BGE 143 II 233
 
17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gemeinde B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
2C_306/2016 vom 7. März 2017
 
Regeste
Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG; Art. 3 Abs. 1 DBG. Dauernde und ausschliessliche Selbstnutzung von Wohnliegenschaften in Zusammenhang mit dem Steueraufschub bei Ersatzbeschaffungen.
Die Kantone verfügen über keinen Spielraum für davon abweichende Regelungen (E. 3).
 
Sachverhalt


BGE 143 II 233 (234):

A. A. veräusserte am 21. Februar 2011 seine Eigentumswohnung an der C.-Strasse in B. (ZH) zu einem Preis von Fr. 1'850'000.-. Per 15. Februar 2011 hatte er seinen Wohnsitz nach D. (GR) verlegt, wo er am E.-Weg eine Liegenschaft für Fr. 5'250'000.- erworben hatte. Aufgrund der Reinvestition des Erlöses in ein gleichgenutztes Ersatzobjekt wurde die Grundstückgewinnsteuer mit Veranlagungsentscheid der Grundsteuerbehörde B. vom 25. Mai 2011 infolge Ersatzbeschaffung aufgeschoben. Am 31. Dezember 2012 verlegten A. und seine Ehefrau ihren Hauptwohnsitz nach Grossbritannien. Mit Nachsteuerverfügung vom 17. Dezember 2014 auferlegte die Grundsteuerbehörde B. A. eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 221'942.- (zuzüglich Zins von Fr. 11'892.40 seit dem 91. Tag nach der Handänderung), da die Voraussetzungen für die Gewährung des Steueraufschubs mit dem Wegzug nicht mehr erfüllt seien.
B. Die Grundsteuerbehörde B. bestätigte mit Verfügung vom 7. Mai 2015 die Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer. Gegen diesen Entscheid erhob A. Rekurs, welcher vom Steuerrekursgericht am 28. Oktober 2015 ebenfalls abgewiesen wurde. In der Folge gelangte A. an das Verwaltungsgericht. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 17. Februar 2016 ab.


BGE 143 II 233 (235):

C. A. legt mit Eingabe vom 8. April 2016 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ein. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und von der Erhebung der Grundstückgewinnsteuer sei abzusehen.
Die Gemeinde B. beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Steueramt Zürich sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich stellen den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. A. nimmt zum Vernehmlassungsergebnis abschliessend Stellung und hält an seinen Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
 
Aus den Erwägungen:
2.1 Ein Grundstückgewinn im Sinne von Art. 12 StHG ergibt sich, soweit der bei Veräusserung eines Grundstücks erzielte Erlös die Anlagekosten (Erwerbspreis oder Ersatzwert zuzüglich Aufwendungen) übersteigt. Im Kanton Zürich erheben die politischen Gemeinden die Grundstückgewinnsteuer auf den Gewinnen, die sich bei Handänderungen an Grundstücken oder Anteilen von solchen ergeben (§ 205 in Verbindung mit § 216 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1]). Die Steuer fällt ungeachtet dessen an, ob es sich um Privat- oder Geschäftsvermögen handelt (monistisches System). Harmonisierungsrechtlich wird die Besteuerung eines realisierten Grundstückgewinns insbesondere aufgeschoben bei einer Veräusserung einer dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohnliegenschaft (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung), soweit der dabei erzielte Erlös innert angemessener Frist zum Erwerb oder zum Bau einer gleichgenutzten Ersatzliegenschaft in der Schweiz verwendet wird (Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG bzw. § 216 Abs. 3 lit. a i.V.m. § 226a Abs. 1 StG/ZH; vgl. BGE 141 II 207 E. 2.2 S. 209 f. mit weiteren Hinweisen).


BGE 143 II 233 (236):

2.2 Die Vorinstanz hat verbindlich festgehalten, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau zuerst ihren Wohnsitz nach D. und anschliessend aus beruflichen Gründen nach Grossbritannien verlegt haben. Eine weitere Veränderung der Wohnsitzverhältnisse ist in näherer Zeit nicht beabsichtigt. Es handle sich somit um eine dauerhafte Wohnsitzverlegung ins Ausland und eine nicht bloss vorübergehende Zweckentfremdung der Wohnung, welche nicht zu beanstanden wäre. Mit dem definitiven Wegzug ins Ausland werde die Wohnung in D. zu einem Zweitwohnsitz des Beschwerdeführers, ungeachtet des hohen Erwerbspreises. Es sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer ursprünglich die Absicht gehabt habe, seinen Lebensmittelpunkt längerfristig in D. zu errichten. Rein begrifflich sei eine gewisse Zeitspanne erforderlich, damit es sich um eine dauernde Nutzung der Ersatzliegenschaft handeln könne. Werde die neue Liegenschaft nur 22 Monate als Hauptwohnsitz genutzt, sei diese Anforderung nicht erfüllt.
2.4 Grundsätzlich muss das Eigenheim im Zeitpunkt der Handänderung bzw. im Zeitpunkt, in dem der Entschluss zur Ersatzbeschaffung gefasst wird, selbstbewohnt sein. Für das dauernde Selbstbewohnen genügt es, dass die steuerpflichtige Person ihr ausschliesslich selbstbewohntes Eigenheim in der Zeit vor der Handänderung ohne erhebliche Unterbrechung bewohnte, mithin am fraglichen Ort ihren zivil- bzw. steuerrechtlichen Wohnsitz gehabt hat. Damit das Kriterium der Dauerhaftigkeit erfüllt ist, muss sich der Wohnsitz am Schluss der Besitzesdauer im veräusserten Grundstück befunden haben. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das veräusserte Grundstück während der ganzen Besitzesdauer ununterbrochen ausschliesslich selbstbewohnt wurde. Es darf sich aber nicht bloss um eine

BGE 143 II 233 (237):

gelegentliche oder vorübergehende Bleibe handeln. Mit einer Ersatzbeschaffung ist immer ein Wechsel der Wohnstätte verbunden, wobei normalerweise die neue Wohnstätte im Ersatzobjekt der alten Wohnstätte im veräusserten Grundstück folgt. Ausnahmen im Einzelfall sind so zulässig, z.B. können die beiden Wohnstätten durch eine Drittwohnstätte kurz unterbrochen werden, wenn die steuerpflichtige Person ihr Eigenheim veräussert, ohne das Ersatzobjekt schon erworben zu haben bzw. dieses zwar schon im Eigentum der steuerpflichtigen Person steht, infolge Bau oder Umbau aber noch nicht bezogen werden kann. Entscheidend ist letztlich, ob die Frist zwischen den Selbstnutzungen angemessen ist (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl. 2013, N. 331 f. zu § 216 StG/ZH). Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts bezieht sich primär auf die Nutzung des veräusserten Objekts (vgl. BGE 138 II 105 E. 6.3.2 S. 110). Jedoch sind gemäss Gesetzeswortlaut von Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG sowie § 216 Abs. 3 lit. i StG/ZH die Begriffe des Selbstbewohnens, der Dauerhaftigkeit und der Ausschliesslichkeit im Zusammenhang mit dem Ersatzobjekt gleich auszulegen wie beim veräusserten Objekt (so auch FELIX RICHNER, Ersatzbeschaffung von selbstgenutztem Wohneigentum [nachfolgend: Ersatzbeschaffung I], ZStP 3/2010 S. 202).
2.5.1 Einen solchen Wohnsitz hat eine Person, wenn sie sich hier mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält oder wenn ihr das Bundesrecht hier einen besonderen gesetzlichen Wohnsitz zuweist (Art. 3 Abs. 2 DBG, Art. 3 Abs. 2 StHG, § 3 Abs. 2 StG/ZH). Obschon das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer - anders als noch Art. 4 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; BS 6 350; in Kraft bis 31. Dezember 1994) - zur Umschreibung des steuerlichen Wohnsitzes nicht mehr (ausdrücklich) auf das Zivilgesetzbuch (Art. 23-26 ZGB) verweist, hat sich der rechtliche Gehalt dieses Begriffs nicht verändert und lehnt sich weitgehend an den Wohnsitzbegriff des ZGB an (vgl. dazu auch Botschaft vom 25. Mai 1983 über die Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 86 und 155, ausführlich zum Ganzen Urteil 2C_472/2010 vom 18. Januar 2011 E. 2.1).

BGE 143 II 233 (238):

Soweit hier interessierend kann deshalb auch auf die Rechtsprechung zum zivilrechtlichen Wohnsitz zurückgegriffen werden.
2.5.2 Für die Begründung des Wohnsitzes müssen zwei Merkmale erfüllt sein: ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, welche Absicht objektiv erkennbar ist (BGE 137 II 122 E. 3.6 S. 127). Die nach aussen erkennbare Absicht muss auf einen dauernden Aufenthalt gerichtet sein. Auch ein von vornherein bloss vorübergehender Aufenthalt kann einen Wohnsitz begründen, wenn er auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und der Lebensmittelpunkt dorthin verlegt wird. Als Mindestdauer wird üblicherweise ein Jahr postuliert. Die Absicht, einen Ort später (aufgrund veränderter nicht mit Bestimmtheit vorauszusehender Umstände) wieder zu verlassen, schliesst eine Wohnsitzbegründung nicht aus (BGE 127 V 237 E. 2c S. 241). Die Absicht dauernden Verweilens muss nur im Moment der Begründung eines Wohnsitzes bestanden haben (DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 19b zu Art. 23 ZGB; vgl. auch RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 17 und 18 zu § 3 StG/ZH). Für die Dauerhaftigkeit der Selbstnutzung im Zusammenhang mit der Ersatzbeschaffung ist es somit nicht notwendig, dass der Eigentümer des neuen Eigenheims dieses während der ganzen Besitzesdauer auch selbst bewohnt hat (a.M. FELIX RICHNER, Ersatzbeschaffung I, a.a.O., S. 205 Fn. 59 sowie S. 207 f.). Dies steht in Einklang mit den Anforderungen der dauernden Selbstnutzung beim veräusserten Objekt, bei welchem eine lückenlose Selbstnutzung ebenfalls nicht gefordert wird (vgl. E. 2.4).
2.6 Die Auffassung der Vorinstanz lässt sich folglich mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Begriff des "dauernd und ausschliesslich selbstgenutzten Wohneigentums" i.S.v. Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG nicht vereinbaren. Aufgrund des verbindlich festgehaltenen Sachverhalts erfüllte der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Wohnsitznahme (er hätte seinen Wohnsitz in D. sogar begründet, wenn er von Beginn an vorgehabt hätte, dort nur 22 Monate zu verweilen) und hat dementsprechend das neu erworbene Wohneigentum dauernd und ausschliesslich selbstgenutzt. Die Frage eines Rechtsmissbrauchs, bei dem der Steueraufschub zu verweigern wäre, stellt sich nicht, weil der Beschwerdeführer, wie die

BGE 143 II 233 (239):

Vorinstanz verbindlich festgehalten hat, nachträglich aufgrund äusserer Umstände den Wohnsitz erneut verlegte. Er hegte nicht bereits bei der Wohnsitznahme die Absicht, die Ersatzbeschaffung in eine Ferienwohnung umzunutzen oder das erste Ersatzobjekt allein aus spekulativen Motiven zu erwerben, um nach einer kurzen Besitzesdauer ein zweites Ersatzobjekt zu kaufen, um den Zwischengewinn abzuschöpfen.
3.1 Hinsichtlich der Mindesthaltedauer besteht ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers. Es kann Art. 12 Abs. 3 lit. e StHG keine festgelegte Frist von fünf Jahren als Voraussetzung für eine dauernde und ausschliessliche Selbstnutzung entnommen werden (vgl. FELIX RICHNER, Ersatzbeschaffung von selbstgenutztem Wohneigentum [nachfolgend: Ersatzbeschaffung II], ZStP 1/2011 S. 14; ebenso Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich SB.2011.00154 vom 14. März 2012 E. 2.3.2). Auch aus dem vor wenigen Jahren behandelten Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 19. Januar 2010 zur Parlamentarischen Initiative "Ersatzbeschaffung von Wohneigentum. Förderung der beruflichen Mobilität" (BBl 2010 2585 ff.) lässt sich keine solche Frist ableiten. Aus der Begründung zur Gesetzesvorlage ergibt sich, dass es beim vorgeschlagenen neuen Art. 12 Abs. 3bis lit. b StHG (BBl 2010 2616) nur um die Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse im interkantonalen Verhältnis ging, indem dem Wegzugskanton die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, unter Umständen den in seinem Hoheitsgebiet entstandenen, hinsichtlich der Besteuerung aber aufgeschobenen Gewinn nachträglich noch nachbesteuern zu können (BBl 2010 2597 Ziff. 2.3.5.1; vgl. zur Frage der Steuerhoheit bei Veräusserung des Ersatzobjekts im interkantonalen Verhältnis Urteil 2C_337/2012 vom 19. Dezember 2012). Es ging aber nicht darum, die Anhäufung kurzfristig erzielter, unbesteuerter Gewinne zu verhindern (zum Ganzen ausführlich RICHNER, Ersatzbeschaffung II, a.a.O., S. 15). Auf die Parlamentarische Initiative wurde schliesslich nicht eingetreten (AB 2011 S 520).
3.2 Ebenso wenig ist die Annahme möglich, dass die steuerpflichtige Person gar nie die Absicht gehabt habe, eine Ersatzbeschaffung

BGE 143 II 233 (240):

vorzunehmen, wenn sie an der neu erworbenen Liegenschaft innerhalb von fünf Jahren die Selbstnutzung aufgibt. Durch die Wohnsitznahme ist die Anforderung der dauernden und ausschliesslichen Selbstnutzung hinsichtlich des Ersatzobjekts erfüllt (E. 2.5.2). Zudem würde durch diese Annahme der Begriff der Dauerhaftigkeit beim ursprünglichen Objekt anders als beim Ersatzobjekt behandelt. Solches steht in Widerspruch zur bundesrechtlichen Vorgabe, dass die Begriffe des Selbstbewohnens, der Dauerhaftigkeit und der Ausschliesslichkeit im Zusammenhang mit dem veräusserten Objekt gleich auszulegen sind wie beim Ersatzobjekt (E. 2.4). (...)