BGE 144 III 327
 
38. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
 
4A_579/2017 / 4A_581/2017 vom 7. Mai 2018
 
Regeste
Art. 160 ff., Art. 321a, Art. 321e und Art. 362 OR; Arbeitsvertrag, Konventionalstrafe.
 
Sachverhalt


BGE 144 III 327 (327):

A.
A.a Mit Arbeitsvertrag vom 12. April 2011 wurde Dr. A. (Beklagte) von der B. AG (Klägerin) per 1. Mai 2011 als geschäftsführende Ärztin der Arztpraxis Dr. D. an der Strasse X. in U. angestellt. In

BGE 144 III 327 (328):

Ziff. 16 des Arbeitsvertrages wird unter dem Titel "Konventionalstrafe" Folgendes festgehalten:
    "Bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Vertrag, insbesondere gegen das Konkurrenzverbot oder die Geheimhaltungspflicht schuldet die Arbeitnehmerin eine Konventionalstrafe von je CHF 50'000.- pro Verstoss.
    Die Bezahlung der Konventionalstrafe befreit die Arbeitnehmerin nicht von der weiteren Einhaltung des Vertrages, insbesondere des Konkurrenzverbots, der Geheimhaltungspflicht oder dem Verbot der Abwerbung. In jedem Fall, auch bei Bezahlung der Konventionalstrafe, kann die Arbeitgeberin die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes sowie den Ersatz weiteren Schadens verlangen."
A.b Mit Schreiben vom 17. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember 2011.
B.
B.a Mit Klage vom 24. Februar 2014 beim Arbeitsgericht des Kantons Luzern beantragte die Klägerin, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr infolge von Verletzungen des Arbeitsvertrages vom 12. April 2011 eine Konventionalstrafe von insgesamt Fr. 150'000.- nebst Zins zu 5 % seit 2. September 2013 zu bezahlen.
Mit Urteil vom 7. Oktober 2016 wies das Arbeitsgericht des Kantons Luzern die Klage ab.
B.b Dagegen erhob die Klägerin am 11. November 2016 Berufung beim Kantonsgericht des Kantons Luzern. Sie beantragte, das Urteil sei aufzuheben, und wiederholte ihren Hauptantrag.
Mit Urteil vom 25. September 2017 verurteilte das Kantonsgericht des Kantons Luzern die Beklagte in teilweiser Gutheissung der Berufung, der Klägerin Fr. 50'000.- nebst Zins zu 5 % seit 2. September 2013 zu bezahlen.
Das Kantonsgericht kam zum Schluss, die Beklagte habe zwei Vertragsverletzungen begangen. Erstens holte sie keine schriftliche Zustimmung der Klägerin zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Belegärztin an einer Privatklinik ein. Zweitens gab sie bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin die mit der Praxis verknüpfte Zahlstellenregisternummer (ZSR-Nummer) nicht zurück. Eine Vertragsverletzung hinsichtlich der Abwerbung von Patienten sowie rufschädigender Äusserungen über die Nachfolgerin der Beklagten verneinte das Kantonsgericht hingegen.
C. Beide Parteien haben Beschwerde in Zivilsachen eingereicht. Die Klägerin beantragt, es sei das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und

BGE 144 III 327 (329):

die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Konventionalstrafe in der Höhe von Fr. 150'000.- zuzüglich Zins zu bezahlen. Die Beklagte beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Beklagten gut und hebt das Urteil der Vorinstanz auf. Die Beschwerde der Klägerin wird abgewiesen.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 4
Da diese beiden Verletzungen nicht die eigentlichen Sorgfalts- und Treuepflichten von Art. 321a OR beträfen, sei nicht zu untersuchen, ob die vereinbarte Konventionalstrafe lediglich Straf- oder auch Ersatzcharakter habe. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Konventionalstrafe mit Art. 321e OR sei der Charakter der Konventionalstrafe nur bei solchen Vertragsverletzungen zu prüfen, die Verletzungen gegen die Sorgfalts- und Treuepflicht des Arbeitnehmers darstellten. Bei sonstigen Verletzungen sei eine solche Prüfung nicht erforderlich.
Die Beklagte rügt dagegen, die zwischen den Parteien vereinbarte Konventionalstrafe sei nichtig. Der Konventionalstrafe komme ausschliesslich Ersatzcharakter zu, weshalb die Vereinbarung einer solchen Strafe gegen den teilzwingenden Art. 321e i.V.m. Art. 362 Abs. 1 OR verstosse. Die von der Vorinstanz vorgenommene Unterscheidung zwischen Verletzungen der Sorgfalts- und Treuepflicht und sonstigen Vertragsverletzungen sei bundesrechtswidrig; sämtliche Vertragsverletzungen seien vom Anwendungsbereich von Art. 321e OR erfasst.
4.2 Nach Art. 321e Abs. 1 OR ist der Arbeitnehmer für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt. Das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen

BGE 144 III 327 (330):

hat, bestimmt sich nach dem einzelnen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen (Art. 321e Abs. 2 OR).
4.2.1 Die Arbeitnehmerhaftung im Sinne von Art. 321e OR setzt nach den allgemeinen Regeln der Vertragshaftung eine Vertragsverletzung, einen Schaden, ein Verschulden und einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem eingetretenen Schaden voraus (Urteil 4C.196/1998 vom 17. August 1998 E. 3, in: Jahrbuch des schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 1999 S. 293; TERCIER/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5. Aufl. 2016, N. 2820 ff.; WYLER/HEINZER, Droit du travail, 3. Aufl. 2014, S. 117; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 321e OR). Der Arbeitgeber muss die Vertragsverletzung, den Schaden sowie den erforderlichen Kausalzusammenhang nachweisen. Dem Arbeitnehmer steht der Exkulpationsbeweis offen (Urteil 4C.196/1998 vom 17. August 1998 E. 3, in: JAR 1999 S. 293).
4.2.2 Vorausgesetzt zur Begründung eines Haftungsanspruches des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer im Sinne von Art. 321e OR ist somit neben den übrigen Haftungsvoraussetzungen eine Vertragsverletzung. Mit Bezug auf die gesetzlich umschriebenen Arbeitnehmerpflichten sprechen das Bundesgericht und ein Teil der Lehre auch von einer Verletzung gemäss den Art. 321-321d OR (Urteile 4C.174/2003 vom 27. Oktober 2003 E. 6.2; 4C.169/2001 vom 22. August 2001 E. 5b; FRANK EMMEL, in: Vertragsverhältnisse, Bd. II, 3. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 321e OR). Eine darüber hinausgehende Unterscheidung zwischen Verletzungen der Sorgfalts- bzw. Treuepflicht im Sinne von Art. 321a OR und sonstigen Vertragsverletzungen wird weder in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch in der Lehre zu Art. 321e OR gemacht (Urteile 4C.174/2003 vom 27. Oktober 2003 E. 6.2; 4C.169/2001 vom 22. August 2001 E. 5b; 4C.196/1998 vom 17. August 1998 E. 3, in: JAR 1999 S. 293; TERCIER/BIERI/CARRON, Les contrats spéciaux, 5. Aufl. 2016, N. 2820 ff.; WYLER/HEINZER, a.a.O., S. 117; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 4 zu Art. 321e OR; REHBINDER/STÖCKLI, in: Berner Kommentar, 2. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 321e OR; LUKASZ GREBSKI, in: OR, Kommentar, Kren Kostkiewicz und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 321e OR; JEAN-PHILIPPE DUNAND, in: Commentaire

BGE 144 III 327 (331):

du contrat de travail, Dunand/Mahon [Hrsg.], 2013, N. 18-21 zu Art. 321e OR; EMMEL, a.a.O., N. 2 zu Art. 321e OR).
4.2.3 Die von der Vorinstanz vorgenommene Unterscheidung findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Aus dem in der Lehre teilweise angebrachten Hinweis, Art. 321e Abs. 1 OR sei in Zusammenhang mit Art. 321a Abs. 1 OR zu lesen (vgl. REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., N. 1 zu Art. 321e OR), lässt sich nichts anderes ableiten. Auch diese Autoren schränken nicht den Anwendungsbereich von Art. 321e OR auf eine bestimmte Art von Verletzungen ein. Anders als die Vorinstanz anzunehmen scheint, ist eine klare Zuordnung der einzelnen vertraglich vereinbarten Pflichten der Beklagten zu den beiden von ihr unterschiedenen Kategorien weder möglich noch sachdienlich. Vielmehr gilt Art. 321a Abs. 1 OR für sämtliche Arbeitnehmerpflichten. Zudem verkennt die Vorinstanz, dass die Parteien frei sind, die allgemeine Sorgfalts- und Treuepflicht im Sinne von Art. 321a OR vertraglich zu erweitern (BGE 117 II 72 E. 4a S. 74; Urteil 4A_595/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 2 mit Hinweisen). Bei den zur Diskussion stehenden vertraglich vereinbarten Pflichten der Beklagten handelt es sich namentlich um eine Konkretisierung bzw. Erweiterung der gesetzlich umschriebenen Pflichten der Arbeitnehmerin. Indem sie die Vereinbarkeit der Konventionalstrafe mit Art. 321e OR nicht prüfte, schränkte die Vorinstanz den Anwendungsbereich dieser Bestimmung in bundesrechtswidriger Weise ein.
 
Erwägung 5
5.1 Nach Art. 362 Abs. 1 OR darf durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag von Art. 321e OR nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Arbeitnehmer darf durch vertragliche Abmachungen nicht gegenüber der gesetzlichen Regelung schlechtergestellt werden (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 5 zu Art. 321a OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 41 zu Art. 321e OR; JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 3. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 321e OR). Deshalb wird in der Lehre einhellig die Auffassung vertreten, Konventionalstrafen zur Sicherung der Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten dürften nicht einer Haftungsverschärfung gleichkommen (DIMITRI SANTORO, Die Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag, 2001,

BGE 144 III 327 (332):

S. 46; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 15 zu Art. 321e OR; DUNAND, a.a.O., N. 18-21 zu Art. 321e OR; GABRIEL AUBERT, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 321e OR).
Von Art. 321e OR nicht ausgeschlossen sind sog. Disziplinarmassnahmen. Diese können unter gewissen Voraussetzungen gültig arbeitsvertraglich vereinbart und insofern als Vertragsstrafen aufgefasst werden (BGE 119 II 162 E. 2; REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., N. 44 zu Art. 321d OR; MANFRED REHBINDER, Ordnungsstrafen im schweizerischen Arbeitsrecht [im Folgenden: Ordnungsstrafen], in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, 1984, S. 261; ROLAND MÜLLER, Betriebliches Disziplinarwesen, 1983, S. 55 ff., 89 und 95 ff.; WYLER/HEINZER, a.a.O., S. 130; FRANK VISCHER, in: Arbeitsgesetz, Geiser/von Kaenel/Wyler [Hrsg.], 2005, N. 32 zu Art. 38 ArG; ROLAND A. MÜLLER, in: ArG Kommentar, 8. Aufl. 2017, N. 4 zu Art. 38 ArG).
 
Erwägung 5.2
5.2.1 Die Konventionalstrafe im Sinne von Art. 160 ff. OR dient der Sicherung der richtigen Erfüllung von Vertragspflichten (sog. Sicherungsfunktion). Bei Vertragsverletzungen ist eine Konventionalstrafe grundsätzlich auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile gerichtet und weist somit eine Ausgleichsfunktion auf. Zudem kann eine Konventionalstrafe eine Straffunktion aufweisen, indem der Leistungsschuldner infolge einer Vertragsverletzung sanktioniert wird (ROLAND BENTELE, Die Konventionalstrafe nach Art. 160-163 OR, 1994, S. 9 ff.; SANTORO, a.a.O., S. 23 ff.; EHRAT/WIDMER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 2015, N. 1 zu Art. 160 OR; MICHEL MOOSER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 2 zu Art. 160 OR; vgl. auch GASPARD COUCHEPIN, La clause pénale, 2008, N. 129 ff., wonach die Konventionalstrafe darüber hinaus noch eine Selbsthilfefunktion aufweist).
In der Lehre wird in Bezug auf die Vereinbarkeit von Konventionalstrafen mit Art. 321e OR teilweise danach differenziert, ob der Konventionalstrafe Straf- und/oder Ersatzcharakter zukommt (SANTORO, a.a.O., S. 46; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 15 zu Art. 321e OR). Ersatzcharakter habe eine Konventionalstrafe dann, wenn sie auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile gerichtet sei und somit das wirtschaftliche Interesse an der mangelfreien Pflichterfüllung betreffe. Diesem Interesse entspreche auch die Haftungsnorm von Art. 321e OR, weshalb eine Strafabrede mit

BGE 144 III 327 (333):

Ersatzcharakter insofern in den Regelungsbereich dieser Norm falle (SANTORO, a.a.O., S. 47).
 
Erwägung 5.2.2
5.2.2.1 Wie eine Konventionalstrafe auszulegen ist, entscheidet sich primär nach dem Parteiwillen. Die Willenserklärungen der Parteien sind, da ein übereinstimmender wirklicher Wille nicht ermittelt werden konnte (Art. 18 Abs. 1 OR), aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 144 III 93 E. 5.2.3 S. 98 f.; BGE 143 III 157 E. 1.2.2; BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666). Dabei hat der Richter zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben (BGE 126 III 119 E. 2c S. 121; BGE 122 III 420 E. 3a S. 424; vgl. auch BGE 140 III 134 E. 2 S. 139).
5.2.2.2 Nach dem Wortlaut von Ziff. 16 des Arbeitsvertrages darf die Klägerin bei einer Vertragsverletzung in jedem Fall, auch bei Bezahlung der Konventionalstrafe, die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes sowie den "Ersatz weiteren Schadens" verlangen. Dies kann nicht anders verstanden werden denn als Hinweis darauf, dass mit der Vertragsstrafe (auch) der infolge einer durch den Arbeitnehmer begangenen Vertragsverletzung entstandene Schaden ersetzt werden soll, was dem Wesen der Konventionalstrafe entspricht (vgl. E. 5.2.1 hiervor). Dass sich die Klägerin darüber hinaus vorbehielt, die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes zu verlangen, ändert nichts daran.
 
Erwägung 5.3
5.3.1.1 Unzulässig ist die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers. Gemäss Art. 321e OR haftet der

BGE 144 III 327 (334):

Arbeitnehmer nur, wenn er den Schaden dem Arbeitgeber absichtlich oder fahrlässig zufügt; ein Verschulden des Arbeitnehmers ist zwingend vorausgesetzt. Eine verschuldensunabhängige Konventionalstrafe mit Ersatzcharakter ist somit unzulässig (WYLER/HEINZER, a.a.O., S. 118; SANTORO, a.a.O., S. 47; MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, S. 79; WOLFGANG PORTMANN, Individualarbeitsrecht, 2000, S. 77).
5.3.1.2 Unzulässig sind zudem Abreden, welche eine Beweislastumkehr zuungunsten des Arbeitnehmers bewirken. Dabei ist vordergründig an Abreden zu denken, welche die Exkulpationspflicht des Arbeitnehmers ausdehnen bzw. die Exkulpation erschweren oder verunmöglichen (THOMAS GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre Schranken, 1983, S. 122; RICHARD ALTHERR, Die Mankohaftung im Arbeitsverhältnis, 1980, S. 80 f.).
5.3.1.3 Weil die Arbeitnehmerhaftung gemäss Art. 321e OR zwingend den Eintritt eines ersatzpflichtigen Schadens voraussetzt, verstösst eine vertragliche Abrede gegen diese Haftungsnorm, wenn sie zu einer schadensunabhängigen Haftung des Arbeitnehmers führt. Da der Arbeitnehmer höchstens für den verursachten Schaden haftbar gemacht werden kann, ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Zahlung einer den tatsächlich eingetretenen Schaden übersteigenden Vertragsstrafe unzulässig (SANTORO, a.a.O., S. 47; DUNAND, a.a.O., N. 18-21 zu Art. 321e OR; AUBERT, a.a.O., N. 7 zu Art. 321e OR).
 
Erwägung 5.4
5.4.1 Soweit die vereinbarte Konventionalstrafe mit Art. 321e OR unvereinbar ist, ist diese nichtig (Art. 362 Abs. 2 OR). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 362 Abs. 2 OR ist nicht der ganze

BGE 144 III 327 (335):

Vertrag, sondern sind ausschliesslich die von den teilzwingenden Vorschriften zugunsten des Arbeitnehmers abweichenden Abreden nichtig. An Stelle der nichtigen Abrede tritt die zwingende Norm, und zwar ohne Rücksicht auf den hypothetischen Parteiwillen. Der Arbeitsvertrag bleibt im Übrigen bestehen (BOHNET/DIETSCHY, in: Commentaire du contrat de travail, Dunand/Mahon [Hrsg.], 2013, N. 18-21 zu Art. 321e OR; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 6 zu Art. 361 OR; REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., N. 8 zu Art. 361 OR).
Eine Konventionalstrafe, der Ersatzcharakter zukommt, ist folglich nicht im entsprechenden Umfang herabzusetzen, sondern nichtig (STAEHELIN, a.a.O., N. 41 zu Art. 321e OR; SANTORO, a.a.O., S. 48; vgl. auch COUCHEPIN, a.a.O., N. 546 ff.; BENTELE, a.a.O., S. 61 ff.; anders: Urteil 4A_595/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 4.4; vgl. die berechtigte Kritik von MARTIN FARNER, Die Sicherung der Treuepflicht mit Konventionalstrafe, Anwaltsrevue 5/2013 S. 223). Nur übermässig hohe Konventionalstrafen werden im Sinne von Art. 163 Abs. 3 OR nach dem Ermessen des Richters herabgesetzt; auf wegen eines Verstosses gegen eine (teil-)zwingende arbeitsrechtliche Bestimmung nichtige Konventionalstrafen ist diese Vorschrift hingegen nicht anwendbar (vgl. COUCHEPIN, a.a.O., N. 546 ff.).
5.5.1 Unter dem geltenden Recht wird die Frage der Zulässigkeit und der Ausgestaltung von Disziplinarmassnahmen vor allem im Zusammenhang mit Art. 38 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) diskutiert (vgl. etwa VISCHER, a.a.O., N. 1 ff. zu Art. 38 ArG; REHBINDER, Ordnungsstrafen, a.a.O., S. 262 ff.; MÜLLER, a.a.O., N. 1 ff. zu Art. 38 ArG). Nach dieser Vorschrift sind Ordnungsstrafen nur zulässig, wenn sie in der Betriebsordnung angemessen geregelt sind. Vorliegend ist zu beachten, dass die

BGE 144 III 327 (336):

Beklagte als Geschäftsführerin der Arztpraxis nach Art. 3 lit. d ArG vom persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen ist. Ob die vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe den Anforderungen von Art. 38 Abs. 1 ArG genügt, ist somit unerheblich. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Disziplinarmassnahmen auch im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und leitenden Angestellten Grenzen gesetzt sind. Im Arbeitsvertragsrecht verfügt der Arbeitgeber grundsätzlich über keine Disziplinargewalt gegenüber dem Arbeitnehmer; Disziplinarmassnahmen dürfen auf keinen Fall nach Belieben verhängt werden (BGE 119 II 162 E. 2).
5.5.2 Disziplinarmassnahmen können grundsätzlich als Vertragsstrafen in einem Einzelarbeitsvertrag vereinbart werden (vgl. E. 5.1 hiervor). Damit sie jedoch gültig vereinbart werden, muss die Höhe der Strafe bestimmt und verhältnismässig sein. Weiter müssen die Tatbestände, die unter Strafe gestellt werden, klar umschrieben sein (BGE 119 II 162 E. 2; STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu Art. 321d OR; VISCHER, a.a.O., N. 32 zu Art. 38 ArG). Erforderlich ist, dass jeder einzelne Verstoss, der zur Ausfällung einer Strafe führen soll, sowie die entsprechende Sanktion hinreichend klar festgelegt werden. Der Arbeitnehmer muss im Klaren darüber sein, welches Verhalten mit welcher Strafe sanktioniert wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber die ihm vertraglich eingeräumte Disziplinargewalt nicht missbraucht (BGE 119 II 162 E. 2; REHBINDER, Ordnungsstrafen, a.a.O., S. 262).
5.5.3 Nach Ziff. 16 des Arbeitsvertrages vom 12. April 2011 wird von der Klägerin "bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Vertrag" eine Strafe geschuldet. Als Beispiele von Vertragsverletzungen werden Zuwiderhandlungen gegen das Konkurrenzverbot oder die Geheimhaltungspflicht erwähnt. Eine darüber hinausgehende Umschreibung der Tatbestände, welche die Zahlung der Vertragsstrafe auslösen soll, ist im Arbeitsvertrag nicht enthalten. Es ist vielmehr davon auszugehen, wie die Vorinstanz erwog, dass jegliche Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen den Arbeitsvertrag mit einer Konventionalstrafe sanktioniert werden sollten, unabhängig von der Art und Schwere der Verletzung. Diese Vertragsklausel erfüllt das Bestimmtheitserfordernis folglich klar nicht. Die Abrede, wonach sämtliche Vertragsverletzungen zur Ausfällung einer Vertragsstrafe führen, vermag eine konkrete Umschreibung der einzelnen Tatbestände nicht zu ersetzen. Da die Tatbestände, welche die Vertragsstrafe auslösen, nicht hinreichend bestimmt sind, ist nicht zu prüfen, ob eine

BGE 144 III 327 (337):

Disziplinarmassnahme überhaupt zur Durchsetzung der zur Diskussion stehenden Vertragsverletzungen eingesetzt werden durfte.
Somit steht fest, dass die Parteien keine gültige Disziplinarmassnahme vereinbart haben. Die Frage der Verhältnismässigkeit der vereinbarten Strafe kann folglich offengelassen werden.