BGE 79 IV 148 - Pfadfinder Koller
 


BGE 79 IV 148 (148):

37. Urteil des Kassationshofes
vom 27. November 1953 i.S. Koller gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.
 
Regeste
Art. 33 Abs. 1 StGB.
a) Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass der Abwehrende den Erfolg seiner Handlung vorsätzlich herbeigeführt habe (Erw. 1).
b) Das Recht der Abwehr besteht nicht bloss subsidiär (Erw. 2).
c) Abwehr durch Abgabe von Schreckschüssen, Angemessenheit (Erw. 3, 4).
 
Sachverhalt
 
A.
Am 26. Oktober 1951 nach 22 Uhr begegneten Othmar Lehmann, geb. 1910, der den Beruf eines Metzgers ausübte, und Hans Solenthaler, geb. 1907, Schulhausabwart, die beide unter Alkoholeinfluss standen, den von einer Pfadfinderübung heimkehrenden fünfzehnjährigen Knaben Alfred Salaorni und Karl Schlumpf. Lehmann führte, wie Solenthaler sagt, ein "lautes Maul", eilte den Knaben nach und nahm Salaorni, ohne dass dieser oder sein Kamerad dazu irgendwelchen Anlass gegeben hätte, das Fahrrad weg. Die Knaben, welche die beiden Angetrunkenen nicht kannten, begaben sich zu ihrem Pfadfinderführer, dem Versicherungsangestellten Walter Koller, geb. 1925, und baten ihn um Hilfe. Koller steckte eine geladene Walther-Pistole in die Tasche, um sich, wenn nötig, verteidigen zu können, und begab sich auf die Suche nach dem Fahrrad. Nach der Polizeistunde traf er in Gegenwart der beiden Knaben auf Lehmann und Solenthaler, die nach

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dem Besuche eines weiteren Wirtshauses die Heimatstrasse heraufkamen und das weggenommene Fahrrad mit sich führten. Karl Schlumpf bat die beiden Männer in anständiger Weise, das Fahrrad zurückzugeben. Lehmann und Solenthaler wurden gegenüber beiden Knaben handgreiflich; einer der Männer versetzte dem einen Knaben ohne Anlass sogar eine Ohrfeige. Auch als Koller die Männer ruhig und in sehr anständigem Tone um Rückgabe des Fahrrades ersuchte, verweigerten sie diese. Koller beauftragte einen der Knaben, der Polizei zu telephonieren, und suchte zu diesem Zwecke nach einem Zwanzigrappenstück, ohne jedoch ein solches zu finden. Unterdessen wurde Solenthaler wütend, fluchte heftig und reizte Lehmann derart auf, dass dieser sich auf Koller zu stürzen begann. Koller wich vor dem Anstürmenden etwas zurück, nahm die Pistole aus der Tasche, entsicherte sie und gab einen Warnschuss gegen den Boden ab. Da Lehmann nun den Koller an der Gurgel packte, feuerte letzterer ein zweites Mal gegen den Boden. Im Laufe des weiteren Handgemenges, entweder als die miteinander Ringenden stürzten oder sich auf dem Boden überdrehten, löste sich aus der Pistole, die Koller noch immer entsichert in der Hand hielt, ohne dessen Willen ein dritter Schuss. Das Geschoss drang in die Brust Lehmanns und tötete ihn.
 
B.
Am 2. Juni 1953 verurteilte das Kantonsgericht von St. Gallen Koller wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von fünf Monaten und wegen Übertretung der kantonalen Verordnung über den Handel mit Waffen und Munition zu Fr. 30.- Busse.
Die Fahrlässigkeit Kollers sah es darin, dass er die Pistole aus der Tasche nahm, sie entsicherte, vor dem angreifenden Lehmann Warnschüsse abgab und die Waffe in der Hand behielt. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge könne ein Disput mit einem sich aggressiv zeigenden Angetrunkenen leicht zu einer Schlägerei führen, und aus einer geladenen und entsicherten Handfeuerwaffe, besonders wenn man soeben geschossen habe und den Finger am

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Abzug lasse, wie Koller es getan habe, könne in einem Handgemenge leicht ein unkontrollierbarer Schuss ausgelöst werden und einen Menschen verletzen oder töten. Das hätte Koller bedenken sollen. Dass im Ringen zwischen ihm und Lehmann ein Schuss losgegangen sei, sei die adäquate Folge der vorausgegangenen Fahrlässigkeit. Das Verhalten Lehmanns vor der Auseinandersetzung unterbreche die Kausalkette zwischen dem unvorsichtigen Verhalten Kollers und dem Tode Lehmanns nicht. Auch habe Koller nicht in Notwehr gehandelt. Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr greife nur bei vorsätzlichen Straftaten Platz. Er hänge nämlich von der Angemessenheit des Eingriffs in das fremde Rechtsgut ab. Ob ein Eingriff angemessen gewesen sei, frage sich aber nur, wenn ihn der Täter gewollt habe, denn nur in diesem Falle lasse sich beurteilen, ob dieser richtig "gemessen", d.h. das durch den Angriff bedrohte und das durch die Abwehrhandlung zu verletzende Rechtsgut gegen einander abgewogen habe.
 
C.
Koller führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Hauptantrag auf Freisprechung. Er macht unter anderem geltend, er habe in Notwehr gehandelt, als er die Waffe gezogen und einen Schreckschuss abgegeben habe. Diese Abwehrhandlung sei angemessen gewesen.
 
D.
Der Staatsanwalt des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Er verneint die Notwehr unter Verweisung auf die Begründung des angefochtenen Urteils und fügt bei, Koller habe den Angriff des Lehmann in schwerer Weise selbst provoziert und könne demgemäss nicht behaupten, von Lehmann ohne Recht angegriffen worden zu sein. Er habe damit zu rechnen gehabt, dass er durch die beiden Schreckschüsse Lehmann in Wut versetzen und zum Angriff aufreizen werde, denn er habe gewusst, dass Lehmann betrunken war.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 33 Abs. 1 StGB bestimmt: "Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff

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bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, dem Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren."
Dass diese Norm, die einen Fall der Rechtmässigkeit der Tat regelt (vgl. Randtitel "Rechtmässige Handlungen" zu Art. 32 ff.), nur die Strafbarkeit eines vorsätzlich erfüllten Delikttatbestandes ausschliesse, lässt sich weder ihrem Wortlaut entnehmen, noch sonstwie als ihr Sinn erkennen. Mag sie auch ein bewusstes und gewolltes Verhalten des Täters voraussetzen, so kann doch keine Rede davon sein, dass der Abwehrende sich auch des Erfolges seiner Abwehrhandlung bewusst sein und diesen wollen müsse. Oft wehrt er bewusst und gewollt ab, ohne den Willen zu haben, ein Rechtsgut des andern zu verletzen. Es wäre stossend, ja unvernünftig, ihm Art. 33 Abs. 1 nicht zugute kommen zu lassen, wenn er dabei den Angreifer verletzt oder tötet, während er freigesprochen werden müsste, wenn er die Körperverletzung oder Tötung als Erfolg der gleichen Abwehrhandlung gewollt hätte. Dass der Angreifer nur "in einer den Umständen angemessenen Weise" abwehren darf, führt zu keiner anderen Auslegung. Freilich beurteilt sich die Angemessenheit einer Abwehrhandlung nicht nur nach der Schwere des Angriffs und der Wichtigkeit des angegriffenen Rechtsgutes, sondern auch nach der Bedeutung des Gutes, das durch die Abwehr verletzt oder gefährdet wird. In welche Gefahr der Angreifer durch die Abwehrhandlung kommt, kann jedoch der Abwehrende ermessen, ohne den Erfolg zu wollen. Kann er sich darüber nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen keine Rechenschaft geben, so ist er mangels Fahrlässigkeit ohnehin nicht strafbar, stellt sich also die Frage der Notwehr überhaupt nicht. Art. 33 StGB auf Fälle unbewusster oder ungewollter Herbeiführung des zum Delikttatbestand gehörenden Erfolges anzuwenden, widerspricht auch nicht dem Begriff der Fahrlässigkeit. Solche liegt vor, wenn der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf

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nicht Rücksicht genommen hat (Art. 18 Abs. 3 StGB). Unvorsichtigkeit allein genügt also nicht; sie muss pflichtwidrig sein. Das ist sie nicht, wenn sie Ausfluss eines rechtmässigen Verhaltens ist, insbesondere wenn der Täter einen begonnenen oder unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abwehrt.
 
Erwägung 2
2. Art. 33 Abs. 1 StGB berechtigt den Angegriffenen oder unmittelbar mit einem Angriff Bedrohten schlechthin, in angemessener Weise abzuwehren. Die Bestimmung gibt im Gegensatz zu vereinzelten früheren kantonalen Rechten (vgl. z.B. Freiburg, StGB von 1868 Art. 66; Schwyz, Kriminalstrafgesetz von 1881 § 37) das Recht der Abwehr nicht bloss subsidiär, d.h. für den Fall, dass der Angegriffene oder Bedrohte dem Angriff nicht durch die Flucht entgehen oder sich durch die Polizei schützen lassen kann. Das wurde schon in der zweiten Expertenkommission anlässlich der Beratung des mit Art. 33 StGB übereinstimmenden Art. 26 VE betont (Protokoll 2. ExpK 1 186, Votum Gautier). Es ergibt sich auch aus der abweichenden Regelung des Notstandes in Art. 34 StGB, wonach die zur Rettung eines Rechtsgutes begangene Tat unter anderem dann nicht straflos bleibt, wenn die Gefahr anders hätte abgewendet werden können. Hätten die gesetzgebenden Behörden auch die Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs nur unter der Voraussetzung, dass der Angegriffene der Gefahr nicht anders entgehen könne, gestatten wollen, so hätten sie das in Art. 33 StGB ausdrücklich gesagt. Dass die Abwehr nur subsidiär zulässig sei, ist nicht etwa dadurch ausgedrückt, dass sie "in einer den Umständen angemessenen Weise" erfolgen muss. Damit wird lediglich die Angemessenheit der Abwehrmittel, nicht der Abwehr als solcher, verlangt, wie besonders deutlich aus der Wendung "moyens proportionnés aux circonstances" des französischen Textes erhellt. Flucht und Anrufung der Polizei sind nicht Abwehrmittel; wer flieht oder sich an die Polizei wendet, wehrt nicht ab, sondern verzichtet auf (eigene) Abwehr.

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Dass die Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs schlechthin, der Eingriff in fremde Rechte wegen Notstandes dagegen nur subsidiär zulässig ist, lässt sich auch sachlich begründen. Wer einen andern rechtswidrig angreift oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, hat es sich selber zuzuschreiben, wenn der andere, in angemessener Weise abwehrend, ihn verletzt. Das Recht des Angegriffenen, sich zu wehren, kann zudem allgemein abschreckend wirken und damit rechtswidrigen Angriffen vorbeugen, womit dem Rechte gedient ist. Wer sich in einem Notstand befindet, greift dagegen in das Rechtsgut des andern ein, ohne dass dieser sich rechtswidrig verhalten hätte. Dass der Angegriffene nicht verpflichtet ist, sich dem Angriffe durch die Flucht zu entziehen, ist auch schon unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten entschieden worden (BGE 18 345). Wenn in der strafrechtlichen Literatur zum deutschen Recht zum Teil andere Ansichten vertreten werden (vgl. z.B. Olshausen, Kommentar 12. Aufl. § 53 Anm. 3; Mezger, Strafrecht 3. Aufl. 236; a.M. z.B. Frank, Kommentar 17. Aufl. § 53 Anm. II Abs. 5), so ist das auf den von Art. 33 StGB abweichenden Wortlaut des § 53 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich zurückzuführen, der voraussetzt, dass die Handlung durch Notwehr "geboten war".
 
Erwägung 3
3. Als der Beschwerdeführer die ihm vom Kantonsgericht als Unvorsichtigkeit zur Last gelegten Handlungen und Unterlassungen beging, nämlich die Pistole aus der Tasche nahm, sie entsicherte, zwei Warnschüsse abgab und die Waffe in der Hand behielt, befand er sich in einer Lage, die ihn zu angemessener Abwehr berechtigte. Erst nachdem sich Lehmann auf den Beschwerdeführer zu stürzen begonnen hatte, zog dieser die Pistole und gab er einen Warnschuss ab. Im Vorgehen des Lehmann lag ein Angriff im Sinne des Art. 33 Abs. 1 StGB, und zwar ein rechtswidriger, da weder das in anständigem Tone vorgebrachte und von keinerlei Drohung begleitete Ansuchen des Beschwerdeführers um Rückgabe des rechtswidrig weggenommenen Fahrrades, noch sein Auftrag an einen der Knaben, die

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Polizei zu benachrichtigen, Lehmann zu Tätlichkeiten berechtigte. Nach der Abgabe des ersten Schusses bestand die Notwehrlage weiter, da Lehmann den Beschwerdeführer an der Gurgel packte, wozu er trotz des Schusses nicht berechtigt war, wenn dieser ihn auch gereizt haben mag. Der zweite Warnschuss wurde daher vom Beschwerdeführer ebenfalls in einer Lage abgegeben, die ihn zur Abwehr berechtigte. Sie dauerte auch nachher noch an, da Lehmann vom Beschwerdeführer nicht abliess, sondern ihn in ein Handgemenge verwickelte.
Auch subjektiv handelte der Beschwerdeführer in Notwehr. Er wollte von dem ihm zustehenden Rechte Gebrauch machen; er sah in den beiden Warnschüssen ein Mittel, psychisch auf Lehmann einzuwirken, damit er von ihm ablasse.
 
Erwägung 4
4. Diese Art der Abwehr war nicht unangemessen. Sie verletzte kein Rechtsgut des Angreifers, sondern beschränkte sich darauf, ihn nachdrücklich auf die Gefahr aufmerksam zu machen, der er sich aussetze, wenn er den Angriff fortführe. Hätte er die Warnung beherzigt, so wäre ihr Zweck ohne jegliche Schädigung erreicht gewesen. Dass sie sich angesichts der hartnäckigen Angriffslust Lehmanns dann als ungenügend erwies, ja ihn möglicherweise noch aufreizte, rechtfertigt es nicht, in ihr ein zum vornherein unangemessenes Mittel zu sehen. Das Recht zur Abwehr wäre illusorisch, wenn der Angegriffene von einem schonenden und daher an sich zulässigen Mittel nur deshalb nicht Gebrauch machen dürfte, weil es möglicherweise den Angreifer zur Fortsetzung oder Verschärfung des Angriffs anfeuern könnte. Recht braucht vor Macht nicht zu weichen. Dass Lehmann Alkohol getrunken hatte, ändert nichts, umsoweniger als er nicht so stark unter dessen Einfluss stand, dass er sich seiner Handlungen nicht bewusst oder dass seine Willensfreiheit vollständig aufgehoben gewesen wäre (Konzentration im Gehirn 1,25 bis 1,36 Gewichtspromille, im Blute 1,86 bis 1,93 Gewichtspromille). Lehmann ist selber dafür verantwortlich, wenn die Tat

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sache, dass ihm der Beschwerdeführer, statt zu fliehen, mit einem von entschlossenem Widerstandswillen zeugenden, aber unschädlichen Abwehrmittel (Warnschüsse) entgegentrat, seine Wut gesteigert haben sollte. Unerheblich ist auch, ob die Körperkraft des Beschwerdeführers allenfalls genügt hätte, um des Angreifers Herr zu werden. Durch die Abgabe von Warnschüssen griff der Beschwerdeführer in kein Rechtsgut des Angreifers ein; er behandelte ihn nachsichtiger, als wenn er ihm z.B. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hätte. Zudem konnte der Beschwerdeführer es nicht auf den Versuch ankommen lassen, ob er den kräftigen und durch Alkohol angetriebenen Metzger mit Körperkraft zu überwältigen vermöge. Wäre ihm dieser Versuch misslungen -- was sehr wahrscheinlich ist, zumal Lehmann auf die Hilfe seines Kumpanen Solenthaler zählen konnte, der mit ihm durch entschlossene Nichtherausgabe des Fahrrades gemeinsame Sache gemacht und ihn durch wütendes Schimpfen auf den Beschwerdeführer gehetzt hatte --, so wäre es zu spät gewesen, zum wirksameren Mittel der Waffe zu greifen. Der Beschwerdeführer hatte auch gar nicht Zeit zu langer Überlegung, ob allenfalls körperlicher Widerstand genüge. In der Lage, in der er sich vor dem anstürmenden Lehmann befand, handelte er nicht unangemessen, durch Abgabe eines Schusses den Angreifer zu warnen und sich damit zugleich zur allfälligen weiteren Abwehr vorzubereiten. Wohl schuf er so für den Angreifer (wie für sich selbst) eine Gefahr, da die entsicherte Waffe in einem allfälligen Handgemenge auch ohne Willen des Beschwerdeführers tödlich wirken konnte. Diese Gefahr aber setzte voraus, dass der Warnschuss die ihm zugedachte Wirkung verfehle und der Angriff weitergehe. Sie genügte nicht, das Vorgehen des Beschwerdeführers unangemessen zu machen. Anders möchte es gewesen sein, wenn Lehmann die Gefahr nicht hätte erkennen können. Dem war nicht so; er konnte sogut wie der Beschwerdeführer wissen, dass ihm die Fortsetzung des Angriffs zum Verhängnis werden könnte; gerade darauf

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machte ihn der Warnschuss aufmerksam. Der zweite Schuss sodann schuf keine neue Gefahr und ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer handelte auch nicht pflichtwidrig, die Pistole nach dem zweiten Schuss in der Hand zu behalten. Das Recht zur Abwehr bestand weiter, und die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer zum Schutze seines Lebens oder seiner Gesundheit würde auf Lehmann schiessen müssen, lag nahe, nachdem dieser trotz zweimaliger eindringlicher Warnung sich von der Fortsetzung des Angriffs nicht hatte abhalten lassen. Hätte der Beschwerdeführer die Pistole weggeworfen, so hätte ein Schuss losgehen und jemanden treffen oder hätte Lehmann die Waffe behändigen und gegen den Beschwerdeführer richten können; dieser wäre dem Berauschten wehrlos ausgeliefert gewesen. Es konnte dem Beschwerdeführer, der bereits unter dem psychischen Eindruck des tätlichen Angriffs stand, nicht zugemutet werden, sich in diese gefährliche Lage zu begeben.
Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung verletzt daher das Gesetz; das Kantonsgericht hat den Beschwerdeführer freizusprechen.
 
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 2. Juni 1953 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der fahrlässigen Tötung an die Vorinstanz zurückgewiesen.