BVerfGE 63, 131 - Gegendarstellung


BVerfGE 63, 131 (131):

1. In Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung, in denen über einen Anspruch auf Gegendarstellung in der Presse oder im Rundfunk abschließend entschieden wird, ist eine Richtervorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zulässig.
2. Es ist mit der Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn eine Gegendarstellung im Rundfunk nur innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden kann.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 8. Februar 1983
-- 1 BvL 20/81 --
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Hamburgischen Gesetzes zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980, soweit es sich auf § 12 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages bezieht -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Landgerichts Hamburg vom 29. Juli 1981 -- 74 O 235/81 -.


BVerfGE 63, 131 (132):

Entscheidungsformel:
Das Hamburgische Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 349) ist, soweit es sich auf § 12 Absatz 2 Satz 1 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsbl. S. 350) bezieht, insoweit mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, als eine Gegendarstellung spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn eine Gegendarstellung im Rundfunk nur innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden kann.
I.
Bis zum Jahre 1980 war Rechtsgrundlage für einen Gegendarstellungsanspruch eines von einer Sendung des Norddeutschen Rundfunks Betroffenen § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes vom 29. Januar 1965 (GVBl. S. 15), der für den Rundfunk entsprechend anzuwenden war (§ 11 Abs. 6). Nach § 11 Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes konnte der Betroffene eine Gegendarstellung verlangen, wenn sie dem verantwortlichen Redakteur oder dem Verleger "unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung" zugegangen war.
Am 20. August 1980 schlossen die Freie und Hansestadt Hamburg, das Land Niedersachsen und das Land Schleswig-Holstein einen neuen Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (Ham. GVBl. S. 350). Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat dem Staatsvertrag gemäß Art. 43 der Hamburgischen Verfassung zugestimmt (Art. 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag über den NDR vom 1. Dezember 1980

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[Ham. GVBl. S. 349] - NDR-StV). Nach Art. 4 dieses Gesetzes ist § 11 Abs. 6 des Hamburgischen Pressegesetzes außer Kraft getreten. An Stelle der bisherigen Regelung bestimmt nunmehr der NDR-Staatsvertrag:
    § 12 Gegendarstellung
    (1) ...
    (2) Die Gegendarstellung muß unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung schriftlich verlangt werden und von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein ...
    (3) - (6) ...
II.
1. In der Sendung "Tagesthemen", die vom NDR produziert und im Fernsehprogramm der ARD ausgestrahlt wird, wurde am 1. Juni 1981 ein Beitrag mit dem Titel "Türken in Bingen" gesendet. In diesem wurde unter anderem behauptet, der Türkisch-Islamische Kulturverein mit Sitz in Bingen gehöre zur Türk-Föderation in Frankfurt und werde von den türkischen Behörden als die Auslandsorganisation der kriminellen Terrororganisation MHP angesehen.
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V., forderte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12. Juni 1981 von der Antragsgegnerin, dem NDR - Anstalt des öffentlichen Rechts -, das Manuskript der Sendung an. Am 15. Juni 1981 wurde es ihr übermittelt. Mit Schreiben vom 22. Juni 1981 verlangte die Antragstellerin die Sendung einer Gegendarstellung. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab.
Die Antragstellerin beantragte darauf bei dem vorlegenden Gericht, im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin die Sendung der Gegendarstellung aufzugeben. Diesen Antrag nahm sie zurück, nachdem das Gericht auf Bedenken gegen den Erlaß hingewiesen hatte. Unter dem 9. Juli 1981 verlangte die Antragstellerin die Sendung einer geänderten Gegendarstellung. Als die Antragsgegnerin dies erneut ablehnte, be

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antragte die Antragstellerin am folgenden Tag, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, die dem Antrag beigefügte Gegendarstellung zu senden. Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung des Antrags unter Hinweis auf die Ausschlußfrist des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sowie die offenkundige Unrichtigkeit der Gegendarstellung.
2. Das Landgericht, das den Antrag für zulässig und begründet hält, sich jedoch am Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch die Regelung der Ausschlußfrist gehindert sieht, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
    ob § 12 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk vom 20. August 1980 in Verbindung mit dem Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk vom 1. Dezember 1980 insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist, als die Gegendarstellung spätestens innerhalb von 2 Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
Zur Begründung führt es aus:
Die von der Antragstellerin verlangte Gegendarstellung entspreche den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 NDR-StV, insbesondere sei sie nicht offenbar unrichtig; auch sei sie der Antragsgegnerin unverzüglich, nämlich ohne schuldhaftes Zögern zugeleitet worden. Maßgebend für den Beginn dieser Frist könne nur der Zeitpunkt der tatsächlichen oder möglichen Kenntniserlangung sein. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, daß sie erst am 11. Juni 1981 vom Inhalt der Sendung Kenntnis erlangt habe. Das erste Gegendarstellungsverlangen sei der Antragsgegnerin innerhalb von 14 Tagen zugeleitet worden. Daß die Zuleitung des zweiten, inhaltlich geänderten Verlangens erst mit Schreiben vom 9. Juli 1981 erfolgt sei, sei unschädlich, da die Antragstellerin diese binnen fünf Tagen nach der Äußerung der Bedenken des Gerichts vorgenommen habe. Unter diesen Voraussetzungen sei auch eine zweite Zuleitung

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noch als unverzüglich anzusehen. Die Antragstellerin habe indessen die Gegendarstellung nicht binnen zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt, so daß ihr Antrag wegen Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV zurückzuweisen wäre. Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung sei angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich. Sie sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
Der Gegendarstellungsanspruch sei eine Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie des Rechts der freien Meinungsäußerung. Angesichts des intensiven Einflusses der Massenmedien auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit und der Gefahr irreführender Berichterstattung erfordere die Achtung vor der individuellen Persönlichkeit, dem von einer Veröffentlichung Betroffenen in wirksamer Weise zu seiner Darstellung des Sachverhalts zu verhelfen. Unrichtige oder unvollständige Mitteilungen tangierten das "Recht auf Identität", das Recht, vor "Verfälschungen des Lebensbildes" geschützt zu werden, welches Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei. Das Recht auf Durchsetzung einer Gegendarstellung sei auch durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, da dieses Grundrecht das Recht verbürge, bei der Bildung der öffentlichen Meinung mitzuwirken.
§ 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV greife in unverhältnismäßiger und daher unzulässiger Weise in diese grundrechtlich garantierte Rechtsposition ein. Der von einer Sendung Betroffene müsse, wenn er nicht ausnahmsweise die Sendung selbst mitgeschnitten habe, zur Formulierung einer inhaltlich korrekten Gegendarstellung das Manuskript der Sendung anfordern. Bei einer anwaltlichen Beratung sei die Zweiwochenfrist bereits sehr knapp bemessen. Sofern der von einer Sendung Betroffene von deren Inhalt erst später erfahre, sei eine fristwahrende Zuleitung praktisch unmöglich. Dadurch, daß die gesetzliche Regelung einmal eine Ausschlußfrist von zwei Wochen festlege, ohne

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Spielraum für die Beurteilung des Einzelfalles zu lassen, zum anderen als maßgeblichen Anfangszeitpunkt denjenigen der Sendung, nicht der Kenntniserlangung, bestimme, werde die Verwirklichung des Gegendarstellungsanspruchs erheblich erschwert und in einer wesentlichen Zahl von Fällen gänzlich vereitelt. Zwar sei eine gesetzliche Einschränkung der betroffenen Grundrechte grundsätzlich zulässig. Im vorliegenden Fall entspreche die gesetzliche Regelung indessen nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für das Verhältnis von Grundrecht und einschränkendem Gesetz entwickelt habe. Sie stelle für den Betroffenen eine übermäßige Belastung dar, die durch das Interesse der Medien an der Aktualität der von ihnen verbreiteten Meldungen nicht gerechtfertigt werde. § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV falle auch aus dem Rahmen der übrigen landesrechtlichen Regelungen, die - wenn überhaupt - eine Ausschlußfrist von drei Monaten enthielten. Die zur Prüfung gestellte Regelung beachte nicht in ausreichendem Maße die grundrechtliche Bedeutung des Gegendarstellungsanspruchs. Es sei der Rundfunkanstalt zuzumuten, eine Gegendarstellung auch dann auszustrahlen, wenn sie sich auf eine länger als zwei Wochen zurückliegende Sendung beziehe. Sei hingegen eine Erwiderung mit Rücksicht auf die mangelnde Bedeutung der Sache für den Betroffenen und die Öffentlichkeit bereits nach kurzer Zeit nicht mehr aktuell, fehle es für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Kein geeignetes Korrektiv sei jedenfalls die hier vorgenommene formale Beschneidung des Entgegnungsrechts, die eine Einzelfallprüfung ausschließe. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß die geltenden Fristbestimmungen für das Gegendarstellungsrecht neben der Ausschlußfrist das Merkmal der "Unverzüglichkeit" enthielten. Hierdurch werde in der Regel dem Gegendarstellungsverlangen eine vor Ablauf der Ausschlußfrist liegende zeitliche Grenze gezogen. Im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV habe dieses Merkmal seine selbständige Bedeutung eingebüßt.


BVerfGE 63, 131 (137):

Weiterhin verstoße die fragliche Regelung gegen den Gleichheitssatz. Ein sachlich einleuchtender Grund für die unterschiedliche Regelung im Vergleich zu § 11 Abs. 2 Satz 5 des Hamburgischen Pressegesetzes sei nicht ersichtlich, obwohl beide Regelungen gleiche Sachverhalte beträfen. Zwar sei eine gewisse Differenzierung im Hinblick auf den flüchtigeren Charakter des gesprochenen im Vergleich zum geschriebenen Wort nicht von vornherein willkürlich. Eine Verkürzung der Ausschlußfrist auf weniger als ein Sechstel sei hingegen hierdurch nicht gerechtfertigt. Die fragliche Regelung verkürze somit den Gegendarstellungsanspruch und den ihn gewährleistenden Rechtsschutz im Verhältnis zur Presse und zu den anderen Rundfunkanstalten ohne sachliche Rechtfertigung.
III.
1. Für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich die Justizbehörde im Einvernehmen mit den Regierungen des Landes Niedersachsen und des Landes Schleswig-Holstein geäußert. § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Selbst wenn das Gegendarstellungsrecht eine verfassungsrechtlich gesicherte Rechtsposition sein sollte, halte sich die Regelung der Ausschlußfrist im Rahmen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums. Innerhalb der rechtlich zulässigen Möglichkeiten liege die Zweiwochenfrist zwar an der unteren Grenze; sie lasse aber eine sachgerechte Reaktion durchaus noch zu. Im übrigen entspreche eine kurze Frist gerade dem Sinn des Gegendarstellungsrechts, auf die Erstmitteilung möglichst bald zu reagieren. Schließlich sei wegen der Flüchtigkeit des Eindrucks von einer Sendung im Hörfunk oder Fernsehen eine kürzere Gegendarstellungsfrist im Vergleich zu der dauerhaften Wirkung einer Presseveröffentlichung angemessen.
Im übrigen werden in der Äußerung weitgehend dieselben Gesichtspunkte hervorgehoben wie in der Stellungnahme des NDR.


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2. Dieser hat ausgeführt:
Das Bundesverfassungsgericht habe im Lebach-Urteil (BVerfGE 35, 202) entschieden, daß bei einem Konflikt der Rundfunkfreiheit mit dem Persönlichkeitsschutz keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen könne. Im vorliegenden Fall müsse bei der vorzunehmenden Abwägung dem auf die Rundfunkfreiheit gestützten Aktualitätsgebot Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz zukommen. Die zeitliche Beschränkung des Gegendarstellungsrechts bewirke keinen intensiven Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen, zumal dieser auch nach Ablauf der Frist seine sonstigen zivilrechtlichen Ansprüche weiterverfolgen könne. Soweit die landesrechtlichen Regelungen des Gegendarstellungsrechts eine dreimonatige Ausschlußfrist vorsähen, komme dieser weder in der Praxis eine maßgebende Rolle zu, noch entspreche sie dem - auch verfassungsrechtlichen - Zweck des Gegendarstellungsrechts. Der diesem zugrunde liegende Gedanke des "audiatur et altera pars" setze einen Aktualitätsbezug zwischen Erstmitteilung und Gegendarstellung voraus, welcher nach drei Monaten nicht mehr gegeben sei. Die Rechtsprechung habe das in der Praxis weitaus wichtigere Merkmal der "Unverzüglichkeit" dahin ausgelegt, daß ein Gegendarstellungsersuchen in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der beanstandeten Sendung zugeleitet werden müsse. In § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sei der Versuch unternommen worden, die beiden bisherigen Fristen des Gegendarstellungsrechts zu "harmonisieren" und den Bedürfnissen der Praxis anzupassen. Durch diese "gesetzestechnische Vereinfachung" werde der oftmals kaum nachweisbare Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines Sendebeitrags rechtlich bedeutungslos. Es sei zwar nicht zu bestreiten, daß durch die Verkürzung der gesetzlichen Ausschlußfrist auf zwei Wochen die Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen gegen den NDR erschwert worden sei; verfassungsmäßige Rechte des Betroffenen würden indes hierdurch nicht beschnitten.


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Bei verschiedenen neueren Regelungen des Gegendarstellungsrechts im Rundfunkbereich sei versucht worden, die Diskrepanz zwischen dem Unverzüglichkeitserfordernis und der für die Praxis zu langen Ausschlußfrist von drei Monaten unter Berücksichtigung des Aktualitätserfordernisses zu lösen. Das saarländische Rundfunkgesetz sehe zwar neben dem Unverzüglichkeitserfordernis eine dreimonatige Ausschlußfrist vor, ordne jedoch nur eine 14tägige Aufbewahrungsfrist bei ausgestrahlten Sendungen zu Zwecken der Beweissicherung an, so daß die Durchsetzbarkeit einer zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemachten Gegendarstellung erheblich erschwert sei. Das rheinland-pfälzische Gesetz über einen Versuch mit Breitbandkabel vom 4. Dezember 1980 enthalte nur das Fristerfordernis der Unverzüglichkeit. Der Entwurf des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg sehe neben dem Erfordernis der Unverzüglichkeit eine Ausschlußfrist von lediglich sechs Wochen vor. In Frankreich gelte sogar nur eine Ausschlußfrist von acht Tagen. Schließlich sei in den Richtlinien der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft vom 26. Februar 1981 eine zehntägige Ausschlußfrist vorgeschrieben.
Davon abgesehen sei zu berücksichtigen, daß neben der unbestreitbaren Einschränkung des Gegendarstellungsrechts dem Betroffenen durch § 12 Abs. 3 Satz 3 NDR-StV eine presserechtlich einmalige Vergünstigung gewährt worden sei. Eine Erwiderung auf die verbreitete Gegendarstellung dürfe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser gesendet werden, und sie müsse sich auf tatsächliche Angaben beschränken. Diese Einschränkung der Meinungsfreiheit der Anstalt sei - wenn überhaupt - nur unter den verschärften Zulässigkeitsbedingungen für eine Gegendarstellung vertretbar.
3. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) hat sich dieser Stellungnahme angeschlossen.
4. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens hat sich den Darlegungen des Vorlagebeschlusses angeschlossen.
 


BVerfGE 63, 131 (140):

B. -- I.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Zu den der Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG unterliegenden Gesetzen gehören auch die in der Form eines Gesetzes ergehenden Beschlüsse, durch die der Bundestag gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG oder die gesetzgebende Körperschaft eines Landes einem von der vollziehenden Gewalt geschlossenen Vertrag zustimmen (Vertragsgesetze, vgl. BVerfGE 1, 396 [410]; 4, 157 [162], st. Rspr.). Dies gilt auch für Zustimmungsgesetze zu Staatsverträgen zwischen den Bundesländern (vgl. BVerfGE 12, 205 [220]; 37, 191 [197]). Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung ist nicht der Staatsvertrag, sondern das Vertragsgesetz, wobei sich allerdings dessen materiell-rechtlicher Inhalt aus dem in Bezug genommenen Staatsvertrag ergibt (vgl. BVerfGE 1, 396 [410]; 4, 157 [163]; 29, 348 [358 f.]). Die von dem vorlegenden Gericht zur Prüfung gestellte Frage ist mithin dahin zu präzisieren, daß das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat, ob das Hamburgische Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk, soweit es sich auf § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV bezieht, insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist, als die Gegendarstellung innerhalb von zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt werden muß.
2. Das vorlegende Gericht hat die Entscheidungserheblichkeit des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV hinreichend dargetan. Es will im Fall der Ungültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung stattgeben; andernfalls beabsichtigt es, den Antrag wegen Fristversäumnis zurückzuweisen. Seine Auffassung, daß die formellen und materiellen Voraussetzungen des Gegendarstellungsanspruchs durch die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens erfüllt seien, beruht nicht auf offensichtlich unhaltbaren rechtlichen Überlegungen oder tatsächlichen Würdigungen. Dies gilt insbesondere auch

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für seine Darlegungen zur Frage der Unverzüglichkeit des Gegendarstellungsverlangens.
3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht es auch nicht entgegen, daß für das Ausgangsverfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung maßgebend sind; diese sind nach § 12 Abs. 5 Satz 1 und 2 NDR-StV entsprechend anzuwenden, wenn der NDR die Verbreitung einer Gegendarstellung verweigert. Es bedarf hier keiner Entscheidung, inwieweit die Gerichte in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet oder berechtigt sind (vgl. dazu BVerfGE 46, 43 [51]). Denn über das Bestehen eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber dem NDR wird abschließend im einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden; im Gegensatz zu den eigentlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet ein Hauptsacheverfahren nicht statt (vgl. OLG Hamburg, MDR 1972, S. 333 [334], st. Rspr.; Seitz/Schmidt/Schöner, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film, Funk und Fernsehen, 1980, Rdnrn. 380 und 375). Unter dieser Voraussetzung ist eine Vorlage zulässig. Im anderen Falle wäre den mit Gegendarstellungsansprüchen befaßten Fachgerichten die Möglichkeit genommen, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Die diesem in Art. 100 Abs. 1 GG zugewiesene Kompetenz würde leerlaufen und von den Fachgerichten wahrgenommen. Das stünde in Widerspruch zu den wesentlichen Aufgaben des Verfahrens der konkreten Normenkontrolle: zu verhüten, daß ein einzelnes Gericht sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt (BVerfGE 4, 331 [340]), und über die Entscheidung im konkreten Fall hinaus durch allgemein verbindliche Klärung verfassungsrechtlicher Fragen divergierende Entscheidungen der Gerichte, Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung zu vermeiden (BVerfGE 42, 42 [49 f.] m. w. N.). Sofern die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht dazu führt, daß die Entscheidung im Ausgangsverfahren möglicherweise zu spät kommt, muß dies im Interesse der Aufgabe

BVerfGE 63, 131 (142):

des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG in Kauf genommen werden.
II.
Die zur Prüfung gestellte Regelung ist mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.
1. Das Gegendarstellungsrecht ist heute als ein den Gegebenheiten der modernen Massenkommunikationsmittel angepaßtes, für das Sondergebiet des Medienrechts näher ausgestaltetes Mittel zum Schutz des Einzelnen gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individualsphäre anerkannt (vgl. BGHZ 66, 182 [195] m. w. N.): Demjenigen, dessen Angelegenheiten in den Medien öffentlich erörtert werden, wird ein Anspruch darauf eingeräumt, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen; er kann sich alsbald und damit besonders wirksam verteidigen, während etwaige daneben bestehende zivil- und strafrechtliche Mittel des Persönlichkeitsschutzes bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst in einem Zeitpunkt zum Erfolg führen, in dem der zugrundeliegende Vorgang in der Öffentlichkeit bereits wieder vergessen ist.
a) Dieser Anspruch ist zwar selbst nicht unmittelbar verfassungsrechtlich gewährleistet. Jedoch dient er dem Schutz der Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person, die von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt wird (vgl. BVerfGE 54, 148 [153] m. w. N.). Der Einzelne soll selbst darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterung machen (BVerfGE 35, 202 [220] - Lebach; 54, 148 [155 f.]). Dem entspricht es, daß der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit haben muß, dieser mit seiner Darstellung entgegenzutreten; im

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anderen Fall wäre er zum bloßen Objekt öffentlicher Erörterung herabgewürdigt.
Um seine Wirkungen entfalten zu können, bedarf das Gegendarstellungsrecht einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung durch Verfahrensrecht. Ebenso wie es selbst der Sicherung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient, ist auch das Verfahrensrecht für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung; es muß deshalb den Geboten eines solchen Schutzes entsprechen (vgl. BVerfGE 53, 30 [65] - Mühlheim-Kärlich m. w. N. und die abweichende Meinung ebd. S. 71 ff.). Erfüllt das vom Gesetzgeber geschaffene Verfahrensrecht seine Aufgabe nicht oder setzt es der Rechtsausübung so hohe Hindernisse entgegen, daß die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition entsteht, dann ist es mit dem Grundrecht, dessen Schutz es bewirken soll, unvereinbar. Auch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts muß sich mithin an dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrecht messen lassen.
b) Bei der Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts im Bereich des Rundfunks hat der Gesetzgeber nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, sondern auch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) zu beachten. Dieses gewährleistet das Recht, Art und Inhalt der Rundfunksendungen zu bestimmen (BVerfGE 35, 202 [223]; 59, 231 [258] - Freie Rundfunkmitarbeiter). Unabhängig von dem Inhalt der Gegendarstellung wird es bereits - wenn auch nur unwesentlich - durch den Umstand beeinträchtigt, daß der Rundfunk gesetzlich verpflichtet wird, eine Gegendarstellung zu senden. Inhaltlich kann eine Gegendarstellung der Freiheit des Rundfunks zuwiderlaufen, wenn sie nicht der Aufgabe des Rundfunks entspricht, umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten oder wenn sie, was hier in Betracht zu ziehen ist, so spät gebracht wird, daß ihre Aktualität verlorengegangen und

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für die Hörer oder Zuschauer der Bezug zu der zu korrigierenden Information nicht mehr erkennbar ist.
Sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht wie die Freiheit des Rundfunks bilden essentielle Bestandteile der Verfassungsordnung des Grundgesetzes (BVerfGE 35, 202 [225]). Keines dieser Verfassungsgüter kann einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. In einem Konfliktsfall müssen sie nach Möglichkeit zum Ausgleich gebracht werden. Den verfassungsrechtlichen Maßstab, nach dem die zu wahrenden Belange einander sachgemäß zuzuordnen sind, enthält der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 44, 353 [373]), nach dem eine Grundrechtsbeschränkung geeignet und erforderlich sein muß, ihren Zweck zu erreichen, und die Betroffenen nicht übermäßig belasten darf, diesen also zumutbar sein muß.
2. Gegen diesen Grundsatz verstößt die zur Prüfung gestellte Regelung; wie das vorlegende Gericht zu Recht ausführt, schränkt sie das verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht übermäßig ein, weil sie auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Rundfunks die Wahrnehmung des Gegendarstellungsrechts als Mittel eines effektiven Persönlichkeitsschutzes des von einer Rundfunksendung Betroffenen unangemessen erschwert.
a) Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, das Verlangen einer Gegendarstellung entsprechend deren Funktion an eine Frist zu binden, zumal dem Betroffenen zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts andere zivilrechtliche Ansprüche verbleiben. Bei der Bemessung dieser Frist kommt dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Er kann auch eine kürzere Frist als die in den meisten einschlägigen Regelungen vorgesehene Frist von drei Monaten bestimmen. Die Frist des § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV ist jedoch so kurz bemessen, daß die Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs wesentlich erschwert wird und nicht nur in Ausnahmefällen an ihr zu scheitern droht. Sie beginnt mit dem Sendetermin, läuft also unabhängig davon, ob der Betroffene die Sendung gehört, gesehen oder wann er über

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sie von Dritten erfahren hat. Hat er die Sendung nicht selbst verfolgt und ist er auch nicht innerhalb von zwei Wochen über sie informiert worden, so hat er - auch wenn ihn keinerlei Verschulden trifft - überhaupt keine Möglichkeit, durch Veröffentlichung einer Gegendarstellung den Schutz seines Persönlichkeitsrechts zu verwirklichen. Diese Fallgestaltung ist angesichts der Zahl der Hörfunk- und Fernsehprogramme nicht unwahrscheinlich. Selbst wenn der Betroffene die Sendung selbst verfolgt haben sollte - also bei der für ihn günstigsten Konstellation, von der die vertragschließenden Länder offenbar ausgegangen sind -, besteht nicht nur in einzelnen Fällen die Gefahr, daß die Zweiwochenfrist nicht eingehalten werden kann. Bei Hörfunk- und Fernsehsendungen erfordert eine den strengen gesetzlichen Voraussetzungen genügende Gegendarstellung unvermeidlich die Anforderung des Sendemanuskripts. Schon die Postlaufzeiten für die Anforderung, für die Zusendung des Manuskripts und für die Zuleitung der Gegendarstellung nehmen einen Teil der Frist in Anspruch. Hinzu kommt die Zeit der Bearbeitung in der Sendeanstalt. Darauf, wann die Rundfunkanstalt die Zusendung des Manuskripts veranlaßt, hat der Betroffene keinen Einfluß; so ist es denkbar, daß das Manuskript, sei es auch nur aus technischen Gründen, mit Verspätung übersandt wird und erst kurz vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingeht. In der verbleibenden Zeitspanne muß der Betroffene seine Überlegungen anstellen, sich gegebenenfalls mit seinem Anwalt beraten und die Gegendarstellung so abfassen, daß sie keinen rechtlichen Einwänden unterliegt. Bei schwierigen und umfangreichen Veröffentlichungen wird zur Abfassung einer den Anforderungen genügenden Gegendarstellung mehr Zeit benötigt. Zum Verlust des Anspruchs kann dies alles führen, wenn der Betroffene zwar innerhalb der Zweiwochenfrist, aber erst so spät von der Sendung erfahren hat, daß der Rundfunkanstalt eine Gegendarstellung nicht mehr rechtzeitig zugeleitet werden kann.
In diesen Auswirkungen entspricht § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR

BVerfGE 63, 131 (146):

StV nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Regelung ist nicht erforderlich. Es ist nicht erkennbar, welche schutzwürdigen Interessen des Rundfunks eine derart folgenreiche Kürze der Ausschlußfrist notwendig machen könnten. Das Interesse an der Aktualität der Sendung von Gegendarstellungen fordert jedenfalls nicht, daß diese generell nicht später als zwei Wochen nach dem Termin der beanstandeten Sendung verlangt werden können. Den Belangen des Rundfunks läßt sich in aller Regel durch das weniger einschneidende - auch in § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV aufgenommene - Erfordernis der Unverzüglichkeit Rechnung tragen, das die Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs ohne schuldhaftes Zögern verlangt, insoweit Raum für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls läßt, zugleich aber sicherstellt, daß die Gegendarstellung bei der Verbreitung ihre Aktualität nicht verloren hat. Einer Ausschlußfrist von nur zwei Wochen bedarf es dazu nicht, um so weniger, als diese - worauf das vorlegende Gericht zutreffend hinweist - für das in der Praxis bisher maßgebliche und sachgemäße Merkmal der Unverzüglichkeit so gut wie keinen Raum mehr läßt. Das zeigt sich auch daran, daß bei der vor Inkrafttreten des Staatsvertrages in Hamburg geltenden Regelung ebenso wie bei sämtlichen außerhalb des Bereichs des NDR für Presse und Rundfunk getroffenen Bestimmungen über eine Gegendarstellung von einer derart kurzen Fristbemessung abgesehen worden ist. Offensichtlich liegt diesen Regelungen die Vorstellung zugrunde, den Belangen des Rundfunks könne auch bei Verzicht auf eine Ausschlußfrist oder jedenfalls bei einer wesentlich längeren Ausschlußfrist Rechnung getragen werden.
b) Wenn in der Begründung des Entwurfs für das Gesetz zum Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk ausgeführt wird, daß die Regelung weitgehend den bisherigen presserechtlichen Regelungen entspreche und damit das Interesse an einer grundsätzlichen Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk in diesem Bereich wahre (Einzelbegründung zu § 12

BVerfGE 63, 131 (147):

NDR-StV, Bü.-Drs. 9/2467, S. 12), so enthält diese Erwägung keine Gesichtspunkte, die geeignet wären, die Erforderlichkeit der Verkürzung der - von der presserechtlichen Regelung gerade erheblich abweichenden - Ausschlußfrist darzutun. Eine Notwendigkeit dazu ergibt sich auch nicht aus der Darlegung des Norddeutschen Rundfunks, in § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV sei der Versuch unternommen worden, die beiden bisherigen Fristen des Gegendarstellungsrechts zu harmonisieren und den Bedürfnissen der Praxis anzupassen, indem die bisher von der Rechtsprechung als Regel angesehene 14-Tage-Frist der Unverzüglichkeit zur Ausschlußfrist verfestigt worden sei. Zwar mag es zutreffen, daß auf diese Weise der oft schwierige Nachweis des Zeitpunktes der tatsächlichen Kenntnisnahme eines Sendebeitrags der Sache nach entbehrlich wird und insoweit ein höheres Maß an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erreicht werden kann. Aber dieser Vorteil läßt sich nur dadurch erreichen, daß vor der Geltendmachung des Gegendarstellungsrechts eine Verfahrenshürde errichtet wird, an der die Rechtsverwirklichung in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen zu scheitern droht. Der Vorteil steht mithin in keiner angemessenen Relation zu der Gefahr einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Der Hinweis in der Stellungnahme des NDR, nach Fristablauf könnten noch die sonstigen zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden, vermag daran nichts zu ändern. Ebensowenig kann den teilweise noch kürzeren Ausschlußfristen des Auslands für die in diesem Verfahren zu entscheidende Frage Bedeutung zukommen. Das gleiche gilt schließlich für den Gedanken einer Kompensation durch die für den Betroffenen günstige Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 3 NDR-StV.
3. Eine verfassungskonforme Auslegung der zur Prüfung gestellten Regelung etwa in der Weise, daß die Ausschlußfrist nicht von dem Sendetermin, sondern erst von dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme an zu laufen beginnt, scheidet, wie das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt hat,

BVerfGE 63, 131 (148):

angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vertragsbestimmung aus (vgl. BVerfGE 54, 277 [299]). Da mithin § 12 Abs. 2 Satz 1 NDR-StV, soweit er die Geltendmachung eines Gegendarstellungsverlangens binnen zwei Wochen nach der beanstandeten Sendung verlangt, mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar ist, ist das Hamburgische Zustimmungsgesetz zum NDR-Staatsvertrag insoweit gemäß § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGE nichtig.
(gez.) Dr. Benda, Dr. Böhmer, Dr. Simon, Dr. Faller, Dr. Hesse, Dr. Katzenstein, Dr. Niemeyer, Dr. Heußner