BVerfGE 38, 1 - Richteramtsbezeichnungen


BVerfGE 38, 1 (1):

1. Das Recht der richterlichen Amtsbezeichnungen gehört zum Statusrecht des Richters. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Gesetzes, das die Amtsbezeichnungen der Richter regelt, ergibt sich deshalb aus Art. 98 GG.
2. Es gibt einen hergebrachten und zu beachtenden Grundsatz des Richteramtsrechts, demzufolge dem Richter eine angemessene Amtsbezeichnung gebührt.
Angemessen ist eine Amtsbezeichnung nur, wenn sie über das dem Richter übertragene Amt hinsichtlich seines Ortes im Gefüge des Gerichtsaufbaus Aufschluß gibt, also wirklichkeitsgerecht ist, und wenn sie "anredefähig", d.h. auch im mündlichen Verkehr unverkürzt gebrauchsfähig ist.
3. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Stellung des Leiters eines Amtsgerichts und der der übrigen Richter dieses Gerichts, der es verbietet, für Leiter des Amtsgerichts und die übrigen Richter dieses Gerichts dieselbe Amtsbezeichnung zu wählen; außerdem ist die Stellung und Aufgabe der Leiter aller Amtsgerichte im wesentlichen so gleich, daß nicht für die zum Präsidenten eines Amtsgerichts ernannten Leiter die Amtsbezeichnung "Präsident des Amtsgerichts" beibehalten und für die Leiter eines Amtsgerichts, die nicht zum Präsident ernannt waren, die Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" eingeführt werden darf.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 27. Juni 1974
- 2 BvR 429, 641, 700, 813/72 und 9, 24, 25, 47, 215, 370, 388, 390, 682, 693/73 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Richters am Amtsgericht ... - 2 BvR 429/72 -; 2. des Richters am Amtsgericht ... - 2 BvR 641/72 - ; 3. a) - d) der Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht..., e) - f) der Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., g) - h) der Richter am Oberlandesgericht..., i) - u) der Vorsitzenden Richter am Landgericht..., v) - z) und a') - b') - b) der Richter am Amtsgericht... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Günther Krauss,

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Köln 1, Herwarthstraße 5 - 2 BvR 700/72 -; 4. des Richters am Amtsgericht... - 2 BvR 813/72 -; 5. a) - m) der Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht... - 2 BvR 9/73 -; 6. a)-d) der Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht..., e) - u) der Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., v) des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht..., w) - y) der Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., z) des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht..., a') des Richters am Amtsgericht a.D...., b') - d') der Richter am Amtsgericht..., e') des Richters am Amtsgericht a.D...., f') - g') der Richter am Amtsgericht... - 2 BvR 24/73 -; 7.a) - m) der Richter am Amtsgericht... - 2 BvR 25/73; 8. des Vorsitzenden Richters am Landgericht - 2 BvR 24/73-; 9. des Richters am Amtsgericht... - 2 BvR 215/73 -; 10. a) - g) der Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., h) des Richters am Oberlandesgericht..., j) des Richters am Oberlandesgericht... - 2 BvR 370/73 -; 11. des Richters am Arbeitsgericht... - 2 BvR 388/73 -; 12. des Richters am Amtsgericht... - 2 BvR 390/73 -; 13.a) - e) der Richter am Sozialgericht..., - 2 BvR 682/73 -; 14. des Richters am Arbeitsgericht... - 2 BvR 693/73 - gegen Art. I Nr. 2 (= § 19 a DRiG) und Art. XIII § 1 des Gesetzes zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (BGBl. I S. 841)
Entscheidungsformel:
1. Artikel I Nummer 2 (§ 19 a Deutsches Richtergesetz) des Gesetzes zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 841) ist in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Artikel XIII § 1 des Gesetzes zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 841) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als er den aufsichtsführenden Richtern eines Amtsgerichts, die nicht zu Präsidenten ernannt waren, und den Vizepräsidenten eines Amtsgerichts die Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" beilegt.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 


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Gründe
 
A. - I.
Die Beschwerdeführer in den verschiedenen Verfahren, die zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden sind, sind Richter im Bundes- und Landesdienst an Gerichten verschiedener Instanzen und verschiedener Gerichtszweige. Sie wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26. Mai 1972 (BGBl. I S. 841) - im folgenden: Gesetz -, soweit es ihnen durch Einfügung des § 19 a in das Deutsche Richtergesetz und durch die Übergangsbestimmung Art. XIII § 1 die verliehene Amtsbezeichnung entzieht und für sie eine neue Amtsbezeichnung einführt.
    Artikel I
    Änderung des Deutschen Richtergesetzes
    Das Deutsche Richtergesetz wird wie folgt geändert:
    1....
    2. Nach § 19 wird folgender § 19 a eingefügt:
    "§ 19 a
    Amtsbezeichnungen
    (1) Amtsbezeichnungen der Richter auf Lebenszeit und der Richter auf Zeit sind 'Richter', 'Vorsitzender Richter' oder 'Präsident' mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz ('Richter am ...', 'Vorsitzender Richter am ...', 'Präsident des ...').
    (2) Richter kraft Auftrags führen im Dienst die Bezeichnung 'Richter' mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz ('Richter am ...').
    (3) Richter auf Probe führen die Bezeichnung 'Richter', im staatsanwaltschaftlichen Dienst die Bezeichnung 'Staatsanwalt'."
    Artikel XIII
    Übergangs- und Schlußvorschriften
    § 1
    (1) Von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an führen Richter, die zu diesem Zeitpunkt
    a) zu Gerichtspräsidenten ernannt sind, die Amtsbezeichnung "Präsident,


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    b) zu Landgerichtsdirektoren, Verwaltungsgerichtsdirektoren, Landesarbeitsgerichtsdirektoren oder Senatspräsidenten ernannt sind, die Amtsbezeichnung "Vorsitzender Richter",
    c) zu Vizepräsidenten von Gerichten ernannt sind, die mit Vorsitzenden Richtern nach Buchstabe b besetzt sind, die Amtsbezeichnung "Vorsitzender Richter".
    (2) Die anderen Richter führen von diesem Zeitpunkt an die Amtsbezeichnung "Richter".
    (3) Zu den Amtsbezeichnungen nach Absatz 1 und 2 tritt ein das Gericht bezeichnender Zusatz nach den Vorschriften in Artikel I Nr. 2.
Das Gesetz ist gemäß Art. XIII § 5 am 1. Oktober 1972 in Kraft getreten.
Vor diesem Zeitpunkt ergaben sich die Amtsbezeichnungen der Richter - wie die der Beamten - aus den Anlagen zu den Besoldungsgesetzen des Bundes und der Länder (vgl. z. B. Bundesbesoldungsgesetz, Anlage 1, Vorbem. 1). Daneben fanden sich vereinzelt und an verschiedenen Stellen Amtsbezeichnungen oder Funktionsbezeichnungen im Gerichtsverfassungsgesetz und in den gerichtlichen Verfahrensgesetzen.
II.
Die Beschwerdeführer halten die angegriffenen Vorschriften aus folgenden Gründen für verfassungswidrig:
Dem Bund fehle die Kompetenz, die Amtsbezeichnungen der Landesrichter zu regeln. Art. 74 Ziff. 1 GG sei angesichts des Art. 98 Abs. 3 GG als Kompetenznorm nicht einschlägig; der Bereich einer gemäß Art. 98 Abs. 3 GG möglichen Rahmengesetzgebung sei eindeutig überschritten.
Das Gesetz verstoße gegen Art. 33 Abs. 5 GG, da zu den hergebrachten und zu beachtenden Grundsätzen des Berufsrichtertums auch die Wahrung des richterlichen Besitzstandes gehöre und der Gesetzgeber diesen Grundsatz nicht beachtet habe. Zum Besitzstand der Richter seien nämlich nicht nur die den Richtern gewährten vermögenswerten Leistungen, sondern auch die immateriellen Gewährleistungen zu zählen, die den Status des Richters

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ausmachen. Dazu gehöre auch das Recht auf Beibehaltung einer einmal verliehenen Amtsbezeichnung. Das angegriffene Gesetz hätte also, um diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, einen Vorbehalt zugunsten der einmal verliehenen Amtsbezeichnungen machen müssen.
Das Gesetz verstoße aus den gleichen Erwägungen auch gegen Art. 14 Abs. 1 GG: Sehe man die Wahrung des richterlichen Besitzstandes nicht als hergebrachten Grundsatz des richterlichen Amtsrechts an, sei der gleiche Schutz durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet.
Das Gesetz verstoße ferner dadurch gegen Art. 33 Abs. 5 GG, daß es die Amtsbezeichnungen der Richter in einer Weise regle, die mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Sinn und Zweck von Amtsbezeichnungen unvereinbar sei. Denn ebenso wie im Beamtenrecht gebe es auch im Amtsrecht der Richter einen hergebrachten Grundsatz, der jedem Richter das Recht auf eine angemessene und nach der Bedeutung des jeweiligen Richteramtes abgestufte Amtsbezeichnung zugestehe. Dieser hergebrachte Grundsatz sei auch so wichtig, daß er vom Gesetzgeber unbedingt zu beachten sei, da er sich zwingend aus dem organisatorischen Aufbau der Gerichte ergebe und - subjektiv - dem beamtenrechtlichen Leistungsprinzip entspreche. Diesem Grundsatz habe der Gesetzgeber zwar formal Rechnung getragen, indem er die Amtsbezeichnungen nach Gerichtszweig, Instanzenzug und innergerichtlicher Funktion des Richters differenziert habe; sprachlich habe er die Amtsbezeichnungen jedoch so gestaltet, daß sie wegen ihrer Länge und der gewählten Wortverbindungen praktisch unaussprechbar und zur Anrede ungeeignet seien. Das würde in der Praxis zu unzulässigen Kürzeln und Nivellierungen oder zum Wegfall der Anrede mit der Amtsbezeichnung überhaupt führen. Damit entfalle eine wesentliche Funktion der Amtsbezeichnung, und der verfassungsrechtlich gebotene Sinn und Zweck von Amtsbezeichnungen sei faktisch außer Kraft gesetzt. In letzter Konsequenz würde die weitere Entwicklung zu einer Abschaffung der Amtsbezeichnungen überhaupt führen..


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Das Gesetz verstoße ferner gegen Art. 97 Abs. 1 GG. Durch die in der Praxis zu erwartende Nivellierung und Geringschätzung der Amtsbezeichnungen werde dem allgemeinen Ansehen der Richter in der Öffentlichkeit schwerer Schaden zugefügt und damit die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt.
Von einigen Richtern wird schließlich ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gerügt, da die Auswirkungen der neuen Amtsbezeichnungen in der Praxis zugleich die Ehre und das persönliche Ansehen der Richter unzulässigerweise herabsetzten. In der Entziehung der erworbenen Amtsbezeichnung liege eine Degradierung der betroffenen Richter; so werde es auch in der Öffentlichkeit verstanden.
Neben diesen Bedenken, die gegen die neue Regelung der Amtsbezeichnungen insgesamt angeführt werden, tragen einzelne Richter zusätzliche Einwände vor, die sich nur auf die Amtsbezeichnung bestimmter Gruppen von Richtern beziehen. Es handelt sich dabei um die Gruppe der ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren und die der ehemaligen Vizepräsidenten. Die ehemaligen Vizepräsidenten rügen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn ihre hervorgehobene Stellung als Vertreter des Präsidenten müsse ebenfalls in einer besonderen Amtsbezeichnung zum Ausdruck kommen; ihre zusätzliche Aufgabe hebe sie von den übrigen Vorsitzenden Richtern deutlich ab. Die Nichtberücksichtigung ihrer hervorgehobenen Stellung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletze deshalb den Gleichheitssatz. Die Gruppe der ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren rügt ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ihre Stellung als Leiter einer Gerichtsbehörde sei mit vielfältigen Verwaltungsaufgaben und besonderer Verantwortung verbunden und deshalb auch mit einer hervorgehobenen Amtsbezeichnung zu versehen. Es sei willkürlich, wenn der Gesetzgeber für die Leiter der übrigen Gerichte und auch für die ehemaligen Amtsgerichtspräsidenten eine eigene Amtsbezeichnung vorsehe, diese jedoch den Leitern der kleinen und mittleren Amtsgerichte vorenthalte. Eine ungerechtfertigte

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Benachteiligung sei auch darin zu sehen, daß die ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren zumeist einem Spruchkörper des Amtsgerichts vorsitzen (Schöffengericht, Jugendschöffengericht); diese hervorgehobene Funktion komme ebenfalls nicht in der neuen Amtsbezeichnung zum Ausdruck.
III.
Zu den mit den Verfassungsbeschwerden gerügten Verletzungen des Grundgesetzes hat sich der Bundesminister der Justiz geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig, jedoch für unbegründet. Er trägt im wesentlichen vor:
Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Amtsbezeichnungen ergebe sich aus Art. 74 Nr. 1 GG. Die Einfügung der Amtsbezeichnungen in das Deutsche Richtergesetz stehe dem nicht entgegen, da es auf den materiellen Gehalt der gesetzlichen Regelung ankomme und diese in den Bereich des Art. 74 Nr. 1 GG gehöre.
Das Gesetz verstoße nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Zwar enthalte diese Vorschrift grundrechtsähnliche Individualrechte, soweit ein Kernbestand von Strukturprinzipien - hier im Bereich des Richteramtsrechts - verfassungsrechtlich gewährleistet sei. Ob zu diesen Prinzipien auch die Amtsbezeichnungen der Richter zu rechnen seien, sei fraglich; keinesfalls garantiere sie jedoch die Beibehaltung einer bestimmten, einmal verliehenen Amtsbezeichnung, da dem Grundgesetz der Schutz "wohlerworbener Rechte" der Beamten und Richter fremd sei.
Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Die neuen Amtsbezeichnungen der ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren seien verfassungsrechtlich unbedenklich. Ein Vergleich mit den anderen Gerichtspräsidenten sei nicht möglich, da die ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren in ihrer Funktion als Leiter eines Amtsgerichts keine Dienstaufsicht über die am Amtsgericht tätigen Richter führten. Aber auch ein Vergleich mit anderen Vorsitzenden Richtern sei nicht angebracht, da die ehemaligen Amtsgerichtsdirektoren in ihrer Funktion als Vorsitzender eines Spruchkör

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pers nicht einem Spruchkörper mit mehreren Berufsrichtern vorsäßen.
Art. 97 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die geänderten Amtsbezeichnungen führten nicht zum "Wohlverhalten im Sinne der anderen staatlichen Gewalten"; die richterliche Unabhängigkeit sei in keiner Weise beeinträchtigt.
Schließlich gebiete Art. 33 Abs. 5 GG auch nicht einen Vorbehalt zugunsten der bereits erworbenen Amtsbezeichnungen, da im richterlichen Amtsrecht einheitliche Amtsbezeichnungen notwendig seien.
 
B. - I.
Gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestehen keine Bedenken.
Die Beschwerdeführer, die sich mit den Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen ein Gesetz wenden, haben die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG gewahrt; denn das angefochtene Gesetz ist gemäß Art. XIII § 5 Abs. 1 am 1. Oktober 1972 in Kraft getreten. Alle Verfassungsbeschwerden sind vor dem 1. Oktober 1973 eingegangen.
Die Beschwerdeführer werden jedenfalls durch die angegriffene Vorschrift des Art. XIII § 1 des Gesetzes selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen; denn die Änderung ihrer Amtsbezeichnungen ergibt sich unmittelbar aus dieser Vorschrift mit Wirkung vom 1. Oktober 1972, ohne daß es noch eines besonderen Vollzugsaktes - etwa der Aushändigung einer Urkunde - bedarf.
II.
1. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Gesetzes, das die Amtsbezeichnungen der Richter regelt, ergibt sich aus Art. 98 GG; an der in der Entscheidung vom 15. November 1971 vertretenen Auffassung (BVerfGE 32, 199 [220 f.]) hält der Senat nicht fest. Das Recht der richterlichen Amtsbezeichnungen gehört zum Statusrecht des Richters. Zweifel daran konnten in der Vergangenheit nur entstehen, weil es ein Gesetz, das die umfassende

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Regelung von Amtsbezeichnungen zum Gegenstand hatte, nicht gab und deshalb die Amtsbezeichnungen aus Regelungen entnommen wurden, die primär etwas anderes zum Gegenstand hatten, nämlich die besoldungsrechtliche Einstufung eines Amtes oder die Bestimmung der Funktion oder Dienstaufgabe eines Amtsträgers. Zwischen "Amtsbezeichnung" des Beamten und Richters, Dienstpostenbezeichnung, die das konkrete Amt meint, und Funktionsbezeichnung, die die Aufgabe einer Behörde benennt, ist zu unterscheiden. Die Amtsbezeichnung steht, wie das Wort schon ergibt, im Zusammenhang mit dem Amt, das der Richter bekleidet. "Amt" meint hier das "abstrakte", in das Ämtergefüge eingeordnete Amt, im Gegensatz zum "konkreten" Dienstposten einerseits und zur konkreten "Funktion" im Sinne der Arbeitsteilung im Zuge des tatsächlichen Verwaltungsvollzugs. Die Ämter sind das Mittel zum klaren Aufbau des Organisationsschemas für die Apparatur des Staates. In der Verwaltung ist diese notwendigerweise hierarchisch - d. h. nach dem Prinzip der Über- und Unterordnung - geordnet. Im Gerichtswesen gliedert sich das Ämtergefüge nach den Gerichtszweigen und deren Instanzen; es differenziert außerdem innerhalb der verschiedenen Spruchkörper nach Vorsitzenden und Beisitzern. Von diesen Ämtern her erhält der Amtsinhaber seine Amtsbezeichnung. Das ist übrig geblieben von dem ursprünglich reicheren Inhalt der Amtsbezeichnung, die einst der Monarch verliehen hat, früher einmal "Titel" hieß und rechtlich mit einem "Ehrenvorzug" und einem "Rang" verbunden war (vgl. z. B. Grotefend-Cretschmar, Preußisch-Deutsche Gesetzessammlung, Bd. I, 1, 1904 S. 811 ff.: Verordnung wegen der den Zivilbeamten beizulegenden Amtstitel und der Rangordnung der verschiedenen Klassen derselben vom 7. Februar 1817 samt Anlagen; Konstitutionelle Haupt- Landes-Pragmatik, die Verhältnisse der Staatsdiener betreffend vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalt ... vom 1. Januar 1805, bayr. RBl. 1805, S. 225). Die Amtsbezeichnung in diesem Sinne - und sie für Richter neu zu regeln, unternimmt § 19 a DRiG - gehört zum Statusrecht des Amtsträgers, also zur

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Gesetzgebungsmaterie "Rechtsstellung der Richter", und ist deshalb nicht zufällig in das Deutsche Richtergesetz eingefügt worden. An dieser Zuordnung kann sich nichts dadurch ändern, daß dasselbe Wort, das die Amtsbezeichnung im statusrechtlichen Sinne meint, im Gerichtsverfassungsgesetz oder in den gerichtlichen Verfahrensgesetzen bei Organisationsregelungen und zur Bestimmung von Zuständigkeiten oder im Besoldungsrecht zur Unterbringung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in den verschiedenen Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen verwendet wird, - hier charakteristischerweise nicht selten dieselbe Bezeichnung in verschiedenen Besoldungsgruppen. Ein Gesetz, das die Regelung der richterlichen Amtsbezeichnungen zum Gegenstand hat, regelt deshalb nicht eine Materie aus Art. 74 Nr. 1 GG (Gerichtsverfassung und gerichtliches Verfahren) oder aus Art. 74 a GG (Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes).
Nach Art. 98 Abs. 1 GG hat der Bundesgesetzgeber die Rechtsstellung der Bundesrichter zu regeln; dazu gehört die Regelung der Amtsbezeichnungen für Bundesrichter. Nach Art. 98 Abs. 3 Satz 2 GG kann der Bund zur Rechtsstellung der Landesrichter dagegen nur Rahmenvorschriften erlassen. Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Rahmenregelung nach Art. 98 Abs. 3 GG ist im vorliegenden Fall allerdings nicht überschritten. Rahmengesetzgebung bedeutet, daß der Bund nur einen "Rahmen" setzen darf. Das Bundesgesetz darf die Materie nicht abschließend regeln; es kann zwar unmittelbares, des Verwaltungsvollzugs fähiges Recht setzen, es muß aber darauf angelegt sein, durch Landesgesetze ausgefüllt zu werden. Das, was von den Ländern zu regeln bleibt, muß dabei von substantiellem Gehalt sein (BVerfGE 4, 115 [129]; 7, 29 [41]; 8, 186 [194]; 25, 142 [152]). Im vorliegenden Gesetz hat der Bund zwar die Amtsbezeichnungen der Landesrichter abschließend und vollständig geregelt, so daß den Ländern ein eigener Spielraum zur Ausgestaltung der Amtsbezeichnungen nicht mehr verbleibt, aber er hat bei weitem nicht die Materie "Rechtsstellung" der Landesrichter abschließend ge

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regelt. Es bleibt also dem Landesgesetzgeber Raum für eigene Regelungen.
Für die abschließende Regelung des Bundes auf dem Gebiet der Amtsbezeichnungen der Richter in Bund und Ländern spricht zudem das zutage liegende Interesse an einer übereinstimmenden Regelung von der Sache her; besondere Interessen, die in den einzelnen Ländern im Wege unterschiedlicher Landesgesetzgebung zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich.
Gegen die angegriffenen Regelungen lassen sich also verfassungsrechtliche Bedenken aus der Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz nicht herleiten.
Diese Entscheidung ist mit sechs gegen zwei Stimmen ergangen.
2. Die angegriffene Regelung des Art. XIII § 1 des Gesetzes steht mit Art. I Nr. 2 des Gesetzes (§ 19 a DRiG) in einem so engen Zusammenhang, daß die Gültigkeit der Übergangsvorschrift von der Gültigkeit des § 19 a DRiG abhängt. Deshalb ist zunächst die allgemeine Regel des § 19 a Abs. 1 DRiG an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen.
a) Art. 33 Abs. 5 GG gewährt nicht wie Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV einen verfassungsrechtlichen Schutz von "wohlerworbenen Rechten" des Beamten und Richters (BVerfGE 3, 58 [137]; 8, 1 [12]; 8, 332 [343 ff.]). Es läßt sich auch kein hergebrachter Grundsatz des Rechts des öffentlichen Dienstes nachweisen, nach dem der Gesetzgeber eine einmal verliehene Amtsbezeichnung ihrem Träger im Zuge einer allgemeinen Änderung der Amtsbezeichnungen nicht entziehen darf, also unverändert belassen muß. Soweit in der Vergangenheit gelegentlich in einem Landesgesetz ein Vorbehalt zugunsten einer einmal verliehenen Amtsbezeichnung gemacht worden ist, läßt sich nicht dartun, daß dies in der Rechtsüberzeugung geschehen ist, der Vorbehalt sei rechtlich geboten, - dies um so weniger, als in den für die Ausbildung eines hergebrachten Grundsatzes entscheidenden 60 Jahren vor 1933 die Fülle der immer klangvoller werdenden Titel erst entwickelt wurde; alle griffen nach den "besseren" Titeln und waren damit

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zufrieden; das "Ändern" der Titel war ihr "Vorteil"; das Problem der "Verschlechterung" stellte sich nicht. Der Bildung eines Grundsatzes der genannten Art stand schließlich auch ein auf der Hand liegendes Bedürfnis entgegen: Es ist dem öffentlichen Dienst nicht zuträglich, wenn in einer Behörde Inhaber desselben Amtes verschiedene Amtsbezeichnungen tragen; das kann Empfindlichkeiten auslösen und die Unzufriedenheit innerhalb der Behörde nähren.
Dagegen gibt es einen hergebrachten und zu beachtenden Grundsatz des Richteramtsrechts, demzufolge dem Richter auch eine "angemessene Amtsbezeichnung" gebührt (so auch OVG Lüneburg, DVBl. 1970, S.688, 690; Bayr. VerfGHE 19, 42 [49]; 20, 51 [55]; 21, 180 [185]; 22, 110 [116]; Bettermann, Der Richter als Staatsdiener, 1967, S. 17). Er gehört zum Kernbestand der Strukturprinzipien, die allgemein während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (BVerfGE 15, 167 [195 f.]).
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
aa) "Angemessen" ist eine Amtsbezeichnung nur, wenn sie über das dem Richter übertragene Amt hinsichtlich seines Ortes im Gefüge des Gerichtsaufbaus Aufschluß gibt, also "wirklichkeitsgerecht" ist. Hinzu kommt, daß die Übertragung des Amtes und dementsprechend die Amtsbezeichnung etwas mit dem im deutschen Beamten- und Richterrecht hergebrachten "Leistungsprinzip" zu tun hat (vgl. z. B. Buchholz, Die Amtsbezeichnungen der Richter, DRiZ 1967, S. 301; Heim, Richteramtsbezeichnungen, DRiZ 1968, S. 176). Eine "angemessene Amtsbezeichnung" muß deshalb im Rahmen des Möglichen ausweisen, wo der Amtsinhaber seiner Befähigung und Leistung entsprechend im Gefüge der Stufung und Gliederung innerhalb des Gerichtswesens "hingehört". Mit dem hergebrachten Grundsatz des Richteramtsrechts verträgt sich also nicht eine allgemeine Nivellierung der Amtsbezeichnungen. Sie können vereinfacht werden; Übertreibungen können auch zurückgeschnitten werden; bisher übliche Amtsbe

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zeichnungen können durch andere ersetzt werden. Aber sie können nicht so "vereinheitlicht" werden, daß sie nicht mehr aussagekräftig sind, weil sie nicht mehr erkennen lassen, wo der Beamte oder Richter innerhalb des Ämtergefüges seinen Platz hat. Für die Richteramtsbezeichnungen bedeutet das: Aus ihnen muß wenigstens hervorgehen, in welchem Gerichtszweig und in welcher Instanz sie tätig sind, ob sie beisitzende Richter oder Vorsitzende eines Spruchkörpers sind oder ob sie an der Spitze eines Gerichts stehen.
Diese Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.
bb) Die Amtsbezeichnungen der Richter sind außerdem nach einer langen ungebrochenen Tradition des Rechts des öffentlichen Dienstes nur angemessen, wenn sie "anredefähig", d. h. auch im mündlichen Verkehr unverkürzt gebrauchsfähig sind. Das war früher so selbstverständlich, daß es nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt wurde; gesetzlich geregelt war nur, unter welchen Voraussetzungen die Amtsbezeichnung nicht mehr geführt werden durfte (vgl. Art. 70 Bayer. Beamtengesetz vom 16. August 1908). Unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung geht davon auch der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich mit Selbstverständlichkeit aus (Lammers-Simons, Bd. II, S. 39). § 37 Abs. 2 DBG schreibt also nur einen viele Jahrzehnte alten Rechtsgrundsatz fest, der dann nach 1945 in § 81 Abs. 2 BBG und in entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze wiederholt worden ist und entsprechend auch für den Richter gilt. Danach "führt" er im Dienst die Amtsbezeichnung und darf sie auch außerhalb des Dienstes führen. Das heißt aber, die Amtsbezeichnung muß im Verkehr, auch im mündlichen Verkehr verwendbar, ohne "Zungenbrechen" aussprechbar sein. Bezeichnungen, die man nur drucken oder schreiben und in der mündlichen Anrede nur verkürzt verwenden kann, sind keine Amtsbezeichnungen, weil man sie nicht "führen" kann. Es kommt dabei nicht darauf an, wie die Benutzer einer unhandlichen Amtsbezeichnung damit fertig werden, sondern daß sie im Umgang korrekt verwendet werden können.


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Diese Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.
b) Am Maßstab des dargelegten Grundsatzes aus Art. 33 Abs. 5 GG gemessen wäre § 19 a Abs. 1 DRiG verfassungswidrig, wenn die für Richter neu eingeführten Amtsbezeichnungen, wie der Wortlaut, der Zusammenhang mit den Absätzen 2 und 3 und insbesondere die Übergangsvorschrift Art. XIII § 1 Abs. 1 und 2 einerseits und Abs. 3 andererseits nahelegen, "Richter", "Vorsitzender Richter" und "Präsident" lauteten; denn ihnen ließe sich nicht entnehmern, in welcher Instanz und in welchem Gerichtszweig der Richter planmäßig sein Amt hat, wo also innerhalb des Gesamtgefüges der Justiz sein Platz ist und seine Verantwortung liegt.
§ 19 a Abs. 1 DRiG läßt sich aber, wie der Senat mit sechs gegen zwei Stimmen entschieden hat, verfassungskonform dahin auslegen, daß die neuen Amtsbezeichnungen künftig "Richter am Amtsgericht" (Sozialgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof usw,), "Vorsitzender Richter am Landgericht" (Landesarbeitsgericht, Bundessozialgericht usw.) und "Präsident des Verwaltungsgerichts" (Hanseatischen Oberlandesgerichts, Bayerischen Obersten Landesgerichts, Bundesgerichtshofs usw.) lauten. In dieser Auslegung genügen die Amtsbezeichnungen jedenfalls im allgemeinen dem an die Spitze gestellten verfassungsrechtlichen Grundsatz, daß sie im Rahmen des Möglichen Aufschluß darüber geben müssen, wo das planmäßig übertragene Amt seinen Ort innerhalb des Aufbaus der Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland hat. Vier der acht Richter waren auch der Auffassung, daß sich diese Amtsbezeichnungen, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, unverkürzt im dienstlichen und außerdienstlichen Verkehr führen, insbesondere in der Anrede verwenden lassen.
Danach läßt sich die Verfassungswidrigkeit von § 19 a Abs. 1 DRiG nicht feststellen (§ 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG).
c) Da § 19 a Abs. 1 DRiG nur bestimmt, wie künftig die richterlichen Amtsbezeichnungen lauten, aber nicht welchen Richtern sie gebühren - dies bestimmt für die beim Inkrafttreten des

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Gesetzes bereits ernannten Richter erst Art. XIII § 1 des Gesetzes und für die künftig in Dienst tretenden Richter der zuständige Minister in der Ernennungsurkunde -, kann § 19 a Abs. 1 DRiG nicht deshalb verfassungswidrig sein, weil er ohne zureichenden Grund zwischen bestimmten Richtern oder Richtergruppen differenziert, unrichtig differenziert oder nicht differenziert hat. Die Regelung des § 19 a Abs. 1 DRiG verbietet z. B. weder, daß alle aufsichtsführenden Richter eines Amtsgerichts, gleichgültig welche Amtsbezeichnungen für sie in der Vergangenheit in Betracht kamen, "Präsidenten" heißen, noch daß alle Richter, die nicht nur zeitweise entsprechend einer gerichtlichen Geschäftsverteilung (z. B. als Vorsitzender des Schöffengerichts), sondern nach der Gerichtsverfassung immer den Vorsitz eines richterlichen Spruchkörpers (z. B. am Arbeitsgericht oder Sozialgericht) führen, künftig zum "Vorsitzenden Richter" ernannt werden können, - übrigens ohne daß damit schon etwas über die Einstufung in eine bestimmte Besoldungsgruppe vorentschieden wäre.
Diese Entscheidung ist mit sieben Stimmen gegen eine Stimme ergangen.
d) Die in § 19 a Abs. 1 DRiG eingeführte Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" und die entsprechenden Amtsbezeichnungen der planmäßig auf Lebenszeit in der Eingangsstelle angestellten Richter an den Gerichten erster Instanz der anderen Gerichtszweige sind gemäß § 19 a Abs. 2 DRiG unverändert auch als "Bezeichnung" für die Richter kraft Auftrags an diesen Gerichten zu verwenden.
aa) Vier Richter sind der Auffassung, daß diese Regelung mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist: Nach § 14 DRiG kann nur ein Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit zum Richter kraft Auftrags ernannt werden, wenn er später als Richter auf Lebenszeit verwendet werden soll. Diesem Richter steht nicht eine Amtsbezeichnung, sondern, wie sich aus § 19 a Abs. 2 DRiG ergibt, nur die Bezeichnung "Richter am Amtsgericht" usw. zu, die er außerdem nur im Dienst zu führen berechtigt ist; ihm bleibt die Amtsbezeichnung, die ihm als Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit zu

BVerfGE 38, 1 (16):

kommt. Für die Wahl der im Dienst zu führenden Bezeichnung eines Richters kraft Auftrags war bestimmend, daß sie Aufschluß geben soll über die Aufgabe, die er wahrnimmt, und über das Gericht, an dem er sie wahrnimmt. Diese Bezeichnung im Dienst kann die Amtsbezeichnung, die dem planmäßig auf Lebenszeit berufenen Richter auch zur Führung außerhalb des Dienstes zukommt - "Richter am Amtsgericht" usw. - nicht beeinträchtigen. Art. 33 Abs. 5 GG schützt die Amtsbezeichnung nicht in derselben Weise, wie ein Gesetz zum Schutze einer Berufsbezeichnung diese gegen die unbefugte Verwendung durch Nichtberechtigte schützt.
bb) Vier Richter sind der Auffassung, daß jene Regelung mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar ist: Richter kraft Auftrags sind Richter, die nicht planmäßig auf Lebenszeit ernannt sind und deren spätere Berufung in ein Richteramt auf Lebenszeit noch ungewiß ist. Ihr Status im Sinne des hergebrachten Amtsrechts ist im Beamtenverhältnis begründet, nicht im Richteramtsverhältnis. Als Richter ist ihnen entsprechend ihrer Funktion zwar sachliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG garantiert, nicht dagegen die persönliche Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese statusmäßige Verschiedenheit schließt es aus, dieselbe Benennung einmal als Amtsbezeichnung und das andere Mal als Bezeichnung einzuführen. Denn die Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" usw. verliert damit ihre Aussagekraft. Sie ist nicht einmal mehr gegen Verwechslungen geschützt, die außerhalb des Rechts des öffentlichen Dienstes zugunsten sog. gesetzlich geschützter Berufsbezeichnungen durch besondere gesetzliche Regelungen abgewehrt werden. Eine Amtsbezeichnung, die unverändert auch als Bezeichnung eines Beamten für die Dauer der Wahrnehmung einer richterlichen Aufgabe - wenn auch nur im Dienst - zu verwenden ist, ist keine angemessene Amtsbezeichnung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Es ist Sache des Gesetzgebers, diese Verwechslungsgefahr entweder durch Änderung der Amtsbezeichnung in § 19 a Abs. 1 DRiG oder durch Änderung der Bezeichnung in § 19 a Abs. 2 DRiG zu beseitigen.


BVerfGE 38, 1 (17):

Für diesen Punkt gilt also, daß bei Stimmengleichheit gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG ein Verstoß gegen das Grundgesetz nicht festgestellt werden kann.
3. Die Regelung in Art. XIII § 1 des Gesetzes genügt nicht unter jedem Betracht dem Art. 3 Abs. 1 GG:
a) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es dabei in erster Linie Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, was im wesentlichen gleich und was als so verschieden anzusehen ist, daß die Verschiedenheit eine unterschiedliche Behandlung fordert. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender, ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt und deshalb die gesetzliche Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß. Ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder überhaupt eine vernünftige Lösung gefunden hat, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen.
b) Danach läßt sich rechtfertigen, die Amtsbezeichnungen innerhalb der Gerichte erster Instanz zu vereinheitlichen, also beispielsweise im Amtsgericht die Unterscheidung Amtsgerichtsrat, Oberamtsrichter, Amtsgerichtsdirektor, soweit er nicht aufsichtsführender Richter ist, und innerhalb des Sozialgerichts die Unterscheidung Sozialgerichtsrat und Obersozialgerichtsrat zu beseitigen. Es ist ein plausibler Grund, wenn die neue Regelung der Amtsbezeichnungen nicht auf die verschieden hohe Besoldung und nicht auf die mit dem Richteramt verbundene Verwaltungstätigkeit des Richters, sondern auf die gleiche richterliche Tätigkeit innerhalb des Gerichts abhebt.
Ebenso bestehen gegen die Ersetzung der Amtsbezeichnung "Vizepräsident" für die Vertreter der Präsidenten der höheren Gerichte durch die neue Amtsbezeichnung "Vorsitzender Richter" keine Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG. Denn es ist ein sachlich

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vertretbarer Grund für die Gleichheit der Amtsbezeichnungen, dabei nicht auf die Verwaltungstätigkeit dieser Richter, sondern auf ihre richterliche Tätigkeit abzustellen, die den Schwerpunkt der Tätigkeit der Vizepräsidenten ausmacht oder jedenfalls ausmachen sollte und sich in nichts von der richterlichen Tätigkeit der anderen "Vorsitzenden Richter" desselben Gerichts unterscheidet.
Schließlich durfte der Gesetzgeber bei der Übergangsregelung in Art. XIII § 1 des Gesetzes auch den Richtern, die in einem Gericht erster Instanz stets (und nicht nur vorübergehend auf Grund einer Geschäftsverteilung) den Vorsitz in einem Spruchkörper führen, die neue Amtsbezeichnung "Richter am ..." beilegen, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Denn es war ein sachlich vertretbarer Grund, dabei in zweifelhaften Fällen an die bisherige Abgrenzung innerhalb der zur Verfügung stehenden Amtsbezeichnungen anzuknüpfen. Obwohl der Richter am Sozialgericht und am Arbeitsgericht ebenso wie der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen seit je Vorsitzender eines Spruchkörpers mit fachlich qualifizierten, wenn auch nicht rechtsgelehrten Beisitzern ist, trug er die - dem Amtsgerichtsrat oder Landgerichtsrat entsprechende - Amtsbezeichnung "Sozialgerichtsrat" und "Arbeitsgerichtsrat". Dementsprechend entschied sich der Gesetzgeber dafür, ihm statt dessen künftig die Amtsbezeichnung "Richter am Sozialgericht" und "Richter am Arbeitsgericht" beizulegen.
Diese Entscheidungen sind einstimmig ergangen.
c) Dagegen sind folgende Regelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar:
aa) Berlin kennt seit langem beim Amtsgericht Tiergarten das Amt des Vizepräsidenten; er ist - heute als "Richter am Amtsgericht" - in die BesGr. 3 der Besoldungsordnung B eingestuft (8. Landesbesoldungsrechtsänderungsgesetz vom 6. Dezember 1971, GVBl. S. 2057, Art. II, § 4 Nr. 2). Entsprechendes gilt für Hamburg (Besoldungsgesetz vom 11. Dezember 1973, Anlage 2, GVBl. S. 509). Der Vizepräsident an diesen beiden großen Amts

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gerichten war und ist - ähnlich wie der Präsident - so gut wie ausschließlich mit Verwaltungsgeschäften beschäftigt. So wenig das Gesetz unter Vernachlässigung dieses wesentlichen Unterschieds, der zwischen dem Amtsgerichtspräsidenten und den Richtern am Amtsgericht besteht, dem Präsidenten die neue Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" beilegen konnte, durfte es für die beiden genannten Vizepräsidenten, die - anders als die Vizepräsidenten bei den höheren Gerichten - nicht nach ihrer richterlichen Tätigkeit mit anderen Richtern verglichen werden können und durch die neue Amtsbezeichnung auch nicht ihnen gegenüber herausgehoben werden, die Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht" vorsehen. Das ist aber durch Art. XIII § 1 des Gesetzes für die zum Vizepräsidenten am Amtsgericht Tiergarten und zum Vizepräsidenten am Amtsgericht Hamburg ernannten Richter geschehen. Die Regelung ist insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.
Diese Entscheidung ist mit sechs gegen zwei Stimmen ergangen.
bb) Art. XIII § 1 des Gesetzes gewährt den zum Amtsgerichtspräsidenten ernannten Richtern die neue Amtsbezeichnung "Präsident des Amtsgerichts", den übrigen Richtern an der Spitze eines Amtsgerichts, mögen sie zum Amtsgerichtsdirektor oder zum Oberamtsrichter ernannt worden sein, die neue Amtsbezeichnung "Richter am Amtsgericht", die künftig auch alle übrigen Richter am Amtsgericht führen. Damit wird ein wesentlicher Unterschied in der Stellung des Leiters eines Amtsgerichts und der übrigen Richter dieses Amtsgerichts in sachfremder Weise außer acht gelassen und zugleich ohne sachlich zureichenden Grund die wesentlich gleiche Stellung aller Leiter eines Amtsgerichts, mögen sie bisher Oberamtsrichter, Amtsgerichtsdirektor oder Amtsgerichtspräsident geheißen haben, verschieden behandelt. Nicht nur den Präsidenten eines Amtsgerichts, sondern allen Leitern eines Amtsgerichts kommt, soweit sie nicht ausnahmsweise dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts übertragen ist, die allgemeine Dienstaufsicht beim Amtsgericht zu (§ 22 GVG). Dabei macht das Gesetz keinen Unterschied, ob es

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sich um kleine und mittlere Amtsgerichte oder um große Amtsgerichte handelt.
Dem Leiter eines Amtsgerichts obliegt also grundsätzlich die Dienstaufsicht über die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Amtsgerichts einschließlich der dienstlichen Beurteilung und der Verbescheidung von Dienstaufsichtsbeschwerden gegen nichtrichterliche Dienstkräfte, die Verteilung der Geschäfte auf die Beamten, Angestellten und Arbeiter, die Einstellung von Angestellten und Arbeitern, ferner Kündigung und - vom Präsidenten des Oberlandesgerichts genehmigte - Höhergruppierung von Angestellten, die Vorermittlungen gegen Beamte nach der Disziplinarordnung einschließlich der Verhängung gewisser Disziplinarmaßnahmen, die Aufsicht über die dem Amtsgericht zugewiesenen Referendare, außerdem die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel, Unterhaltung des Dienstgebäudes und Vorbehandlung von Bauangelegenheiten, sonstige Verwaltungsgeschäfte wie Erledigung von Berichtsaufträgen des Präsidenten des Landgerichts, Stellungnahmen für die - vom Präsidenten des Landgerichts zu fertigenden - dienstlichen Beurteilungen der Richter, Stellungnahmen zu Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Richter, Entscheidungen über Gesuche um Akteneinsicht, Durchführung von Dienstunfallverhandlungen, Urlaubsbewilligung usw. sowie die regelmäßige Überprüfung der gesamten Geschäfte eines Amtsgerichts. Daß den aufsichtsführenden Richtern des Amtsgerichts, soweit sie nicht Präsident des Amtsgerichts sind, nicht die Dienstaufsicht über die Richter ihres Gerichts zusteht, kann wegen des Übergewichts der übrigen Aufsichtsbefugnisse hier vernachlässigt werden. Die Leiter eines Amtsgerichts sind also - aufs Ganze gesehen - ebenso aus der Reihe aller Richter des Gerichts "herausgehoben" wie die Präsidenten des Amtsgerichts und der höheren Gerichte aus der Reihe aller Richter ihres Gerichts. Ganz deutlich wird der Verstoß in diesem Punkt, wenn man die Systematik des Gesetzes zugrunde legt, das von der Notwendigkeit verschiedener Amtsbezeichnungen für (beisitzende) Richter, Spruchkörper-Vorsitzende und für die "Spitze" des Gerichts aus

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geht und deshalb drei Amtsbezeichnungen "Richter", "Vorsitzender Richter" und "Präsident" kennt. Der Gesetzgeber verläßt die selbst gewählte Konzeption und reiht die Leiter bestimmter Gerichte in die Gruppe der "einfachen" Richter ein. Das ist eine systemfremde, unsachliche, deshalb willkürliche Regelung der Amtsbezeichnung für den Leiter eines Amtsgerichts, der nicht zum "Präsident" ernannt worden ist.
Diese Entscheidung ist mit sechs gegen zwei Stimmen ergangen.
4. Die übrigen gegen die angegriffene Regelung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch:
a) Art. 97 Abs. 1 GG verbürgt die richterliche Unabhängigkeit. Sie verbietet jeden vermeidbaren Einfluß der Exekutive auf die Rechtsstellung der Richter (BVerfGE 12, 81; 26, 79 [93, 96]) und dient daneben dem Schutz der rechtsprechenden Gewalt vor Eingriffen der Legislative (BVerfGE 12, 67 [71]). Eine solche unzulässige Einflußnahme auf die Justiz kann in den neuen Amtsbezeichnungen nicht gesehen werden; keinesfalls führen sie dazu - wie ein Beschwerdeführer behauptet -, daß der Richter "zum Wohlverhalten im Sinne der anderen staatlichen Gewalten erzogen wird".
b) Ebensowenig ist Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt: Die neuen Amtsbezeichnungen sind nicht geeignet, den Richterstand allgemein in seinem Ansehen in der Öffentlichkeit herabzusetzen oder gar die Richter in ihrer persönlichen und beruflichen Ehre anzugreifen. Das von einigen Beschwerdeführern geäußerte Gefühl der "Degradierung" reicht nicht aus, um eine Verletzung der Menschenwürde oder eine Beeinträchtigung der freien Entfaltung der Persönlichkeit zu begründen.
c) Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb als Prüfungsmaßstab im vorliegenden Falle aus, weil insoweit Art. 33 Abs. 5 GG als lex specialis vorgeht (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit BVerfGE 3, 58 [153]).
Diese Entscheidungen sind einstimmig ergangen.
5. Soweit die Prüfung ergeben hat, daß die angegriffene Rege

BVerfGE 38, 1 (22):

lung nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, mußte es mit einer Feststellung der partiellen Verfassungswidrigkeit sein Bewenden haben, weil mit dem Ausspruch der Nichtigkeit eine Lücke im geltenden Recht entstanden wäre, die durch die Praxis nicht zuverlässig hätte geschlossen werden können, und weil dem Gesetzgeber bei der Suche nach einer verfassungsmäßigen Lösung, deren es mehrere gibt, nicht vorgegriffen werden soll.
6. Die in Art. I Nr. 2 und Art. XIII § 1 des Gesetzes getroffene Regelung bildet eine innere Einheit. Jede der zulässigen Verfassungsbeschwerden eröffnete den Weg und machte nötig, die angegriffene Regelung, wie geschehen, umfassend auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Jede Verfassungsbeschwerde hatte also insofern Erfolg, als sie zu einer verfassungskonformen Auslegung der Regelung, die für jeden Beschwerdeführer bedeutsam ist, und zur Feststellung partieller Unvereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG führte mit der Folge, daß der Gesetzgeber genötigt ist, nach einer verfassungsmäßigen Lösung zu suchen, die unter Umständen, um die Einheit der Konzeption zu wahren, auch verfassungsrechtlich nicht beanstandete Teile des geregelten Gegenstands einbeziehen muß. Deshalb kann von den erhobenen Verfassungsbeschwerden keine als unbegründet zurückgewiesen werden.
7. Gemäß § 34 Abs. 4 BVerfGG war auszusprechen, daß die Bundesrepublik Deutschland den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten hat.
Diese Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.
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