BGE 136 III 474 - Marke Madonna
 
68. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. Gesellschaft für Schutzmarkenverwertung gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) (Beschwerde in Zivilsachen)
 
4A_302/2010 vom 22. September 2010
 
Regeste
Art. 2 lit. d MSchG; Schutzverweigerung gegenüber der international registrierten Wort-/Bildmarke "Madonna" wegen Sittenwidrigkeit.
Tatbestand der Sittenwidrigkeit bei Benutzung eines religiösen Namens oder Symbols als Marke (E. 3).
Bestimmung des massgeblichen Verkehrskreises, aus dessen Sicht die Beurteilung zu erfolgen hat, und Berücksichtigung ausländischer Registrierungen des Zeichens (E. 4 und 6.3).
Das Zeichen "Madonna" ist vom Markenschutz auszuschliessen, weil seine markenmässige Kommerzialisierung geeignet ist, die religiösen Gefühle der katholischen Christen im italienischsprachigen Teil der Schweiz zu verletzen (E. 5 und 6).
 
Sachverhalt


BGE 136 III 474 (475):

A. Gestützt auf eine deutsche Basiseintragung vom 22. April 2004 wurde die Wort-/Bildmarke IR 123 456 "Madonna" (fig.) am 15. Dezember 2004 unter anderem mit Schutzanspruch für die Schweiz im internationalen Register eingetragen und am 25. August 2005 von der Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) mitgeteilt. Die Marke hat folgendes Erscheinungsbild mit dem Farbanspruch dunkelrot und silbergrau:
Sie ist für folgende Waren registriert:
    Klasse 3:
    Savons; parfumerie, huiles essentielles, cosmétiques, lotions pour les cheveux.
    Klasse 9:
    Appareils et instruments de conduction, de commutation, de transformation, de stockage, de régulation ou de commande de l'électricité; appareils d'enregistrement, de transmission ou de reproduction du son ou des images; machines à calculer, équipements de traitement de données et ordinateurs; lunettes et lunettes de soleil, étuis à lunettes.
    Klasse 14:
    Métaux précieux et leurs alliages et produits en ces matières ou en plaqué non compris dans d'autres classes; joaillerie, bijouterie, pierres précieuses; horlogerie et instruments chronométriques.


    BGE 136 III 474 (476):

    Klasse 18:
    Cuir et imitations du cuir et produits en ces matières, non compris dans d'autres classes; malles et sacs de voyage; parapluies; parasols et cannes; sacs de plage.
    Klasse 20:
    Meubles, miroirs, cadres; produits (non compris dans d'autres classes) en bois, liège, roseau, jonc, osier, corne, os, ivoire, baleine, écaille, ambre, nacre, écume de mer, succédanés de toutes ces matières ou en matières plastiques.
    Klasse 21:
    Ustensiles et récipients pour le ménage ou la cuisine (ni en métaux précieux, ni en plaqué); peignes et éponges; brosses (à l'exception des pinceaux); verre brut ou mi-ouvré (à l'exception du verre de construction); verrerie, porcelaine et fanon comprises dans d'autres classes.
    Klasse 24:
    Tissus et produits textiles non compris dans d'autres classes; couvertures de lit et de table.
    Klasse 25:
    Vêtements pour hommes, femmes et enfants; chaussures, couvre-chefs, tricots (vêtements); ceintures (vêtements).
    Klasse 26:
    Dentelles et broderies, rubans et lacets; boutons, crochets et oeillets, épingles et aiguilles; fleurs artificielles; articles décoratifs pour la chevelure.
    Klasse 28:
    Jeux et jouets; articles de gymnastique et de sport non compris dans d'autres classes; décorations pour arbres de No24. August 2006 eröffnete das IGE der X. Gesellschaft für Schutzmarkenverwertung (Beschwerdeführerin) einen Refus provisoire total (sur motifs absolus).
Zur Begründung führte es an, dass das Zeichen "Madonna" als italienisches Wort die Jungfrau Maria und Mutter Jesu bezeichne und daher geeignet sei, die religiösen Gefühle der Konsumenten zu verletzen, die einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehören. Aufgrund dieses Umstandes sei das Zeichen als gegen die guten Sitten verstossend einzustufen und die Schutzgewährung daher zu verweigern.
B. Dem folgte ein eingehender Schriftenwechsel, in dem die Beschwerdeführerin verschiedene Argumente ins Feld führte, namentlich dass das Wort "Madonna" vielfältige andere Bedeutungen habe (zum Beispiel als Vorname oder als Bezeichnung von Maria mit dem Jesuskind in der darstellenden und bildenden Kunst), dass im

BGE 136 III 474 (477):

schweizerischen Markenregister diverse Eintragungen für vergleichbare Waren bestünden, welche die Worte "Madonna", "Christ", "Maria" oder "Mönch" enthielten, und dass sich die schweizerischen Konsumenten an die Verknüpfung von Mode mit dem Wort "Madonna" gewöhnt hätten.
Mit Verfügung vom 13. März 2008 bestätigte das IGE seinen Refus provisoire total, da die Verwendung des Wortes "Madonna" als Marke einen Teil der christlichen Bevölkerung der Schweiz in ihren religiösen Gefühlen verletzen könne.
Eine von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 12. April 2010 ab.
C. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2010 aufzuheben und das IGE anzuweisen, der internationalen Registrierung Nr. 123 456 den Schutz in der Schweiz für sämtliche beanspruchten Waren zu erteilen und gegenüber der internationalen Behörde WIPO die Aufhebung des Schutzverweigerungsbescheides mitzuteilen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
3. Sittenwidrigkeit liegt nach der Rechtsprechung zu Art. 20 OR vor, wenn gegen die herrschende Moral, d.h. gegen das allgemeine Anstandsgefühl oder die der Gesamtrechtsordnung immanenten ethischen Prinzipien und Wertmassstäbe verstossen wird (BGE 132 III 455

BGE 136 III 474 (478):

E. 4.1 S. 458). Als sittenwidrig gelten Zeichen, die geeignet sind, das sozialethische, moralische, religiöse oder kulturelle Empfinden breiter Bevölkerungskreise zu verletzen, wobei auch auf in der Schweiz lebende Minoritäten Rücksicht zu nehmen ist. Sittenwidrig sind zum Beispiel Zeichen mit rassistischem, religionsfeindlichem oder das religiöse Empfinden verletzendem oder sexuell anstössigem Inhalt (MICHAEL NOTH, in: Markenschutzgesetz, Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2009, N. 24 zu Art. 2 lit. d MSchG; EUGEN MARBACH, Markenrecht, in: SIWR Bd. III/1, 2. Aufl. 2009, Rz. 666 ff.; LUCAS DAVID, in: Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl. 1999, N. 73 zu Art. 2 MSchG; MATHIS BERGER, Sittenwidrige Zeichen sind nicht schutzfähig, in: sic! Sondernummer 2005, 125 Jahre Markenhinterlegung, S. 41 ff., 43; CHRISTOPH WILLI, MSchG, Kommentar [...] 2002, N. 262 zu Art. 2 MSchG).
Die Anstössigkeit kann dabei nicht nur im Inhalt des Zeichens liegen (so aber BERGER, a.a.O., S. 43). Insbesondere bei Zeichen mit religiöser Bedeutung ist der Aussagegehalt des Zeichens an sich nicht anstössig. Im Gegenteil, religiöse Namen und Symbole sind regelmässig ethisch hoch besetzt. Sittenwidrig ist hier nicht der Inhalt, sondern die Wahl des Zeichens zur kommerziellen Nutzung (MARBACH, a.a.O., Rz. 663 und Fn. 869; NOTH, a.a.O., N. 24 zu Art. 2 lit. d MSchG). Der Grund für den Ausschluss vom Markenschutz solcher Zeichen liegt darin, dass ihre markenmässige Kommerzialisierung eine Verletzung des religiösen Empfindens der betroffenen Religionsangehörigen bewirken kann. Insofern ist der Beschwerdeführerin zwar zuzustimmen, dass von einer Verletzung des religiösen Empfindens nicht abstrahiert werden kann. Dies hat aber entgegen dem Vorwurf der Beschwerdeführerin auch die Vorinstanz nicht verkannt, hielt sie doch fest, dass es darauf ankomme, ob die Angehörigen der betroffenen Religion in ihren religiösen Gefühlen verletzt werden können, und prüfte sie in der Folge, ob die konkret streitbetroffene Bezeichnung "Madonna" bei einer markenmässigen Verwendung geeignet ist, das religiöse Empfinden zu verletzen.
4.1 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die massgebenden Verkehrskreise seien aufgrund der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu bestimmen. Die Beurteilung eines Zeichens aus der Sicht "weiter Volkskreise" sei unzulässig, denn das Markenrecht verbiete sittenwidrige Zeichen nur im Zusammenhang mit spezifischen Waren und Dienstleistungen, nicht aber abstrakt ohne Bezug zu irgendwelchen Produkten. Auch Art. 2 lit. d MSchG müsse produktespezifisch angewendet werden, was die Tatsache belege, dass gewisse Produkte wie alkoholische Getränke oder sogar Körper- und Schönheitspflegemittel mit Heiligennamen bezeichnet werden könnten, ohne dass die Zeichen als sittenwidrig qualifiziert würden. Weiter rügt sie, ein absoluter Ausschlussgrund müsse sich bei einem "erheblichen Teil" der massgebenden Verkehrskreise manifestieren. Die Registrierung dürfe nur versagt werden, wenn das Zeichen von erheblichen Teilen der breiten Bevölkerung, die "Madonna" als religiöses Symbol für die Mutter Jesu verstehen, als sittenwidrig aufgefasst werde, weil es sie in ihren religiösen Gefühlen verletze. Das sei in casu zu verneinen. Die Anzahl Katholiken, welche die Bedeutung von "Madonna" kenne, entspreche nicht "erheblichen Teilen" der schweizerischen Bevölkerung.
4.2 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie lässt den unterschiedlichen Normzweck der Ausschlussgründe nach Art. 2 lit. a und Art. 2 lit. d MSchG ausser Acht. Der Ausschluss von Zeichen mit Gemeingutcharakter will verhindern, dass Zeichen eingetragen werden, denen die erforderliche Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft abgeht, und ferner, dass Zeichen monopolisiert werden, die für den Wirtschaftsverkehr unentbehrlich sind. Diesem Zweck entsprechend ist der Ausschlussgrund nach Art. 2 lit. a MSchG im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen (BGE 134 III 314 E. 2.3.3 S. 321, BGE 131 III 547  E. 2.3 S. 551; BGE 131 III 121 E. 4.4 S. 130, BGE 131 III 495  E. 5 S. 503). Demgegenüber bezweckt Art. 2 lit. d MSchG, den politischen und sozialen Frieden zu gewährleisten, indem Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen werden, die gegen die Rechtsordnung - d.h. die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht - verstossen (NOTH, a.a.O., N. 1 zu Art. 2 lit. d MSchG; BERGER, a.a.O., S. 42).


BGE 136 III 474 (480):

Zu den ethischen Grundwerten, die zur Vermeidung von Sittenwidrigkeit zu respektieren sind (BGE 132 III 455 E. 4.1 S. 458), zählt insbesondere auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 15 BV. Unter deren Schutz stehen nicht nur die traditionellen Glaubensformen der christlich-abendländischen Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern alle Religionen, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung in der Schweiz (BGE 134 I 49 E. 2.3 S. 51). Daraus ergibt sich, dass entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden kann, dass ein "erheblicher Teil" der Bevölkerung betroffen ist, ansonsten der Respekt vor dem religiösen Empfinden von Minderheiten unterlaufen würde. Andererseits hat die Vorinstanz den massgebenden Adressatenkreis zutreffend dahingehend eingeschränkt, dass es auf die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen der entsprechenden Religionsgemeinschaft ankommt, womit extreme Sensibilitäten unberücksichtigt bleiben (NOTH, a.a.O., N. 7 f. zu Art. 2 lit. d MSchG; WILLI, a.a.O., N. 263 zu Art. 2 MSchG; teilweise abweichend BERGER, a.a.O., S. 44 f.).
Unzutreffend ist die Ansicht der Beschwerdeführerin auch, soweit sie meint, die Beurteilung der Sittenwidrigkeit müsse stets im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen erfolgen. Aus dem dargestellten Schutzzweck von Art. 2 lit. d MSchG ergibt sich, dass Zeichen, denen nach dem Verständnis der betroffenen Religionsgemeinschaft ein wichtiger religiöser Sinngehalt zukommt, unabhängig von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen vom Markenschutz auszuschliessen sind, bzw. sie sind in Bezug auf alle Waren und Dienstleistungen als sittenwidrig zu beurteilen. Denn allein schon die Zuerkennung eines Ausschliesslichkeitsrechts für die kommerzielle Verwendung des Zeichens ist geeignet, das religiöse Empfinden der Angehörigen der betroffenen Religionsgemeinschaft zu verletzen und den sozialen Frieden zu gefährden (so auch NOTH, a.a.O., N. 13 zu Art. 2 lit. d MSchG). Ausnahmsweise können die beanspruchten Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, wenn geltend gemacht wird, die kommerzielle Verwendung des Zeichens sei durch Gewöhnung allgemein akzeptiert, wie dies im von der Beschwerdeführerin genannten Beispiel der (historisch begründeten) Verwendung von Heiligennamen für alkoholische Getränke zutrifft (vgl. dazu BERGER, a.a.O., S. 45). Als weitere mögliche Ausnahme führt das IGE die Situation an, dass das Zeichen ausschliesslich für Waren oder Dienstleistungen mit klarem religiösem Bezug verwendet werden soll (Richtlinien in Markensachen des IGE

BGE 136 III 474 (481):

vom 1. Januar 2010, Ziff. 6 S. 102). Beide Ausnahmekonstellationen sind vorliegend nicht gegeben.
5. Weiter befasste sich die Vorinstanz mit dem Sinngehalt des Zeichens "Madonna" in den Landessprachen Italienisch, Französisch und Deutsch. Sie wies anhand verschiedener Wörterbücher und Quellen nach, dass das Wort "Madonna" im Italienischen primär Maria von Nazareth, also die Mutter Jesu, bezeichnet. Ebenso steht im Deutschen "Madonna" für Maria, die Mutter Jesu. In zweiter Linie ist darunter eine künstlerische Mariendarstellung zu verstehen. Französisch sprechende Konsumenten verstehen unter "madone" die Darstellung der Jungfrau Maria in der Kunst. Zur Bezeichnung bzw. Anrufung Marias ist im Französischen der Begriff "la sainte vierge" gebräuchlich. Jedenfalls die schweizerischen Konsumenten italienischer Muttersprache würden das Wort "Madonna" in erster Linie als religiöse Bezeichnung, nämlich als Anrufung der Mutter Jesu, verwenden.
Weiter stellte die Vorinstanz fest, dass die Marienverehrung für die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche einen besonderen Stellenwert besitzt. Im italienischen Sprachgebiet der Schweiz seien nach der Volkszählung 2000 75 % Katholiken. Auch in den deutschsprechenden Teilen der Schweiz fänden sich Orte, an denen Maria in Gestalt einer Madonna verehrt werde (so zum Beispiel die Schwarze Madonna von Einsiedeln, die Schwarze Madonna von Iddaberg im Toggenburg, die Schwarze Madonna von Pelagiberg und die Madonna von Balm in der Wallfahrtskirche Oberdorf/SO).
Der Umstand, dass Maria nicht Teil der im Christentum zentralen Trinität sei, ändere nichts an der Schutzwürdigkeit. Madonna werde täglich in Gebeten von Tausenden angerufen, weshalb ihr in den

BGE 136 III 474 (482):

katholischen Kirchen durch spezielle Altäre ein besonderer Platz eingeräumt werde. Die intensive Madonnenverehrung, die über die Verehrung gewisser Heiliger deutlich hinausgehe, lege eine zentrale Rolle der Madonna für die Mehrheit der der katholischen Kirche zugehörigen Christen nahe.
Mit Blick auf ihre bedeutende Rolle in der Religionsausübung der Katholiken sei eine markenmässige Kommerzialisierung der Bezeichnung "Madonna" geeignet, die religiösen Gefühle der katholischen Christen zu verletzen. Ihre Eintragung in das Markenregister müsse daher wegen Sittenwidrigkeit verweigert werden.
6.1 Zunächst ist unerheblich, ob es sich bei "Madonna", was die Beschwerdeführerin bestreitet, um ein Symbol handelt. Denn nicht allein die markenmässige Kommerzialisierung eines religiösen Symbols kann sittenwidrig sein, sondern auch eine Bezeichnung für eine religiös verehrte Persönlichkeit oder Gottheit. Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass Maria, die Mutter Jesu, jedenfalls bei den italienischsprachigen Angehörigen der katholischen Kirche unter der Bezeichnung "Madonna" eine intensive religiöse Verehrung erfährt und im täglichen Gebet angerufen wird. Das Wort "Madonna" wird mithin von einem überwiegenden Teil der katholischen Christen in der italienischsprachigen Schweiz für die Invokation (religiös-ehrerbietige Anrufung) der Mutter Jesu verwendet. Zu Recht hielt die Vorinstanz fest, dass solche Ausdrücke zur Invokation zentraler religiöser Figuren vom Markenschutz auszuschliessen sind. Dass das Wort "Madonna" in der Bibel nicht vorkommt und auch kein Begriff der katholischen Glaubenslehre ist, ändert nichts an der Schutzwürdigkeit dieser im praktizierten religiösen Leben verwendeten Bezeichnung.
6.2 Ebenso wenig drängt sich eine andere Beurteilung auf, weil das Wort "Madonna" auch in nicht religiösem Zusammenhang verwendet wird und noch weitere Bedeutungen aufweist, wie namentlich in der Kunst die Bedeutung von Mariendarstellungen oder als Name und insbesondere als Name einer weltberühmten amerikanischen Popsängerin. Für den Ausschlussgrund der Sittenwidrigkeit genügt es, wenn dem Zeichen in einem von mehreren Sinngehalten, der nicht geradezu im Hintergrund steht, religiöse Bedeutung zukommt und es in dieser Bedeutung geeignet ist, bei einer markenmässigen

BGE 136 III 474 (483):

Kommerzialisierung das religiöse Empfinden der betroffenen Religionsangehörigen zu verletzen. Die weiteren Sinngehalte des Wortes "Madonna" sind zu schwach, als dass sie die primäre Bedeutung als Anrufung der Mutter Jesu verdrängen würden. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, kommt "Madonna" als Name in der Schweiz nur selten vor. Der Sinngehalt in der Kunst ist eng mit dem religiösen verknüpft, so dass er jedenfalls in der italienischen Sprache kaum als eigenständiger Sinngehalt wahrgenommen wird. Die Bedeutung als Benennung der bekannten Pop-Sängerin Madonna mag zwar - gegenwärtig - bei zahlreichen Personen relativ naheliegen, besitzt aber dennoch keinen derartigen Stellenwert, dass sie den religiösen Sinngehalt, insbesondere in der italienischsprachigen Schweiz, in den Hintergrund treten liesse.
6.3 Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit durch die Verletzung des religiösen Empfindens müsse die betroffene Religionsgemeinschaft und deren Empfinden im Ganzen betrachtet werden. Es dürfe nicht nur eine isolierte Schweizer Sichtweise greifen. In anderen Ländern mit wesentlich höherem Anteil der katholischen Bevölkerung als in der Schweiz, wie Italien, Spanien und Portugal, sei die Marke eingetragen worden. Überdies seien die Katholiken in diesen Ländern strenggläubiger als die Schweizer Katholiken. Die Sittenwidrigkeit des Zeichens "Madonna" sei dort offenbar nicht empfunden worden, was als Indiz bei der Beurteilung nach dem MSchG zu berücksichtigen sei. Die Vorinstanz habe sich mit der Rechtsfrage der heranzuziehenden Verkehrskreise und mit den Eintragungen und der Benutzung in anderen Ländern fehlerhaft auseinandergesetzt.
Dem kann nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht aufgrund einer ausländischen Eintragung kein Anspruch auf Eintragung in der Schweiz und haben ausländische Entscheide keine präjudizielle Wirkung. Immerhin darf der Umstand, dass ein Zeichen im Ausland eingetragen wurde, mitberücksichtigt werden (so betreffend Beurteilung des Gemeingutcharakters eines Zeichens). Jedes Land prüft die Schutzfähigkeit einer Marke nach seiner eigenen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verkehrsanschauung. Dabei verfügen die einzelnen Länder über einen grossen Ermessensspielraum und ihre Beurteilung kann demnach unterschiedlich ausfallen (BGE 135 III 416 E. 2.1; BGE 130 III 113 E. 3.2 S. 118 f.; BGE 129 III 225 E. 5.5 S. 229). Letzteres gilt namentlich auch für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Zeichens. Die

BGE 136 III 474 (484):

Beschwerdeführerin beruft sich auf die Auffassung von MICHAEL NOTH, wonach die Eintragung und Benutzung des fraglichen Zeichens in einem anderen Land für die Beurteilung nach dem MSchG Indizwirkung haben kann, wenn zu erwarten ist, dass jener ausländische Verkehr die Sittenwidrigkeit ähnlich oder sogar stärker empfindet (NOTH, a.a.O., N. 16 zu Art. 2 lit. d MSchG). Auch dieser Autor räumt aber ein, dass die besonderen Umstände im Ausland zu berücksichtigen seien. Das religiöse Empfinden des in der Schweiz lebenden Anteils einer bestimmten Religionsgruppe muss angesichts der verschiedenen Verhältnisse nicht mit demjenigen des in anderen Ländern lebenden Anteils übereinstimmen. Bei Wortmarken spielt überdies das unterschiedliche Sprachverständnis eine Rolle. Auch kann die Beurteilungspraxis der ausländischen Markenbehörden im Rahmen des den einzelnen Ländern zustehenden grossen Ermessensspielraums erheblich differieren. Es ist daher äusserst heikel, von ausländischen Eintragungen auf die angebliche Toleranz der ausländischen Religionsangehörigen zu schliessen und daraus wiederum Rückschlüsse in Bezug auf das religiöse Empfinden in der Schweiz ziehen zu wollen. Ausländischen Eintragungen kann daher im Bereich der Sittenwidrigkeit kaum Indizwirkung zugestanden werden. Abzustellen ist vielmehr allein auf das Empfinden der betroffenen Kreise in der Schweiz (DAVID, a.a.O., N. 76 zu Art. 2 MSchG; vgl. auch Richtlinien in Markensache des IGE vom 1. Januar 2010, Ziff. 3.9 S. 64, wonach betreffend das Schutzhindernis des Verstosses gegen die guten Sitten ausländische Eintragungen gänzlich unbeachtlich sind, auch als Indiz). Im Übrigen ist es eine blosse, durch nichts belegte Behauptung, dass die Katholiken in Italien, Spanien und Portugal strenggläubiger seien als die Schweizer Katholiken.
Die Vorinstanz hat daher kein Recht verletzt, indem sie dafürhielt, die Beschwerdeführerin könne aus den ausländischen Voreintragungen nichts zu ihren Gunsten ableiten.
Ob die Beschwerdeführerin die besagten Schweizer Markeneintragungen bloss als Hinweis für die Beurteilung des religiösen Empfindens erwähnte oder Gleichbehandlung verlangte, kann dahingestellt bleiben. Die Vorinstanz hat jedenfalls die entscheidenden - und von der Beschwerdeführerin nicht widerlegten - Unterschiede jener Eintragungen zum vorliegend streitigen Zeichen herausgearbeitet und damit klargestellt, dass jene Eintragungen keine andere Bewertung der Sittenwidrigkeit des vorliegend streitigen Zeichens erheischen. Insofern ist dem Anliegen der Beschwerdeführerin, jene Eintragungen seien bei der Beurteilung des religiösen Empfindens zu berücksichtigen, Genüge getan. Die Vorinstanz hat jene Eintragungen gewürdigt, wenn sie auch materiell nicht die gleichen Schlüsse daraus zog wie die Beschwerdeführerin.
Die Rüge ist unbegründet. Die Auffassung der Vorinstanz stützt sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach der Zivilprozess für die Durchsetzung öffentlicher Interessen - wie Schutz des Publikums vor Täuschung - wenig geeignet ist, weshalb ihnen auch in Grenzfällen bereits im Eintragungsverfahren Nachachtung zu verschaffen ist (Urteil 4A.5/1994 vom 2. August 1994 E. 5, in: PMMBl 1994 I S. 76). Dies gilt nicht nur bei Irreführungsgefahr, sondern auch wenn die Rechts-, Sitten- oder Ordnungswidrigkeit eines Zeichens in Frage steht, da es auch hier um öffentliche Interessen geht. Die Zweifelsfallregel greift daher in diesen Fällen nicht (entsprechend lauten die Richtlinien in Markensachen des IGE vom 1. Januar 2010, Ziff. 3.7 S. 62; ebenso MARBACH, a.a.O., Rz. 240; a.M. NOTH, a.a.O., N. 17 zu Art. 2 lit. d MSchG).
Im Übrigen teilt das Bundesgericht die Beurteilung der Vorinstanz, dass kein Grenzfall vorliegt, weshalb ohnehin kein Raum für eine Eintragung im Zweifelsfall bestanden hätte.