BVerfGE 89, 315 - Trennscheibe
 


BVerfGE 89, 315 (315):

Beschluß
des Zweiten Senats vom 8. Dezember 1993
-- 2 BvR 736/90 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn P... gegen a) den Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. April 1990 - 4 Ws 46/90 -, b) den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 26. Januar 1990 - 1 StVK 354/89 -.


BVerfGE 89, 315 (316):

Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Einsatz einer sogenannten Trennscheibe bei Ehegattenbesuchen eines Strafgefangenen.
I.
1. Der 42 Jahre alte Beschwerdeführer befindet sich seit Juni 1978 fast ununterbrochen in Strafhaft. Dort hat er im Sommer 1987 seine langjährige Freundin geheiratet. Derzeit verbüßt er eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und wegen Diebstahls in sechzehn Fällen. Das Strafende ist vorgemerkt auf den 1. März 1997; für die Zeit danach ist Sicherungsverwahrung angeordnet.
Im November 1986 erhielt die Leitung der Justizvollzugsanstalt, in der der Beschwerdeführer damals einsaß, einen Hinweis der Polizei, daß er einen Ausbruch plane. Seine Verlobte sei beobachtet worden, wie sie Ausbruchsgegenstände beschafft habe. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlegt und seine Verlobte von allen Besuchen ausgeschlossen. Nachdem diese den Beschwerdeführer geheiratet hatte, wurden ihr im Oktober und November 1987 zwei überwachte Besuche in einem Trennscheibenraum gestattet, die beanstandungsfrei verliefen.
Im Februar 1988 gelang dem Beschwerdeführer wie schon zweimal in früheren Jahren gemeinsam mit zwei Mitgefangenen ein Ausbruch. Obwohl alle drei Gefangenen als fluchtgefährlich bekannt und besondere Sicherheitsmaßnahmen angeordnet waren, besaßen sie u.a. Nachschlüssel sogar für ein Sicherheitsschloß, Reepschnüre mit Originalhaken und einen Eispfeil. Ferner stand ein Fluchtauto bereit. Zehn Monate später wurde der Beschwerdeführer wieder festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart überstellt.


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2. Im Januar 1989 beantragte der Beschwerdeführer, bei den Besuchen seiner Ehefrau auf die Verwendung der Trennscheibe zu verzichten. Die Justizvollzugsanstalt lehnte dies ab. Sie wies u. a. darauf hin, daß der Beschwerdeführer durch die gelungenen Ausbrüche und zwei weitere Ausbruchsversuche seine Gefährlichkeit in dieser Hinsicht unter Beweis gestellt habe. Er habe auch mehrfach Vollzugsbedienstete bedroht, einmal einen Vollzugsbediensteten angegriffen und 1987 einen Mitgefangenen bewußtlos geschlagen. Hinsichtlich seiner Persönlichkeit sei anzumerken, daß der Beschwerdeführer es immer wieder verstanden habe, andere für seine Pläne und Zwecke einzunehmen.
Der zum Justizministerium eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Das Ministerium machte ergänzend geltend, der Beschwerdeführer könnte seine Ehefrau nötigen, Gegenstände zu übergeben.
3. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin gerichtliche Entscheidung. Er brachte vor allem vor, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die Trennscheibenanordnung. Außerdem sei es das mildere Mittel, ihn vor und nach jedem Besuch zu durchsuchen. In Verbindung mit einer optischen Überwachung und der ohnehin stets stattfindenden Durchsuchung seiner Ehefrau vor jedem Besuch könne die Übergabe von Ausbruchswerkzeugen zuverlässig verhindert werden.
a) Diesen Antrag verwarf das Landgericht Stuttgart mit Beschluß vom 26. Januar 1990 als unbegründet. Die Anordnung der Trennscheibe finde ihre Rechtsgrundlage in § 27 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 4 StVollzG. Ein Gegenschluß aus § 29 StVollzG verbiete sich, da Besuche von Verteidigern grundsätzlich keiner Beschränkung unterlägen und daher die Sonderregelung des § 29 StVollzG in Verbindung mit § 148 StPO erforderlich gewesen sei. Die Anordnung der Trennscheibe sei begründet und nicht unverhältnismäßig. Die Justizvollzugsanstalt schätze den Beschwerdeführer nach seinem bisherigen Verhalten zutreffend als hochgradig "vollzugs- und ausbruchsgefährlich" ein. Da die bei dem Ausbruch im Februar 1988 verwendeten Werkzeuge jedenfalls teilweise von außen in die Justizvollzugsanstalt gelangt sein müßten, seien Vorkehrungen gegen die Übergabe solcher Gegenstände zu treffen.

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Hinzu komme, daß die Ehefrau des Beschwerdeführers Ende 1986 in den Verdacht der Beteiligung an der Planung und Vorbereitung eines Ausbruchsversuchs geraten sei. Der Verdacht sei zwar vage geblieben, aber es sei doch davon auszugehen, daß über die Ehefrau damals ein beträchtlicher Informationsfluß im Hinblick auf eine Ausbruchsplanung in Verbindung mit der Beschaffung von Fluchtmitteln stattgefunden habe. Schon damit böten sich der Vollzugsanstalt hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß ein ordnungsgemäßer Besuchsablauf ohne besondere Sicherungsvorkehrungen nicht gewährleistet sei und die Ehefrau Fluchtgedanken und Fluchtvorhaben des Beschwerdeführers unterstütze. Die ergriffenen Maßnahmen seien auch unter Respektierung des grundgesetzlichen Schutzes der Ehe nicht unverhältnismäßig. Die Justizvollzugsanstalt sei sich der Eingriffsintensität der Maßnahme zumal bei der Ehefrau bewußt, wie sich daraus ergebe, daß sie mit dieser das Gespräch gesucht, den Beschwerdeführer auf die Möglichkeit von Abänderungen hingewiesen und eine Überprüfung nach ca. sechs Monaten angekündigt habe. Die körperliche Durchsuchung des Beschwerdeführers mit Wäsche- und Kleiderwechsel nach jedem Besuch stelle aber die einschneidendere Maßnahme, nicht das mildere Mittel dar, zumal von verschärften Kontrollen vor und nach dem Besuch auch die Ehefrau in Mitleidenschaft gezogen würde.
b) Gegen diesen Beschluß legte der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde ein, die das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 26. April 1990 gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig verwarf, weil die Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei. Es fügte aber hinzu, daß die Justizvollzugsanstalt im Hinblick auf den Schutz der Ehe (Art. 6 GG) und die noch nicht absehbare Dauer der Freiheitsentziehung ihre Entscheidung zu überprüfen haben werde, sofern der Gefangene seine Bereitschaft erklären sollte, sich nach jedem Besuch seiner Ehefrau einer eingehenden Durchsuchung einschließlich Umkleidung zu unterziehen.
4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG. Der Einsatz der Trennscheibe greife ohne ausreichende gesetzliche Ermächtigung

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in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich der Ehe ein. An einer gesetzlichen Grundlage fehle es, da § 27 StVollzG als Befugnisnorm ausscheide. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 StVollzG seien nur die optische Besuchsüberwachung (Satz 1) und die akustische (Satz 2) denkbar und zulässig. Demgegenüber sei der Einsatz der Trennscheibe ein erheblich intensiverer Eingriff. Es lasse sich kein vernünftiger Grund finden, der den Gesetzgeber bewogen haben könnte, die Maßnahmen der optischen und akustischen Besuchsüberwachung ausdrücklich zu regeln, den Trennscheibeneinsatz jedoch nicht.
Darüber hinaus verstoße die Trennscheibenanordnung im konkreten Falle gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es fehle bereits an konkreten Anhaltspunkten für Gefahren, denen durch die Trennscheibe hätte entgegengewirkt werden können. Sämtliche Besuchstermine seiner Ehefrau, die vor November 1986 im Gemeinschaftsbesuchsraum nur optisch überwacht stattgefunden hätten, seien ohne Beanstandung verlaufen. Die Verdächtigung seiner Ehefrau, an einer angeblichen Ausbruchsvorbereitung Ende 1986 mitgewirkt zu haben, entbehre ebenso jeder greifbaren Tatsachengrundlage wie jene, daß sie den Ausbruch im Februar 1988 unterstützt habe. In jedem Falle könne die Gefahr der Übergabe von Ausbruchswerkzeugen durch eine ohnehin vorgesehene Durchsuchung und ein Abtasten seiner Ehefrau mit Metalldetektoren sowie durch die Durchsuchung und das Umkleiden seiner eigenen Person wirksam begegnet werden. Unverhältnismäßig seien auch die lange Dauer der Trennscheibenanordnung und das Fehlen von Kriterien, anhand derer eine Überprüfung und Aufhebung der Anordnung erfolgen könne. Schließlich sei Art. 6 Abs. 1 GG verletzt. Die ohnehin geringfügige Kontaktmöglichkeit der Eheleute werde durch die Trennscheibe beeinträchtigt. Ein längerfristiger Trennscheibeneinsatz in Kombination mit optisch-akustischer Überwachung trage zu einer Entfremdung bei, die sogar zur völligen Zerstörung der Ehe führen könne.


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II.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung, die Regierungen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, der Bundesgerichtshof und der Generalbundesanwalt geäußert.
1. Das Bundesministerium der Justiz und die Regierungen der Länder halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Trennscheibe bei Privatbesuchen im Strafvollzug sei § 27 Abs. 1 Satz 1 StVollzG. Zur Ermächtigungsgrundlage des § 27 Abs. 1 Satz 1 StVollzG und zur Abgrenzung von Privatbesuchen einerseits, den in §§ 27 Abs. 4, 29 Abs. 1 StVollzG und § 148 Abs. 2 StPO geregelten Verteidigerbesuchen andererseits wird ergänzend auf die Gesetzessystematik und die Gesetzgebungsgeschichte verwiesen; danach solle die Sonderregelung zum Trennscheibeneinsatz bei Verteidigerbesuchen nur der grundsätzlichen Freiheit des Verkehrs zwischen Gefangenem und Verteidiger Rechnung tragen, nicht aber die Rechtslage bei Privatbesuchen gestalten.
Nach der Auffassung der meisten Länder kann die Frage, ob die Durchsuchung des Gefangenen und des Besuchers gegenüber dem Trennscheibeneinsatz das mildere Mittel sei, nicht generell, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Allerdings sind Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein der Auffassung, die Trennscheibe sei gegenüber der Durchsuchung stets das mildere Mittel. Bayern, Hamburg und das Saarland weisen darauf hin, daß der Trennscheibeneinsatz geboten sein könnte, um ein gänzliches Besuchsverbot nach § 25 StVollzG abzuwenden.
2. In der Stellungnahme des für Fragen des Strafvollzugsrechts zuständigen Fünften Strafsenats des Bundesgerichtshofs wird im wesentlichen auf eine Entscheidung (BGHSt 30, 38 ff.) hingewiesen. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.


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III.
In einer Gegenäußerung verdeutlicht der Beschwerdeführer seinen Vortrag. Er verweist nochmals darauf, daß die bisherigen Besuche seiner Ehefrau beanstandungsfrei verlaufen sind. Der Vorwurf, sie habe 1986 Ausbruchsmittel beschafft, sei niemals konkretisiert, die Gegenstände seien nie näher beschrieben worden.
IV.
Mitte 1991 ist der Beschwerdeführer in den Justizvollzug der Freien und Hansestadt Hamburg verlegt worden und inzwischen in den Justizvollzug des Landes Baden-Württemberg zurückgekehrt. Seine Ehe wurde, nachdem er in der Justizvollzugsanstalt Hamburg - Am Hasenberge - am 6. Juli 1992 letztmalig von seiner Ehefrau Besuch erhalten hatte, durch inzwischen rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hamburg - Familiengericht - vom 21. Mai 1993 geschieden. Der Beschwerdeführer teilt mit, daß er zu seiner geschiedenen Frau noch Kontakte unterhalte und ihren Besuch erwarte.
 
B.
Der Senat nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an (§ 93d Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Sie wirft die grundsätzliche Frage auf, inwieweit die Verwendung einer Trennscheibe beim Besuch des Ehegatten in der Justizvollzugsanstalt mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist (§ 93a Abs. 2 Buchst. a BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich dagegen richtet, daß das Oberlandesgericht - ungeachtet seiner Äußerung zur Sache - die Rechtsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig verworfen hat. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, inwiefern er durch diesen prozeßrechtlichen Ausspruch in seinen Grundrechten verletzt sein könnte (§ 92 BVerfGG).
2. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Sie ist weder mit der Verlegung des Beschwerdeführers in den Hamburgischen Justizvollzug noch mit der Scheidung seiner Ehe unzulässig

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geworden. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß das Rechtsschutzinteresse fortwirkt, wenn die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung andernfalls unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint (BVerfGE 81, 138 [140]). Der Einsatz der Trennscheibe - zumal über längere Zeit - belastet die ehelichen Beziehungen in besonderem Maße. Das Landgericht selbst hat die Maßnahme als gravierenden Eingriff eingestuft.
 
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
Der Beschwerdeführer ist durch den angegriffenen Beschluß des Landgerichts Stuttgart mit der Maßgabe, die das Oberlandesgericht ausgesprochen hat, nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verletzt worden.
I.
1. Auch für das gesetzlich geregelte Recht des Gefangenen, mit Personen außerhalb der Anstalt zu verkehren (§§ 23 ff. StVollzG), gilt, daß Freiheitsrechte des Gefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes eingeschränkt werden können (vgl. BVerfGE 33, 1 [11]). Soweit das Strafvollzugsgesetz diesen Rechten Schranken setzt oder solche Schranken zuläßt, sind diese ihrerseits dadurch gebunden und begrenzt, daß der Vollzug die Menschenwürde des Gefangenen zu achten und zu schützen und bei der Verwirklichung seiner Zielsetzung (§ 2 Abs. 1 StVollzG; vgl. auch BVerfGE 45, 187 [238 f.]) Grundrechtspositionen des Gefangenen zu beachten hat. Das gilt auch für das - hier einschlägige - durch Art. 6 Abs. 1 GG der staatlichen Ordnung gesetzte Gebot, Ehe und Familie zu schützen. Regelmäßig fördern der Bestand und die Stärkung einer ehelichen oder familiären Beziehung des Gefangenen die Chancen seiner Eingliederung, wie umgekehrt die Bemühungen um Resozialisierung auch solchen Beziehungen zugute kommen. Unabhängig davon verlangt die Ehe aber auch dann Schutz im Strafvollzug, wenn sie zur Resozialisierung nicht beitragen kann. Allerdings stehen die Pflicht des Staates, die Ehe auch im Strafvollzug zu

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schützen, und die Erfordernisse des Strafvollzugs in einem Verhältnis wechselseitiger Beschränkung. Dies hat der Gesetzgeber erkannt (§§ 24, 25 StVollzG).
2. § 27 Abs. 1 Satz 1 StVollzG gestattet, Besuche des Gefangenen, ausgenommen Verteidigerbesuche (§ 27 Abs. 3 StVollzG), aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder der Ordnung der Anstalt zu überwachen.
a) Die in der Vollzugspraxis und auch in der fachgerichtlichen Rechtsprechung verbreitete Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, daß diese Bestimmung aus Gründen der Sicherheit auch die Trennscheibe als Mittel der Überwachung erlaubt, insbesondere um die nicht genehmigte Übergabe von Gegenständen (§ 27 Abs. 4 StVollzG) wirkungsvoll zu verhindern, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie ist nachvollziehbar, keineswegs willkürlich (vgl. BVerfGE 18, 85 [96]) und läßt auch eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte jedenfalls dann nicht erkennen, wenn es sich um eine schwerwiegende Gefährdung der Anstaltssicherheit handelt, die andernfalls nur mit Maßnahmen, die von den Betroffenen als noch einschneidender empfunden werden, oder gar mit der Untersagung des Besuchs (§ 25 Nr. 1 StVollzG) abgewendet werden könnte. Ob die Trennscheibe auch aus Gründen der Ordnung der Anstalt eingesetzt werden darf, ist hier nicht zu entscheiden.
b) Als Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) hat die Anordnung des Trennscheibeneinsatzes, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (vgl. etwa § 29 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StVollzG) konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer realen Gefährdung der Sicherheit der Anstalt zur Voraussetzung (vgl. zur Untersuchungshaft BVerfGE 35, 5 (9 f.); zur Strafhaft Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 5. Aufl., 1991, § 25 Rdnr. 1 und § 27 Rdnr. 4; Joester in: Alternativkommentar, StVollzG, 3. Aufl., 1990, § 25 Rdnr. 3 und § 27 Rdnr. 4 f.); sie unterliegt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
b 1) Die Erforderlichkeit der Besuchsüberwachung ist grundsätzlich für jeden einzelnen Besuch im Blick auf die jeweils gegebe

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ne Besuchssituation zu prüfen. Die Anordnung des Trennscheibeneinsatzes im Vorhinein für einen Zeitraum, in welchen mehrere Besuche derselben Person fallen können, kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn eine schnelle Änderung der gefahrenbegründenden Umstände ausgeschlossen erscheint. Das gilt auch für Besuche von Ehegatten.
b 2) Der längerfristige Einsatz der Trennscheibe oder ihr Einsatz im Anschluß an die vorangegangene Untersagung von Besuchen stellt bei Ehegatten einen besonders belastenden Grundrechtseingriff dar, weil die Trennscheibe die Begegnung der Ehegatten empfindlich beeinträchtigt. Daraus folgt, daß die zuständigen Behörden mit besonderer Sorgfalt Sicherheitsbedenken überprüfen und, wenn diese nicht ausgeräumt werden können, zu anderen annähernd gleich wirksamen, jedoch weniger einschneidenden Sicherungsvorkehrungen (etwa Durchsuchungen oder andere Formen der Überwachung) übergehen müssen, falls diese unter zumutbarer Inanspruchnahme der sachlichen und personellen Ausstattung der Anstalt darstellbar und auch mit dem Verhalten eines Gefangenen solchen Vorkehrungen gegenüber vereinbar sind.Bei der Auswahl unter gleich geeigneten Maßnahmen ist unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu beachten, welche davon von den Betroffenen als am wenigsten einschneidend empfunden wird.
II.
Der Beschluß des Landgerichts mit der vom Oberlandesgericht ausgesprochenen Maßgabe wird dem verfassungsrechtlichen Maßstab gerecht.
1. Das Landgericht ist - wie zuvor die Justizvollzugsanstalt Stuttgart - zu der Auffassung gelangt, daß das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers gegenüber Mitgefangenen und Vollzugspersonal, sein wiederholt bekundeter Wille zum Ausbrechen und die dabei bewiesene hohe Fähigkeit, dies auch zu bewerkstelligen, die Sicherheit der Anstalt berühren. Im Rahmen der ihm zustehenden Feststellung und Würdigung des Sachverhalts hat es sich der Auffassung der Justizvollzugsanstalt angeschlossen, daß in den Be

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suchen der Ehefrau eine Gefährdung der Anstaltssicherheit zu sehen sei, weil nach den Umständen die Befürchtung naheliege, daß sie ein abermaliges Ausbruchsunternehmen nicht nur durch die Übermittlung von Nachrichten sondern auch durch Einschleusung von Gegenständen unterstützen werde. Das Landgericht bezieht sich dabei auf die Gründe der Verfügung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Stuttgart vom 24. Februar 1989, auf den Bericht des Anstaltsleiters der Justizvollzugsanstalt Bruchsal über den dortigen Ausbruch, hinsichtlich der kriminellen Energie des Beschwerdeführers auch auf Urteile des Landgerichts Stuttgart vom 8. Juni 1984 und 5. Dezember 1986 sowie auf die Darlegungen des Beschwerdeführers hierzu. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landgericht aufgrund dieser ihm zustehenden Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 18, 85 [92]) die Verwendung der Trennscheibe gebilligt hat.
a) Das Landgericht hat die gesetzliche Grundlage für den Trennscheibeneinsatz in § 27 Abs. 1 StVollzG gefunden, da es die Maßnahme als Besuchsüberwachung wertet. Dies ist auch einleuchtend. Unschädlich ist, daß es die Bestimmungen des § 27 Abs. 1 und Abs. 4 StVollzG "in Verbindung mit § 4 StVollzG" anführt. Das Landgericht hat damit nicht die Generalklausel des § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG eingesetzt, um die besondere Regelung des Besuchsrechts zu überspielen.
b) Verfassungsrechtlichen Bestand hat die Entscheidung des Landgerichts auch unter dem Gesichtspunkt, daß von der Begegnung der Ehegatten eine reale Gefahr für die Anstaltssicherheit ausgehen muß. Es ist nachvollziehbar und einleuchtend, daß das Landgericht, gestützt auf das Verhalten des Beschwerdeführers und die Beurteilung der Ehefrau, konkrete Anhaltspunkte dafür erblickt hat, daß die Besuche ohne ausreichende Maßnahmen der Überwachung einem weiteren Ausbruchsversuch dienstbar gemacht werden könnten, mochten der seinerzeit auf die Ehefrau gefallene Verdacht letztlich auch nur vage und der Ablauf früherer- jedoch gleichfalls nicht unüberwacht durchgeführter - Besuche, worauf der Beschwerdeführer besonders abhebt, beanstandungsfrei geblieben sein.


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2. Im Ergebnis haben die Gerichte die Bedeutung des Eheschutzes (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht verkannt.
a) Das Landgericht hat unbeanstandet gelassen, daß die Justizvollzugsanstalt Stuttgart an der Verwendung der Trennscheibe für die Ehegattenbesuche des Beschwerdeführers allgemein und lediglich unter Inaussichtstellung einer Überprüfung nach ca. sechs Monaten festgehalten hat. Die dafür angestellte Erwägung rechtfertigt diese Entscheidung. Es hat sich - ebenso wie die Justizvollzugsanstalt - nicht der Einsicht verschlossen, daß es sich bei der Verwendung der Trennscheibe, bei einem Ehegattenbesuch um einen "ganz gravierenden Eingriff" handelt. Es stellt aber andererseits in Rechnung, daß der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, weiterhin die Trennscheibe zu verwenden, der ergebnislose Versuch vorangegangen war, das Gespräch mit der Ehefrau zu suchen, um andere Möglichkeiten einer Besuchsregelung zu erkunden. Der Beschwerdeführer hat sich einem solchen Vorgehen widersetzt, weil er, wie er in seiner Gegenäußerung mitteilt, der Anstalt Ausforschung und Gesinnungsschnüffelei unterstellt. Eine von der Ehefrau selbst ergriffene Initiative, die Verwendung der Trennscheibe zu erübrigen, ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
b) Zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß gibt allerdings die Entscheidung des Landgerichts insofern, als es die auch vom Beschwerdeführer ins Gespräch gebrachte Alternative seiner körperlichen Durchsuchung mit Wäsche- und Kleiderwechsel nach jedem Besuch seiner Ehefrau als die einschneidendere Maßnahme gegenüber der Trennscheibenanordnung bezeichnet, "zumal von verschärften Kontrollen vor und nach Besuchen auch die Ehefrau des Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen würde". Das Landgericht hat damit, dem oben dargelegten Maßstab (I. 2. b) b 2)*) nicht Rechnung getragen und dabei auch außer acht gelassen, daß Durchsuchungen der Ehefrau auch beim Einsatz der Trennscheibe stattfanden. Dieser verfassungsrechtliche Fehler führt indes nicht zur Feststellung einer Grundrechtsverletzung, weil er durch das Oberlandesgericht behoben worden ist. Das Oberlandesgericht hat seinem Beschluß die Maßgabe hinzugefügt, daß die Vollzugsanstalt

BVerfGE 89, 315 (327):

ihre nach § 27 Abs. 1 StVollzG getroffene Ermessensentscheidung im Hinblick auf den Schutz der Ehe (Art. 6 GG) und die noch nicht absehbare Dauer der Freiheitsentziehung zu überprüfen haben werde, sofern der Gefangene seine Bereitschaft erklären sollte, sich nach jedem Besuch seiner Ehefrau einer eingehenden Durchsuchung einschließlich Umkleidung zu unterziehen. Damit stand für die Beteiligten fest, daß es von Rechts wegen nicht bei der von der Anstalt angestellten Zumutbarkeitseinschätzung verbleiben könne, sondern daß der Wille der Betroffenen - mitgeteilt durch den Beschwerdeführer - zu berücksichtigen sei.
Mahrenholz, Böckenförde, Klein, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Sommer