BGE 2 I 500 - Scheidung Fischer
 


BGE 2 I 500 (500):

111. Urtheil
vom 2. Dezember 1876 in Sachen Eheleute Fischer.
 
Sachverhalt
A. Durch Entscheid vom 30. September d. J. wurde dem Ehemann Fischer eine Frist von sechs Monaten angesetzt, um eine Erklärung des herzoglich braunschweigischen Staatsministeriums beizubringen, daß ein von den schweizerischen Gerichten ausgefälltes Scheidungsurtheil dortseits anerkannt werde[Fn. 1: s. oben Seite 332 ff. [ = BGE 2 I 322].].
B. Darauf hat Fischer sich darüber ausgewiesen, daß er nicht mehr braunschweigischer Staatsangehöriger sei, indem er das Bürgerrecht der Gemeinde Außersihl, Kanton Zürich, und das Landrecht in letzterm Kanton erworben habe.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. Die zürcherischen Gerichte haben gefunden, daß zwar die Voraussetzungen eines gemeinsamen Scheidungsbegehrens (Art. 45 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe) nicht vorhanden seien, indem jede Partei, unter Bestreitung der Scheidungsklage der andern, selbständige Scheidungsgründe geltend mache und

BGE 2 I 500 (501):

überdem die Beklagte ihre Zustimmung zu einem gemeinsamen Scheidungsbegehren ausdrücklich von der, mit einem solchen Scheidungsbegehren unverträglichen, Bedingung abhängig gemacht habe, daß die aus der Ehe vorhandenen Kinder ihr überlassen werden; daß es ferner auch an einem zureichenden Nachweise für das Vorhandensein des in Art. 46 litt. b des citirten Bundesgesetzes genannten Scheidungsgrundes fehle, dagegen aus den gegenseitig von den Parteien erhobenen Anschuldigungen und aus der Gesammtheit der Zeugenaussagen eine derartige Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses hervorgehe, daß es als gerechtfertigt erscheine, die Ehe der Litiganten aus Grund des Art. 47 leg. cit. gänzlich zu scheiden.
 
Erwägung 2
 
Erwägung 3
3. Ueber diese Frage haben sich die zürcherischen Gerichte im vorliegenden Falle nicht ausgesprochen. Dagegen hat die Appellationskammer des zürcherischen Obergerichtes in dem früher entschiedenen, ebenfalls anher gezogenen Scheidungsprozesse der Eheleute Schwarzenbach (vergl. Off. Samml. der bundesger. Entschdng. Bd. II. S. 273 ff. [ = BGE 2 I 273]) den Grundsatz aufgestellt, daß der citirte Art. 47 demjenigen Ehegatten, welcher ganz oder doch vorzugsweise die Schuld an der Zerrüttung der Ehe trage, die Scheidungsklage nicht gestatte, und darf daher unbedenklich davon ausgegangen werden, daß auch das vorliegende Urtheil des zürcherischen Obergerichts auf der gleichen, vom Bundesgerichte ausdrücklich gebilligten Auffassung jener Gesetzesstelle beruhe und dasselbe somit in thatsächlicher Hinsicht auf der Annahme basire, daß die Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses weder ganz noch hauptsächlich vom Ehemanne, sondern zum mindesten von beiden Ehegatten in gleichem Maße verschuldet worden sei. Bei dieser Annahme, die in den Akten hinreichende Unterstützung findet und

BGE 2 I 500 (502):

jedenfalls nicht als eine aktenwidrige bezeichnet werden kann, erscheint aber auch die Beschwerde der Beklagten über unrichtige Anwendung des mehrerwähnten Gesetzes, worauf gemäß Art. 30 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1874 die Cognition des Bundesgerichtes sich beschränkt, als nicht begründet.
 
Erwägung 4
 
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt :
Das Begehren der Beklagten um Abänderung des Urtheiles der zürcherischen Appellationskammer vom 20. Mai d. J. ist als unbegründet abgewiesen.