BVerfGE 118, 45 - Betreuungsunterhalt


BVerfGE 118, 45 (45):

Es verstößt gegen Art.  6 Abs.  5 GG, die Dauer eines Unterhaltsanspruchs, den der Gesetzgeber einem Elternteil wegen der Betreuung seines Kindes gegen den anderen Elternteil einräumt, für eheliche und nichteheliche Kinder unterschiedlich zu bestimmen.
 
Beschluss
des Ersten Senats vom 28. Februar 2007
-- 1 BvL 9/04 --
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. August 2004 (5 UF 262/04).
Entscheidungsformel:
1. Die unterschiedliche Regelung der Unterhaltsansprüche wegen der Pflege oder Erziehung von Kindern in § 1570 des Bürgerlichen Gesetzbuches einerseits und § 1615 l Absatz 2 Satz 3 des

BVerfGE 118, 45 (46):

Bürgerlichen Gesetzbuches andererseits ist mit Artikel 6 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar.
2. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2008 eine verfassungsmäßige Regelung zu treffen.
 
Gründe:
 
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB den Unterhalt, den ein Elternteil von dem anderen, nicht mit ihm verheirateten Elternteil wegen der Pflege oder Erziehung des gemeinsamen nichtehelichen Kindes beanspruchen kann, grundsätzlich auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes begrenzt und nur ausnahmsweise eine Verlängerung insbesondere unter Berücksichtigung der Kindesbelange vorsieht, während § 1570 BGB, der den Unterhalt regelt, der einem geschiedenen Elternteil wegen der Pflege oder Erziehung des gemeinsamen ehelichen Kindes vom anderen Elternteil geschuldet ist, keine zeitliche Begrenzung enthält und die Rechtsprechung aufgrund dieser gesetzlichen Anspruchsnorm einen Unterhaltsanspruch generell für einen deutlich längeren Zeitraum als drei Jahre gewährt.
I.
1. Nach § 1570 BGB, der durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) geschaffen wurde, am 1. Juli 1977 in Kraft trat und seitdem nicht geändert worden ist, kann ein geschiedener Elternteil von dem früheren Ehegatten Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
a) Zur Begründung dieses Anspruchs führte der Gesetzgeber aus, mit der Ehescheidung entfalle die gemeinsame wirtschaftliche Grundlage der Ehegatten. Daher endeten grundsätzlich ihre gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen. Die gemeinsame Verantwortung der Ehegatten füreinander könne jedoch in gewissen Fällen über eine Scheidung hinaus fortwirken, etwa dann,

BVerfGE 118, 45 (47):

wenn der Ehegatte ein gemeinsames Kind zu erziehen und zu pflegen habe (vgl. BTDrucks 7/650, S. 60). Der insoweit mit § 1570 BGB eingeräumte Unterhaltsanspruch bestehe nur so lange, wie der Ehegatte infolge der Kinderbetreuung an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Er entfalle also, wenn das Kind der Pflege oder Erziehung nicht mehr bedürfe (vgl. BTDrucks 7/650, S. 123). Dabei sah der Gesetzgeber bewusst davon ab, hinsichtlich der Dauer des Unterhaltsanspruchs Vorgaben zu normieren oder Auslegungshilfen zu geben. Er war der Auffassung, mit einer Angabe etwa zur Zahl und zum Alter der Kinder würde die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte verfehlt (vgl. BTDrucks 7/4361, S. 29; BTDrucks 7/650, S. 122 f.). Ob und in welchem Umfang von einer Mutter eine Erwerbstätigkeit erwartet werden könne, hänge nicht nur vom Alter der Kinder, sondern auch von anderen Umständen ab.
b) Insofern wird auch in der Rechtsprechung stets betont, es gebe keine festen Zeitpunkte, ab welchem Alter und ab welcher Anzahl von Kindern der geschiedene Ehegatte eine Erwerbstätigkeit aufnehmen müsse (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1983 -- IVb ZR 363/83 --, FamRZ 1983, S. 456 [458]). Nicht nur das Alter eines Kindes, sondern auch sein Gesundheitszustand, sein schulischer und sonstiger Entwicklungsstand oder mögliche Verhaltensstörungen spielten hier eine Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1984 -- IVb ZR 44/83 --, FamRZ 1985, S. 50 [51]).
Gleichwohl haben sich in der gerichtlichen Praxis für den Normalfall der kindlichen Entwicklung Maßstäbe für eine stufenweise Anhebung der Erwerbsobliegenheit von geschiedenen kinderbetreuenden Elternteilen herausgebildet, die sich am Kindesalter orientieren und Eingang in die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte gefunden haben (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., 2007, § 1570 Rn. 8 ff. m.w.N.). Auch wenn sich in diesen Leitlinien die Angaben zum Kindesalter nicht völlig decken, an dem die Verpflichtung eines kinderbetreuenden Elternteils zur (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichtet werden soll, so stimmen sie doch darin überein, dass bis zum Alter eines Kindes von acht Jahren beziehungsweise bis zum Ende seiner

BVerfGE 118, 45 (48):

Grundschulzeit keine Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Elternteils besteht. Zwischen dem elften und dem fünfzehnten Lebensjahr des Kindes wird grundsätzlich neben dessen Betreuung eine Teilzeitbeschäftigung für zumutbar erachtet und spätestens ab Vollendung des sechzehnten Lebensjahres eines Kindes wird im Regelfall angenommen, dass die Kinderbetreuung einer Vollerwerbstätigkeit nicht entgegensteht. Diesem Altersphasenkonzept folgt die Rechtsprechung.
2. a) Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder -- NEhelG -- (BGBl. 1969 I S. 1243) am 1. Juli 1970 wurde der mit dem Vater ihres Kindes nicht verheirateten Mutter erstmals durch den neu geschaffenen § 1615 l BGB ein Anspruch gegen den Vater auf Zahlung von Unterhalt zuerkannt, der ihr längstens bis ein Jahr nach der Geburt des Kindes zugesprochen werden konnte und zur Voraussetzung hatte, dass die Mutter nicht oder nur beschränkt erwerbstätig war, weil das Kind anderenfalls nicht versorgt werden könnte. Die zeitliche Befristung wurde damit begründet, dass nach Erkenntnissen der Psychologie und Pädagogik das erste Lebensjahr für die gedeihliche Entwicklung eines Kindes von besonderer Bedeutung sei (vgl. BTDrucks V/2370, S. 56).
b) Das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) vom 21. August 1995 (BGBl. I S. 1055) änderte § 1615 l BGB dahingehend, dass die Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt auf drei Jahre ausgeweitet wurde. Dieser durfte nun nicht mehr nur dann zuerkannt werden, wenn die Mutter nachweislich keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind fand, sondern immer, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden könne. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vater eines nichtehelichen Kindes solle zur Angleichung der Entwicklungschancen von nichtehelichen und ehelichen Kindern mehr in die Verantwortung genommen werden, damit das Kind durch seine Mutter betreut werden könne und so die Voraussetzungen für seine Entwicklung verbessert würden. Mit der Verlängerung der Anspruchsdauer auf drei Jahre solle eine Vollbetreuung des Kindes

BVerfGE 118, 45 (49):

durch seine Mutter bis zum Kindergartenalter ermöglicht werden (vgl. BTDrucks 13/1850, S. 24).
c) Das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) hat zu einer nochmaligen Änderung von § 1615 l BGB geführt. Zwar ist die Begrenzung der Anspruchsdauer auf drei Jahre grundsätzlich beibehalten, jedoch um die Möglichkeit erweitert worden, darüber hinaus Unterhalt zuzuerkennen, sofern es insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist zu versagen. Begründet wurde die Verlängerungsmöglichkeit mit Härten, die bei einer starren Befristung in Ausnahmefällen entstehen könnten und vermieden werden sollten. Zu denken sei etwa daran, dass das Kind behindert und deshalb auf eine intensivere Betreuung durch die Mutter angewiesen sei, sodass es der Billigkeit entspreche, den Vater auch über den Zeitraum von drei Jahren hinaus für den Unterhalt der Mutter aufkommen zu lassen (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 89). Zudem ist nunmehr auch dem Vater, der sein nichteheliches Kind betreut, der Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen die Mutter eingeräumt worden.
Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat kritisiert, mit der Regelung blieben die Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern in unterhaltsrechtlicher Hinsicht ohne überzeugenden Grund weiter aufrechterhalten. Auch die nacheheliche Solidarität sei für die Differenzierung kein geeignetes Kriterium. Nichteheliche Kinder sollten in Bezug auf die Betreuungsmöglichkeiten mit ehelichen Kindern gleichgestellt werden. Der Bundesrat schlug vor, § 1570 BGB auf den Unterhaltsanspruch der nicht mit dem Vater ihres Kindes verheirateten Mutter entsprechend anzuwenden, es sei denn, eine solche Ausweitung des Anspruchs wäre aus schwerwiegenden Gründen grob unbillig (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 149). Dem war die Bundesregierung mit dem Argument entgegengetreten, der Vorschlag berücksichtige zu wenig, dass der Anspruch keiner des Kindes, sondern der seines betreuenden Elternteils sei. In Verwirklichung des Verfassungsauftrags aus Art.  6 Abs.  5 GG spreche für die zeitliche Begrenzung

BVerfGE 118, 45 (50):

des betreuungsbedingten Unterhaltsanspruchs, dass die Betreuung des Kindes nach Vollendung seines dritten Lebensjahres im Regelfall in anderer Weise gewährleistet sei. Besondere Situationen könnten jedoch eine Verlängerung des Anspruchs erfordern (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 167). Auch der Rechtsausschuss des Bundestages hatte die unveränderte Übernahme der Regelung des Regierungsentwurfs empfohlen. Es komme beim Anspruch der Mutter gegen den Vater auf die rechtliche Qualität der Elternbeziehung an. Dies rechtfertige es, den Anspruch der geschiedenen Ehefrau unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität stärker auszugestalten als den der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter (vgl. BTDrucks 13/8511, S. 71).
§ 1615 l BGB in der dann verabschiedeten, am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen und inzwischen aktualisierten Fassung lautet in den hier maßgeblichen Absätzen:
    § 1615 l
    Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt
    (1) . . .
    (2) Soweit die Mutter einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt; sie endet drei Jahre nach der Geburt, sofern es nicht insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen.
    (3) . . .
    (4) Wenn der Vater das Kind betreut, steht ihm der Anspruch nach Absatz 2 Satz 2 gegen die Mutter zu. . . .
d) Mittlerweile hat sich in der Rechtsprechung zu der Frage, wann eine grobe Unbilligkeit im Sinne von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB vorliegt, eine Kasuistik herausgebildet, die zwischen "kindbezogenen" und "elternbezogenen" Gründen unterscheidet (vgl.

BVerfGE 118, 45 (51):

OLG Frankfurt, Urteil vom 13. Oktober 1999 -- 2 UF 335/98 --, FamRZ 2000, S. 1522 [1523]; OLG Celle, Urteil vom 21. November 2001 -- 21 UF 96/01 --, FamRZ 2002, S. 636; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. September 2003 -- 2 UF 6/03 --, NJW 2004, S. 523 [524]; OLG Hamm, Urteil vom 4. November 2004 -- 3 UF 555/01 --, NJW 2005, S. 297 [298]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. Mai 2005 -- II-2 UF 125/04 --, FamRZ 2005, S. 1772). Allerdings finden sich unter den veröffentlichten Entscheidungen nicht viele, in denen ein über das dritte Lebensjahr des Kindes hinausreichender Unterhaltsanspruch zuerkannt worden ist. Bei Annahme einer groben Unbilligkeit ist der Anspruch -- soweit ersichtlich -- zumeist nicht länger als bis zum sechsten beziehungsweise siebten Lebensjahr gewährt worden.
e) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB wird in der Literatur kontrovers diskutiert. So wird die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Ausgestaltung des Betreuungsunterhalts verstoße insbesondere gegen Art.  6 Abs.  5 GG. Es gebe keinen überzeugenden Grund, bei einem nichtehelichen Kind davon auszugehen, es gereiche ihm nicht zum Schaden, wenn es wegen Erwerbstätigkeit der Mutter auf ihre jederzeitige Aufmerksamkeit verzichten müsse, während bei ehelichen Kindern angenommen werde, es schade ihrer Entwicklung, wenn sie nicht bis zum Alter von mindestens acht Jahren von einem Elternteil persönlich betreut würden (vgl. Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., 2004, Teil IV, Rn. 1412; Peschel-Gutzeit/Jenckel, FuR 1996, S. 129; Puls, FamRZ 1998, S. 865; Müller, DAVorm 2000, S. 830; Seidel, Der Anspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes gegen den Kindesvater auf Betreuungsunterhalt im Lichte des Verfassungsrechts, 1999, S. 89 ff.). Demgegenüber wird argumentiert, die Differenzierung beim Betreuungsunterhalt rechtfertige sich daraus, dass es beim Scheitern einer Ehe eine nacheheliche Solidarität gebe, welche die längere Verpflichtung zur Unterhaltszahlung begründe, während eine rechtliche Bindung zwischen nichtverheirateten Partnern, die Kinder bekämen, nicht bestehe. Eine Gleichstellung sei deshalb verfassungsrechtlich nicht geboten. Mit einer nicht zu engen ver

BVerfGE 118, 45 (52):

fassungskonformen Auslegung der Billigkeitsklausel in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB könnten für den Einzelfall verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse durch Annäherung der Dauer des Unterhaltsanspruchs an den in § 1570 BGB geregelten Anspruch vermieden werden (vgl. Wichmann, FuR 1996, S. 161; Derleder, DEu-FamR 1999, S. 84; Büttner, FamRZ 2000, S. 781; Wever/Schilling, FamRZ 2002, S. 581; Hahne, FF 2006, S. 24).
f) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 5. Juli 2006 -- XII ZR 11/04 -- (FamRZ 2006, S. 1362) § 1615 l BGB für verfassungsgemäß gehalten. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines Kindes nach geschiedener Ehe gemäß § 1570 BGB und des Anspruchs nach § 1615 l Abs.  2 Satz 2 BGB entspreche den unterschiedlichen Sachverhalten, die den Regelungen zugrunde lägen. Der Anspruch aus § 1570 BGB finde seine Rechtfertigung auch in den durch Art.  6 Abs.  1 GG geschützten Folgewirkungen der Ehe, zu denen die Unterhaltsregelung gehöre. Zwar sei den Unterhaltstatbeständen des § 1570 BGB und des § 1615 l Abs.  2 BGB gemeinsam, dass der Elternteil, bei dem sich das gemeinsame Kind befinde, von einer Erwerbstätigkeit freigestellt werden solle, und zwar solange und soweit das Kind der Pflege und Erziehung bedürfe. Insofern diene auch der Unterhaltsanspruch des bedürftigen Ehegatten zunächst dazu, die Wahrnehmung seiner Elternverantwortung zu sichern. Der entscheidende Unterschied liege aber darin, dass dem geschiedenen Ehegatten wegen der nachehelichen Solidarität, die aus der Ehe herrühre, Unterhalt auch um seiner selbst willen gewährt werde, was auf die Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften nicht entsprechend übertragbar sei. § 1615 l Abs.  2 BGB erfasse eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte. Der Unterhaltsanspruch könne schon bei einer Beziehung der Eltern ausgelöst werden, die sich auf die Zeugung des Kindes beschränkt habe, er bestehe aber auch in Fällen, in denen die Eltern ohne zu heiraten längere Zeit zusammengelebt und sogar mehrere Kinder gezeugt hätten. Schon dies zeige, dass eine Differenzierung geboten sei, was einer vollständigen Gleichbehandlung dieses Unterhaltsanspruchs mit Ansprüchen aus § 1570 BGB entgegenstehe. Es sei

BVerfGE 118, 45 (53):

deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber -- anders als beim nachehelichen Unterhalt -- in § 1615 l Abs.  2 BGB eine kurze, aber mit staatlichen Hilfen zeitlich abgestimmte Mindestdauer festgelegt habe, die unter Berücksichtigung des Einzelfalls verlängert werden könne. Für die Auslegung dieser Norm sei nicht unerheblich, ob das gemeinsame Kind aus einer eheähnlichen Gemeinschaft hervorgegangen sei. Fühlten sich die Partner einer solchen Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur eigenen Bedürfnisbefriedigung verwendeten, sei ihre Lage mit derjenigen von Ehegatten vergleichbar. Auch elternbezogene Gründe könnten somit Einfluss auf die Dauer des Unterhaltsanspruchs nehmen.
Das Elternrecht des Art.  6 Abs.  2 GG schütze die Möglichkeit des erziehungsberechtigten Elternteils, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen, ohne daran durch eine eigene Erwerbstätigkeit gehindert zu sein. Soweit eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil zwingend notwendig sei, sei es deshalb geboten, die die Betreuung sicherstellenden Unterhaltsansprüche gleich auszugestalten. Gerade während der ersten drei Lebensjahre, in denen die Eltern noch nicht zuverlässig auf staatliche Hilfen in Form von Kinderkrippen zurückgreifen könnten, sei ein Kind, egal ob ehelich oder nichtehelich geboren, auf eine persönliche Betreuung angewiesen. Dem trage § 1615 l Abs.  2 BGB Rechnung. Danach stehe dem Kind ein gesetzlich garantierter Kindergartenplatz zu. Soweit jedoch staatliche Hilfen nicht in Anspruch genommen werden könnten, sei es verfassungsrechtlich geboten, einem Elternteil die persönliche Erziehung zu ermöglichen. Dies sei im Rahmen der Auslegung von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB zu berücksichtigen.
Auch Art.  3 Abs.  1 GG gebiete keine Gleichbehandlung der Unterhaltsansprüche, denn der Anspruch eines geschiedenen Ehegatten wegen Betreuung eines Kindes stütze sich, anders als der Anspruch nach § 1615 l Abs.  2 BGB, neben den kindbezogenen Gründen zugleich auf die Folgewirkungen der geschiedenen Ehe. Zwar verpflichte Art.  6 Abs.  5 GG den Gesetzgeber, nicht in einer

BVerfGE 118, 45 (54):

Ehe geborenen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche wie seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Die von dieser Grundrechtsnorm geschützten Belange des Kindeswohls berührten den Anspruch aus § 1615 l Abs.  2 BGB jedoch nur insoweit, als der Unterhalt dem betreuenden Elternteil die Pflege und Erziehung des Kindes ermöglichen solle, ohne daran durch Erwerbstätigkeit gehindert zu sein. Nur in diesem Umfang sei die Norm vom Schutzzweck des Art.  6 Abs.  5 GG erfasst, wobei die Wechselwirkung insbesondere zu Art.  6 Abs.  1 GG zu beachten sei. Da der Anspruch aus § 1615 l Abs.  2 BGB nicht den Unterhalt des nichtehelichen Kindes, sondern des betreuenden Elternteils betreffe, erfordere Art.  6 Abs.  5 GG eine Gleichbehandlung lediglich insoweit, als sich der Unterhalt des Elternteils unmittelbar auf die Entwicklung des Kindes und seine gesellschaftliche Stellung auswirke. Der Rechtsbegriff der groben Unbilligkeit, an den die Möglichkeit der Verlängerung des Unterhaltsanspruchs anknüpft, sei deswegen weit auszulegen, wenn die Umstände des Einzelfalls trotz staatlicher Hilfe keine Gewähr dafür böten, dass die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes gewährleistet sei. § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB lasse eine verfassungsgemäße Auslegung unter Berücksichtigung kindbezogener wie elternbezogener Gründe zu. Da die kindbezogenen Gründe besonderes Gewicht entfalteten, komme eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs schon dann in Betracht, wenn der Aufschub der Erwerbstätigkeit der Mutter aus objektiver Sicht wegen der besonderen Bedürfnisse des Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich erscheine oder das Kind besonders betreuungsbedürftig sei. Elternbezogene Gründe könnten hingegen vorliegen, wenn der Unterhaltspflichtige gegenüber dem Berechtigten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, beispielsweise weil die Eltern das Kind in der Erwartung eines dauernden gemeinsamen Zusammenlebens gezeugt hätten.


BVerfGE 118, 45 (55):

II.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Mutter eines im April 1997 geborenen, von ihr betreuten Kindes, dessen Vater nicht mit ihr verheiratet war und ist. Er wurde 1998 verurteilt, an die Klägerin bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes Unterhalt nach § 1615 l Abs.  2 BGB in Höhe von monatlich 1.230 DM zu zahlen, und ist der Beklagte des Ausgangsverfahrens. Im Mai 2001 gebar die Klägerin von einem anderen Mann ein weiteres nichteheliches Kind. Der Vater dieses Kindes wurde gerichtlich für den Zeitraum von Februar 2002 bis Mai 2004 zur Zahlung von Betreuungsunterhalt an die Klägerin in Höhe von monatlich 211 &euro verpflichtet. Die Klägerin hat außerdem zwei weitere Kinder aus geschiedener Ehe, von denen eines bei der Klägerin lebt.
1. Im Jahre 2002 beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Beklagten, gerichtet auf Zahlung von Betreuungsunterhalt ab Februar 2002 in Höhe von monatlich 451 &euro, wobei sie bei der Berechnung der Unterhaltshöhe die Unterhaltsleistung des Vaters ihres 2001 geborenen Kindes in Abzug brachte. Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht lehnten den Antrag mangels Erfolgsaussichten ab. Der Anspruch nach § 1615 l Abs.  2 BGB sei grundsätzlich auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes beschränkt. Diese Befristung sei nicht verfassungswidrig. Umstände, die die zeitliche Begrenzung grob unbillig erscheinen ließen, habe die Klägerin nicht vorgetragen.
Mit Beschluss vom 4. Februar 2004 (BVerfGK 2, 275) hob das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Amtsgerichts und Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache an das Amtsgericht zurück. Die Verfassungsmäßigkeit des § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB sei keine einfache oder eindeutig zu entscheidende Frage, die im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden könne. Der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB wie nach § 1615 l Abs.  2 BGB diene dazu, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund erscheine die Verfassungsmäßigkeit der unterschied

BVerfGE 118, 45 (56):

lichen Ausgestaltung des Betreuungsunterhalts im Hinblick auf das aus Art.  6 Abs.  5 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern jedenfalls fraglich. Durch die Entscheidung dieser Frage im Prozesskostenhilfeverfahren werde der Klägerin die Möglichkeit genommen, im Hauptsacheverfahren den eigenen Standpunkt hierzu vertieft darzustellen und nach Erschöpfung des Rechtswegs gegebenenfalls durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde mittelbar die verfassungsrechtliche Überprüfung des § 1615 l Abs.  2 BGB zu erreichen.
2. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wies das Amtsgericht die Klage ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob und inwieweit hinsichtlich des Betreuungsunterhalts der Klägerin neben dem Beklagten eine Teilschuldnerschaft ihres geschiedenen Ehemannes oder des Vaters ihres anderen nichtehelichen Kindes bestehe, denn § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB, der den Betreuungsunterhalt drei Jahre nach der Geburt des Kindes enden lasse, sei verfassungsgemäß. Die Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die darauf hindeuteten, dass die Versagung des Unterhalts nach Ablauf der drei Jahre grob unbillig sei. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein, die sie mit der Verfassungswidrigkeit der zeitlichen Befristung in § 1615 l Abs.  2 BGB begründete.
III.
Mit Beschluss vom 16. August 2004 hat das Oberlandesgericht das Verfahren ausgesetzt und die Frage, ob § 1615 l Abs.  2 Satz 3 2. Halbsatz BGB mit Art.  6 Abs.  5 des Grundgesetzes unvereinbar sei, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
1. Für die Entscheidung komme es auf die Gültigkeit der Norm an. Sei sie verfassungsgemäß, sei die Berufung zurückzuweisen. Gründe für eine grobe Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift seien nicht vorgetragen. Sei die Bestimmung hingegen verfassungswidrig, müsse bei der Frage, inwieweit von der Klägerin eine Erwerbstätigkeit erwartet werden könne, derselbe Maßstab wie bei § 1570 BGB angewendet werden. Dies würde angesichts des Alters ihres 1997 geborenen Kindes einen fortdauernden Unterhaltsanspruch begründen. Zwar wäre für diesen Fall noch zu klä

BVerfGE 118, 45 (57):

ren, in welcher Höhe dieser Anspruch unter Berücksichtigung einer etwaigen anteiligen Haftung des geschiedenen Ehemannes und des Vaters ihres anderen nichtehelichen Kindes bestehe. In jedem Fall wäre jedoch vom Beklagten ein Anteil am Unterhalt zu übernehmen.
2. Nach Art.  6 Abs.  5 GG seien nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre geistige und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Grund für den Anspruch aus § 1570 BGB sei, einem Elternteil den Unterhalt zu sichern, um ihm die persönliche Betreuung des Kindes zu ermöglichen, die der Gesetzgeber und mit ihm die obergerichtliche Rechtsprechung noch immer als die bestmögliche Betreuungsform im Interesse des Kindes ansehe und deshalb einen Unterhaltsanspruch in der Regel bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes gewähre. Demgegenüber sei der Unterhaltsanspruch für die persönliche Betreuung eines nichtehelichen Kindes durch § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB auf drei Jahre nach der Geburt befristet, sofern es nicht grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch zu versagen, wobei hierfür die Darlegungs- und Beweislast beim Unterhaltsberechtigten liege. Damit werde einem nichtehelichen Kind im Gegensatz zu einem ehelichen Kind in der Regel ab einem Alter von drei Jahren eine Fremdbetreuung zugemutet, da der betreuende Elternteil wegen Wegfalls seines Unterhaltsanspruchs darauf angewiesen sei, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Frage, bis wann eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil für die gesunde Entwicklung eines Kindes am förderlichsten sei, könne jedoch schon aus wissenschaftlicher Sicht, erst recht aber im Lichte von Art.  6 Abs.  5 GG nur einheitlich beantwortet werden.
Diese Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder könne auch nicht mit der die Ehe überdauernden ehelichen Solidarität gerechtfertigt werden, die beim Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs.  2 BGB fehle. Ebenso wie diese Norm diene auch § 1570 BGB dazu, die Betreuung des Kindes durch einen Elternteil zu ermöglichen. Aus Sicht des Kindes spiele es aber für die Frage, bis wann ein Elternteil es persönlich betreuen könnte, kei

BVerfGE 118, 45 (58):

ne Rolle, ob seine Eltern miteinander verheiratet gewesen seien oder nicht. Die Ungleichbehandlung verstoße deshalb gegen Art.  6 Abs.  5 GG.
3. Auch durch eine verfassungskonforme Auslegung könne § 1615 l Abs.  2 BGB mit dieser Verfassungsnorm nicht in Einklang gebracht werden. Dies wäre nur möglich, wenn eine grobe Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift immer dann und so lange angenommen würde, wie einem betreuenden Elternteil eines ehelichen Kindes Unterhalt gewährt werde, denn nur dann sei die gebotene Gleichbehandlung gewährleistet. Eine solch weitgehende Konsequenz zögen jedoch auch die Befürworter einer verfassungskonformen Auslegung von § 1615 l Abs.  2 BGB nicht. Sie sprengte auch den Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung, da sie entgegen dem eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers das in § 1615 l Abs.  2 BGB angelegte Regel-/Ausnahmeverhältnis in sein Gegenteil verkehren würde.
IV.
Zu der Vorlage haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, das Bayerische Staatsministerium der Justiz, der Bundesgerichtshof, die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter sowie der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht Stellung genommen.
1. Das Bundesministerium der Justiz ist der Auffassung, § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB verstoße nicht gegen die in Art.  3 und Art.  6 Abs.  5 GG verankerten Gleichheitsrechte. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Betreuungsunterhaltsanspruchs einerseits eines geschiedenen und andererseits eines nichtverheirateten Elternteils sei gerechtfertigt, da es sich nicht um Ansprüche des Kindes handele. Somit sei nicht allein das Kindeswohl Beurteilungsmaßstab, sondern auch die jeweilige Situation der Eltern, die sich in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht bei verheirateten und nichtverheirateten Eltern erheblich unterscheide. Ehegatten seien auch im Falle des Scheiterns ihrer Ehe zu nachehelicher Solidarität unter Einschluss von Unterhaltsleistungen verpflichtet, während nicht

BVerfGE 118, 45 (59):

verheiratete Eltern keine Bindungen eingegangen seien, die über die Beendigung ihrer Beziehung fortbestünden und wechselseitige Rechte wie Pflichten mit sich brächten. Zudem gebe es bei nichtverheirateten Eltern kein klares Leitbild, die Bandbreite der Lebensentwürfe reiche von der flüchtigen Affäre bis zur langdauernden Partnerschaft.
Die regelmäßige Begrenzung des Anspruchs in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes sei angemessen und führe nicht zu verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Folgen für das nichteheliche Kind. Sie knüpfe an zahlreiche sozialstaatliche Regelungen und Leistungen wie den Anspruch auf einen Kindergartenplatz oder die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit für einen kinderbetreuenden Hilfebedürftigen an. Ab dem dritten Lebensjahr sei eine Fremdbetreuung von Kindern tatsächlich möglich und im Allgemeinen auch gewährleistet. So besuchten im Jahre 2000 in Deutschland 56 Prozent der dreijährigen Kinder Betreuungseinrichtungen, allerdings sei der Versorgungsgrad regional sehr unterschiedlich. Es bestünden keine Bedenken, dass sich eine frühzeitige Fremdbetreuung zum Nachteil des Kindes auswirken könnte. Im Gegenteil belegten neuere Untersuchungen, dass eine frühzeitige Tagesbetreuung, Bildung und Erziehung Kindern bessere Start- und Zukunftschancen verschafften. Die Durchbrechung des Dreijahreszeitraums eröffne den Gerichten die Möglichkeit, zu einer dem Einzelfall gerecht werdenden Lösung zu kommen. Im Übrigen wird auf andere Länder verwiesen, in deren Vergleich die deutsche Regelung des Betreuungsunterhalts einer unverheirateten Mutter sehr fortschrittlich sei.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz meint, die unterschiedliche Ausgestaltung von § 1570 BGB und § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB sei grundsätzlich gerechtfertigt und mit der Verfassung vereinbar. Maßgeblich hierfür seien die nacheheliche Solidarität und das Fortwirken der Aufgaben- und Rollenverteilung, die einvernehmlich während der Ehe gewählt worden seien, die es bei nichtverheirateten Partnern nicht gebe.
3. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Stellungnahme die Ansicht vertreten, § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB sei bei verfassungskon

BVerfGE 118, 45 (60):

former Auslegung verfassungsmäßig. Seine Ausführungen hierzu decken sich inhaltlich mit den Gründen seiner dann am 5. Juli 2006 getroffenen Entscheidung.
4. Die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht hat sich in ihrer Stellungnahme den Ausführungen des Bundesgerichtshofs angeschlossen.
5. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter vertritt die Ansicht, § 1615 l BGB verstoße nicht gegen Art.  6 Abs.  5 GG. Die Grundrechtsnorm fordere die Herstellung und Sicherung der Chancengleichheit von Kindern. Unzweifelhaft habe jedes Kind unabhängig davon, in welcher Familienform es aufwachse, einen Anspruch auf Betreuung und Versorgung. Chancengleichheit sei dann gegeben, wenn zur elterlichen Betreuung ein gleichwertiges Betreuungsangebot zur Verfügung stehe. Kinder hätten ab dem dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Der Besuch einer Kindertagesstätte gehöre zum normalen und wünschenswerten Bildungsweg eines Kindes. Es müsse alles Notwendige getan werden, um diesen Vorgaben des Grundgesetzes und dem Rechtsanspruch des Kindes Genüge zu tun.
Mit einer Ausweitung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt für nicht miteinander verheiratete Mütter und Väter könne der Gleichheitsgrundsatz des Art.  6 Abs.  5 GG nicht adäquat umgesetzt werden. Dafür sei eine Bündelung von politischen Maßnahmen notwendig, die die Bildung, die Existenzsicherung von Kindern sowie die Abschaffung steuerlicher Nachteile für Alleinerziehende umfassten. Auch seien die gesellschaftspolitischen Auswirkungen einer Ausweitung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt zu bedenken. Damit werde ein überholtes Rollenverständnis unterstützt, das weder auf hinreichende Akzeptanz treffe noch der Realität entspreche. Zudem sei auf die ökonomischen Auswirkungen hinzuweisen, die mit einer längeren Erwerbspause für Frauen verbunden seien, die danach Schwierigkeiten hätten, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen.
6. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht ist der Auffassung, die Rechtsprechung stelle beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zu geringe Anforderungen an die Erwerbsoblie

BVerfGE 118, 45 (61):

genheit eines betreuenden Elternteils. Sie entspreche heutzutage nicht mehr dem tatsächlichen Erziehungsverhalten von betreuenden Eltern. Die früher dominierende Hausfrauenehe sei mittlerweile der Doppelverdienerehe mit zeitweiligem Aussetzen der Berufstätigkeit wegen der Kinderbetreuung gewichen. Gesetzt werde auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Rechtsprechung habe auch die § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB zugrunde liegende Wertung des Gesetzgebers nicht übernommen, dass ein Kind ab dem dritten Lebensjahr keiner ganztägigen persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedürfe. Insofern berücksichtige sie beim Umfang der Erwerbsobliegenheit nach § 1570 BGB nicht allein das Kindeswohl, sondern stelle wesentlich auf den Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität ab.
§ 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB sei nicht verfassungswidrig. Der Verfassung sei nicht zu entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang eine persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil zu gewährleisten sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber das Maß der Betreuungsnotwendigkeit zu bestimmen, der davon ausgehe, das Kind bedürfe nur bis zum dritten Lebensjahr einer solchen Betreuung, danach könne regelmäßig eine institutionelle oder private Betreuungsmöglichkeit in Anspruch genommen werden. Diese Annahme sei nicht nur vertretbar, sondern werde durch die Realität und den aktuellen Forschungsstand bestätigt. Kinder besuchten ab dem dritten Lebensjahr regelmäßig den Kindergarten, was auch den kindlichen Bedürfnissen entspreche. Verheiratete wie alleinerziehende Mütter gingen ab dieser Zeit neben der Kinderbetreuung einer Beschäftigung nach. Eine im Einzelfall erforderliche, über den Dreijahreszeitraum hinausgehende persönliche Betreuung eines Kindes könne durch eine verfassungskonforme Auslegung der Billigkeitsklausel in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB sichergestellt werden. Die zeitlich weiterreichenden Ansprüche aus § 1570 BGB führten zu keiner Benachteiligung nichtehelicher Kinder, denn es entspreche dem Kindeswohl, wenn Kinder zur Vermittlung von Kontaktfähigkeit, Sozialverhalten und Bildung öffentliche Einrichtungen besuchten.
 


BVerfGE 118, 45 (62):

B.
Die unterschiedliche Regelung der Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung von Kindern in § 1570 BGB einerseits und in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB andererseits ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie verstößt gegen das in Art.  6 Abs.  5 GG an den Gesetzgeber gerichtete Gebot, nichtehelichen Kindern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern.
I.
1. Art.  6 Abs.  5 GG enthält einen Verfassungsauftrag, der die Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Kinder ungeachtet ihres Familienstandes zum Ziel hat und den Gesetzgeber verpflichtet, nichtehelichen Kindern durch positive Regelungen die gleichen Bedingungen für ihre körperliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dabei darf sich der Gesetzgeber grundsätzlich nicht mit einer bloßen Annäherung der Stellung des nichtehelichen Kindes an die des ehelichen Kindes zufrieden geben (vgl. BVerfGE 85, 80 [88]). Ein Kind darf wegen seiner nichtehelichen Geburt nicht benachteiligt werden (vgl. BVerfGE 25, 167 [190]). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art.  6 Abs.  5 GG verboten (vgl. BVerfGE 88, 87 [96]). Eine differenzierende Regelung für nichteheliche Kinder ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn sie aufgrund der unterschiedlichen tatsächlichen Lebenssituation zwingend erforderlich ist, um das Ziel der Gleichstellung von nichtehelichen Kindern mit ehelichen Kindern zu erreichen. Fehlt es an solchen zwingenden tatsächlichen Gründen für die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, lässt sich diese nur durch kollidierendes Verfassungsrecht rechtfertigen, das mit Art.  6 Abs.  5 GG abzuwägen ist (vgl. BVerfGE 84, 168 [185] sowie zu Art.  3 Abs.  3 GG BVerfGE 85, 191 [209]; 92, 91 [109]).
2. Diesem in Art.  6 Abs.  5 GG enthaltenen Verbot einer Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern hat der Gesetzgeber zuwidergehandelt, indem er die Dauer des

BVerfGE 118, 45 (63):

Unterhalts, den ein Elternteil, der ein Kind betreut, vom anderen Elternteil beanspruchen kann, in § 1570 BGB für den geschiedenen Ehegatten und in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB für den Elternteil eines nichtehelichen Kindes unterschiedlich bemessen hat.
a) § 1570 BGB und § 1615 l BGB begründen allerdings Unterhaltsansprüche, die nicht dem Kind selbst, sondern dem das Kind betreuenden Elternteil zustehen. Gleichwohl betrifft die Frage, wie lange dieser Unterhalt dem Betreuenden zu leisten ist, die Lebens- und Betreuungssituation des Kindes und wirkt auf diese ein. Der Betreuungsunterhalt wird aus Gründen des Kindeswohls gewährt. Er ermöglicht dem Elternteil, sich persönlich dem Kind zuwenden zu können, soweit das Kind der Pflege oder Erziehung bedarf und deshalb vom Betreuenden nicht erwartet werden kann, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgeht, wie es in beiden Vorschriften insoweit gleichlautend formuliert ist. Der Unterhalt ist damit am Kind und seinem Bedarf an persönlicher Betreuung ausgerichtet und prägt die Umstände, unter denen es aufwächst (vgl. BVerfGE 103, 89 [110]). Die Dauer der Unterhaltsleistung an den Elternteil bestimmt darüber, wie lange das Kind persönlich von diesem betreut werden kann. Wird von der betreuenden Mutter oder dem betreuenden Vater wie in § 1615 l BGB erwartet, dass sie nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen, und kommt deshalb der Unterhaltsanspruch zum Wegfall, sind sie ab diesem Zeitpunkt in der Regel gezwungen, zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Dies hat zur Folge, dass sie das Kind jedenfalls zeitweise in fremde Obhut geben müssen und ihm nur noch in eingeschränkter Zeit zur Verfügung stehen. Ist demgegenüber der Unterhalt der Mutter oder des Vaters durch Unterhaltszahlungen abgesichert, die sich wie in § 1570 BGB nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in ihrer Dauer an den Betreuungsbelangen des Kindes orientieren und insoweit nach der Rechtsprechung weit über das dritte Lebensjahr eines Kindes hinausreichen, kann das Kind erheblich länger die persönliche elterliche Betreuung erfahren. Die Lebensbedingungen der betroffenen Kinder werden deshalb durch die Unterhaltsregelungen maßgeblich beeinflusst.


BVerfGE 118, 45 (64):

b) Die unterschiedliche Bemessung des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB und § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB, die zu unterschiedlichen Betreuungssituationen von ehelichen und nichtehelichen Kindern führt, ist unmittelbare Folge der gesetzlichen Regelung; sie ergibt sich nicht allein aus der Interpretation der Normen durch die Rechtsprechung.
Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 1570 BGB ausdrücklich davon abgesehen, den Betreuungsunterhalt zeitlich zu begrenzen oder auch nur der Rechtsprechung Auslegungshilfen hinsichtlich der Dauer des Anspruchs an die Hand zu geben, weil er dies bei der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte für verfehlt gehalten hat (vgl. BTDrucks 7/650, S. 122 f.). Vielmehr hat er durch den Gebrauch des unbestimmten Rechtsbegriffs "solange" und dessen Bezugnahme auf den Anspruchsgrund -- wegen der Pflege und Erziehung des Kindes -- die Dauer des Anspruchs an die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes gebunden und der Rechtsprechung damit bewusst die Möglichkeit eröffnet, auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen und für den Regelfall Maßstäbe zu entwickeln, die den Betreuungsbedarf eines Kindes nach dessen Altersphasen bestimmen. Damit werden zugleich die Erwerbsobliegenheit des Elternteils konkretisiert und anhand dessen die Dauer des Unterhalts bestimmt. Die Leitlinien der Oberlandesgerichte geben Altersstufen vor, nach denen bis zu einem Alter des Kindes von acht bis zehn Jahren eine persönliche Vollzeitbetreuung des Kindes für notwendig erachtet und deshalb von keiner Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ausgegangen wird. Bis dahin ist deshalb der Betreuungsunterhalt in voller Höhe zu zahlen. Danach wird nur eine teilweise Erwerbstätigkeit erwartet, deren Einkünfte auf den Unterhalt anzurechnen sind. Erst im Alter des Kindes von sechzehn Jahren kommt die Erwerbsobliegenheit voll zum Tragen und der Anspruch auf Betreuungsunterhalt erlischt in der Regel. Diese Konkretisierungen durch die Rechtsprechung in Form eines Altersphasenmodells beruhen auf der Offenheit der Norm und sind vom Gesetzgeber auch nicht durch Präzisierung der Norm korrigiert worden. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in Ansehung dieser Auslegung von § 1570

BVerfGE 118, 45 (65):

BGB durch die Rechtsprechung den Unterhalt wegen der Betreuung eines nichtehelichen Kindes in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB generell auf drei Jahre begrenzt und eine Verlängerung des Anspruchs darüber hinaus nur im Ausnahmefall zugelassen, nämlich nur dann, wenn eine Versagung nach Ablauf dieser Frist insbesondere unter Berücksichtigung der Kindesbelange grob unbillig wäre. Diese Befristung hat er für angemessen erachtet, weil durch sie eine Vollbetreuung des Kindes durch einen Elternteil bis zum Kindergartenalter sichergestellt sei und danach eine Fremdbetreuungsmöglichkeit bestehe, die dem Kind nicht schade, sondern es im Gegenteil fördere. Er hat damit die Gewährung von Betreuungsunterhalt in unterschiedlicher Dauer für die Betreuung nichtehelicher und ehelicher Kinder ermöglicht und gebilligt.
c) Mit der ungleichen unterhaltsrechtlichen Absicherung der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil benachteiligt der Gesetzgeber nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern.
Dabei kann dahingestellt bleiben, wie lange es aus pädagogischer und psychologischer Sicht für ein Kind und seine körperliche wie seelische Entwicklung am förderlichsten ist, von einem Elternteil umfassend und stetig betreut zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber zu befinden, ob beziehungsweise von welchem Alter an davon auszugehen ist, dass ein Kind keinen Schaden nimmt, wenn es jedenfalls eine gewisse Zeit von anderen Personen als seinen Eltern betreut wird, oder ob es nicht sogar durch Fremdbetreuung zum Beispiel im Kindergarten und damit durch ein Zusammensein mit anderen Kindern zusätzliche Förderung erhält. Die Fachwissenschaften diskutieren diese Fragen nach wie vor kontrovers und geben darauf keine eindeutigen Antworten. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die persönliche Betreuung eines Kindes durch einen Elternteil, die dem Kind zugutekommt, durch Unterhaltsansprüche finanziell absichern will, wobei es in seiner Einschätzungsprärogative liegt, wie lange er es in Abwägung des Kindeswohls mit den Interessen der insoweit Berechtigten wie Verpflichteten für angemessen erachtet, einen solchen Unterhaltsanspruch einzuräumen. Hält er es aber für erforderlich und dem Kindeswohl dienlich, dem Kind die

BVerfGE 118, 45 (66):

Möglichkeit zu sichern, jedenfalls für eine bestimmte Zeit die volle Zuwendung eines Elternteils zu erfahren, und räumt er deswegen dem betreuenden Elternteil einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil ein, dann verbietet es Art.  6 Abs.  5 GG, mit zweierlei Maß zu messen und bei ehelichen Kindern eine erheblich längere persönliche Betreuung für angezeigt zu erachten als bei nichtehelichen Kindern. Denn wie viel ein Kind an persönlicher elterlicher Betreuung und Zuwendung bedarf, richtet sich nicht danach, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist.
Hält der Gesetzgeber es dagegen für unschädlich oder sogar der kindlichen Entwicklung dienlich, wenn Kinder ab ihrem dritten Lebensjahr den Kindergarten besuchen, und begrenzt er wie in § 1615 l BGB aus diesem Grund den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils, sodass dieser wieder selbst durch Erwerbstätigkeit für seinen Unterhalt sorgen muss, darf er diesen Gesichtspunkt ebenfalls nicht nur bei nichtehelichen Kindern zum Tragen kommen lassen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei seiner Einschätzung, wie lange ein Kind der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf, einen für nichteheliche wie eheliche Kinder gleichen Maßstab zu wählen und daran die Dauer der Unterhaltsansprüche zu bemessen.
Es stellt nichteheliche Kinder schlechter, wenn dem betreuenden Elternteil eines ehelichen Kindes auf der Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, sich diesem zumindest bis zu dessen achten Lebensjahr mithilfe eines solange eingeräumten Unterhaltsanspruchs in vollem Umfang persönlich widmen zu können, während der Gesetzgeber es für ausreichend erachtet, dass ein nichteheliches Kind eine solche persönliche Betreuung lediglich in den ersten drei Lebensjahren erhält, und deshalb den Unterhaltsanspruch seines betreuenden Elternteils im Regelfall auf diesen Zeitraum begrenzt. Damit nimmt der Gesetzgeber dem Elternteil eines nichtehelichen Kindes im Gegensatz zum Elternteil eines ehelichen Kindes ab diesem Zeitpunkt die finanzielle Grundlage für die Entscheidungsfreiheit, zwischen der Eigenbetreuung oder einer Fremdbetreuung des Kindes zu wählen, und bringt damit zwangsläufig das nichtehe

BVerfGE 118, 45 (67):

liche Kind in die Situation, früher als eheliche Kinder anderweitig betreut zu werden. Selbst wenn dies einem Kind im Allgemeinen nicht schadet, liegt eine Benachteiligung darin, dass das nichteheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind zurückgesetzt wird, weil ihm die Möglichkeit genommen wird, ebenso lange wie ein eheliches Kind im Mittelpunkt elterlicher Sorge zu stehen.
3. Die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche aus § 1570 BGB und § 1615 l Abs.  2 BGB, die eine Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern bewirkt, rechtfertigt sich weder durch unterschiedliche soziale Situationen, in denen sich die Kinder befinden, oder durch Unterschiede, die in den Beziehungen ihrer Eltern auszumachen sind, noch dadurch, dass bei geschiedenen Ehegatten im Gegensatz zu nicht miteinander verheirateten Eltern die eheliche Solidarität nachwirkt und Ansprüche begründen kann, die Nichtverheirateten nicht zustehen.
a) Die tatsächlichen Lebensbedingungen von ehelichen Kindern geschiedener Eltern und nichtehelichen Kindern unterscheiden sich prinzipiell nur unwesentlich. Sie leben entweder in einer familiären Situation, die der betreuende Elternteil nach Scheidung durch eine neue Partnerschaft geschaffen hat beziehungsweise die er in nichtehelicher Lebensgemeinschaft fortführt, oder sie wachsen allein bei dem betreuenden Elternteil auf. In beiden familiären Konstellationen ist der betreuende Elternteil auf die Sicherstellung seines Unterhalts angewiesen, wenn er das Kind, ob ehelich oder nichtehelich, persönlich betreuen und deshalb keiner Erwerbsarbeit nachgehen will. Mithin sind eheliche wie nichteheliche Kinder in gleicher Weise betroffen, wenn der betreuende Elternteil keinen Unterhalt gegenüber dem anderen Elternteil mehr beanspruchen kann und deshalb eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss. Sie müssen dann gleichermaßen auf persönliche Betreuung durch einen Elternteil verzichten, es sei denn, der geschiedene Ehegatte, der neue Partner oder der andere Elternteil sind bereit, ohne Rechtsgrund für den Unterhalt des betreuenden Elternteils aufzukommen.
b) Auch die im Gesetzgebungsverfahren angeführte große Bandbreite unterschiedlicher Lebensgestaltungen, die im Gegen

BVerfGE 118, 45 (68):

satz zu verheirateten Eltern bei nichtverheirateten Eltern anzutreffen sei, vermag die ungleiche Dauer der Unterhaltsansprüche kinderbetreuender Elternteile nicht zu rechtfertigen. Zwar ist richtig, dass die Varianz der elterlichen Beziehungen, aus denen ein nichteheliches Kind erwächst, von der flüchtigen Affäre bis hin zu einer dauerhaften Lebensgemeinschaft reicht, während die Ehe, in die Kinder geboren werden, stets auf Dauer angelegt ist, auch wenn sie später scheitern sollte. Auf diesen Unterschied kommt es jedoch hinsichtlich eines Unterhaltsanspruchs, der wegen der Pflege oder Erziehung eines Kindes gewährt wird, nicht an. Der Unterhaltspflichtige wird vom Gesetz nicht um des anderen Elternteils willen, sondern wegen des Kindes in Anspruch genommen, damit dieses persönlich von einem Elternteil betreut werden kann. Auch führt die Vielgestaltigkeit nichtehelicher Beziehungen nicht zu unterschiedlicher Elternverantwortung dem Kinde gegenüber. Jedem rechtlich ausgewiesenen Elternteil kommt das in Art.  6 Abs.  2 GG verankerte Elternrecht zu, welches ihm auch die umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes auferlegt, egal, ob das Kind ehelich oder nichtehelich geboren ist oder ob es einer flüchtigen oder festen Verbindung seiner Eltern entstammt. Diese Verantwortung umfasst auch die Sicherstellung einer dem Kindeswohl dienlichen Betreuung des Kindes durch Zahlung von Unterhalt an den betreuenden Elternteil. Art.  6 Abs.  5 GG verbietet hier eine Differenzierung nach der Art der elterlichen Beziehung (vgl. BVerfGE 84, 168 [185]), bezweckt er doch gerade die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern keine Verantwortung füreinander übernommen haben, mit solchen Kindern, deren Eltern in ehelicher Verbundenheit füreinander und für ihr Kind Sorge tragen.
c) Die nacheheliche Solidarität vermag nicht zu rechtfertigen, dass nach § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB dem Elternteil eines nichtehelichen Kindes nur bis zu dessen drittem Lebensjahr ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zusteht, während nach § 1570 BGB dem Elternteil eines ehelichen Kindes ein nach Altersphasen des Kindes bemessener, weit länger reichender Unterhaltsanspruch wegen der Kinderbetreuung zuerkannt wird.


BVerfGE 118, 45 (69):

aa) Art.  6 Abs.  1 GG begründet als wertentscheidende Grundsatznorm die Pflicht des Staates, die Ehe zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfGE 108, 351 [363]). Dieser Schutz kommt nicht nur der bestehenden Ehe zu, sondern erstreckt sich auch auf die Folgewirkungen einer geschiedenen Ehe (vgl. BVerfGE 53, 257 [296]) und wirkt auf die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen den geschiedenen Ehegatten fort (vgl. BVerfGE 66, 84 [94]). Nacheheliche Solidarität kommt insbesondere auch dort zum Tragen, wo ein geschiedener Ehegatte auf seine grundsätzliche wirtschaftliche Eigenverantwortung nach der Scheidung deshalb nicht verwiesen werden kann, weil er aufgrund der von ihm in der Ehe übernommenen Aufgaben nicht in der Lage ist, durch Wiedereingliederung in das Erwerbsleben seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern (vgl. BVerfGE 57, 361 [379]). Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass der geschiedene Ehegatte ein gemeinsames Kind betreut. Deshalb hat der Gesetzgeber neben der unterhaltsrechtlichen Absicherung geschiedener Ehegatten für den Fall, dass von ihnen wegen ihres Alters (§ 1571 BGB) oder wegen Krankheit (§ 1572 BGB) keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann oder sie keine angemessene Erwerbstätigkeit finden (§§ 1573, 1574 BGB), mit § 1570 BGB Sorge dafür getragen, dass ein geschiedener Ehegatte Unterhalt beanspruchen kann, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung des gemeinsamen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann.
bb) Dass der Unterhalt eines geschiedenen Ehegatten wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes vom Schutz des Art.  6 Abs.  1 GG umfasst ist und aus der nachehelichen Solidarität folgt, ist kein rechtfertigender Grund dafür, bei der am Alter der Kinder ausgerichteten Dauer des Unterhalts für die Betreuung von Kindern unterschiedliche Altersabstufungen für nichteheliche und eheliche Kinder vorzunehmen, die dazu führen, dass nichteheliche und eheliche Kinder unterschiedlich lange von einem Elternteil persönlich betreut werden können.
(1) Art.  6 Abs.  5 GG fordert, nichtehelichen Kindern gleiche Lebensbedingungen wie ehelichen Kindern zu schaffen. Damit untersagt die Verfassungsnorm zugleich eine Privilegierung eheli

BVerfGE 118, 45 (70):

cher Kinder, die mit dem Schutz der Ehe aus Art.  6 Abs.  1 GG begründet wird, weil dies dem Gleichstellungsgebot gerade zuwiderliefe.
Allerdings schließt dies nicht aus, wegen des Schutzes, den die eheliche Verbindung durch Art.  6 Abs.  1 GG erfährt, einen geschiedenen Elternteil unterhaltsrechtlich besserzustellen als einen unverheirateten Elternteil, was sich mittelbar auch auf die Lebenssituation der mit diesen Elternteilen zusammenlebenden Kindern auswirken kann (vgl. auch BVerfGE 117, 316 [328 f.]). So hat ein geschiedener Elternteil ungeachtet des Alters des von ihm betreuten Kindes einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil, wenn er eine angemessene Erwerbsarbeit nicht findet, während einem nichtverheirateten Elternteil für den Fall der Arbeitslosigkeit kein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil zur Seite steht. Dies kann zu unterschiedlichen sozialen Lagen auch der betroffenen Kinder führen. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, mit dem nachehelichen Ehegattenunterhalt dem geschiedenen Ehegatten Ansprüche einzuräumen, die mittelbar auch dem von ihm betreuten Kind zugutekommen, während nichteheliche Kinder von solchen Ansprüchen nicht profitieren können, weil ihre Eltern sich keinen solchen Unterhalt schulden. Dabei kann der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass aus der Aufgabenaufteilung, die die Ehegatten während der Ehe miteinander vereinbart und praktiziert haben, für einen der Ehegatten Schwierigkeiten erwachsen können, sich nach Scheidung wieder ins Erwerbsleben einzufinden, und dies zum Grund nehmen, dem hiervon betroffenen Ehegatten für einen bestimmten Zeitraum einen Unterhaltsanspruch zuzuerkennen.
Räumt der Gesetzgeber aber dem geschiedenen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch allein wegen der persönlichen Betreuung des gemeinsamen Kindes ein, dann verbietet es ihm Art.  6 Abs.  5 GG, die Dauer der für notwendig erachteten persönlichen Betreuung beim ehelichen Kind anders zu bemessen als bei einem nichtehelichen Kind. Denn wie lange einem Kind eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil zuteil werden sollte, bestimmt sich nicht nach der ehelichen Solidarität, sondern nach den Bedürfnis

BVerfGE 118, 45 (71):

sen von Kindern, die sich bei ehelichen und nichtehelichen Kindern grundsätzlich nicht unterscheiden.
(2) Es trifft nicht zu, dass der Anspruch aus § 1570 BGB nicht allein wegen der Kinderbetreuung eingeräumt worden ist, vielmehr darüber hinaus aufgrund der nachehelichen Solidarität den geschiedenen Ehegatten in die Lage versetzen soll, bei Übernahme der Kinderbetreuung für längere Zeit keiner Erwerbsobliegenheit ausgesetzt zu sein, um damit einen späteren und leichteren Übergang und Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zu finden. Die unterschiedliche Dauer des nach § 1570 BGB gewährten Unterhaltsanspruchs im Verhältnis zur Dauer des Anspruchs nach § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB lässt sich daher damit nicht rechtfertigen.
(a) Weder dem Wortlaut von § 1570 BGB noch seiner Entstehungsgeschichte ist eine solche, über die Kinderbetreuung hinausgehende Ausrichtung des darin enthaltenen Unterhaltsanspruchs zu entnehmen.
Der Normtext führt als einzigen Grund für die Unterhaltsgewährung die Pflege oder Erziehung eines gemeinsamen Kindes an. Auch die Frage der Anspruchsdauer ist allein auf diesen Grund bezogen. Durch die Überschrift der Vorschrift wird zudem hervorgehoben, dass der Unterhalt gerade wegen der Betreuung eines Kindes gewährt wird. Auch in der Gesetzesbegründung ist zwar die fortwirkende gemeinsame Verantwortung der Ehegatten füreinander als Grund dafür angeführt worden, trotz der Beendigung der wirtschaftlichen Beziehungen der Ehegatten durch die Scheidung einem geschiedenen Ehegatten dennoch in bestimmten Bedarfsfällen Unterhaltsansprüche gegen den anderen Ehegatten einzuräumen. Als solchen Bedarfsfall und damit Grund für die Abweichung von der generellen Selbstverantwortlichkeit der geschiedenen Ehegatten werden aber in § 1570 BGB ausschließlich die Kinderbetreuung benannt und die Dauer des Anspruchs allein davon abhängig gemacht, wie lange das Kind der Betreuung bedarf. Erstmals in den Gesetzesmaterialien zum Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) ist bei der dort vorgenommenen Änderung von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB

BVerfGE 118, 45 (72):

die Auffassung vertreten worden, der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB sei auch durch den zusätzlichen Schutzzweck der nachehelichen Solidarität begründet, was seine stärkere Ausgestaltung gegenüber § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB rechtfertige (vgl. BTDrucks 13/8511, S. 71).
(b) Auch unter Berücksichtigung dieser vom Gesetzgeber nachgeschobenen Begründung vermag der Hinweis auf die nacheheliche Solidarität die unterschiedliche Dauer der beiden Unterhaltsansprüche vor Art.  6 Abs.  5 GG nicht zu rechtfertigen. Denn es findet sich in der vom Gesetzgeber durch die Offenheit der Norm angelegten und von ihm akzeptierten jahrzehntelangen Auslegung und Anwendung von § 1570 BGB durch die Rechtsprechung kein Anhaltspunkt dafür, dass bei der zeitlichen Bemessung dieses Unterhaltsanspruchs zusätzlich über den Betreuungsbedarf des Kindes hinaus dem Umstand zeitlich Rechnung getragen wird, dass sich ein kinderbetreuender Ehegatte auf die gemeinsam verabredete Aufgabenteilung in der Ehe dauerhaft eingestellt hat und ihm deshalb eine längere Zeit eingeräumt werden soll, sich wieder ins Berufsleben einfinden zu können. Die ausschließlich am Kindesalter orientierte und nach ihm bemessene Dauer des Unterhaltsanspruchs aus § 1570 BGB spricht vielmehr gegen die Annahme und Berücksichtigung eines solchen weiteren, die Dauer des Anspruchs bestimmenden Grundes und bestätigt, dass die unterschiedliche Dauer dieses Anspruchs gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB auf einer unterschiedlichen Einschätzung des Betreuungsbedarfs von nichtehelichen und ehelichen Kindern beruht. Dies aber verbietet Art.  6 Abs.  5 GG.
(aa) Dabei ist schon zu fragen, ob § 1570 BGB für den Fall, er deckte auch einen über den Kinderbetreuungsbedarf hinausgehenden, der ehelichen Solidarität geschuldeten Unterhaltstatbestand mit ab, ausreichend klar zum Ausdruck brächte, woran sich dieser, über die Zeitspanne der Kinderbetreuung hinausgehende, dem möglichen Verbleib in der ausschließlichen Rolle des betreuenden Elternteils dienende Anspruch in seiner Dauer auszurichten hätte. Denn als Maßstab der Dauer nennt § 1570 BGB lediglich die Notwendigkeit der Kinderbetreuung. Verfolgt der Gesetzgeber

BVerfGE 118, 45 (73):

daneben aber mit dem Unterhaltsanspruch noch einen weiteren Zweck, hat er in der Regelung nicht nur diese Zwecksetzung deutlich zu machen, sondern auch, woran der Umfang dieses Teils des Unterhaltsanspruchs zu bemessen ist, wie dies der Gesetzgeber auch vorgeben müsste, wenn er für diesen Zweck einen eigenständigen Unterhaltsanspruch schaffen würde. Daran mangelt es bei § 1570 BGB.
(bb) Jedenfalls kann eine ausschließlich nach dem Alter der Kinder bemessene, gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB erheblich längere Dauer des Anspruchs aus § 1570 BGB nicht mit einem zusätzlichen Zweck, der aus der nachehelichen Solidarität herrührt, gerechtfertigt werden. Um den Bedarf eines Kindes an persönlicher Betreuung durch einen Elternteil zu bestimmen, ist das Alter von Kindern sicherlich ein geeigneter Anknüpfungspunkt. Genau daran orientiert sich die Rechtsprechung, wenn sie das Bestehen und den Umfang einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils nach den Altersphasen von Kindern bemisst und danach die Dauer des Unterhaltsanspruchs aus § 1570 BGB bestimmt. Nach dieser Rechtsprechung soll ein Kind in der Regel bis in die Grundschulzeit hinein von einem Elternteil persönlich betreut werden können, anschließend jedenfalls noch über längere Strecken des Tages unter der elterlichen Obhut stehen können und ab sechzehn Jahren tagsüber keiner Betreuung mehr bedürfen. Diese schematische Ausrichtung am Alter der Kinder lässt nicht erkennen, dass die Rechtsprechung die gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB längere Gewährung des Unterhaltanspruchs aus § 1570 BGB aus Gründen einer besonderen Bedarfslage des betreuenden Elternteils vornimmt. Das Alter eines Kindes ist kein tauglicher Maßstab dafür, zeitlich zu bestimmen, wie lange einem Elternteil nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern wegen seines Vertrauens auf die während der Ehe eingenommene Rolle als Betreuer des Kindes Unterhalt gewährt werden sollte. Dies ließe sich eher an der Dauer der Ehe oder der Dauer der Berufspause wegen der Kinderbetreuung bemessen.
(cc) Zwar hat auch der Bundesgerichtshof in seiner Entschei

BVerfGE 118, 45 (74):

dung vom 5. Juli 2006 (a.a.O.) die nacheheliche Solidarität als Grund für die längere Anspruchsdauer von § 1570 BGB herangezogen und gemeint, deshalb gewähre die Norm dem geschiedenen Elternteil Unterhalt auch um seiner selbst willen. Jedoch ist er die Antwort darauf schuldig geblieben, warum dann die Unterhaltsdauer von der Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs ausschließlich am Alter der Kinder ausgerichtet wird. Auch hat er offengelassen, ob er demzufolge der Meinung ist, der in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB für eine notwendige persönliche Betreuung des Kindes durch seinen Elternteil ausreichend erachtete und in Ansatz gebrachte Dreijahreszeitraum sei auch bei § 1570 BGB der zeitliche Rahmen, in dem der Anspruch wegen der Betreuung des Kindes gewährt wird, während die weit darüber hinausgehende Zeit der Unterhaltsgewährung dann konsequenterweise dazu diente, dem geschiedenen Elternteil "um seiner selbst willen" seinen Unterhalt abzusichern, obwohl auch diese Zeit am Kindesalter bemessen wird.
Unter Berücksichtigung dieser von der Rechtsprechung ausschließlich am Kindesalter bemessenen Dauer des Unterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB erweist sich das vom Bundesgerichtshof angeführte Argument der nachehelichen Solidarität nicht als tragfähig, die unterschiedliche Dauer der Unterhaltsansprüche nach § 1570 BGB und § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB zu rechtfertigen. Art.  6 Abs.  5 GG verbietet gerade, allein unter Bezugnahme auf die Ehe und damit auch ihre nachwirkende Solidarität nichteheliche Kinder anders zu behandeln als eheliche Kinder. Wird ein Unterhaltsanspruch wegen der Kinderbetreuung gewährt und seine Dauer ausschließlich am Kindesalter und damit daran bemessen, wie lange ein Kind der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf, dann verstößt es gegen Art.  6 Abs.  5 GG, den Betreuungsbedarf für nichteheliche Kinder kürzer einzustufen als für eheliche Kinder.
4. Der Verstoß gegen Art.  6 Abs.  5 GG durch die Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern aufgrund der unterschiedlichen Dauer der Unterhaltsgewährung wegen Kinderbetreuung nach § 1570 BGB und § 1615 l Abs.  2 Satz 3

BVerfGE 118, 45 (75):

BGB lässt sich nicht durch verfassungskonforme Auslegung von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB beheben.
a) Mit der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Auslegung von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB wird die Art.  6 Abs.  5 GG verletzende Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder nicht beseitigt. Eine weite Auslegung der "groben Unbilligkeit", die nach § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB bei Annahme ihres Vorliegens die Möglichkeit eröffnet, ausnahmsweise einen Betreuungsunterhalt zuzusprechen, der über das dritte Lebensjahr des Kindes hinausreicht, kann zwar dazu führen, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die spezifische Entwicklung des Kindes oder die elterliche Situation in etlichen Fällen mehr Berücksichtigung finden können und zu einer verlängerten Gewährung von Betreuungsunterhalt führen. Doch bei nichtehelichen Kindern, deren Entwicklung keine besonderen Gründe dafür aufweist, dass sie einer längeren Betreuung bedürfen, oder deren Eltern nicht in einer vertrauensbildenden Gemeinschaft gelebt haben, die nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ebenfalls rechtfertigen könnte, eine nur dreijährige Unterhaltszahlung für grob unbillig zu halten, bleibt es im Gegensatz zu ehelichen Kindern, die ohne besondere Gründe aufgrund der Unterhaltsgewährung nach § 1570 BGB erheblich länger eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil erfahren können, bei der auf drei Jahre begrenzten Betreuungsmöglichkeit. Dieser auch bei weiter Auslegung der in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB enthaltenen Ausnahmeregelung verbleibende Unterschied hat vor Art.  6 Abs.  5 GG keinen Bestand, da die Verfassungsnorm auch die Diskriminierung einzelner Gruppen nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern verbietet (vgl. BVerfGE 17, 148 [153 f.]).
b) Eine Interpretation von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB, die die darin enthaltene Ausnahme von der Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auf drei Jahre zur Regel machte, um Art.  6 Abs.  5 GG Genüge zu tun, und generell den Betreuungsunterhalt in seinem zeitlichen Umfang an die Dauer des nach § 1570 BGB gewährten Unterhalts anpasste, würde aber die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten.


BVerfGE 118, 45 (76):

Eine solche Auslegung verstieße zum einen gegen den klar und eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, den Unterhaltsanspruch eines Elternteils, der ein nichteheliches Kind betreut, im Regelfall auf drei Jahre zu begrenzen und nur im Ausnahmefall einen darüber hinausgehenden Anspruch einzuräumen (vgl. BVerfGE 90, 263 [275]). Darüber hinaus aber könnte auf diesem Wege die Dauer des Anspruchs zur Herstellung einer Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern nur auf die Dauer des nach § 1570 BGB gewährten Anspruchs angehoben werden. Es liegt jedoch allein in der Kompetenz des Gesetzgebers, wie er eine Schlechterstellung von nichtehelichen Kindern gegenüber ehelichen Kindern vermeidet und wie lange er es für notwendig erachtet, dass nichteheliche wie eheliche Kinder gleichermaßen persönlich von einem Elternteil betreut werden können, um hieran auszurichten, für welchen Zeitraum er dem betreuenden Elternteil einen Unterhaltsanspruch einräumt.
II.
1. § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB verletzt dagegen nicht das von Art.  6 Abs.  2 GG geschützte Elternrecht.
Art.  6 Abs.  2 GG begründet für Eltern gleichermaßen das Recht wie die Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Diese den Eltern zuvörderst zugewiesene Verantwortung für ihr Kind hat dessen Wohl zu dienen. Das Elternrecht ist insofern ein Recht im Interesse des Kindes (vgl. BVerfGE 75, 201 [218]). Gegen dieses Recht verstößt die in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB vorgenommene Unterhaltsregelung, die dem Elternteil eines nichtehelichen Kindes einen in der Regel auf drei Jahre begrenzten Betreuungsunterhaltsanspruch einräumt, nicht. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung sichergestellt, dass der das Kind betreuende Elternteil während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keiner Erwerbsarbeit nachgehen muss, sondern sich dem Kinde widmen und damit seiner Elternverantwortung nachkommen kann. Die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auf in der Regel drei Jahre ist im Lichte des Art.  6 Abs.  2 GG nicht zu beanstanden. Zum einen liegt es in der Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers, für

BVerfGE 118, 45 (77):

wie lange er es aus Kindeswohlgesichtspunkten für erforderlich und dem unterhaltspflichtigen Elternteil zumutbar erachtet, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil mithilfe der Einräumung eines Unterhaltsanspruchs an diesen zu ermöglichen. Zum anderen hat er jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz eingeräumt. Damit hat er sichergestellt, dass ein Kind ab diesem Alter in der Regel eine außerhäusliche Betreuung erfahren kann, während sein Elternteil einer Erwerbsarbeit nachgeht. Es ist eine vertretbare Einschätzung des Gesetzgebers, wenn er es deshalb nicht für notwendig erachtet hat, den betreuenden Elternteil länger von seiner Erwerbsobliegenheit zu entbinden, vielmehr unter Auswertung wissenschaftlicher Studien davon ausgegangen ist, eine Betreuung des Kindes im Kindergarten sei diesem nicht abträglich, sondern fördere wichtige Kompetenzen des Kindes. Hierin liegt keine Vernachlässigung des Elternrechts. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Regelung die Interessen sowohl des betreuenden als auch des unterhaltspflichtigen Elternteils sowie des Kindes berücksichtigt und sie in einen Ausgleich gebracht. Insbesondere aber hat er über die Billigkeitsklausel in § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB die Möglichkeit geschaffen, im Einzelfall zu prüfen, ob die Einstellung der Unterhaltszahlung an den betreuenden Elternteil das Kindeswohl gefährden könnte, und für diesen Fall eine Verlängerung der Unterhaltsgewährung vorgesehen. Dies trägt dem Elternrecht des betreuenden Elternteils hinreichend Rechnung.
2. Da die unterschiedliche Regelung der Unterhaltsansprüche nach § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB und in § 1570 BGB in ihrer Dauer gegen Art.  6 Abs.  5 GG verstößt, ist für die Prüfung, ob sie auch Art.  3 Abs.  1 GG verletzt, weil sie betreuende Elternteile von ehelichen und nichtehelichen Kindern ungleich behandelt, kein Raum mehr. Denn Art.  6 Abs.  5 GG ist hier die maßgebliche Grundrechtsnorm, hinter die eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes zurücktritt.
 


BVerfGE 118, 45 (78):

C. -- I.
Da die Verletzung von Art.  6 Abs.  5 GG in der unterschiedlichen Regelung der Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung von Kindern in § 1570 BGB einerseits und § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB andererseits liegt, scheidet eine Nichtigerklärung von § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB ebenso aus wie die Erklärung der Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art.  6 Abs.  5 GG (vgl. BVerfGE 84, 168 [186 f.]). Dem Gesetzgeber stehen zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes mehrere Möglichkeiten offen. So kann er eine Gleichbehandlung der Regelungssachverhalte durch eine Änderung des § 1615 l BGB, durch eine Änderung von § 1570 BGB oder auch durch eine Neuregelung beider Sachverhalte vornehmen. Dabei hat er nur in jedem Fall einen gleichen Maßstab hinsichtlich der Dauer des wegen der Kinderbetreuung gewährten Unterhaltsanspruchs bei nichtehelichen und ehelichen Kindern zugrunde zu legen.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2008 eine Art.  6 Abs.  5 GG genügende Regelung zu treffen.
II.
Bis zur Neuregelung ist der verfassungswidrige Zustand hinzunehmen. Von der Anordnung der Aussetzung der Verfahren, in denen nach § 1615 l BGB oder nach § 1570 BGB Betreuungsunterhalt geltend gemacht wird, wird abgesehen, weil der Gesetzgeber in seiner Entscheidung, wie er die von Art.  6 Abs.  5 GG geforderte Angleichung vornehmen will, nicht beeinflusst werden soll. Auch würde eine Aussetzung aller Verfahren aufgrund der Geltendmachung von Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB und § 1615 l BGB zu einem vorübergehenden Stillstand der Rechtsgewährung, einem Entscheidungsstau bei den Familiengerichten und nach Inkrafttreten der Neuregelung zu einer verzögerten Bearbeitung der ausgesetzten Verfahren führen. Angesichts dessen ist es angezeigt, dass die bestehenden Regelungen bis zum Inkrafttreten der Neuregelung weiter zur Anwendung kommen. Der Nachteil, der Elternteilen und ihren nichtehelichen Kindern gegenüber ehelichen Kindern daraus bis zur Neuregelung weiter er

BVerfGE 118, 45 (79):

wächst, ist hinnehmbar, da die Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen der Betreuung eines nichtehelichen Kindes nach § 1615 l Abs.  2 Satz 3 BGB für sich betrachtet dem Kindeswohl nicht zuwiderläuft.
Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.
Papier Steiner Hohmann-Dennhardt Hoffmann-Riem Bryde Gaier Eichberger Schluckebier