BVerfGE 69, 188 - Betriebsaufspaltung


BVerfGE 69, 188 (188):

1. Die Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG (im Anschluß an BVerfGE 25, 28).
2. Es ist mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung von der -- wenn auch widerlegbaren -- Vermutung auszugehen ist, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen.
 


BVerfGE 69, 188 (189):

Beschluß
des Ersten Senats vom 12. März 1985
-- 1 BvR 571/81, 494/82 und 47/83 --
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I. der Eheleute E. ..., -- Bevollmächtigter: Prof. Dr. jur. Dr. rer. pol. Kuno.Barth, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Michaelstraße 22, Stuttgart-Degerloch -- gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Februar 1981 -- IV R 165-166/77 -- 1 BvR 571/81 -- ; II. der Frau I. ... gegen a) das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Februar 1981 -- VIII R 159/78 --, b) das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 24. Februar 1982 -- V 122/81 -- 1 BvR 494/82 -- ; III. 1. der Frau O. ..., 2. des Herrn O. ... -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Karl Siber, Alberstraße 12, Bremen l -- gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1982 -- I R 178/77 -- 1 BvR 47/83 -- .
 
Entscheidungsformel:
1. Die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5. Februar 1981 -- IV R 165-166/77 --, vom 24. Februar 1981 -- VIII R 159/78 -- und vom 10. November 1982 -- I R 178/77 -- sowie das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 24. Februar 1982 -- V 122/81 -- verletzen die Beschwerdeführer zu I., II. und III. 1. in ihren Grundrechten aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. 2. wird als unzulässig verworfen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern zu I., II. und III. 1. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich dagegen, daß der Bundesfinanzhof die Voraussetzungen für die Annahme einer sogenannten Betriebsaufspaltung wegen der ehelichen Verbindung der Beteiligten als erfüllt angesehen und deshalb die Besitzunternehmen als selbständige Gewerbebetriebe behandelt hat, die mit ihren Einkünften der Gewerbesteuer unterworfen sind.


BVerfGE 69, 188 (190):

I.
1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende inländische Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG --). Dazu bestimmt die Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung -- GewStDV -- in den insoweit übereinstimmenden Fassungen der Bekanntmachungen vom 30. Mai 1962 -- GewStDV 1961 -- (BGBl. I S. 373) und vom 22. Oktober 1969 -- GewStDV 1968 -- (BGBl. I S. 2037):
    § 1
    Gewerbebetrieb und stehender Gewerbebetrieb
    (1) Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Die Gewinnabsicht (das Streben nach Gewinn) braucht nicht der Hauptzweck der Betätigung zu sein. Ein Gewerbebetrieb liegt, wenn seine Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn das Streben nach Gewinn (die Gewinnabsicht) nur ein Nebenzweck ist.
    (2) ...
Demgegenüber begründet die Vermögensverwaltung regelmäßig keinen Gewerbebetrieb. Dazu enthielt die Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung in den für die Ausgangsverfahren maßgebenden Jahren folgende Vorschrift:
    § 9
    Vermögensverwaltung
    Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt, unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.
Dieser inzwischen aufgehobenen Bestimmung entspricht jetzt inhaltlich § 14 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 613).
2. Danach ist die Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken und beweglichem Betriebsvermögen grundsätzlich keine

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gewerbliche Tätigkeit. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für die Fälle der echten und unechten Betriebsaufspaltung.
a) Bei der echten Betriebsaufspaltung handelt es sich um die Aufspaltung eines bisher einheitlichen, als Einzelunternehmen oder in der Form einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens. Das bisherige Unternehmen (Besitzunternehmen) überträgt die Produktion oder den Vertrieb, meist beide zusammen, auf ein neu gegründetes Unternehmen (Betriebsunternehmen). Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundbesitz, die zu den wesentlichen Grundlagen des neuen Betriebs gehören, verbleiben aber bei dem Besitzunternehmen, das diese an das Betriebsunternehmen vermietet oder verpachtet. Bei der unechten Betriebsaufspaltung werden zwei selbständige -- gleichzeitig oder nacheinander -- errichtete Unternehmen in derselben Weise wie bei der echten Betriebsaufspaltung miteinander verbunden.
Neben diesen sachlichen Gegebenheiten ist für die Annahme einer Betriebsaufspaltung die personelle Verflechtung beider Unternehmen Voraussetzung (BFH, BStBl. 1970 II S. 17). Nach Auffassung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ist von einer solchen Verflechtung auszugehen, wenn die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben. Dieser trete zwar am klarsten zutage bei Beteiligung derselben Personen im gleichen Verhältnis an beiden Unternehmen. Es genüge aber, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschten, in der Lage seien, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. In diesem Fall stelle die Vermietung oder Verpachtung der wesentlichen Betriebsanlagen in der Verbindung mit der Beherrschung der Betriebsgesellschaft die Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens dar. Ob die Voraussetzungen vorlägen, sei nach den Verhältnissen des einzelnen Falles unter Anwendung eines strengen Maßstabes zu entscheiden (BStBl. 1972 II S. 63 [65]).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

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wird bei der Würdigung, ob eine Beherrschung des Betriebsunternehmens anzunehmen ist, die Beteiligung des Ehegatten des Besitzunternehmers bei diesem mitgezählt (BStBl. 1970 II S. 439). Entsprechend der Lebenserfahrung bestehe die -- widerlegbare -- Vermutung, daß Ehegatten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen verfolgten (BStBl. 1973 II S. 27 [28]).
II.
1. a) Die Beschwerdeführer zu I. sind Eheleute, die in den Streitjahren an sechs Geschäftsgrundstücken je zur Hälfte Miteigentümer waren. Die Grundstücke wurden an verschiedene Gesellschaften mit beschränkter Haftung vermietet, deren Stammkapital der Ehemann zu 100 Prozent hielt. Die Grundstücksgemeinschaft erklärte in Höhe der vereinnahmten Mieten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dagegen behandelte das Finanzamt diese Einkünfte als Gewinn aus Gewerbebetrieb, weil es von einer Betriebsaufspaltung zwischen der Grundstücksgemeinschaft und den Betriebsunternehmen ausging.
Nach der im Verfassungsbeschwerdeverfahren eingeholten Auskunft sind die für den Erwerb der Geschäftsgrundstücke aufgenommenen Bankkredite von den Beschwerdeführern aus den von den Betriebsunternehmen gezahlten Mieten getilgt worden. Soweit diese nicht ausgereicht hätten, seien andere Einkünfte, unter anderem Dividendenausschüttungen, dafür verwandt worden.
b) Die Einsprüche und Klagen gegen die Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheide hatten keinen Erfolg.
Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück (BStBl. 1981 II S. 376).
Bei Anteilen von Ehegatten an einer Betriebsgesellschaft gelte nach der Lebenserfahrung die widerlegbare Vermutung, daß sie ihre Rechte aufgrund von gleichgerichteten Interessen einheitlich ausübten. Es seien keine durchschlagenden Gründe erkennbar, daß dies nicht ebenso oder noch mehr bei einer Beteiligung von Ehegatten an einem Besitzunternehmen zu gelten habe. Dabei

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könne offenbleiben, ob die Anteile der Ehegatten im Fall einer Betriebsaufspaltung immer zusammenzurechnen seien, wenn die Vermutung durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht widerlegt werde. Eine Zusammenrechnung könne jedenfalls dann vorgenommen werden, wenn die Ehegatten -- wie im Streitfall -- die Besitzverhältnisse von vornherein in der Weise gestaltet hätten, daß nur einer von ihnen an den einzelnen Betriebsgesellschaften beteiligt sei, während die dazugehörigen Betriebsgrundstücke den Ehegatten je zur Hälfte gehörten und dem Ehegatten, der keine Anteile an den Betriebsgesellschaften erworben habe, eine Stimmenmehrheit in dem Besitzunternehmen nicht eingeräumt worden sei. Hinzu komme die von den Beschwerdeführern bestätigte konfliktfreie Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse. Daraus sei zu schließen, daß weder der Inhaber der Betriebsunternehmen Grund gehabt habe, an der Durchsetzbarkeit seines geschäftlichen Betätigungswillens in der Besitzgesellschaft zu zweifeln, noch im Lauf der Jahre tatsächliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Willens aufgetreten seien. In einem derartigen Fall gehörten die Anteile der Ehegatten an der Besitzgesellschaft weniger aufgrund ihrer engen Lebensgemeinschaft als vielmehr wegen ihrer gleichgerichteten Interessen zusammen, die sich aus ihren gemeinsamen geschäftlichen Dispositionen ergäben. Die Verflechtung der Grundstücksgemeinschaft mit den Betriebsgesellschaften habe den Beschwerdeführern ein gemeinsames Handeln geboten, so daß die hinter den Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen hätten. Art. 6 Abs. 1 GG sei schon deshalb nicht verletzt, weil die Willensidentität nicht aus der ehelichen Verbindung der Beschwerdeführer hergeleitet werde.
2. a) Die Beschwerdeführerin zu II. ist Eigentümerin eines Fabrikgrundstücks, das an eine GmbH vermietet ist. An der Gesellschaft waren in den Streitjahren die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann zu je 31,5 Prozent und der volljährige Sohn mit 37 Prozent beteiligt. Die Beschwerdeführerin war Prokuristin, ihr Ehemann Geschäftsführer der Firma. Die Beschwerdeführerin

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erklärte ihre Einnahmen aus der Überlassung des Grundstücks an die GmbH als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dagegen behandelte das Finanzamt diese im Anschluß an eine Betriebsprüfung als Gewinn aus Gewerbebetrieb.
Während der Einspruch erfolglos blieb, hatte die Klage der Beschwerdeführerin Erfolg. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs sei eine Betriebsaufspaltung gegeben, wenn die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen beherrschten, ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen könnten. Das könne hier nicht angenommen werden; denn die Beteiligung der Beschwerdeführerin an der GmbH habe unter 50 Prozent gelegen, und im übrigen sei sie nur Prokuristin gewesen. Es sei grundsätzlich unzulässig, die Ehegatten als Einheit zu behandeln. Der Bundesfinanzhof habe zwar die Ansicht vertreten, daß von einer wirtschaftlich gleichgerichteten Interessenlage bei Ehegatten auszugehen sei. Dies habe aber schon in den Streitjahren nicht mehr der sozialen Wirklichkeit entsprochen.
b) Auf die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof das Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen (BStBl. 1981 II S. 379).
Anteile von Ehegatten seien bis zur Widerlegung der Vermutung ihrer identischen Geschäftsinteressen zusammenzurechnen. Diese Vermutung knüpfe nicht an die Ehe als solche, sondern an die Lebenserfahrung an, daß zwischen Eheleuten enge persönliche Bindungen bestünden, die eine Übereinstimmung in wirtschaftlichen Fragen erwarten ließen. Führe die Zusammenrechnung zu einem Mehrheitsverhältnis der Ehegatten in der Betriebsgesellschaft, dann sei eine personelle Verflechtung mit dem Besitzunternehmen auch dann gegeben, wenn dieses nur einem Ehegatten gehöre.
c) Die Beschwerdeführerin hat nach Zurückverweisung vorgetragen, es sei geplant worden, den Betrieb der GmbH auf deren Grundstücke zu verlegen, ohne daß sie in der Lage gewesen wäre, ihre entgegenstehenden Vermieterinteressen durchzusetzen.

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Das Vorhaben sei dann aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt worden, beweise aber, daß ihre Interessen und die ihres Ehemannes durchaus nicht gleichgerichtet gewesen seien. Das Finanzgericht hielt die Vermutung dennoch nicht für widerlegt und wies die Klage ab. Dagegen hat die Beschwerdeführerin nicht erneut Revision eingelegt.
Die Beschwerdeführerin hat im Verfassungsbeschwerdeverfahren mitgeteilt, sie habe für den Ankauf des Fabrikgrundstücks Darlehen von Verwandten und Bekannten erhalten. Die Rückzahlung sei aus ihren Miet- und Pachteinnahmen erfolgt.
3. a) Der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin zu III. 1. betrieb als Einzelunternehmen eine Klempnerei und Installation. 1969 gründete er zusammen mit dem Prokuristen seines Einzelunternehmens eine GmbH, deren Gegenstand der Bau von Rohrleitungen, Heizungs- und Sanitäranlagen ist. Von dem Stammkapital von 50 000 DM übernahm er 49 000 DM. Ende 1970 gründeten die GmbH, die Beschwerdeführerin und die beiden volljährigen Kinder eine GmbH & Co. KG. Die GmbH wurde die persönlich haftende Gesellschafterin; eine Einlage wurde von ihr nicht geleistet. Die drei übrigen Gesellschafter wurden Kommanditisten mit Einlagen von 50 000 DM. Nach dem Gesellschaftsvertrag obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der KG der GmbH. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jeder Gesellschafter hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Komplementärin. Der Verstorbene überließ durch einen weiteren Vertrag der KG das gesamte Umlaufvermögen seines Einzelunternehmens gegen Zahlung eines bestimmten Betrages. Die KG übernahm die dem Umlaufvermögen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens. Gleichzeitig wurde das gesamte Anlagevermögen (Grundstücke, Werkstatt mit Einrichtung, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Kraftfahrzeuge und geringwertige Wirtschaftsgüter) gegen eine umsatzabhängige Pacht von 7 Prozent an die KG verpachtet.


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Die Beschwerdeführerin hat im Verfassungsbeschwerdeverfahren angegeben, daß sie die Mittel für den Erwerb ihres Kommanditanteils von ihrem verstorbenen Ehemann geschenkt bekommen habe.
Das Finanzamt nahm eine Betriebsaufspaltung als gegeben an und setzte für das Streitjahr die Gewerbesteuervorauszahlung des Einzelunternehmens fest.
b) Einspruch, Klage und Revision hatten keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof sah in der Verpachtung des gesamten Anlagevermögens des Einzelunternehmens an die KG eine gewerbliche Tätigkeit (BStBl. 1983 II S. 136).
Die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung habe die Rechtsprechung zwar an Sachverhalten entwickelt, in denen das Betriebsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und das Besitzunternehmen als Personengesellschaft geführt worden seien. Das gleiche gelte aber, wenn das Betriebsunternehmen eine Personengesellschaft und das Besitzunternehmen ein Einzelunternehmen sei. Im übrigen könne auch eine mittelbare Beteiligung den für die Betriebsaufspaltung maßgeblichen Einfluß auf das Betriebsunternehmen sichern.
Die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung seien erfüllt, weil die an die KG verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen ihres Betriebs gehörten. Die personellen Voraussetzungen lägen gleichfalls vor; denn der Alleininhaber des Besitzunternehmens könne über die von ihm zu 98 Prozent beherrschte GmbH seinen Willen im Betriebsunternehmen durchsetzen. Zwar habe die GmbH nur eine Stimme gegenüber den drei Stimmen der Kommanditisten. Die Stimme der Beschwerdeführerin sei jedoch der ihres Ehemannes zuzurechnen. Dies beruhe nicht auf patriarchalischen Grundsätzen, sondern auf der Erfahrung, nach der Ehegatten gemeinsame wirtschaftliche Interessen verfolgten.
Abgesehen davon, daß der Ehemann Geschäftsführer der GmbH sei, der die Geschäftsführung der KG obliege, gebe nach dem Gesellschaftsvertrag bei Stimmengleichheit die Stimme der

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GmbH als Komplementärin den Ausschlag. Durch die Zurechnung der Stimme der Beschwerdeführerin zu der ihres Mannes sei daher gesichert, daß dieser seinen geschäftlichen Willen im Betriebsunternehmen durchsetzen könne.
c) Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist während des Revisionsverfahrens gestorben und wurde von der Beschwerdeführerin allein beerbt. Sie hat das Besitzunternehmen auf ihren Sohn -- den Beschwerdeführer zu III. 2. -- übertragen.
III.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer vorrangig eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
1. Für die Gewerbesteuerpflicht eines sogenannten Besitzunternehmens gebe es keine gesetzliche Grundlage. Die Annahme einer gewerblichen Betätigung beruhe vielmehr auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung. Dabei verstoße es gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wenn der Bundesfinanzhof die konfliktfreie Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse zwischen Ehegatten zum Anlaß nehme, an die Ehe wirtschaftlich nachteilige Rechtsfolgen zu knüpfen (Beschwerdeführer zu L), wenn er wegen der Vermutung gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen von Ehegatten ihre Gesellschaftsanteile zusammenrechne (Beschwerdeführerin zu II.) oder wenn er bei der Beurteilung der Durchsetzbarkeit von Beschlüssen in einer Gesellschafterversammlung die Stimme der Ehefrau der ihres Ehemannes zurechne (Beschwerdeführerin zu III. 1.). Die Begründung des Bundesfinanzhofs, es liege kein Verfassungsverstoß vor, weil nicht an die Ehe als solche, sondern an eine mit der Institution der Ehe verbundene Lebenserfahrung angeknüpft werde, mute sophistisch an. Die Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen, sei in einer intakten Ehe rein theoretisch und führe zu einem mit der Menschenwürde unvereinbaren Eindringen in die Intimsphäre der Ehegatten. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stehe auch

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in einem erkennbaren Gegensatz zu der Auffassung des Gesetzgebers. Dieser habe mit dem Steuerrechtsänderungsgesetz 1965 bei der in § 17 EStG geregelten Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit wesentlicher Beteiligung die Zusammenrechnung der Anteile von Angehörigen mit der Begründung aufgehoben, es entspreche nicht mehr der Lebenserfahrung, daß familienverbundene Personen in der Regel die gleichen Interessen verträten.
Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur bei Ehegatten und nicht bei befreundeten Unverheirateten von einer Betriebsaufspaltung ausgegangen werde. Der Gleichheitssatz sei auch deshalb verletzt, weil das Steuerrecht Möglichkeiten vorsehe, die es -- anders als bei der Betriebsaufspaltung -- einem Ehegatten gestatteten, dem Unternehmen seines Ehepartners Grundstücke zur Verfügung zu stellen, ohne daß die dafür gezahlten Entgelte der Gewerbesteuer unterlägen.
Der Bundesfinanzhof habe mit seiner Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung, die in einem ständigen Wandel begriffen und nicht mehr vorhersehbar sei, die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Hinzu komme, daß bei der Anwendung der neu entwickelten Rechtsgrundsätze auf die Fälle der Beschwerdeführer, bei denen nach der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung nicht vorgelegen hätten, ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zu sehen sei.
2. Die Beschwerdeführer zu III. rügen zusätzlich eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Der für die Revision zuständige Senat des Bundesfinanzhofs habe nach einer ersten mündlichen Verhandlung, offensichtlich wegen einer beabsichtigten Abweichung von der Rechtsprechung der übrigen mit der Betriebsaufspaltung befaßten Senate, bei diesen angefragt. Die darauf eingegangenen Stellungnahmen seien dem Prozeßbevollmächtigten nicht zugänglich gemacht worden. Darin sowie in der Unterlassung der Anrufung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs

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sehen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden hat namens der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen Stellung genommen. Daneben hat sich zu der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu I. das Finanzministerium Baden-Württemberg geäußert.
1. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
Das Bundesverfassungsgericht habe bereits grundsätzlich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung als verfassungsmäßig bestätigt (BVerfGE 25, 28). Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf dieser, durch den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BStBl. 1972 II S. 63) konkretisierten Rechtsprechung. Es werde auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise und darauf abgestellt, ob die hinter den Besitz- und Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen hätten. Bei den Beschwerdeführern zu I. hätte der Ehemann wegen seiner starken Stellung als Alleingesellschafter der Betriebsunternehmen und als Mitgesellschafter des Besitzunternehmens die Koordinierung einer einheitlichen geschäftlichen Betätigung in gleicher Weise gegenüber einem fremden Miteigentümer durchsetzen können. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beruhe daher nicht auf der widerlegbaren Vermutung von gleichgerichteten Interessen zwischen Ehegatten, sondern auf der konfliktfreien Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse und damit auf einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Gegebenheiten. Diese lägen auch den angegriffenen Entscheidungen in den Fällen der Beschwerdeführerin zu II. und der Beschwerdeführer zu III. zugrunde. Nach den Feststellungen der Finanzgerichte habe die Beschwerdeführerin zu II. den von ihrem Ehemann allein oder zusammen mit ihrem Sohn getroffenen Dispositionen ausdrücklich oder stillschweigend zu

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gestimmt, weil sie nach ihrer Ansicht über zu geringe wirtschaftliche Erfahrungen verfügt habe. Der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin zu III. 1. habe nach den Ausführungen im finanzgerichtlichen Urteil dem Gesamtunternehmen das wirtschaftliche Gepräge gegeben. Die Kommanditisten einschließlich der Beschwerdeführerin hätten die Geschäftsführung des Verstorbenen gebilligt, denn sie hätten seinen geschäftlichen Fähigkeiten vertraut. Bei vergleichbaren Sachverhalten sei es nicht ausgeschlossen, daß die Anteile von unverheirateten Geschäftspartnern zusammengerechnet würden.
Verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 6 Abs. 1 GG bestünden selbst gegen die vom Bundesfinanzhof aufgestellte Vermutung nicht; denn diese knüpfe nicht unmittelbar an die Ehe, sondern vielmehr an die Lebenserfahrung an, nach der die wirtschaftlichen Interessen von Ehegatten gleichgerichtet seien. Dabei bestehe für die Gerichte die Pflicht, von Amts wegen auch solche Tatsachen zu ermitteln, die zur Widerlegung der Vermutung führen könnten.
Aus der Änderung des früheren § 17 EStG sei nicht auf die Verfassungswidrigkeit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung zu schließen. Die gesetzliche Regelung über die Zusammenrechnung der Anteile von Angehörigen sei eine (unwiderlegbare) Fiktion gewesen, wobei die rechtliche Ausgangslage bei der Betriebsaufspaltung einerseits und bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Fall von wesentlicher Beteiligung andererseits nicht vergleichbar sei.
Schließlich könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ehe Anknüpfungspunkt nachteiliger wirtschaftlicher Rechtsfolgen sein, soweit die Ehe damit nicht diskriminiert werde. Von einer Diskriminierung könne aber bei der widerlegbaren Vermutung nicht ausgegangen werden.
Die Urteile hielten sich in den Grenzen, die dem Richter bei der Auslegung von Gesetzen durch das Gewaltenteilungsprinzip gezogen seien, und verstießen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot.


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2. Auch das Finanzministerium von Baden-Württemberg ist mit dem Bundesminister der Finanzen der Ansicht, daß die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu I. unbegründet sei. Werde in Fällen wie dem der Beschwerdeführer allein auf die formalen Beteiligungsverhältnisse abgestellt, so könnten die Unternehmensgewinne durch bewußte Zweckgestaltung im Familienbereich -- in erheblichem Ausmaß der Besteuerung nach dem Gewerbesteuergesetz entzogen werden.
 
B. -- I.
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu III. 1. ist zulässig, die des Beschwerdeführers zu III. 2. ist unzulässig.
1. Die Beschwerdeführerin ist als Alleinerbin ihres Ehemannes, gegen den sich der Steuerbescheid richtete, nach § 45 AO 1977 sachlich-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Verstorbenen eingetreten (BFH, BStBl. 1978 II S. 383). Stirbt ein Beschwerdeführer, so können seine Erben die Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann fortführen, wenn es sich um finanzielle Ansprüche handelt (vgl. BVerfGE 26, 327 [332]). Entsprechend ist die Erhebung der Verfassungsbeschwerde durch die Beschwerdeführerin als zulässig anzusehen.
2. Der Beschwerdeführer zu III. 2., dem das Besitzunternehmen von der Beschwerdeführerin zu III. 1. übertragen wurde, kann abgabenrechtlich als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Da sein Vater als ursprünglicher Steuerschuldner erst während des Revisionsverfahrens verstorben ist, hätte der Beschwerdeführer am Verfahren nicht beteiligt werden können, denn Beiladungen sind gemäß § 123 FGO im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Daraus folgt aber die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde besteht nur, wenn ein Beschwerdeführer durch die von ihm angegriffene gerichtliche Entscheidung unmittelbar rechtlich betroffen und damit beschwert ist (vgl. BVerfGE 30, 112 [123]). Diese Voraussetzung ist bei dem Beschwerde

BVerfGE 69, 188 (202):

führer nicht gegeben. Davon abgesehen steht ihm gegebenenfalls der Rechtsweg gegen den Haftungsbescheid offen (§ 348 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 40 FGO).
II.
Im übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig. Das gilt auch für die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu II. Diese hat zwar gegen die Entscheidung des Finanzgerichts keine Revision eingelegt und insoweit nicht den Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Hier kann jedoch die erneute Anrufung des Bundesfinanzhofs nicht gefordert werden, weil dies für die Beschwerdeführerin nicht zumutbar erscheint. Die enge sachliche Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen hatte der Bundesfinanzhof bereits abschließend bejaht. Er hatte dem Finanzgericht auch die Rechtsgrundsätze vorgegeben, die für die Beurteilung der personellen Verflechtung maßgebend waren. Soweit das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gekommen ist, die Beschwerdeführerin habe nicht widerlegt, daß ihr Ehemann und sie gleichgerichtete Interessen verfolgten, beruht dies auf den tatsächlichen Feststellungen, an die der Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 fGO gebunden ist. Danach konnte die Beschwerdeführerin von der Durchführung eines Revisionsverfahrens kein für sie günstiges Ergebnis erwarten (vgl. BVerfGE 56, 363 [380]).
 
C.
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind begründet. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung überschreitet zwar nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung; jedoch verletzen die angegriffenen Urteile die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
I.
1. Das Bundesverfassungsgericht ist bereits in einer früheren

BVerfGE 69, 188 (203):

Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, daß gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung keine rechtsstaatlichen Bedenken bestehen (BVerfGE 25, 28 [40]). Dabei war allerdings über die Verfassungsbeschwerde von zwei Gesellschaftern zu entscheiden, die sowohl an dem Betriebs- als auch an dem Besitzunternehmen je zur Hälfte beteiligt waren. Inzwischen hat sich die Rechtsprechung weiterentwickelt. So hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs entschieden (BStBl. 1972 II S. 63), es sei im Fall einer echten oder einer sogenannten unechten Betriebsaufspaltung für die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nicht Voraussetzung, daß an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen bestünden.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe und Befugnis der Gerichte zur richterlichen Rechtsfortbildung stets bejaht (vgl. BVerfGE 34, 269 [287 f.]; 49, 304 [318], jeweils m.w.N.). Rechtsfortbildung war in der deutschen Rechtsgeschichte nicht nur seit jeher eine anerkannte Funktion der Rechtsprechung; sie ist im modernen Staat geradezu unentbehrlich. Gewichtige Regelungen des gegenwärtigen bürgerlichen wie öffentlichen Rechts beruhen auf ihr. Das geltende Recht -- vgl. § 11 Abs. 4 FGO -- anerkennt sie zumal für die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 65, 182 [190 f.]). Der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist es insbesondere nicht von vornherein verwehrt, im Wege der Rechtsfortbildung veränderten wirtschaftlichen Situationen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 18, 224 [241]), zumal Unternehmer und ihre Berater immer um die jeweils steuerlich günstigste Gestaltung bemüht sein werden, solange es keine wirklich rechtsformunabhängige Unternehmensbesteuerung gibt (vgl. Knobbe-Keuk, Die Betriebsaufspaltung -- ein "Rechtsinstitut"?, in: StbJb. 1980/81, S. 335 [355]).
In der Literatur ist dem Bundesfinanzhof vorgehalten worden, er habe unter Überschreitung der richterlichen Kompetenz einen neuen Gewerbesteuertatbestand geschaffen (Roellecke, Rechtsstaatliche Grenzen der Steuerrechtsprechung am Beispiel der Be

BVerfGE 69, 188 (204):

triebsaufspaltung, in: Festschrift für Duden, S. 481 ff.; Knobbe-Keuk, a.a.O., S. 349). Weder das Gewerbesteuergesetz noch das Einkommensteuergesetz gäben eine allgemeine Handhabe, die Einkünfte des Besitzunternehmens der Gewerbesteuer zu unterwerfen (Roellecke, a.a.O., S. 498); die wirtschaftliche Betrachtungsweise dürfe allein keine gesetzliche Grundlage für eine Besteuerung sein (Roellecke, a.a.O., S. 494); im Ergebnis erspare sich die Rechtsprechung durch die Annahme einer Betriebsaufspaltung den Nachweis einer Steuerumgehung im Einzelfall (Roellecke, a.a.O., S. 498 f.; Knobbe-Keuk, a.a.O.).
Die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung wären aber erst dann überschritten, wenn die gesetzliche Regelung, an welche die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung anknüpft, nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließend gestaltet wäre und die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens dazu in Widerspruch stünde (vgl. BVerfGE 65, 182 [191]). Das ist indessen nicht der Fall.
§ 2 Abs. 1 GewStG enthält keine Definition des Gewerbebetriebs. Nach der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 9) ist unter der Voraussetzung einer selbständigen nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, von einem Gewerbebetrieb auszugehen, es sei denn, es handele sich um Land- und Forstwirtschaft, um selbständige Arbeit oder um Vermögensverwaltung. Diese Tatbestandselemente sind auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. So ist auch der Begriff der Gewinnerzielungsabsicht weder im Einkommensteuergesetz noch im Gewerbesteuergesetz oder in der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung definiert. Eine Legaldefinition des Begriffsbestandteils "Gewinn" ist erstmalig in § 15 Abs. 2 Satz 2 EStG 1984 dahingehend enthalten, daß eine durch die Betätigung im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG 1984 verursachte Minderung der Steuern vom Einkommen kein Gewinn im Sinne der Abgrenzungsmerkmale des Gewerbebetriebs ist. Außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 15 Abs. 2

BVerfGE 69, 188 (205):

EStG 1984 hat deshalb der Bundesfinanzhof den Begriff der Gewinnerzielungsabsicht selbst entwickelt (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs, BStBl. 1984 II S. 751 [766]).
Auch die Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit von der reinen Vermögensverwaltung bei der Betriebsaufspaltung stellt eine grundsätzlich zulässige richterliche Rechtsfortbildung dar, zumal nach § 21 Abs. 3 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen sind, soweit sie zu diesen gehören (vgl. BVerfGE 25, 28 [29]).
II.
Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht nur vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten gesetzlichen Differenzierung gelangen (BVerfGE 58, 369 [374]). Eine gesetzliche Regelung, die bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung von einer -- wenn auch widerlegbaren -- Vermutung ausginge, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen, wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Das gleiche muß daher für die vom Bundesfinanzhof im Wege der Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV, § 14 Satz 3 AO 1977 aufgestellte Vermutung gelten.
1. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG verbieten es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme -- hier die Aufstellung der Vermutung durch den Bundesfinanzhof -- den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widersprechen und damit nicht

BVerfGE 69, 188 (206):

als Diskriminierung der Ehe anzusehen sein (vgl. BVerfGE 28, 324 [347] m.w.N.).
a) Wie der Bundesfinanzhof ausgeführt hat, ist Rechtsprätendent bei Steueransprüchen die den Steuergläubiger repräsentierende Behörde. Sie trägt die objektive Beweislast für die Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Steueranspruch geltend machen zu können; der in Anspruch genommene Steuerpflichtige trägt sie hingegen für Tatsachen, die Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen begründen oder den Steueranspruch aufheben oder einschränken (BFH, BStBl. 1971 II S. 220 [224]). Soweit der gemeinsame geschäftliche Betätigungswille von Vertragspartnern die Grundlage für die Annahme einer engen personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bildet und diese zur Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens führt, stellt die identische Willensrichtung eine Tatsache dar, von der die Erhebung der Gewerbesteuer abhängt. Durch die vom Bundesfinanzhof aufgestellte Vermutung wird bei Ehegatten im Zusammenhang mit der Entscheidung über das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung die Feststellungslast für das Entstehen des Gewerbesteueranspruchs umgekehrt. Daraus folgt aber eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Ehegatten gegenüber Nichtverheirateten. Während nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens aufgrund einer Vermutung gleichgerichteter Interessen eintritt, wenn es sich um Vertragspartner handelt, die nicht verheiratet sind, führt diese bei Beteiligung von Ehegatten zur Gewerbesteuerpflicht. Die eheliche Verbindung wirkt sich mithin wegen der -- zwar widerlegbaren -- Vermutung als steuerbegründender Tatbestand aus. Das nahe persönliche Verhältnis zwischen Ehegatten ist aber kein zureichender Grund, um ohne weiteres eine Betriebsaufspaltung annehmen zu können, zumal gemeinsame wirtschaftliche Interessen durchaus bei anderen Personen vorliegen können, die zusammenleben und bei denen die sachlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsaufspaltung gegeben wären (vgl. BVerfGE

BVerfGE 69, 188 (207):

16, 203 [208 f.]). Dabei ist die Verpflichtung der Finanzämter und der Finanzgerichte, von Amts wegen auch Umstände zu berücksichtigen, die für die Ehegatten günstig sind (§ 88 Abs. 2 AO, § 76 FGO), nicht ausreichend um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.
b) Eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung ist nicht deshalb möglich, weil die vom Bundesfinanzhof aufgestellte widerlegbare Vermutung nicht auf der Ehe als solcher, sondern auf der Lebenserfahrung beruhen soll, nach der zwischen Ehegatten derartige Bindungen bestünden, die eine Übereinstimmung bei wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen erwarten ließen. Für die Bildung dieses Erfahrungssatzes hat der Bundesfinanzhof allein auf das Institut der Ehe abgestellt, ohne daß weitere konkrete Umstände hinzutreten müssen. Dementsprechend ist es für das steuerrechtliche Ergebnis ohne Relevanz, ob die Vermutung unmittelbar an die Ehe anknüpft oder ob die Lebenserfahrung zwischengeschaltet wird (zum Verhältnis der Situation, die für einen Anscheinsbeweis als genügend bestimmt wird, und der Last des Gegenbeweises: vgl. Blomeyer, Beweislast und Beweiswürdigung im Zivil- und Verwaltungsprozeß, in: Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentags, München/Berlin 1966, Bd. I [Gutachten] Teil 2 A, S. 31).
Wie der Bundesminister der Finanzen ausgeführt hat, ist zwar die allgemeine Lebenserfahrung eine für die zutreffende Verknüpfung und Beurteilung einzelner Tatsachen in der Rechtsprechung unentbehrliche Grundlage. Es ist jedoch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, wenn Ehegatten -- im Gegensatz zu anderen Vertragspartnern -- gezwungen werden, eine allein aus der Eheschließung abgeleitete Lebenserfahrung zu widerlegen, um die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens auszuräumen (vgl. auch BVerfGE 29,104 [118]).
III.
Es ist von Verfassungs wegen allerdings nicht geboten, bei der Feststellung der engen personellen Verflechtung zwischen Besitz-

BVerfGE 69, 188 (208):

und Betriebsunternehmen die Tatsache der ehelichen Verbindung der Beteiligten völlig außer acht zu lassen. So können es die konkreten Umstände des Einzelfalls durchaus rechtfertigen, Anteile der Ehefrau an einem Unternehmen denen des Ehemannes wie eigene Anteile zuzurechnen (oder umgekehrt). Dem Gedanken der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft, wie er den Instituten des Versorgungsausgleichs, des Zugewinnausgleichs und im Bereich des Steuerrechts dem Splittingverfahren zugrunde liegt (vgl. BVerfGE 61, 319 [346]), würde es widersprechen, bei Ehegatten schlechthin davon auszugehen, ihre Eheschließung erleichtere keine steuerlich günstige Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und deshalb seien sie ausnahmslos wie Ledige zu behandeln. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, in diesem Zusammenhang auf mögliche Fallgestaltungen einzugehen (vgl. dazu Schmidt, DStR 1979, S. 699 [702]). Wenn aber zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vorliegen, die für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen sprechen, wäre der Einwand unbegründet, Verheiratete seien gegenüber Ledigen schlechter gestellt; denn insoweit folgt die Differenzierung der Verheirateten im Verhältnis zu Ledigen nicht aus einer Lebenserfahrung, die an die Ehe anknüpft, sondern ergibt sich aufgrund von konkreten Anhaltspunkten, die für eine enge Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten im Einzelfall sprechen.
IV.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung bei Ehegattenbeteiligung. So hat der Bundesfinanzhof im Fall der Beschwerdeführerin zu II. klar darauf abgestellt, daß für die Beantwortung der Frage nach dem Herrschaftsverhältnis bei einer Betriebsaufspaltung bis zur Widerlegung der Vermutung vom Bestehen gleichgerichteter Interessen von Ehegatten deren Anteile zusammenzurechnen seien. Bei dem verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin zu III. 1.

BVerfGE 69, 188 (209):

wurde deren Stimme gleichfalls aufgrund der Vermutung der des Verstorbenen zugerechnet und auf diese Weise die enge personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen hergestellt. Schließlich ist im Fall der Beschwerdeführer zu I. nicht auszuschließen, daß die Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf der Ehegattenrechtsprechung beruht; denn auch hier wird in den Entscheidungsgründen ausführlich auf die Vermutung eingegangen und schließlich nur offengelassen, ob Anteile der Ehegatten im Falle der Betriebsaufspaltung generell immer dann zusammenzurechnen seien, wenn die erwähnte Vermutung durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht widerlegt sei.
Da bereits wegen der mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die angegriffenen Urteile aufzuheben und die Sachen an den Bundesfinanzhof zurückzuverweisen waren (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), erübrigt sich im Fall der Beschwerdeführerin zu III. 1. ein Eingehen auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
(gez.) Dr. Herzog Dr. Simon Dr. Katzenstein Dr. Niemeyer Dr. Heußner Dr. Henschel