BGE 144 V 111
 
15. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen Institut X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
9C_308/2017 vom 17. Mai 2018
 
Regeste
Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 AHVG; AHV-rechtliches Beitragsstatut.
 
Sachverhalt


BGE 144 V 111 (111):

A. A. ersuchte im April 2014 bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich um Anschluss als selbständige Psychotherapeutin im Nebenberuf und Eintragung ins Register der Beitragspflichtigen. Mit Verfügung vom 6. November 2014 lehnte die Ausgleichskasse das Gesuch ab, weil die Versicherte als Unselbständigerwerbende zu qualifizieren sei, für welche das Institut X. paritätische Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Dem als Kollektivgesellschaft konstituierten Institut wurde die Verfügung ebenfalls eröffnet. Es erhob Einsprache. Die Ausgleichskasse wies diese mit Entscheid vom 21. Oktober 2015 ab.
B. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die vom Institut X. erhobene Beschwerde gut, hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf und stellte fest, dass die von der Versicherten am Institut ausgeübte Tätigkeit als Psychotherapeutin eine selbständige Erwerbstätigkeit darstelle (Entscheid vom 28. Februar 2017).
C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Bestätigung ihres Einspracheentscheids.
Während das Institut X. auf Abweisung der Beschwerde schliesst, haben sich das Bundesamt für Sozialversicherungen und die als Mitinteressierte beigeladene A. nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
 


BGE 144 V 111 (112):

Aus den Erwägungen:
Ob die Vorinstanz im konkreten Fall den für die Beurteilung des Beitragsstatuts massgebenden Kriterien (nachfolgende E. 4.2) das ihnen gebührende Gewicht beigemessen und insofern deren Bedeutung richtig erkannt hat, stellt ebenfalls eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Davon miterfasst sind die Frage, ob ein im Zusammenhang mit der streitigen Tätigkeit stehender Umstand für die Beurteilung der Statusfrage von Relevanz ist, sowie dessen Wertung als Indiz für oder gegen unselbständige bzw. selbständige Erwerbstätigkeit (SVR 2013 AHV Nr. 15 S. 65, 9C_930/2012 E. 6.1 in fine).
 
Erwägung 4
4.2 Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbständig

BGE 144 V 111 (113):

erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 161 E. 1 S. 163; BGE 122 V 169 E. 3a S. 171, BGE 122 V 281 E. 2a S. 283; BGE 119 V 161 E. 2 S. 162; SVR 2018 AHV Nr. 4 S. 9, 9C_250/2017 E. 2.3).
 
Erwägung 5
    "Frau A. arbeitet ab dem 1. April 2014 als selbständige Psychotherapeutin in den Räumlichkeiten des Instituts X.
    Für ihre Tätigkeit wird ihr an zwei Tagen pro Woche je ein Therapieraum zur Verfügung gestellt. Die dafür vereinbarten Tage sind der Mittwoch (ganzer Tag) und Donnerstag (ab 12.15 Uhr). Sollten sich die Bedürfnisse des Instituts ändern, so werden diese Tage entsprechend angepasst. In besonderen Fällen (z.B. Feiertage) besteht nach Absprache mit dem Institut die Möglichkeit, die vereinbarten Tage auf einen anderen Wochentag zu verschieben.
    Frau A. führt am Institut psychotherapeutische Leistungen in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung durch. Die dafür notwendigen administrativen Arbeiten werden von ihr selbst erledigt. Es besteht kein Anstellungsverhältnis zwischen dem Institut und Frau A. Die durch die Tätigkeit anfallenden Sozialleistungen werden von ihr selbst mit den zuständigen Behörden abgerechnet.
    Der von Frau A. zu leistende Infrastrukturkostenbeitrag an das Institut wird folgendermassen berechnet: Für den Therapieraum wird ein fixer Betrag, beruhend auf der Annahme, dass pro Tag mindestens drei Sitzungen stattfinden, berechnet. Es handelt sich um einen Beitrag von CHF 180.- pro Tag bzw. CHF 360.- für zwei Tage/Woche. Für Sitzungen, die ausserhalb der vereinbarten Tage stattfinden und/oder über die drei Sitzungen hinausgehen, beträgt der Infrastrukturbeitrag ein Drittel

    BGE 144 V 111 (114):

    der erzielten Einnahmen. Der Infrastrukturkostenbeitrag wird von Frau A. quartalsweise detailliert abgerechnet und dem Institut überwiesen. Für jede in Rechnung gestellte Leistung wird von Frau A. ein Leistungsblatt ausgefüllt und an das Institut abgegeben.
    Zur Qualitätssicherung werden die Therapien auf Video aufgenommen und mit Hilfe von verschiedenen Messmitteln untersucht. Frau A. erklärt sich damit einverstanden, entsprechend den Vorgaben des Instituts, die von ihr durchgeführten Therapien aufzuzeichnen, zu messen und zu dokumentieren. Sie stellt ihre Therapien dem Institut X. zu Forschungszwecken zur Verfügung. Die Videobänder sind Eigentum des Instituts.
    Frau A. entwickelt in Absprache und mit Unterstützung der Institutsleitung neue Angebote für Klienten und Patienten. Solche Angebote müssen empirisch gut validiert sein und den qualitativen Anforderungen des Instituts X. entsprechen. Sie beteiligt sich aktiv an der Weiterentwicklung des Instituts und macht die gegenwärtigen und zukünftigen Angebote ausserhalb des Instituts bekannt. Sie nimmt nach Möglichkeit an internen klinischen Sitzungen und Fortbildungsveranstaltungen teil.
    Diese Vereinbarung ersetzt die Vereinbarung vom 26. Februar 2013 und kann beidseitig mit einer Frist von drei Monaten aufgelöst werden."
 
Erwägung 6
6.1 Neben dem rund 30%igen Pensum am Institut X. ist die Versicherte - in unselbständiger Stellung - anderweitig als Lehrbeauftragte tätig. Letzteres bleibt ohne präjudizielle Wirkung für die hier zu beantwortende Rechtsfrage. Übt nämlich eine versicherte Person gleichzeitig mehrere Erwerbstätigkeiten aus, ist die beitragsrechtliche Qualifikation nicht aufgrund einer Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Vielmehr ist jedes einzelne Erwerbseinkommen dahin zu prüfen, ob es aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt (BGE 123 V 161 E. 4a S. 167; BGE 122 V 169 E. 3b S. 172). Bei dieser Prüfung ist die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses, wie erwähnt (E. 4.2 hiervor am Anfang), AHV-rechtlich nicht entscheidend. Dies gilt namentlich für die in der Vereinbarung gewählten Formulierungen, wonach die Versicherte als selbständige Therapeutin arbeite und zwischen ihr und dem Institut "kein Anstellungsverhältnis" bestehe. Die daraus abgeleitete Übereinkunft, die Beigeladene habe über die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge mit den zuständigen Behörden selber abzurechnen, ist für die Durchführungsorgane der AHV nicht bindend (SVR 2012 AHV Nr. 6 S. 21, 9C_246/2011 E. 6.4 in fine).
 
Erwägung 6.2
6.2.1 Die Vereinbarung zwischen dem Institut X. und der Versicherten räumt dieser nicht nur die Benutzung eines Therapieraumes während eineinhalb Tagen pro Woche ein (Mittwoch, Donnerstag

BGE 144 V 111 (115):

ab 12.15 Uhr), sondern lässt sie unbestrittenermassen teilhaben an der gesamten Infrastruktur einer bestens ausgerüsteten Psychotherapie-Praxis im Zentrum der Stadt Y. Dazu gehören neben der Mitbenutzung des Sekretariats, der Bibliothek und der EDV-Ausstattung auch Wartezimmer, Kopierer, sanitäre Anlagen, Getränke und Büromaterial sowie die Möglichkeit der Supervision ihrer therapeutischen Arbeit. Der von der Beigeladenen zu leistende fixe Infrastrukturkostenbeitrag beläuft sich auf Fr. 360.- (2 x Fr. 180.-) für die beiden genannten Wochentage und beruht laut Vereinbarung und Vernehmlassung des Instituts auf der Annahme, dass mittwochs und donnerstags je drei Therapiesitzungen stattfinden, womit ein Drittel des von der Versicherten pro Sitzung vereinnahmten Honorars ("z.Zt." Fr. 180.-) abgeführt würde (vgl. auch die Regelung für Sitzungen, die ausserhalb der vereinbarten Tage stattfinden und/oder über drei Sitzungen pro Tag hinausgehen). Gegen diesen Beitrag an die Unkosten eröffnet das Institut X. der Beigeladenen die Möglichkeit, ohne grossen Aufwand - weder in organisatorischer noch in finanzieller Hinsicht - ihrer Tätigkeit als Psychotherapeutin nachzugehen. Wie bereits erwähnt, wird sie auf der Instituts-Homepage als Mitglied des Klinischen Teams geführt, und zwar mit Angaben zu Ausbildung, beruflichem Werdegang und Spezialisierung sowie mit ihrer - institutseigenen - persönlichen E-Mail-Adresse. Werbeauslagen entfallen somit ebenfalls. Von erheblichen Investitionen, welche die Versicherte zu tragen hätte, kann demnach keine Rede sein. Dasselbe gilt mit Bezug auf ein grösseres Verlustrisiko. Wohl hat sie den erwähnten Infrastrukturkostenbeitrag stets zu entrichten (auch bei ferien- und krankheitsbedingter Abwesenheit). Zudem trägt sie die Folgen der Zahlungsunfähigkeit von Klienten oder Patienten (Inkasso- und Delkredere-Risiko). Angesichts der in der Vereinbarung festgelegten dreimonatigen Kündigungsfrist kann sie ihre Tätigkeit als Psychotherapeutin aber bei wirtschaftlichem Misserfolg relativ kurzfristig und ohne Einbussen im Sinne von Substanzverlusten wieder aufgeben, da sie weder für Angestelltenlöhne noch (mit Blick auf die mitbenutzten Institutsräumlichkeiten) für ein längerfristiges Mietverhältnis einzustehen hat.
6.2.2 Insgesamt fehlt es somit an einem spezifischen Unternehmerrisiko der Versicherten, was an sich gegen eine selbständige Erwerbstätigkeit spricht. Die Vorinstanz sieht dies nicht anders. Sie beruft sich indes auf die Rechtsprechung, wonach bei typischen Dienstleistungstätigkeiten wie der vorliegenden, für deren Ausübung häufig weder besondere Investitionen zu tätigen noch Angestelltenlöhne zu

BGE 144 V 111 (116):

bezahlen sind, das Unternehmerrisiko als Unterscheidungsmerkmal gegenüber demjenigen der betriebswirtschaftlich-arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit in den Hintergrund zu treten hat (SVR 2013 AHV Nr. 15 S. 65, 9C_930/2012 E. 6.2 in fine; 2007 AHV Nr. 12 S. 32, H 102/06 E. 6.4; je mit Hinweisen). Demgegenüber macht die beschwerdeführende Ausgleichskasse geltend (vgl. dazu vorstehende E. 3 in fine), hier dürfe nicht unbesehen auf diese Gerichtspraxis abgestellt werden. Wohl könne Psychotherapie als Dienstleistung grundsätzlich ohne besondere Investitionen praktiziert werden. Für die von der Versicherten am Institut X. konkret ausgeübte Tätigkeit als Psychotherapeutin würden jedoch vonseiten des Instituts (bzw. der Kollektivgesellschafterinnen) erhebliche finanzielle und personelle Aufwendungen erbracht, von denen die Beigeladene in hohem Masse profitiere, obwohl sie daran nur indirekt (in Form von Infrastrukturbeiträgen) beteiligt sei.
Ob das Unterscheidungsmerkmal des unternehmerischen Risikos entgegen der angeführten Rechtsprechung nicht in den Hintergrund zu treten hat, wenn im konkreten Falle einer üblicherweise investitionsarmen Dienstleistungstätigkeit dennoch beträchtliche Aufwendungen (zum Vorteil der versicherten Person) erbracht werden, mag hier offenbleiben. Wie den folgenden Erwägungen zu entnehmen ist, zeitigt die Prüfung des Beitragsstatuts selbst dann ein eindeutiges Ergebnis, wenn allein auf das Kriterium der betriebswirtschaftlichen oder arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit abgestellt wird.
 
Erwägung 6.3
6.3.1 Unter diesem Aspekt hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich (vgl. nicht publ. E. 2 und 3 hiervor) festgestellt, dass es der Beigeladenen freistehe, mit welchen Patientinnen und Patienten sie ein Therapieverhältnis eingehe, eine bindende Zuweisung von Klienten durch das Institut erfolge nicht. Ferner könne sie das Honorar für die von ihr durchgeführten Psychotherapien frei festlegen. Es bestehe auch kein Konkurrenzverbot, die Versicherte dürfte ihre psychologische Dienstleistung demnach auch andernorts anbieten. Diese Umstände sprechen für die arbeitsorganisatorische Unabhängigkeit der Beigeladenen vom Institut X. Andere Gegebenheiten lassen sich weniger eindeutig als Hinweise für oder gegen selbständige bzw. unselbständige Erwerbstätigkeit werten. So besteht zwar weder eine Pflicht der Versicherten zur Nutzung der Therapieräume noch unterliegt sie einer Präsenzpflicht. Dennoch finden sämtliche ihrer Therapiesitzungen am Institut statt, was letztlich für eine faktische arbeitsorganisatorische Einbindung spricht.

BGE 144 V 111 (117):

Ähnliche Überlegungen gelten für die Rechnungsstellung an die Klienten und Patienten. Obwohl diese von der Beigeladenen selber wahrgenommen wird und die Honorarzahlungen direkt auf ihr persönliches Konto erfolgen, findet sich im Briefkopf der Rechnungen über ihrem eigenen Namen auch derjenige des Instituts X. sowie allein dessen Anschrift. Gegen aussen kann deshalb nicht von einem Auftreten in eigenem Namen gesprochen werden, was die Vorinstanz zu Recht als Indiz für eine unselbständige Erwerbstätigkeit wertet. Nichts anderes gilt für den bereits erwähnten (E. 6.2.1 hiervor), alleinigen Werbeauftritt im Rahmen der Instituts-Homepage.
6.3.2 Für das Bundesgericht ebenfalls verbindlich ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach die in der Vereinbarung geregelte Rapportierungspflicht mittels Leistungsblättern allein der Abrechnung über den Infrastrukturkostenbeitrag dient und nicht etwa der Berichterstattung über den jeweiligen Inhalt der durchgeführten Therapie. Für konkrete Weisungen des Instituts, wie die Versicherte eine Psychotherapie im Einzelfall durchzuführen habe, fehlen jegliche Hinweise (so die gleichermassen bindende Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts). Daraus lässt sich allerdings noch nichts Relevantes ableiten. Eine ausgeprägte Eigenverantwortlichkeit bei Erbringung der Dienstleistung bildet Merkmal aller sog. freien Berufe, ohne dass damit bereits beantwortet wäre, in welcher Stellung (selbständig oder unselbständig) die Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. diesbezüglich etwa die Hinweise auf die differenzierte Rechtsprechung zur beitragsrechtlichen Qualifikation von Ärzten bei UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1264 Rz. 201 f., und HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, S. 124 ff. Rz. 4.38-4.50).
Für die hier zu beantwortende Rechtsfrage lässt sich auch aus dem Umstand nichts gewinnen, dass die Honorarzahlungen an die Versicherte nicht vom Institut geleistet werden, sondern direkt von deren Klienten und Patienten. Nach der Rechtsprechung ist nämlich von einer objektbezogenen Definition des massgebenden Lohnes auszugehen, nach welcher es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wer das Entgelt bezahlt. Entscheidend ist vielmehr, ob die geldwerte Leistung wirtschaftlich im Arbeitsverhältnis ihre hinreichende Begründung findet (BGE 137 V 321 E. 2.2.1 S. 326; SVR 2012 AHV Nr. 6 S. 21, 9C_246/2011 E. 6.4).


BGE 144 V 111 (118):

6.3.3 Die Vereinbarung verpflichtet ferner die Beigeladene, in Absprache und mit Unterstützung der Institutsleitung neue Angebote für Klienten und Patienten zu entwickeln. Aber auch die aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung des Instituts selber wird von der Versicherten verlangt. Sie hat denn auch nach vorinstanzlicher Feststellung auf der Homepage der Einrichtung bereits mehrere wissenschaftliche Beiträge zu psychischen Erkrankungen und deren Therapie publiziert. Schliesslich muss sie die gegenwärtigen und künftigen Angebote des Instituts ausserhalb des Hauses bekannt machen. Der Passus der Vereinbarung, wonach die Beigeladene "nach Möglichkeit" an internen klinischen Sitzungen und Fortbildungsveranstaltungen teilnimmt, beschlägt nach verbindlicher Feststellung des kantonalen Gerichts nicht die allgemeine berufliche Fortbildung, sondern interne Zusammenkünfte und vom Institut selber angebotene Weiterbildungen, welche allesamt (auch) der Ein- und Erhaltung der qualitativen Anforderungen des Instituts X. dienen. Diese weitgehende betriebswirtschaftliche und wissenschaftliche Eingliederung der Versicherten weist in Richtung unselbständige Erwerbstätigkeit.
Worin die Qualitätsanforderungen im Einzelnen bestehen, kann hier offenbleiben. Im vorstehend zitierten Passus der Vereinbarung wird das Bemühen der Institutsleitung greifbar, die Mitglieder des Klinischen Teams auf die mit dem Namen des früheren Leiters eng verbundenen Therapieansätze zu verpflichten. In diesem Sinne führt sie letztinstanzlich aus: "Wer sich aus freien Stücken entschliesst, unter dem Namen und dem damit verbundenen Inhalt und daraus folgend der Therapierichtung des Instituts X. seine Dienste als Psychotherapeut anzupreisen, erklärt damit, dieser Therapierichtung zu folgen und sich innerhalb dieser Therapierichtung weiterzuentwickeln und unternehmerisch tätig zu sein". Abgesehen davon, dass die Versicherte kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt (E. 6.2.2 hiervor), ist dem Institut insoweit beizupflichten, als die Integration der im Klinischen Team praktizierten Therapieansätze in die eigene

BGE 144 V 111 (119):

therapeutische Arbeit allein noch keine Hinweise auf eine arbeitsorganisatorische Unterordnung liefert. Anders sieht es indessen mit der Art und Weise aus, wie das Institut sicherstellt, dass unter seinem Dach die eigene Therapierichtung gepflegt wird. Zumindest die Beigeladene verpflichtete sich ("zur Qualitätssicherung" und "mit Hilfe von verschiedenen Messmitteln"), die von ihr durchgeführten Therapien entsprechend den Vorgaben des Instituts auf Video aufzuzeichnen, zu messen und zu dokumentieren. Die entsprechenden Unterlagen stellt sie dem Institut X. zu Forschungszwecken zur Verfügung (wobei die Videobänder im Eigentum des Instituts verbleiben). Nach der nicht offensichtlich unrichtigen und daher für das Bundesgericht verbindlichen (nicht publ. E. 2) vorinstanzlichen Beweiswürdigung stellt diese äusserst weitgehende Verpflichtung der Versicherten eine Vorkehr des Instituts zur Sicherstellung seiner qualitativen Anforderungen dar, nicht (nur) derjenigen der Beigeladenen. Mit diesem Zugeständnis unterwirft sich die Versicherte in einer Weise den Kontrollbedürfnissen des Instituts wie sie sonst vielleicht bei ärztlich delegierten Psychotherapeutinnen und -therapeuten anzutreffen ist, welche unter direkter Aufsicht und Verantwortlichkeit der delegierenden Arztperson stehen (BGE 125 V 441 E. 2d S. 444 f.). Dieser Teil der Vereinbarung ist jedenfalls Ausdruck eines arbeitnehmerähnlichen Subordinationsverhältnisses.
6.4 Nach dem Gesagten weist die von der Beigeladenen am Institut X. ausgeübte Psychotherapie verschiedene Kriterien auf, die überwiegend zugunsten einer unselbständigen Tätigkeit sprechen. Dies betrifft - unter gänzlicher Ausklammerung des spezifischen Unternehmerrisikos (vgl. dazu E. 6.2.2 hiervor) - das Auftreten in "eigenem" Namen nur unter dem Briefkopf des Instituts oder als Mitglied seines Klinischen Teams, die weitgehende betriebswirtschaftliche, persönliche und wissenschaftlich-konzeptuelle Einbindung der Versicherten sowie die Ausgestaltung der diesbezüglichen Kontrolle. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung belegen diese Merkmale ein Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis, weil den gegenläufigen Aspekten des Inkasso- und Delkredere-Risikos, der freien Patientenannahme und Preisgestaltung sowie des Verzichts auf ein Konkurrenzverbot auch vereint deutlich weniger Gewicht beizumessen ist. Jedenfalls vermögen sie das Pendel nicht in Richtung selbständige Erwerbstätigkeit ausschlagen zu lassen. Die anderslautende Bewertung der Vorinstanz verletzt Bundesrecht und ist zu korrigieren.