a) um die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern, und insbesondere, um zu verhindern, dass Waren, einschließlicheingeführter Waren unmittelbar nach der Zollfreigabe, in die innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegenden Vertriebswege gelangen;
    b) um einschlägige Beweise hinsichtlich der behaupteten Rechtsverletzung zu sichern.
    (2) Die Gerichte sind befugt, gegebenenfalls einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei zu treffen, insbesondere dann, wenn durch eine Verzögerung dem Rechtsinhaber wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweise vernichtet werden.
    (3) Die Gerichte sind befugt, dem Antragsteller aufzuerlegen, alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise vorzulegen, um sich mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen zu können, dass der Antragsteller der Rechtsinhaber ist und dass das Recht des Antragstellers verletzt wird oder dass eine solche Verletzung droht, und anzuordnen, dass der Antragsteller eine Kaution zu stellen oder eine entsprechende Sicherheit zu leisten hat, die ausreicht, um den Antragsgegner zu schützen und einem Missbrauch vorzubeugen.
    (4) Wenn einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei getroffen wurden, sind die betroffenen Parteien spätestens unverzüglich nach der Vollziehung der Maßnahmen davon in Kenntnis zu setzen. Auf Antrag des Antraggegners findet eine Prüfung, die das Recht zur Stellungnahme einschließt, mit dem Ziel statt, innerhalb einer angemessenen Frist nach der Mitteilung der Maßnahmen zu entscheiden, ob diese abgeändert, aufgehoben oder bestätigt werden sollen.
    (5) Der Antragsteller kann aufgefordert werden, weitere Informationen vorzulegen, die für die Identifizierung der betreffenden Waren durch die Behörde, welche die einstweiligen Maßnahmen vollzieht, notwendig sind.
    (6) Unbeschadet des Absatzes 4 werden aufgrund der Absätze 1 und 2 ergriffene einstweilige Maßnahmen auf Antrag des Antragsgegners aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt, wenn das Verfahren, das zu einer Sachentscheidung führt, nicht innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet wird, die entweder von dem die Maßnahmen anordnenden Gericht festgelegt wird, sofern dies nach dem Recht des Mitglieds zulässig ist, oder, wenn es nicht zu einer solchen Festlegung kommt, 20 Arbeitstage oder 31 Kalendertage, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt, nicht überschreitet. (...)"
7. Die Schlussakte über die Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde sowie - vorbehaltlich seines Abschlusses - das WTO-Übereinkommen wurden am 15. April 1994 von den Vertretern der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten in Marrakesch (Marokko) unterzeichnet.
8. Bis zum 1. Januar 1975 war der Schutz vor sklavischer Nachahmung von Erzeugnissen in den Niederlanden durch das allgemeine Recht gewährleistet, insbesondere durch die Vorschriften über unerlaubte Handlungen, zu denen namentlich Artikel 1401 des Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch: BW) gehört, der mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Artikel 162 des Sechsten Buches des Burgerlijk Wetboek (im Folgenden: Artikel 6:162 BW) ersetzt wurde.
9. Artikel 1401 BW bestimmte bis zum 1. Januar 1992:
    "Jede unerlaubte Handlung, durch die einem anderen ein Schaden zugefügt wird, verpflichtet denjenigen, der diesen Schaden schuldhaft verursacht hat, dazu, ihn zu ersetzen."
10. Artikel 6:162 BW sieht seit dem 1. Januar 1992, soweit für den vorliegenden Fall einschlägig, vor:
    "1. Wer gegenüber einem anderen eine unerlaubte Handlung vornimmt, die ihm zugerechnet werden kann, ist verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der dem anderen hieraus entsteht.
    2. Als unerlaubte Handlung ist jeder Verstoß gegen ein Recht und jedes Handeln oder Unterlassen anzusehen, das gegen eine gesetzliche Pflicht oder gegen eine nach der Verkehrssitte bestehende ungeschriebene Rechtsvorschrift verstößt, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
    3. Eine unerlaubte Handlung ist dem Handelnden zuzurechnen, wenn sie durch ihn verschuldet wurde oder auf einen Umstand zurückzuführen ist, der ihm nach dem Gesetz oder den im Verkehr geltenden Auffassungen zuzuschreiben ist."
11. Artikel 289 Absatz 1 des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (Zivilprozessordnung; WBR) bestimmt:
    "In allen Rechtssachen, in denen aus Gründen der Dringlichkeit unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien eine sofortige einstweilige Maßnahme erforderlich ist, kann ein entsprechender Antrag in einer Sitzung gestellt werden, die der Präsident zu diesem Zweck an den dafür von ihm festgesetzten Werktagen abhält."
12. Nach Artikel 290 Absatz 2 WBR können die Parteien freiwillig im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Präsidenten erscheinen. In diesem Fall muß der Antragsteller durch einen Rechtsanwalt vertreten sein, während der Antragsgegner persönlich erscheinen oder durch einen Rechtsanwalt vertreten sein kann.
13. Nach Artikel 292 WBR greifen die vorläufigen Entscheidungen der Prüfung der Hauptsache nicht vor.
14. Nach Artikel 295 WBR kann gegen die vorläufige Entscheidung binnen zwei Wochen nach ihrer Verkündung ein Rechtsmittel zum Gerechtshof eingelegt werden.
 
Das Ausgangsverfahren
Rechtssache C-300/98
15. Dior ist Inhaberin der Parfümeriewaren-Marken "Tendre Poison", "Eau Sauvage" und "Dolce Vita" (im Folgenden: Dior-Marken), die Gegenstand verschiedener internationaler Eintragungen u.a. auch für die Benelux-Staaten sind. Dior vertreibt ihre Erzeugnisse in der Europäischen Gemeinschaft über ein selektives Vertriebssystem; Dior-Erzeugnisse haben das Image von Prestige- und Luxuswaren.
16. Tuk verkaufte und lieferte Parfums der Dior-Marken u.a. an die Digros BV mit Sitz in Hoofddorp (Niederlande).
17. Im Ausgangsverfahren machte Dior geltend, Tuk habe die Dior-Marken dadurch verletzt, dass sie Parfums unter diesen Marken vertrieben habe, ohne dass diese Parfums von Dior oder mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht worden seien.
18. Zwar habe Tuk im Ausgangsverfahren nachgewiesen, dass sie einen Teil der betreffenden Erzeugnisse in den Niederlanden und damit innerhalb des EWR erworben habe; ein anderer Teil des an Digros BV gelieferten Parfums stamme jedoch offenbar nicht aus dem EWR.
19. Da die Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage der Auffassung ist, dass sich im Ausgangsverfahren die Frage der unmittelbaren Wirkung von Artikel 50 Absatz 6 des am 1. Januar 1996 in den Niederlanden in Kraft getretenen TRIPs-Übereinkommens stelle, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    Ist Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens so zu verstehen, dass er unmittelbare Wirkung in dem Sinne hat, dass die darin bezeichneten Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn das nationale Recht keine dieser Übereinkommensbestimmung entsprechende Bestimmung enthält?
Rechtssache C-392/98
20. Layher Deutschland entwirft und produziert verschiedene Gerüstsysteme, darunter das System "Allroundsteiger". Layher Niederlande ist Alleinimporteur dieses Gerüstsystems für die Niederlande.
21. Layher Deutschland hat ihr Erzeugnis sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden patentieren lassen. Das Patent lief am 16. Oktober 1994 in Deutschland und am 7. August 1995 in den Niederlanden ab.
22. Die Assco Gerüste GmbH stellt das Gerüstsystem "Assco Rondosteiger" her. Dieses Erzeugnis, bei dem das Verbindungssystem und die Abmessungen die gleichen sind wie bei dem System "Allroundsteiger" von Layher Deutschland, wird in den Niederlanden von R. Van Dijk vertrieben, der unter der Firma Assco Holland Steigers Plettac Nederland tätig ist.
23. Layher Deutschland und Layher Niederlande beantragten am 14. März 1996 beim Präsidenten der Rechtbank Utrecht (Niederlande) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, Assco zu verbieten, das Gerüst "Assco Rondosteiger" in der damals produzierten Form in die Niederlande einzuführen, dort zu verkaufen, zum Kauf anzubieten oder anderweitig damit zu handeln.
24. Layher Deutschland und Layher Niederlande stützten ihren Antrag darauf, dass Assco sich ihnen gegenüber rechtswidrig verhalten habe, indem sie ein Gerüstsystem auf den Markt bringe, dass eine sklavische Nachahmung des Gerüstes "Allroundsteiger" sei. Die in den Randnummern 10 und 11 dieses Urteils angeführten niederländischen Bestimmungen können nach niederländischem Recht angeführt werden, um die rechtswidrige Nachahmung eines gewerblichen Modells verbieten zu lassen.
25. Der Präsident der Rechtbank Utrecht gab diesem Antrag statt. Er setzte außerdem die Frist des Artikels 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens auf ein Jahr fest.
26. Gegen diese Entscheidung legte Assco Berufung vor dem Gerechtshof Amsterdam (Niederlande) ein. Mit Urteil vom 9. Januar 1997 bestätigte der Gerechtshof die einstweilige Anordnung im Wesentlichen und hob sie nur insoweit auf, als sie die nach Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens anwendbare Frist festsetzte.
27. Assco legte daraufhin Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein, der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:
    1. Ist der Gerichtshof für die Auslegung des Artikels 50 des TRIPs-Übereinkommens auch insoweit zuständig, als die Bestimmungen dieses Artikels sich nicht auf einstweilige Maßnahmen beziehen, die die Verletzung eines Markenrechts verhindern sollen?
    2. Ist Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens, insbesondere Absatz 6, unmittelbar anwendbar?
    3. Wenn gegen die Nachahmung eines gewerblichen Modells nach nationalem Zivilrecht aufgrund der allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen, insbesondere auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs, vorgegangen werdenkann, ist dann der dem Rechtsinhaber hiernach zustehende Schutz als "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens anzusehen?
28. Diese Fragen der beiden vorlegenden Gerichte geben Anlass zur Prüfung der drei folgenden Punkte:
    - Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens und Voraussetzungen, unter denen diese Zuständigkeit wahrzunehmen ist (erste Frage in der Rechtssache C-392/98),
    - etwaige unmittelbare Wirkung von Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens (einzige Frage in der Rechtssache C-300/98 und zweite Frage in der Rechtssache C-392/98) und
    - Auslegung des Ausdrucks "Recht des geistigen Eigentums" in Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens (dritte Frage in der Rechtssache C-392/98)
 
Zur Zulässigkeit der Vorlage in der Rechtssache C-300/98
29. Der Rat und die Kommission, die in der Sitzung von der niederländischen Regierung unterstützt worden sind, halten die Vorlage in der Rechtssache C-300/98 für unzulässig, da das vorlegende Gericht im Vorlagebeschluss nicht angegeben habe, inwieweit eine Beantwortung der vorgelegten Frage für den Erlass seiner Entscheidung erforderlich sei.
30. Das vorlegende Gericht, das zum Erlass einstweiliger Maßnahmen nach seinem nationalen Recht angerufen worden ist, hat jedoch bei der Prüfung dieses Begehrens festgestellt, dass Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens für diese Maßnahmen bestimmte Befristungen enthalte und dass diese Befristungen in seinen nationalen Rechtsvorschriften über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht geregelt seien. Die Frage des vorlegenden Gerichts geht somit dahin, ob es unter diesen Umständen beim Erlass seiner Entscheidung verpflichtet ist, die in Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens vorgesehenen Befristungen zu beachten. Die von ihm vorgelegte Frage stimmt im Übrigen im Wesentlichen mit der zweiten Vorlagefrage in der Rechtssache C-392/98 überein, deren Zulässigkeit nicht in Abrede gestellt worden ist.
 
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens
32. Mit der ersten Frage des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache C-392/98 soll geklärt werden, ob die Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil vom 16. Juni 1998 in der Rechtssache C-53/96 (Hermès, Slg. 1998, I-3603) zu seiner Zuständigkeit für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens auf markenrechtliche Fallgestaltungen beschränkt sind.
33. Das TRIPs-Übereinkommen - Anhang I C des WTO-Übereinkommens - ist von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten aufgrund geteilter Zuständigkeit geschlossen worden (vgl. Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, Slg. 1994, I-5267, Randnr. 105). Folglich ist der Gerichtshof, wenn er gemäß den Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere Artikel 177 EG-Vertrag, angerufen wird, dafür zuständig, die insoweit von der Gemeinschaft übernommenen Verpflichtungen zu bestimmen und hierzu die Bestimmungen des TRIPs-Übereinkommens auszulegen.
34. Der Gerichtshof ist namentlich für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens zuständig, um den Bedürfnissen der Gerichte der Mitgliedstaaten gerecht zu werden, soweit diese bei der Anordnung einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die zum Anwendungsbereich des TRIPs-Übereinkommens gehören, ihre nationalen Vorschriften anzuwenden haben (vgl. Urteil Hermès, Randnrn. 28 und 29).
35. Ist eine Vorschrift wie Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens sowohl auf dem innerstaatlichen Recht unterliegende als auch auf dem Gemeinschaftsrecht unterliegende Sachverhalte anwendbar, wie dies im Markenrecht der Fall ist, so ist der Gerichtshof ebenfalls für ihre Auslegung zuständig, um voneinander abweichende Auslegungen in der Zukunft zu verhindern (vgl. Urteil Hermès, Randnrn. 32 und 33).
36. Insoweit sind die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaftsorgane bei der Erfüllung der Verpflichtungen, die sie aufgrund einer geteilten Zuständigkeit für den Abschluss des WTO-Übereinkommens - einschließlich des TRIPs-Übereinkommens - übernommen haben, zu enger Zusammenarbeit verpflichtet (vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/94, Randnr. 108).
37. Da Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens eine Verfahrensvorschrift ist, die für alle in ihren Geltungsbereich fallenden Sachverhalte in gleicher Weise gilt und sowohl auf dem innerstaatlichen Recht unterliegende als auch auf dem Gemeinschaftsrecht unterliegende Sachverhalte anwendbar ist, gebietet es diese Verpflichtung sowohl aus praktischen wie aus rechtlichen Gründen, dass die Stellen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft sie einheitlich auslegen.
38. Nur der Gerichtshof, der nach Artikel 177 EG-Vertrag in Zusammenarbeit mit den Gerichten der Mitgliedstaaten tätig wird, ist in der Lage, diese einheitliche Auslegung zu gewährleisten.
39. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens ist somit nicht auf die unter das Markenrecht fallenden Sachverhalte beschränkt.
40. Daher ist auf die in der Rechtssache C-392/98 vorgelegte erste Frage zu antworten, dass der Gerichtshof, wenn er gemäß den Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere Artikel 177 EG-Vertrag, angerufen wird, für die Auslegung von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens zuständig ist, soweit bei den Gerichten der Mitgliedstaaten der Erlass einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums, die zum Geltungsbereich des TRIPs-Übereinkommens gehören, beantragt worden ist.
 
Zur unmittelbaren Wirkung von Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens
41. Mit der zweiten Frage in der Rechtssache C-392/98 und der einzigen Frage in der Rechtssache C-300/98 möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Verfahrensvorschriften des Artikels 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens der Sphäre des Gemeinschaftsrechts zuzurechnen sind und ob sie deshalb von den nationalen Gerichten auf Betreiben der Parteien oder von Amts wegen angewandt werden müssen.
42. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn aus dem Wortlaut, dem Gegenstand und der Art des Abkommens zu schließen ist, dass sie eine klare, eindeutige und unbedingte Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen (vgl. hierzu Urteile vom 30. September 1987 in der Rechtssache 12/86, Demirel, Slg. 1987, 3719, Randnr. 14, und vom 16. Juni 1998 in der Rechtssache C-162/96, Slg. 1996, I-3655, Randnr. 31).
43. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, gehören die WTO-Übereinkünfte und ihre Anhänge wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gerichtshof die Handlungen der Gemeinschaftsorgane gemäß Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) mißt (vgl. Urteil vom 23. November 1999 in der Rechtssache C-149/96, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395, Randnr. 47).
44. Aus den gleichen Gründen wie den vom Gerichtshof in den Randnummern 42 bis 46 des Urteils Portugal/Rat angeführten begründen die Bestimmungen des dem WTO-Übereinkommen als Anhang beigefügten TRIPs-Übereinkommens für den Einzelnen keine Rechte, auf die er sich nach dem Gemeinschaftsrecht unmittelbar vor den Gerichten berufen könnte.
45. Die Feststellung, dass die Bestimmungen des TRIPs-Übereinkommens in diesem Sinne keine "unmittelbare Wirkung" haben, wird jedoch dem von den vorlegenden Gerichten aufgeworfenen Problem nicht völlig gerecht.
46. Artikel 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens ist nämlich eine Verfahrensbestimmung, die die Gemeinschafts- und die nationalen Gerichte aufgrund von Verpflichtungen durchzuführen haben, die sowohl von der Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten übernommen worden sind.
47. In einem Bereich, auf den das TRIPs-Übereinkommen anwendbar ist und in dem die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, wie es beim Markenrecht der Fall ist, sind die Gerichte der Mitgliedstaaten gemäß dem Urteil Hermès, insbesondere dessen Randnummer 28, nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, bei der Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Anordnung einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten, die zu diesem Bereich gehören, soweit wie möglich den Wortlaut und den Zweck von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens zu berücksichtigen.
48. Soweit es sich jedoch um einen Bereich handelt, in dem die Gemeinschaft noch keine Rechtsvorschriften erlassen hat und der somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, unterliegen der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die von den Gerichten hierzu getroffenen Maßnahmen nicht dem Gemeinschaftsrecht. Das Gemeinschaftsrecht gebietet es daher nicht, schließt es aber auch nicht aus, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf die Bestimmung des Artikels 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, diese Vorschrift von Amts wegen anzuwenden.
49. Auf die zweite in der Rechtssache C-392/98 und die einzige in der Rechtssache C-300/98 vorgelegte Frage ist somit wie folgt zu antworten:
    - In einem Bereich, auf den das TRIPs-Übereinkommen anwendbar ist und in dem die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, sind die Gerichte der Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, bei der Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Anordnung einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten, die zu diesem Bereich gehören, soweit wie möglich den Wortlaut und den Zweck von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens zu berücksichtigen.
    - In einem Bereich, in dem die Gemeinschaft noch keine Rechtsvorschriften erlassen hat und der somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, unterliegen der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die von den Gerichten hierzu getroffenen Maßnahmen nicht dem Gemeinschaftsrecht. Das Gemeinschaftsrecht gebietet es daher nicht, schließt es aber auch nicht aus, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf die Bestimmung des Artikels 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, diese Vorschrift von Amts wegen anzuwenden.
 
Zur Auslegung des Ausdrucks "Recht des geistigen Eigentums"
50. Mit der dritten in der Rechtssache C-392/98 vorgelegten Frage soll geklärt werden, ob das nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebene Klagerecht, das auf den Schutz eines gewerblichen Modells vor Nachahmung gerichtet ist, als "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens anzusehen ist.
51. Die so umformulierte Frage zerfällt in zwei Teile. Zunächst ist zu prüfen, ob ein gewerbliches Modell wie das im Ausgangsverfahren fragliche in den Geltungsbereich des TRIPs-Übereinkommens fällt. Wenn dies zu bejahen ist, ist zweitens zu prüfen, ob das nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts, wie sie im vorliegenden Fall angeführt worden sind, gegebene Klagerecht, das auf den Schutz eines Modells vor Nachahmung gerichtet ist, ein "Recht" des geistigen Eigentums im Sinne von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens darstellt.
52. Zum ersten Teil hat das vorlegende Gericht zu Recht festgestellt, dass der in Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens enthaltene Begriff "geistiges Eigentum" nach Artikel 1 Absatz 2 des TRIPs-Übereinkommens alle Arten des geistigen Eigentums umfasst, die Gegenstand der Abschnitte 1 bis 7 des Teils II des TRIPs-Übereinkommens sind. Abschnitt 4 betrifft "Gewerbliche Muster und Modelle".
53. Artikel 25 des TRIPs-Übereinkommens legt die Voraussetzungen fest, unter denen ein gewerbliches Muster oder Modell nach dem TRIPs-Übereinkommen Schutz genießt. Artikel 26 betrifft die Art des Schutzes, etwaige Ausnahmen und die Schutzdauer.
54. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das gewerbliche Modell, um das es sich im Ausgangsverfahren handelt, die Voraussetzungen des Artikels 25 des TRIPs-Übereinkommens erfüllt.
55. Was den zweiten Teil der Frage angeht, so enthält das TRIPs-Übereinkommen keine ausdrückliche Definition des Begriffes "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne dieses Übereinkommens. Dieser in der Präambel und im Text des TRIPs-Übereinkommens vielfach verwendete Begriff muss daher nach seinem Zusammenhang und seinem Sinn und Zweck ausgelegt werden.
56. Nach dem ersten Absatz seiner Präambel bezweckt das TRIPs-Übereinkommen, "Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, ... unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen, dass die Massnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden". Im zweiten Absatz erkennen die Vertragsparteien an, dass es neuer Regeln und Disziplinen bedarf im Hinblick auf
    "b) die Aufstellung angemessener Normen und Grundsätze betreffend die Verfügbarkeit, den Umfang und die Ausübung handelsbezogener Rechte des geistigen Eigentums,
    c) die Bereitstellung wirksamer und angemessener Mittel für die Durchsetzung handelsbezogener Rechte des geistigen Eigentums unter Berücksichtigung der Unterschiede in den Rechtssystemen der einzelnen Länder, (...)"
57. Im dritten Absatz der Präambel des TRIPs-Übereinkommens erkennen die Vertragsparteien die "Notwendigkeit eines multilateralen Rahmens von Grundsätzen, Regeln und Disziplinen betreffend den internationalen Handel mit gefälschten Waren" an; im vierten Absatz erkennen sie an, "dass Rechte an geistigem Eigentum private Rechte sind".
58. Nach Artikel 1 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens, der "Wesen und Umfang der Pflichten" betrifft, steht es den Mitgliedern frei, die für die Umsetzung dieses Übereinkommens in ihrem eigenen Rechtssystem und in ihrer Rechtspraxis geeignete Methode festzulegen.
59. Artikel 62 des TRIPs-Übereinkommens, der dessen Teil IV - "Erwerb und Aufrechterhaltung von Rechten des geistigen Eigentums und damit im Zusammenhang stehende Inter-partes-Verfahren" - bildet, sieht in seinen Absätzen 1 und 2 vor, dass die Vertragsparteien den Erwerb oder die Aufrechterhaltung der Rechte des geistigen Eigentums von der Beachtung angemessener Verfahren und Förmlichkeiten, einschließlich Erteilungs- oder Eintragungsverfahren, abhängig machen können. Solche Verfahren sind jedoch keine unverzichtbare Voraussetzung für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines Rechts des geistigen Eigentums im Sinne des TRIPs-Übereinkommens.
60. Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich insgesamt, dass das TRIPs-Übereinkommen es den Vertragsparteien im Rahmen ihres eigenen Rechtssystems, insbesondere des Privatrechtssystems, überlässt, die nach dem TRIPs-Übereinkommen als "Rechte des geistigen Eigentums" zu schützenden Interessen und die Methode ihres Schutzes im Einzelnen festzulegen, sofern dieser Schutz, insbesondere zur Verhinderung des Handels mit gefälschten Waren, wirksam ist und nicht zu Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels führt.
61. Gerichtliche Klagen, die darauf gerichtet sind, die angebliche Nachahmung eines gewerblichen Modells zu verhindern, können zwar den Handel mit gefälschten Waren verhüten, jedoch auch den internationalen Handel behindern.
62. Daraus folgt, dass ein nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebenes Klagerecht, das auf den Schutz eines gewerblichen Modells vor Nachahmung gerichtetist, als "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens angesehen werden kann.
63. Nach alledem ist auf die dritte in der Rechtssache C-392/98 vorgelegte Frage zu antworten, dass Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens es den Vertragsparteien im Rahmen ihres eigenen Rechtssystems überlässt, festzulegen, ob das nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebene Klagerecht, das auf den Schutz eines gewerblichen Modells vor Nachahmung gerichtet ist, als "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens anzusehen ist.
 
Kosten
64. Die Auslagen der niederländischen, der dänischen, der spanischen, der französischen und der portugiesischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof auf die ihm von der Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage mit Urteil vom 25. Juni 1998 und vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 30. Oktober 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Der Gerichtshof ist, wenn er gemäß den Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) angerufen wird, für die Auslegung des Artikels 50 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs-Übereinkommen) in Anhang I C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das im Namen der Gemeinschaft hinsichtlich der in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 genehmigt worden ist, zuständig, soweit bei den Gerichten der Mitgliedstaaten der Erlass einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums, die zum Geltungsbereich des TRIPs-Übereinkommens gehören, beantragt worden ist.
2. In einem Bereich, auf den das TRIPs-Übereinkommen anwendbar ist und in dem die Gemeinschaft bereits Rechtsvorschriften erlassen hat, sind die Gerichte der Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, bei der Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Anordnung einstweiliger Maßnahmen zum Schutz von Rechten, die zu diesem Bereich gehören, soweit wie möglich den Wortlaut und den Zweck von Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens zu berücksichtigen.
In einem Bereich, in dem die Gemeinschaft noch keine Rechtsvorschriften erlassen hat und der somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, unterliegen der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die von den Gerichten hierzu getroffenen Maßnahmen nicht dem Gemeinschaftsrecht. Das Gemeinschaftsrecht gebietet es daher nicht, schließt es aber auch nicht aus, dass die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats dem Einzelnen das Recht zuerkennt, sich unmittelbar auf die Bestimmung des Artikels 50 Absatz 6 des TRIPs-Übereinkommens zu berufen, oder die Gerichte verpflichtet, diese Vorschrift von Amts wegen anzuwenden.
3. Artikel 50 des TRIPs-Übereinkommens überlässt es den Vertragsparteien im Rahmen ihres eigenen Rechtssystems, festzulegen, ob das nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebene Klagerecht, das auf den Schutz eines gewerblichen Modells vor Nachahmung gerichtet ist, als "Recht des geistigen Eigentums" im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 des TRIPs-Übereinkommens anzusehen ist.
Rodriguez Iglesias, Gulmann, La Pergola, Wathelet, Skouris, Edward, Puissochet, Jann, Sevon, Schintgen, Macken
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2000.
R. Grass (Der Kanzler), G. C. Rodriguez Iglesias (Der Präsident)