BGE 1 I 328 - Franz Feusi
 


BGE 1 I 328 (328):

86. Urtheil
vom 12. Juni 1875 in Sachen Pfeffikon.
 
Sachverhalt:
 
A.
Auf die Anzeige, daß die Genossengemeinde Pfeffikon, Kts. Schwyz, beabsichtige, zur Vertheilung des derselben zugefallenen Expropriationsbetrages von 23,000 Fr. zu schreiten, erließ das Bezirksammannamt Höfe am 18. Januar d.J. an dieselbe die Aufforderung, die Vollziehung einer solchen Schlußnahme für so lange zu sistiren, bis der von Franz Feusi und einigen anderen Genossenbürgern zum Voraus erklärte Rekurs erledigt sein werde. Diese Verfügung wurde am gleichen Tage vom Bezirksammannamte durch Androhung einer Buße von 500 Fr. für den Fall

BGE 1 I 328 (329):

des Zuwiderhandelns verschärft und sodann unterm 24. Februar d.J. vom schwyzerischen Regierungsrathe, unter Verwerfung des von der Genossame Pfeffikon, -- welche ungeachtet des erlassenen Verbotes die Vertheilung des bezeichneten Betrages am gleichen 18. Januar beschlossen und vollzogen hatte, -- ergriffenen Rekurses bestätigt.
 
B.
Inzwischen stellten Franz Feusi, alt Bannwart, und Jakob Steiner in Pfeffikon beim Bezirksrath Höfe das Gesuch, daß der Beschluß der Genossengemeinde vom 18. Januar d.J. kassirt werde, worauf der Bezirksrath durch Kontumazialerkenntniß vom 13. Februar d.J., in Betracht:
    1. Daß die Statuten der Korporation Pfeffikon in Art. 1 vorschreiben, daß, gemäß den Uebungen und Rechten der Vorfahren, das Genossengut auch fernerhin gemeinsames und unvertheilbares Eigenthum aller rechtlichen Antheilhaber sein und verbleiben und die daherige Nutznießung sich auf alle Genossenbürger gleichmäßig ausdehnen soll;
    2. daß der Art. 20 der Verfassung in Bezug auf die Vermögens- und Verwaltungsrechte die Bezirke, Gemeinden und Korporationen einander gleichstellt, den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigenthums voranstellt, und den geistlichen und weltlichen Korporationen nicht die freie Verfügung über ihr Eigenthum, sondern nur die Verwaltung und Benutzung ihres Vermögens anheimstellt;
    3. daß Korporationen, wie diejenige von Pfeffikon, den Charakter einer juristischen Person an sich tragen;
    4. daß nach den allgemein anerkannten und in der Natur der Sache begründeten Rechtsgrundsätzen den blos zeitlichen Repräsentanten einer juristischen Person die freie Disposition über deren Stammgut resp. die beliebige Schwächung oder Aufhebung der letzteren nicht gestattet ist, da dasselbe für die dauernden Zwecke der Korporation dienen soll und daher dem Gemeinzwecke nicht entfremdet werden darf;
    5. daß die fraglichen 23,000 Fr. von der Nordostbahngesellschaft für Expropriationen von Grund und Boden und damit verbundener Rechte der Genossame Pfeffikon herrühren, und

    BGE 1 I 328 (330):

    daher als ein Theil des Stammgutes zu betrachten sind, daß der Beschluß der Genossengemeinde Pfeffikon vom 18. Januar 1875 aber eine eigenmächtige Vertheilung dieses Vermögenstheiles unter die jetzigen Genossen bezweckt;
    6. daß nach dem Sinn und Geist der angerufenen Verfassungsbestimmung und mit Hinsicht auf die statutarischen Bestimmungen der Korporation Pfeffikon die staatlichen Behörden auf Klage eines oder mehrerer Korporationsberechtigten einzuschreiten das Recht und die Pflicht haben, sofern eine Korporation durch Beschlüsse und Handlungen ihren ungeschwächten Fortbestand gefährdet;
jenen Beschluß wirklich kassirte, zugleich aber der Genossengemeinde eine Purgationsfrist von 3 Wochen ansetzte. Innert dieser Frist bestritt Hr. Fürsprech Bisig beim Bezirksrathe Schwyz dessen Kompetenz; allein letzterer bestätigte unterm 6. März d.J. sein Kassationserkenntniß vom 13. Februar, weil die Genossame nichts habe vorbringen können, was die Reinigung von der Kontumaz zu begründen vermöchte.
Dieser Beschluß wurde unterm 8. April 1875 auch vom schwyzerischen Regierungsrathe aufrecht erhalten.
 
C.
Die Genossame Pfeffikon, (welche laut Weisungsschein des Friedensrichteramtes Freienbach vom 5. März d.J. inzwischen und bevor der Entscheid des Bezirksrathes erlassen war, den alt Bannwart Franz Feusi und Joh. Jakob Steiner auch vor dieser Behörde in's Recht gefaßt hatte, über die Frage: "ob nicht gerichtlich der Beschluß der Genossengemeinde vom 18. Januar 1875 als rechtsgültig und für die Beklagten verbindlich zu erklären sei"), beschwert sich nun beim Bundesgerichte über den Regierungsbeschluß vom 8. April d.J., indem derselbe eine flagrante Verfassungsverletzung enthalte. Nach §§. 13 und 14 der schwyzerischen Verfassung könne Niemand seinem verfassungs

BGE 1 I 328 (331):

mäßigen Richter entzogen werden und müsse Jeder in allen Civilrechtsfällen ohne Einmischung und Hinderung irgend einer Behörde vor die Gerichte gelassen werden. Nun seien alle Eigenthumsfragen, sowie alle Theilungsfragen, welche Privaten beschlagen, eigentliche Civilrechtsfragen und daher nach Anleitung der Civilprozeßordnung bei den zuständigen Gerichtsbehörden anzubringen. Dieser verfassungsmäßige Grundsatz komme auch zur Anwendung, wenn es sich um Theilungsstreitigkeiten von Korporationen handle, indem solche, und zwar speziell diejenige von Pfeffikon, keine staatsrechtliche, sondern Privatgenossenschaften seien, welchen durch Art. 20 der Verfassung ihr freies Verwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht garantirt sei. Weder nach dieser Bestimmung der Verfassung, noch nach den Art. 121, 133, 134 und 73 bis 90, welche die Kompetenzen der Verwaltungsbehörden regeln, stehe denselben das Recht zu, sich in die Verwaltung der Korporationen einzumischen.
 
D.
Der Regierungsrath von Schwyz beantragt Abweisung der Beschwerde, indem er anführt: Nach allgemein anerkannten und in der Natur der Sache begründeten Rechtsgrundsätzen diene das Stammgut der Korporationen dauernden Zwecken und sei daher die freie Disposition, beziehungsweise die beliebige Schwächung oder Aufhebung desselben den blos zeitlichen Repräsentanten nicht gestattet. Nun sage der Art. 20 der schwyzerischen Verfassung:
    "Jedem Bezirk, jeder Gemeinde, sowie jeder geistlichen und weltlichen Korporation bleibt die Verwaltung des Eigenthums und die Befugniß, die Art und Weise der Benutzung und der Verwaltung ihrer Güter selbst zu bestimmen, gesichert."
Hieraus gehe hervor, daß die Disposition der Genossame über die Korporationsgüter eine beschränkte sei und der Staat sich selbst die Oberaufsicht und das Einspruchsrecht gegen Uebergriffe über diese beschränkten Befugnisse vorbehalten habe. So habe auch der schwyzerische Kantonsrath am 18. Juni 1861 den Art. 20 der Verfassung dahin ausgelegt, daß sich die Bezirke, Gemeinden und Korporationen hinsichtlich der Vermögens- und Verwaltungsrechte gleichstehen, daß aber den geistlichen und weltlichen Korporationen nicht die freie Verfügung über ihr Eigen

BGE 1 I 328 (332):

thum, sondern nur die Benutzung und Verwaltung des Vermögens zustehe.
Diese Anschauung sei endlich auch vom Bundesrathe bei Anlaß des Gersauer-Rekurses getheilt worden und finde eine gesetzliche Unterlage in §. 5 der Administrativprozeßordnung, welcher bestimme, daß in die Kompetenz der Administrativbehörden auch Streitigkeiten in Korporationssachen fallen, bei Verletzung von Korporationsstatuten, die nicht civilrechtlicher Natur seien. Ebenso werde dieselbe unterstützt durch die Korporationsstatuten, welche durchwegs die Bestimmung enthalten, daß ihr Vermögen unveräußerlich sei.
 
E.
Der Kantonsrath von Schwyz hat unterm 18. Juni 1861 die Beschwerde der Mehrheit der Genossen von Gersau über einen Beschluß des Regierungsrathes betreffend Kassation eines Genossengemeindsbeschlusses resp. Vertheilung eines Genossenfondes abgewiesen, unter folgender Begründung:
    1. Daß das Stammgut einer juristischen Person als Eigenthum der Gesammtheit und nicht jedes Einzelnen betrachtet und behandelt werden muß und dasselbe daher dem Gemeinzweck nicht entfremdet werden darf;
    2. daß der Art. 20 der Verfassung in Bezug auf die Vermögens- und Verwaltungsrechte die Bezirke, Gemeinden und Korporationen einander gleichstellt, den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigenthums voranstellt und den geistlichen und weltlichen Korporationen nicht die freie Verfügung über ihr Eigenthum, sondern nur die Benutzung und Verwaltung ihres Vermögens anheimstellt;
    3. daß nach Sinn und Geist dieser Verfassungsbestimmungen der Staat auf Klage eines oder mehrerer Korporationsberechtigter einzuschreiten Pflicht und Recht hat, sofern eine Korporation durch Beschlüsse und Handlungen ihren ungeschwächten Fortbestand gefährdet;
    4. daß das Einschreiten der Regierung in solchen Fällen auch vom vormundschaftlichen Gesichtspunkte aus sich vollkommen rechtfertigt.
 


BGE 1 I 328 (333):

F.
Die Statuten der Genossengemeinde Pfeffikon enthalten u.A. folgende Bestimmungen:
    1. Gemäß den Uebungen und Rechten der Vorfahren soll das Genossengut auch fernerhin gemeinsames und untheilbares Eigenthum aller rechtlichen Antheilhaber sein und verbleiben und die daherige Nutznießung sich auf alle Genossenbürger gleichmäßig ausdehnen.
    2. Ueber die Art und Weise der Benutzung von Holz, Feld und anderem Eigenthum entscheidet die Mehrheit der nutzungsberechtigten Genossenbürger, welche in bürgerlichen Rechten und Ehren stehen und es hat sich die Minderheit den daherigen, innert den Schranken des Rechtes und der gegenwärtigen Statuten getroffenen Verfügungen zu unterziehen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Erwägung 1
 
Erwägung 2
 
Erwägung 3
3. Es ist zwar richtig, daß in Folge der neuern Gesetzgebung beinahe überall die Verbindungen der nutzungsberechtigten Genossenbürger sich lediglich als privatrechtliche Korporationen erhalten haben und die öffentlich rechtliche Seite derselben weggefallen ist; ebenso ist bekannt, daß in neuerer Zeit an manchen Orten das Genossengut veräußert, beziehungsweise unter die

BGE 1 I 328 (334):

Genossen vertheilt worden ist. Allein eine Vermuthung für den rein privatrechtlichen Charakter der, bekanntermaßen aus dem ursprünglichen Gemeindeverbande hervorgegangenen, Genossenschaften besteht nicht, sondern es ist derselbe in jedem Falle nachzuweisen, und nun ist der Beweis dafür, daß im Kanton Schwyz den Genossengemeinden am Genossengute Privateigenthum eingeräumt worden sei und die Vertheilung desselben ganz oder theilweise ohne Zustimmung und Genehmigung des Staates stattfinden dürfe, nicht nur nicht geleistet, sondern es geht aus Art. 20 der schwyzerischen Verfassung das Gegentheil hervor.
 
Erwägung 4
4. Diese Verfassungsbestimmung sichert den Bezirken, Gemeinden, den geistlichen und weltlichen Korporationen die Verwaltung ihres Eigenthums, sowie die Befugniß zu, die Art und Weise der Benutzung und Verwaltung selbst zu bestimmen. Die weltlichen Korporationen sind somit mit den Bezirken, Gemeinden und geistlichen Korporationen, deren öffentlich rechtlicher Charakter wohl keinem begründeten Zweifel unterliegt, in gleiche Linie gestellt und denselben nur das Recht der Verwaltung und Benutzung ihrer Güter zugesichert. Hieraus folgt, daß, wie nach bekannten Grundsätzen des Staatsrechtes die Veräußerung von Bezirks- oder Gemeindegut nur unter staatlicher Zustimmung und Genehmigung erfolgen darf, der Staat sich auch die Oberaufsicht über das Genossengut insoweit vorbehalten hat, daß eine Veräußerung oder Vertheilung desselben ohne seine Genehmigung nicht erfolgen kann; denn es ist klar, daß die Veräußerung oder Vertheilung des Genossengutes über die Verwaltung und Benutzung desselben, welche den Korporationen durch die Verfassung einzig gewährleistet sind, hinausreicht.
 
Erwägung 5
5. Daß in Art. 133 der schwyzerischen Verfassung, welcher lautet: "Er, der Bezirksrath, hat die Aufsicht über die Verwaltung der Gemeinden und ihrer Güter und wacht für Erhaltung dieser letztern", lediglich die Gemeinden und nicht auch die Korporationen erwähnt sind, beziehungsweise die Verfassung nicht auch eine gleiche Bestimmung bezüglich der Genossengüter enthält, ist ganz unerheblich; denn angenommen sogar, daß unter dem Namen Gemeinden die Korporationsgemeinden nicht inbe

BGE 1 I 328 (335):

griffen seien, so würde aus dem Mangel einer gleichen Bestimmung bezüglich der Korporationen weiter nichts folgen, als daß sie hinsichtlich der Verwaltung nicht unter der Oberaufsicht des Bezirksrathes stehen, also z.B. ihre jährlichen Rechnungen demselben nicht zur Genehmigung vorlegen müssen.
 
Erwägung 6
 
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.