BVerfGE 160, 177 - Fragerecht Verfassungsschutz


BVerfGE 160, 177 (177):

Parlamentarisches Fragerecht zum Bundesamt für Verfassungsschutz – eA
 
Beschluss
des Zweiten Senats vom 26. Januar 2022
– 2 BvE 8/21 –
in dem Verfahren über den Antrag festzustellen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dadurch in seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verletzt hat, dass sie die mit den schriftlichen Fragen Nummer 32 für den Monat Dezember vom 9. Dezember 2020 (Bundestagsdrucksache 19/25159, Seite 24–25) erbetenen Auskünfte verweigert hat; Antragsteller: Konstantin Kuhle, MdB, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Bevollmächtigter: (...) – Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin;
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
 


BVerfGE 160, 177 (178):

Entscheidungsformel:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.
 
Gründe:
 
A.
Der Antragsteller ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Er wendet sich mit seinem Antrag in der Hauptsache dagegen, dass die Antragsgegnerin die Beantwortung seiner parlamentarischen Anfrage vom 2. Dezember 2020 zur Zahl der in das Ausland entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und zur politischen Bewertung dieser Entsendung (BTDrucks 19/25159, S. 24 f.) verweigert und die Auskunftsverweigerung nicht hinreichend begründet habe.
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 hat der Antragsteller beantragt,
I.
1. Der Antragsteller gehörte in der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages dem Ausschuss für Inneres und Heimat sowie dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union an. Er war Mitglied der Bundestagsfraktion der FDP und deren innenpolitischer Sprecher. Am 2. Dezember 2020 bat er die Antragsgegnerin im Rahmen einer schriftlichen Einzelfrage um Informationen über die Anzahl der in den letzten fünf Jahren für nachrichtendienstliche Tätigkeiten in das Ausland entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Frage lautete:
2. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 teilte der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat namens der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit:
3. In einem an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom 14. Januar 2021 vertrat der Antragsteller die Auffassung, dass die Beantwortung der Frage unzureichend und die Frage damit insgesamt unbeantwortet geblieben sei. Die Antragsgegnerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 1. Februar 2021 unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags.
II.
1. Der Antragsteller hält seinen mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 in der Hauptsache gestellten Antrag für zulässig und begründet. Die Verweigerung der Beantwortung seiner Fragen durch die Antragsgegnerin verkürze sein Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Bei der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes sei das Informationsinteresse besonders hoch anzusetzen. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die gestellten Fragen zu beantworten, sei bereits deswegen verfassungswidrig, weil sie dafür lediglich eine formelhafte, aber keine konkrete Begründung gegeben habe. Die Antragsgegnerin habe zudem nicht ausreichend substantiiert, warum eine Beantwortung der Anfrage in (nach der Geheimschutzordnung) eingestufter Form nicht in Betracht komme. Materiell könne sich die Antragsgegnerin auf keine der in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen von der Antwortpflicht der Bundesregierung berufen. Insbesondere sei eine Gefährdung des Wohls des Bundes durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen nicht zu befürchten.
2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten. Die nach § 32 BVerfGG vorzunehmende Abwägung gehe zugunsten des Antragstellers aus. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, bliebe der Antragsteller für die gesamte Dauer des Verfahrens in der Hauptsache ohne gesichertes tatsächliches Wissen über den Umfang der Auslandsaktivitäten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auf dieses Wissen sei er aber unbedingt angewiesen,

BVerfGE 160, 177 (181):

weil der Neuzuschnitt der Organisation und Aufgaben der Nachrichtendienste des Bundes eines der zentralen sicherheitspolitischen Gesetzgebungsverfahren der 20. Wahlperiode sein werde. Die Verfahrensdauer vor dem Bundesverfassungsgericht in vergleichbaren Verfahren über parlamentarische Frage- und Informationsrechte betrage mitunter mehr als fünf Jahre. Problematisch sei dabei das Missverhältnis zu den Handlungs- und Reaktionszyklen des politischen Prozesses. Die mittlere Verweildauer von Abgeordneten im Parlament betrage etwa acht Jahre. Der strukturelle Vorteil der Bundesregierung, der sich daraus ergebe, bestehe in dem Anreiz, parlamentarische Fragen solange nicht zu beantworten, bis das politische Momentum der Geltendmachung der parlamentarischen Verantwortung der Regierung vorüber sei. Wenn daher das Organstreitverfahren nicht nur der Klärung des Verfassungsrechts im Sinne einer Aufarbeitung historischer Vorgänge, sondern zugleich dem organschaftlichen Rechtsschutz dienen solle, müsse die Effektivität des Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnungen gesichert werden.
Relevante Nachteile für die Antragsgegnerin entstünden allenfalls aus der öffentlichen Beantwortung der Frage. Sollte sich später herausstellen, dass die Antragsgegnerin zu ihr nicht verpflichtet sei, wäre die Information nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Erfolgte die Beantwortung allerdings nur gegenüber dem Antragsteller, beschränkt auf die absolute Zahl der Auslandsmitarbeiter und ohne eine darauf gestützte politische Bewertung der Antragsgegnerin, sowie in einer Form, die den Antragsteller nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages zur Geheimhaltung verpflichte, blieben die negativen Folgen einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Anordnung auf ein absolutes Minimum beschränkt. Die Weitergabe der Informationen durch den Antragsteller wäre nach § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbewehrt. Die Antragsgegnerin hätte schon allein dadurch die Gewähr für die Nichtweitergabe der Information durch den Antragsteller. Weitere Nachteile für die Antragsgegnerin seien nicht ersichtlich.


BVerfGE 160, 177 (182):

III.
1. Nach Auffassung der Antragsgegnerin ist der Hauptsacheantrag jedenfalls unbegründet. Die Bundesregierung habe die Auskunft zur Einsatzstärke des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Ausland verweigern dürfen und die Verweigerung der Auskunft ebenso wie die Nicht-Übermittlung an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausreichend begründet.
Die Geheimschutzbestimmungen des Deutschen Bundestages ließen die eigene Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt. Entgegen der Einschätzung des Antragstellers bedürften die in Rede stehenden Informationen der besonderen Geheimhaltung. Außerdem sei hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu berücksichtigen. Die Frage des Antragstellers habe besondere Fähigkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz in einem bestimmten Aufgabenfeld und bestimmte Formen und Methoden der verdeckten Aufgabenwahrnehmung zum Gegenstand. Die erfragten Kräftestärken ließen in besonderer Weise Rückschlüsse auf die jeweiligen Fähigkeiten und Schwerpunktsetzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu. Die Antragsgegnerin sei daher berechtigt, die Frage allenfalls im Parlamentarischen Kontrollgremium zu beantworten.
Sie habe die Verweigerung der Antwort auf die erste Teilfrage auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, warum die Mitteilung der Zahl der Auslandsmitarbeiter das Staatswohl berühren würde, und dabei auf die Preisgabe der Arbeitsmethodik des Bundesamtes für Verfassungsschutz verwiesen. Die zweite Teilfrage nach der Bewertung der Auslandsaktivitäten sei seitens der Antragsgegnerin ausreichend beantwortet worden.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Der Antrag ziele auf eine Rechtsfolge, die über die im Hauptsacheverfahren bewirkbaren Rechtsfolgen hinausgehe. Ferner führte die beantragte einstweilige Anordnung zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache. Die Antragsschrift enthalte keine substantiierte Darlegung

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von Umständen, die auch nur ansatzweise eine dies rechtfertigende Sonderkonstellation begründen könnten. Die Ausführungen des Antragstellers beschränkten sich vielmehr auf die Frage der Folgenabwägung. Eine Sonderkonstellation, bei der die endgültige Vereitelung eines organschaftlichen Rechtes drohe, sei nicht ersichtlich.
Eine etwaige Folgenabwägung gehe zugunsten der Antragsgegnerin aus. Bei Ergehen einer einstweiligen Anordnung drohten schwerwiegende und irreparable Beeinträchtigungen für die nachrichtendienstliche Tätigkeit, die ihrerseits dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter diene. Informationen über die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste seien immer besonders sensible Informationen, wenn sie Aufschluss über spezifische Fähigkeiten und Methoden zu bestimmten Aufgabenbereichen gäben, die im gezielten Ausforschungsfokus des nachrichtendienstlichen Gegenübers lägen. Dies sei vorliegend der Fall. Dabei begründe jedwede Ausweitung des Kenntnisträgerkreises zusätzliche Geheimschutzrisiken. Eine etwaige Mitteilung der Informationen wäre unumkehrbar. Der Antragsteller habe andere Möglichkeiten, seine Absicht umzusetzen, die Thematik in den weiteren politischen Prozess einzubringen.
IV.
Der Antragsteller hat repliziert, dass die Kompetenz nach § 32 BVerfGG, einen Zustand vorläufig zu regeln, bei einem auf einen Feststellungstenor beschränkten Organstreitverfahren stets die Befugnis enthalte, über die im Hauptsacheverfahren bewirkbaren Rechtsfolgen hinauszugehen. In diesem Sinne verfahre auch das Bundesverfassungsgericht, indem es den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht auf "Sonderkonstellationen" beschränke. Die beantragte einstweilige Anordnung nehme auch nicht die Hauptsache vorweg, da sie auf ein anderes Rechtsschutzziel gerichtet sei als der Antrag in der Hauptsache. Bei Letzterem gehe es um die Übernahme politischer Verantwortlichkeit durch die Antragsgegnerin, während der Eilantrag darauf abziele, dem Antragsteller die sachgerechte Ausübung seines Mandats zu ermöglichen.


BVerfGE 160, 177 (184):

Die Darlegungen der Antragsgegnerin zu den ihr drohenden Nachteilen im Falle des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verstießen gegen das Verbot des Nachschiebens von Gründen. Sie beruhten auf Maßstäben, die hinter dem Stand der Rechtsprechung und der verfassungsrechtlichen Diskussion zur Reichweite parlamentarischer Informationsrechte zurückblieben, und bauten ein Sachverhaltsszenario auf, das allenfalls realistisch wäre, wenn der Antragsteller eine andere Frage gestellt hätte.
 
B.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig.
I.
1. a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 [3]; 82, 310 [312]; 94, 166 [216 f.]; 104, 23 [27]; 106, 51 [58]; 132, 195 [232 Rn. 86]; 150, 163 [166 Rn. 10]; 151, 58 [63 Rn. 11]; 155, 357 [373 Rn. 37]). Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen (vgl. BVerfGE 151, 152 [161 Rn. 24]; stRspr). Im Organstreitverfahren ist dabei zu berücksichtigen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff des Bundesverfassungsgerichts in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans bedeutet (vgl. BVerfGE 106, 253 [261]; 108, 34 [41]; 118, 111 [122]; 145, 348 [356 f. Rn. 29]; 150, 163 [166 Rn. 10]). Das Verfahren nach § 32 BVerfGG ist zudem nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz vor dem Eintritt auch endgültiger Folgen zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 [216]; 150, 163 [166 Rn. 10]).


BVerfGE 160, 177 (185):

b) Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte und nachvollziehbare Darlegung, dass dem Antragsteller für den Fall, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, ein schwerer Nachteil droht (vgl. BVerfGE 156, 335 [337 f. Rn. 4]) und deren Erlass daher oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Für eine einstweilige Anordnung ist kein Raum, wenn das Bundesverfassungsgericht die Hauptsache so rechtzeitig zu entscheiden vermag, dass durch diese Entscheidung die schweren Nachteile, denen die einstweilige Anordnung entgegenwirken soll, vermieden werden können. Dringlich ist in diesem Sinne der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann, wenn im Hinblick auf das im Hauptsacheverfahren als verletzt gerügte Recht ein Nachteil droht, der durch ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 118, 111 [123]).
2. Die einstweilige Anordnung ist vorläufiger Natur, sie soll einen Zustand vorübergehend regeln, nicht aber die Hauptsache präjudizieren (vgl. BVerfGE 8, 42 [46]; 15, 219 [221]). Über die in der Hauptsache aufgeworfenen Fragen kann im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht entschieden werden (vgl. BVerfGE 12, 276 [279]; 15, 77 [78]). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur denkbar, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. BVerfGE 34, 160 [162 f.]; 46, 160 [163 f.]; 111, 147 [153]; 132, 195 [233 Rn. 88]; 143, 65 [87 f. Rn. 36]; 155, 357 [374 Rn. 38]; 157, 332 [375 Rn. 69]).
3. Der zulässige Inhalt eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zudem durch den möglichen Inhalt der Entscheidung in der Hauptsache begrenzt. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher regelmäßig unzulässig, wenn das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Rechtsfolge im Verfahren der Hauptsache nicht bewirken könnte (vgl. BVerfGE 7, 99 [105]; 14, 192 [193]; 16, 220 [226]; 151, 58 [64 Rn. 13]). Demgemäß kommt im Organstreit der Erlass einer einst

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weiligen Anordnung, welche die Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten zum Gegenstand hat, grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 151, 58 [64 Rn. 13]; 155, 357 [374 Rn. 38]).
a) Bei dem Organstreit handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit (vgl. BVerfGE 126, 55 [67]; 138, 256 [258 f. Rn. 4]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 151, 58 [64 Rn. 14]); er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 104, 151 [193 f.]; 118, 244 [257]; 126, 55 [67 f.]; 140, 1 [21 Rn. 58]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 151, 58 [64 Rn. 14]). Gemäß § 67 Satz 1 BVerfGG stellt das Bundesverfassungsgericht im Organstreit lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt. Es obliegt sodann dem jeweiligen Staatsorgan selbst, einen festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beenden (vgl. BVerfGE 85, 264 [326]; 151, 58 [64 Rn. 14]; 155, 357 [374 Rn. 39]). Kassatorische oder rechtsgestaltende Wirkung kommt der Entscheidung im Organstreit nicht zu (vgl. BVerfGE 136, 277 [301 Rn. 64]; 138, 125 [131 Rn. 19]; 151, 58 [64 f. Rn. 14]; 155, 357 [374f. Rn. 39]). Für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Antragstellers hinausgehende Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten ist im Organstreit grundsätzlich kein Raum (vgl. BVerfGE 124, 161 [188]; 136, 277 [301 Rn. 64]; 151, 58 [65 Rn. 14]; 155, 357 [375 Rn. 39]).
b) aa) Dient der Organstreit damit allein der Klärung der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, ist dies bei der Bestimmung des zulässigen Inhalts eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren zu beachten. Gegenstand eines solchen Antrags kann allein die vorläufige Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts des Antragstellers sein, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch die Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird (vgl. BVerfGE 89, 38 [44]; 96, 223 [229]; 98, 139 [144]; 108,

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34 [41]; 118, 111 [122]; 145, 348 [357 Rn. 29]; 151, 58 [65 Rn. 15]; 155, 357 [375 Rn. 40]).
bb) Dem steht der Einwand des Antragstellers, dass die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zum Erlass einer vorläufigen Regelung im Organstreitverfahren begriffsnotwendig die Kompetenz beinhalte, über die in der Hauptsache bewirkbaren Rechtsfolgen hinauszugehen, nicht entgegen. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass der Eilrechtsschutz auf eine vorläufige, die endgültige Klärung der Rechtslage offenhaltende Regelung beschränkt ist. In dem auf eine bloße Feststellung gerichteten Verfahren des Organstreits kann ein darüber hinausgehender Verpflichtungsausspruch nur in Betracht kommen, wenn allein dadurch der Eintritt vollendeter Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts verhindert werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit einem derartigen Inhalt von vornherein nicht geboten. Soweit der Antragsteller demgegenüber auf die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2015 (BVerfGE 140, 225) verweist, lässt er außer Betracht, dass der dort im Rahmen einer einstweiligen Anordnung erfolgte Verpflichtungsausspruch gerade erging, um eine dauerhafte und irreparable Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 GG zu verhindern (vgl. BVerfGE 140, 225 [228 Rn. 14]). Dass eine solche, eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines Verpflichtungsausspruchs im Organstreitverfahren gebietende Sonderkonstellation gegeben ist, ist vom Antragsteller darzulegen (vgl. BVerfGE 124, 161 [188]; 155, 357 [375 Rn. 40]).
II.
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig, weil er auf eine Rechtsfolge gerichtet ist, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht erreicht werden kann, und nicht hinreichend dargetan ist, dass deren Anordnung ausnahmsweise geboten ist, um die Vereitelung des geltend gemachten organschaftlichen Rechts zu verhindern

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(1.). Daneben ergibt sich die Unzulässigkeit des Antrags aus dem Umstand, dass es an einer substantiierten Darlegung der Dringlichkeit des Erlasses der einstweiligen Anordnung fehlt (2.).
1. Der Antrag bleibt bereits ohne Erfolg, weil der Antragsteller nicht dargelegt hat, dass eine Konstellation vorliegt, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines die Hauptsache (teilweise) vorwegnehmenden Verpflichtungsausspruchs im Organstreitverfahren gebietet.
a) Der Eilantrag des Antragstellers geht über die Rechtswirkungen hinaus, die bei einem Erfolg in der Hauptsache bewirkt werden könnten. Denn die mit diesem Antrag begehrte Auskunftserteilung an den Antragsteller hat eine unmittelbare Handlungsverpflichtung der Antragsgegnerin zum Gegenstand. In der Hauptsache kann der Antragsteller jedoch nur die Feststellung einer Verletzung des parlamentarischen, aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Frage- und Informationsrechts erreichen. Der Antrag zielt damit nicht nur auf eine teilweise Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache, sondern ist auch auf eine Rechtsfolge gerichtet, die das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache nicht bewirken könnte.
Soweit der Antragsteller demgegenüber geltend macht, vorliegend fehle es an einer Vorwegnahme der Hauptsache, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Ermöglichung sachgerechter Mandatswahrnehmung und damit auf ein völlig anderes Rechtsschutzziel gerichtet sei als der Antrag in der Hauptsache, bei dem es um die Übernahme politischer Verantwortlichkeit durch die Antragsgegnerin gehe, kann dem nicht gefolgt werden. Ziel des Antragstellers in der Hauptsache ist die – in der Feststellung einer Verletzung seines Frage- und Informationsrechts durch die Nichtbeantwortung einer parlamentarischen Anfrage implizit enthaltene – Feststellung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung der angefragten Auskünfte. Dieses Ziel würde mit der begehrten Verpflichtung der Antragsgegnerin im einstweiligen Anordnungsverfahren, dem Antragsteller unter Geheimschutzbedingungen die Zahl der Auslandsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit

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zuteilen, zumindest teilweise erreicht. Welche Zwecke der Antragsteller dabei verfolgt und welche Konsequenzen sich daraus ergeben, sind hiervon zu unterscheidende, nachgelagerte Fragen. Die Tatsache, dass der Antragsteller mit dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung das von ihm in der Hauptsache angestrebte Ziel teilweise erreichen und deren Ergebnis insoweit vorweggenommen würde, bleibt hiervon unberührt.
b) Dem Sachvortrag des Antragstellers lässt sich nicht entnehmen, dass bei Nichterlass der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung der Eintritt vollendeter Tatsachen im Sinne eines endgültigen Verlusts seines durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Fragerechts droht.
aa) Die Erfüllbarkeit des geltend gemachten Auskunftsbegehrens ist nicht von vornherein zeitgebunden. Grundsätzlich besteht der behauptete Anspruch des Antragstellers auf Beantwortung der von ihm gestellten parlamentarischen Anfrage während der gesamten Dauer seiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag und kann auch noch nach einem eventuellen Obsiegen in der Hauptsache erfüllt werden.
bb) Dass vorliegend etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Dies ergibt sich insbesondere nicht, soweit der Antragsteller auf die Dauer von Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das diesbezüglich behauptete Missverhältnis zu den Handlungs- und Reaktionszyklen des politischen Prozesses und die begrenzte Verweildauer von Abgeordneten im Deutschen Bundestag verweist.
(1) Welche Bedeutung der Behauptung des Antragstellers, vergleichbare Organstreitverfahren wiesen mitunter eine mehr als fünfjährige Verfahrensdauer auf, für den vorliegenden Fall zukommen soll, erschließt sich nicht. Der Antragsteller bezieht sich insoweit lediglich auf ein Organstreitverfahren, das nicht das parlamentarische Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern eine Verletzung der Unterrichtungspflichten der Bundesregierung aus Art. 23 Abs. 2 GG zum Gegenstand hatte (BVerfGE 158, 51). Dies allein vermag eine regelmäßig über fünfjährige Verfahrens

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dauer von Organstreitverfahren, die das parlamentarische Fragerecht betreffen, nicht zu belegen.
(2) Es steht nicht zu erwarten, dass der vorliegende Organstreit erst zu einem Zeitpunkt entschieden wird, in dem die Erteilung der begehrten Auskünfte im Falle des Obsiegens nicht mehr möglich wäre. Da der Antragsteller bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 wiedergewählt wurde und dem Deutschen Bundestag weiterhin angehört, kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung in der Hauptsache zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der in der Sache geltend gemachte Auskunftsanspruch noch erfüllt werden und der Antragsteller die erhaltene Antwort im Rahmen seines Mandats in den politischen Prozess einbringen kann. Ungeachtet der Frage der durchschnittlichen Verweildauer von Abgeordneten im Deutschen Bundestag besteht vorliegend kein Grund für die Annahme, dass bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung vollendete Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des vom Antragsteller geltend gemachten Rechts aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG eintreten könnten.
2. Der Antragsteller hat darüber hinaus die dringliche Notwendigkeit des Erlasses der begehrten Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund nicht dargelegt.
Insoweit macht der Antragsteller lediglich geltend, dass er auf die begehrten Auskünfte angewiesen sei, weil es sich bei dem Neuzuschnitt der Organisation und der Arbeitsweise der Nachrichtendienste um ein zentrales sicherheitspolitisches Gesetzgebungsvorhaben der 20. Wahlperiode handele. Diese Behauptung wird von ihm aber in keiner Weise belegt. Weder schildert er absehbare Zeitabläufe hinsichtlich des behaupteten Gesetzgebungsverfahrens, noch legt er dar, von welcher Seite eine entsprechende Gesetzesinitiative zu erwarten sei. Schwerwiegende Nachteile durch die Nichtbeantwortung der gestellten parlamentarischen Anfrage mit Blick auf ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren sind daher gegenwärtig nicht absehbar. Ob etwas Anderes anzunehmen wäre, wenn der Antragsteller auf konkret bevorstehende Initiativen und Zeitpläne zur Novellierung der gesetzlichen

BVerfGE 160, 177 (191):

Regelungen der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz hinweisen könnte, kann dahinstehen. In diesem Fall wäre er nicht gehindert, einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen (vgl. BVerfGE 4, 110 [113]; 91, 83 [91]; 122, 120 [132]; 140, 211 [224 Rn. 22]).
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