BVerfGE 105, 48 - Entscheidungserheblichkeit


BVerfGE 105, 48 (48):

Ist Gegenstand einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung eines Gesetzes, so hat das vorlegende Gericht unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage vorrangig zu prüfen, ob die Vertrauensschutzregelungen des Verwaltungsverfahrensrechts als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips eine rück

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wirkende Anwendung des Gesetzes auf den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt erlauben.
 
Beschluss
des Ersten Senats vom 20. Februar 2002
- 1 BvL 19, 20, 21/97, 11/98 -
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob Art. 12 Abs. 8 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen Rentenversicherung und Arbeitsförderung /Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. September 1996 (BGBL I S. 1461) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, als er Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes für einen Zeitpunkt vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss am 9. Juli 1996 in Kraft setzt, - Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 28. Mai 1997 (8 RKn 28/96) - 1 BvL 21/97 -, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. Februar 1998 (L 6 KN 3/96) - 1 BvL 11/98 -.
Entscheidungsformel:
Die Vorlagen sind unzulässig.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand der zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung des § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB VI durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996, der Regelungen über die Anrechnung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung trifft.
I.
1. Für den Fall des Zusammentreffens von Leistungen aus der gesetzlichen Unfall- und der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt seit dem 1. Januar 1992 § 93 Abs. 1 SGB VI für Renten aus der zuletzt genannten Versicherung:


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    Besteht für denselben Zeitraum Anspruch
    1. auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung oder
    2. auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung
    wird die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.
§ 93 Abs. 5 SGB VI sieht Ausnahmen von dieser Anrechnung vor. Er lautete in seiner ursprünglichen Fassung, soweit hier von Bedeutung:
    Die Absätze 1 bis 4 werden nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung
    1. für einen Arbeitsunfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die
    Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat, oder
    2. ...
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung galt im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des SGB VI am 1. Januar 1992 als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Über deren Eintritt gab es keine besondere Bestimmung. Es galt § 551 Abs. 3 Satz 2 RVO:
    Als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls gilt der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung, oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten werden seit dem 1. Januar 1997 in § 7 Abs. 1 SGB VII unter dem Begriff "Versicherungsfälle" zusammengefasst. Dementsprechend wurde in § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI der Begriff "Arbeitsunfall" durch den Begriff "Versicherungsfall" ersetzt (Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch [Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG] vom 7. August 1996, BGBl I S. 1254).
2. § 93 Abs. 5 SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäfti

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gung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) um die Sätze 2 und 3 ergänzt (im Folgenden: § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB VI n.F.). Satz 2 definiert den Zeitpunkt des Versicherungsfalls, Satz 3 ordnet für die Hinterbliebenenrente ausnahmslos die Anrechnung an. Die Sätze lauten:
    Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt bei Berufskrankheiten der letzte Tag, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen. Satz 1 ist auf Hinterbliebenenrenten nicht anzuwenden.
Zum zeitlichen Anwendungsbereich dieser Regelungen ist in Art. 12 Abs. 8 WFG bestimmt:
    Artikel 1 Nr. 17 tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in Kraft.
II.
1. a) Die Klägerin in dem der Vorlage 1 BvL 19/97 zugrunde liegenden Ausgangsverfahren ist die Witwe eines Versicherten, der bei einem Bergbaubetrieb der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigt war. Er verstarb im August 1987 an den Folgen einer Berufskrankheit. Seit 1. September 1970 hatte er Bergmannsaltersrente bezogen. Auf Grund der anerkannten Berufskrankheit erhielt er außerdem ab 1985 eine Unfallrente. Die beklagte Bundesknappschaft bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27. November 1991 eine große Witwenrente in Höhe von anfänglich 898,70 DM pro Monat. Ab 1. Januar 1992 wurde der Klägerin eine Witwenrente aus der Unfallversicherung gewährt. Die Beklagte nahm daraufhin den Bewilligungsbescheid vom 27. November 1991 nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 93 SGB VI durch Bescheid vom 22. März 1993 teilweise zurück. Der Klägerin stehe ab dem 1. Januar 1992 nur eine große Witwenrente von anfänglich 316,15 DM monatlich zu. Die gegen die Anrechnung beim Sozialgericht erhobene Klage hatte Erfolg. Das Landessozialgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und ließ die Revision zu.


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b) Die Klägerin in dem der Vorlage 1 BvL 20/97 zugrunde liegenden Ausgangsverfahren ist die Witwe eines im Februar 1990 an den Folgen einer Berufskrankheit verstorbenen Versicherten, der bei einem Bergbaubetrieb der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigt war. Er bezog ab März 1984 Bergmannsaltersrente. Im Oktober 1986 gab er seine Tätigkeit im Betrieb auf. Ab Juni 1989 erhielt er Unfallrente auf Grund seiner anerkannten Berufskrankheit. Die beklagte Bundesknappschaft bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 2. Dezember 1991 eine große Witwenrente aus der Rentenversicherung in Höhe von zunächst 931,03 DM. Nach der Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nahm die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 93 SGB VI durch Bescheid vom 8. September 1993 teilweise zurück. Die Rente wurde ab 1. Januar 1992 auf einen Betrag von anfänglich 300,64 DM monatlich festgesetzt. Die hiergegen zum Sozialgericht erhobene Klage war erfolgreich. Das Landessozialgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und ließ die Revision zu.
c) Die Klägerin in dem der Vorlage 1 BvL 21/97 zugrunde liegenden Ausgangsverfahren ist die Witwe eines im Mai 1992 an den Folgen einer Berufskrankheit verstorbenen Versicherten. Der Versicherte, der bis zum 30. November 1976 beschäftigt war, hatte ab 1. Oktober 1981 Knappschaftsruhegeld bezogen. Die beklagte Bundesknappschaft bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18. November 1993 ab 1. Juni 1992 eine große Witwenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag ab 1. Januar 1994 von 1.667,20 DM. Mit Bescheid vom 5. Mai 1994 gewährte ihr der Unfallversicherungsträger ab 31. Mai 1992 eine Witwenrente. Die Beklagte nahm daraufhin ihren Bescheid vom 18. November 1993 ab 1. Juni 1992 nach § 45 SGB X teilweise zurück und verringerte die Witwenrente nachträglich ab 1. Januar 1994 auf 848,58 DM monatlich. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht statt. Das Landessozialgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und ließ die Revision zu.
d) Der Kläger in dem der Vorlage 1 BvL 11/98 zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war bis zum 31. Januar 1989 beschäftigt.

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Die ihm ab 1. Februar 1989 gewährte Bergmannsaltersrente wurde zum 1. Januar 1992 in eine Regelaltersrente von anfänglich 1.051,88 DM monatlich durch Bescheid der beklagten Bundesknappschaft vom 27. November 1991 umgewertet. Für die bei ihm anerkannte Berufskrankheit bezieht er seit dem 1. November 1991 Verletztenrente nach einer am 15. November 1991 eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert. Die Beklagte hob ihren Umwertungsbescheid vom 27. November 1991 mit Bescheid vom 31. Januar 1995 nach § 48 SGB X teilweise auf und stellte einen Rentenzahlbetrag von 933,50 DM monatlich ab 1. Januar 1992 fest. Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht hatte Erfolg. Gegen dessen Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
2. Das Bundessozialgericht und - hinsichtlich der Vorlage 1 BvL 11/98 - das Landessozialgericht haben die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
    ob Art. 12 Abs. 8 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, als er Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes für einen Zeitpunkt vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss am 9. Juli 1996 in Kraft setzt.
a) Nach Auffassung des Bundessozialgerichts sind die Revisionen der Beklagten begründet, soweit sie sich auf das Zusammentreffen der Leistungen aus der Renten- und der Unfallversicherung für die Zeit nach der Bekanntgabe des jeweiligen Rücknahmebescheids beziehen.
Der Revisionsentscheidung sei auf Grund der Rückwirkungsanordnung des Art. 12 Abs. 8 WFG die Vorschrift des § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB VI n.F. zugrunde zu legen. Die ursprünglichen Rentenbewilligungsbescheide seien zwar zu Unrecht nach § 45 SGB X zurückgenommen worden; sie hätten dem bei ihrem Erlass geltenden Recht entsprochen. Die Rücknahmebescheide seien aber vom Gericht nach § 43 SGB X in Aufhebungsbescheide nach § 48 SGB X

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umzudeuten, um den durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz geänderten rechtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Dabei komme es nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt des Erlasses des fehlerhaften Verwaltungsaktes der Verwaltungsakt, in den umgedeutet werde, rechtmäßig hätte erlassen werden können. Jedenfalls sei es wegen der durch Art. 12 Abs. 8 WFG angeordneten Rückwirkung geboten, die Vorschriften des Verfahrensrechts - soweit möglich - dahingehend auszulegen, dass die Neuregelung auch für die Beurteilung früher ergangener Verwaltungsakte und damit auch für ihre Umdeutung maßgebend sein soll. Verfahrensrecht sei dienendes Recht. Die mit der Neufassung des § 93 Abs. 5 SGB VI herbeigeführte wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X habe bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Rücknahmebescheide vorgelegen. Insoweit sei nicht auf die Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern auf sein In-Kraft-Treten am 1. Januar 1992 abzustellen. Die Umdeutung erweise sich jedoch nur mit Wirkung für die Zeit nach Ablauf des Monats der Bekanntgabe der Rücknahmebescheide als zulässig. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit - also für den Zeitraum vor Erlass der Rücknahmebescheide - seien nicht erfüllt.
Der nach Maßgabe des SGB X in Verbindung mit dem SGB VI nach Maßgabe dieser Vorschriften gebotenen Bestätigung der Rücknahmebescheide stehe aber für die Zeit bis zum Gesetzesbeschluss über das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz am 9. Juli 1996 der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen. Art. 12 Abs. 8 WFG ordne eine echte Rückwirkung an, die gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verstoße und verfassungswidrig sei.
b) Das Landessozialgericht ist in dem der Vorlage 1 BvL 11/98 zugrunde liegenden Verfahren den Vorlagebeschlüssen des Bundessozialgerichts gefolgt. Die Neufassung des § 93 Abs. 5 SGB VI sei als wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zeit nach der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids zu berücksichtigen. Die Bundesknappschaft habe daher die Witwenrente aus

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der Unfallversicherung mit Ablauf des Monats Februar 1995 anrechnen dürfen, lege man das neue Recht rückwirkend zugrunde. Art. 12 Abs. 8 WFG enthalte aber für die Zeit vor dem Gesetzesbeschluss am 9. Juli 1996 eine verfassungswidrige Rückwirkung.
III.
Zu den Vorlagen haben das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, das Bundessozialgericht, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu 1 BvL 20/97 Stellung genommen.
1. Das Bundesministerium hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei es innerhalb der ihm durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen erlaubt, gesetzliche Bestimmungen nachträglich authentisch zu interpretieren. Der Regelungsinhalt des § 93 Abs. 5 SGB VI sei vor seiner Neufassung durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz so unklar und verworren gewesen, dass eine Klärung der Vorschrift hätte erwartet werden müssen. In gleicher Richtung hat sich der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger geäußert.
2. Nach Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts enthält Art. 12 Abs. 8 WFG eine unzulässige Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Allerdings sei die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift nicht entscheidungserheblich, wenn der Verwaltungsträger bereits vor dem In-Kraft-Treten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes einen Verwaltungsakt über die Anrechnung oder Nichtanrechnung von Leistungen aus der Unfallversicherung erlassen habe. Da dieses Gesetz selbst nicht zur Aufhebung derartiger Verwaltungsakte ermächtige, dürfe der Verwaltungsträger das neue materielle Recht nur nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X und damit grundsätzlich nur für Zeiten nach dem In-Kraft-Treten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes umsetzen. In gleicher Weise hat sich die Klägerin geäußert.
 


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B.
Die Vorlagen sind unzulässig.
I.
Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 [76]). Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur dann, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es eine solche Prüfung vorgenommen hat. Das Gericht hat hinreichend deutlich darzulegen, dass seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt. Der Vorlagebeschluss muss sich mit der Rechtslage auseinander setzen, die in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassungen berücksichtigen und auf unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten eingehen, soweit diese für die Entscheidungserheblichkeit von Bedeutung sein können (vgl. BVerfGE 92, 277 [312]; 97, 49 [60]; 99, 300 [312 f.]). Richten sich die Bedenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm oder zur Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit erforderlich ist (vgl. BVerfGE 89, 329 [337]; stRspr).
II.
Diesen Anforderungen an die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit der zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Vorschrift werden die Vorlagen nicht gerecht.
Ist Gegenstand einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG die Frage, ob die Rückwirkung eines Gesetzes verfassungswidrig ist, so hat das vorlegende Gericht zunächst zu prüfen, ob sie sich auf den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des maßgeblichen Verfahrensrechts auswirkt. Diese Vorge

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hensweise ist insbesondere geboten, weil die Vertrauensschutzregelungen des Verwaltungsverfahrensrechts, hier des SGB X, als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips eine rückwirkende Anwendung von Gesetzen auf bestimmte Sachverhalte ausschließen können.
1. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit, die verhindern soll, dass der rechtsunterworfene Bürger durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird (vgl. BVerfGE 45, 142 [167] m.w.N.). Rechtsbeständigkeit bedeutet daher für ihn in erster Linie Vertrauensschutz (vgl. BVerfGE 72, 175 [196]; 88, 384 [403]; stRspr), der Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfGE 59, 128 [164 ff.]).
Im Sozialverfahrensrecht hat der Gesetzgeber den Gedanken des Vertrauensschutzes, soweit es um die Reichweite der materiellen Bestandskraft begünstigender Verwaltungsakte geht, in besonderer Weise ausgestaltet. Nach § 45 SGB X ist die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes ausgeschlossen, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Darüber hinaus ist das dem Sozialleistungsträger eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über die Rücknahme insoweit eingeschränkt, als er den rechtswidrigen Verwaltungsakt - anders als nach § 48 VwVfG - nur dann mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen darf, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen kann, weil er sich unlauter im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X verhalten hat oder ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 ZPO vorliegt (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Erst recht kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nach § 47 Abs. 1 SGB X grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Sofern unter den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 2 (Zweckverfehlung oder Nichterfüllung von Auflagen) ausnahmsweise ein Widerruf für die Vergangenheit in Betracht kommt, setzt Satz 2 der Vorschrift auch hier eine Schranke, soweit sich der Begünstigte auf schutzwürdiges Vertrauen berufen

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kann. Die Anpassung eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung an geänderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse ist nach § 48 SGB X grundsätzlich nur für die Zukunft zulässig. Eine Aufhebung zu Ungunsten des Betroffenen ist dem Sozialleistungsträger mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der maßgeblichen Verhältnisse einschließlich einer Änderung der Rechtslage lediglich unter den strengen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestattet.
Diesen Vorschriften liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass Empfänger von Sozialleistungen vor der Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte in besonderer Weise geschützt werden sollen. Zwar ist der Vertrauensschutz nicht notwendig in der Weise verfassungsrechtlich geboten, wie ihn die genannten Vorschriften ausformen. Dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes wird vielmehr schon dadurch genügt, dass die Berücksichtigung schutzwürdigen Vertrauens und seine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse durch das einfache Recht nicht ausgeschlossen sind (vgl. BVerfGE 59, 128 [169]). Im Sozialrecht werden Personen, die für ihren Lebensunterhalt auf Sozialleistungen angewiesen sind, von Rechtsänderungen häufig existentiell betroffen; deshalb hat der Gesetzgeber mit den Vertrauensschutzregelungen des SGB X bei Veränderungen in besonderem Maß auf die Rechtssicherheit Bedacht genommen (vgl. BSG SozR 3-5870 § 2 Nr. 38).
2. Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst von der einfachrechtlichen Feststellung des Bundessozialgerichts und des ihm folgenden Landessozialgerichts auszugehen, dass die Bewilligungsbescheide der gesetzlichen Rentenversicherung ursprünglich rechtmäßig waren und - ohne die Gesetzesänderung - nicht schon durch die nachträgliche Bewilligung einer Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung eine nach den §§ 45 bis 48 SGB X erhebliche rechtliche oder tatsächliche Änderung eingetreten ist. Insoweit haben die vorlegenden Gerichte nicht nur ihre Rechtsauffassung in den Beschlüssen dargelegt, sondern in den Ausgangsverfahren durch Teilurteil auch bindend entschieden. Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung haben sie es allerdings versäumt zu begründen, inwiefern

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trotz der Vertrauensschutzregelungen des SGB X eine rückwirkende Anwendung des § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB VI n.F. auf die den Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalte in Betracht kommt.
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist bei einer wesentlichen Änderung der für einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse dessen Aufhebung zu Lasten des Betroffenen nur mit Wirkung für die Zukunft zulässig. Die vorlegenden Gerichte heben die zeitliche Sperrwirkung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Ergebnis dadurch auf, dass sie die "Zukunft" im Sinne dieser Vorschrift schon vor Erlass der Rücknahme- und Aufhebungsbescheide beginnen lassen, weil das später verkündete Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz sich auf den 1. Januar 1992 Rückwirkung beigelegt habe. Das Bundessozialgericht bedient sich dabei des Mittels der Umdeutung nach § 43 SGB X. Das vorlegende Landessozialgericht stellt hingegen fest, dass die wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen bereits mit dem rückwirkenden In-Kraft-Treten der Neufassung des § 93 Abs. 5 SGB VI eingetreten sei und damit im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides im Jahr 1995 - aus der Perspektive des Jahres 1998, dem Jahr der Entscheidung des Landessozialgerichts - schon vorgelegen habe. Dies kommt jedoch einer Aufhebung der rentenrechtlichen Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit gleich, die nur unter den strengen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zulässig ist.
In den Fällen, in denen der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist, darf der Verwaltungsakt nach Nummer 4 dieser Vorschrift nur mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene dies wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese subjektiven Voraussetzungen können jedenfalls nicht vor der Verkündung des Gesetzes vorliegen. Dazu, dass der Gesetzgeber des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes mit § 93 Abs. 5 SGB VI n.F. nicht nur rückwir

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kend leistungsrechtliche Ansprüche regeln, sondern zugleich auch die Vertrauensschutzgewährleistungen des SGB X einschränken wollte, haben die vorlegenden Gerichte nichts dargetan.
Sie haben sich auch nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Korrektur rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte schon vor der Verkündung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes eingeleitet werden durfte. Diese Rechtsfrage ist vom 4. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 31. März 1998 ausführlich behandelt worden (vgl. BSG SozR 3-2600 § 93 Nr. 8, ab S. 71 [84 ff.]). Auch der vorlegende Senat des Bundessozialgerichts hätte sich im Zuge seiner Ausführungen zur Umdeutung mit dieser Frage befassen müssen, weil er dem Aufhebungsbescheid eine das schutzwürdige Vertrauen zerstörende Wirkung beigemessen hat, obwohl im Zeitpunkt seines Erlasses das Gesetz, das dem aufhebenden Verwaltungsakt als Rechtsgrund dienen könnte, noch nicht galt. Die Umdeutung hat beispielsweise im Verfahren 1 BvL 19/97 zur Folge, dass der Aufhebungsbescheid vom 22. März 1993 eine Rechtsänderung, die es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab (das Gesetz ist erst am 27. September 1996 verkündet worden), für die "zukünftige Zeit" ab dem 9. Juli 1996 "vollzieht"; hiergegen hat das Bundessozialgericht weder verfahrensrechtliche noch verfassungsrechtliche Bedenken. Erst diese Sicht der Dinge führt zu dem zur Prüfung gestellten verfassungsrechtlichen Problem für die Zeit zwischen April 1993 und Juli 1996. Es hätte einer Darlegung bedurft, inwiefern diese Art der Umdeutung den Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB X genügt und damit dem Verwaltungsakt einen Inhalt gibt, der in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt ein Gesetz umsetzen kann, das es noch nicht gibt, hätte nicht offen bleiben dürfen.
Mit der Charakterisierung des Verwaltungsverfahrens als "dienendem Verfahren" kann die Umdeutung jedenfalls nicht gerechtfertigt werden. Mit dieser Wesensbestimmung wird im Allgemeinen zum Ausdruck gebracht, dass das Verwaltungsverfahrensrecht kein "Wert an sich" sei, sondern zum Erlass materiell rechtmäßiger und zweckmäßiger Verwaltungsakte beitragen soll (vgl. Meyer, in:

BVerfGE 105, 48 (61):

Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2000, § 46 Rn. 8; Wiesner, in: von Wulffen, SGB X, 4. Auflage 2001, § 42 Rn. 1). Von Bedeutung ist diese Bewertung vor allem, wenn es um die Begrenzung der Folgen von formellen Fehlern bei der behördlichen und gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes geht (vgl. § 42 SGB X). Mit ihr lässt sich aber nicht begründen, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X als Ausformung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgedankens eine eingeschränkte Anwendung bei der Durchsetzung materiellen Rechts erfährt, das sich Rückwirkung beilegt.
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