BVerfGE 36, 92 - Versagung rechtlichen Gehörs


BVerfGE 36, 92 (92):

1. Art. 103 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, durch Präklusionsbestimmungen auf eine beschleunigte Abwicklung des Rechtsmittelverfahrens hinzuwirken, soweit die betroffene Partei in 1. Instanz ausreichend Gelegenheit hatte, sich in allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat.
2. Im Regelfall reicht eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen in 1. Instanz unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht aus, um das Berufungsgericht zu verpflichten, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen des Berufungsklägers auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen. Das Gericht kann grundsätzlich ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör davon ausgehen, daß der Berufungskläger in seiner den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung nicht nur darlegt, in welchen Punkten er das erstinstanzliche Urteil angreift,

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sondern auch das Vorbringen und die Beweisanträge ausdrücklich kennzeichnet, auf die er weiterhin Wert legt.
3. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn das Erstgericht ein unter Beweis gestelles Vorbringen als unerheblich behandelt, der Berufungskläger mit seiner Berufung gerade diese Rechtsauffassung angreift und das Berufungsgericht den betreffenden Sachvortrag daraufhin ebenfalls für erheblich ansieht. Unter diesen Voraussetzungen ist das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG gehalten, sich zu vergewissern, ob das Beweismittel nicht bereits in 1. Instanz benannt worden ist.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 10. Oktober 1973
- 2 BvR 574/71 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Rudolf H... gegen das Urteil das Landgerichts Lüneburg vom 16. Juni 1971 - 1 S 126/71 -.
Entscheidungsformel:
1. Das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 16. Juni 1971 - 1 S 126/71 - verletzt Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen.
2. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe
 
A. - I.
1. Am 27. Oktober 1970 fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Pkw in Celle auf einen von dem Kraftfahrer Jan D ... gesteuerten Omnibus der Verkehrsbetriebe "Hermann B ... GmbH" auf.
Im Januar 1971 erhob er vor dem Amtsgericht Celle Klage auf Schadenersatz in Höhe von über 1200 DM gegen die Halterin (Beklagte zu 1) und den Fahrer (Beklagter zu 2) des Busses. Er machte vor allem geltend, der beklagte Kraftfahrer habe mit dem von ihm gesteuerten Omnibus eine Gefahrenbremsung durchgeführt, so daß ein Auffahrunfall unvermeidbar gewesen sei. Wörtlich trug er vor:


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    "Als der Beklagte zu 2) sich etwa 20 m vor der Fahrbahn der Neustadt befand, führte er eine Gefahrenbremsung durch, weil der Fahrer eines Pkw Marke Citroen anstatt nach rechts nach links abgebogen war.
    Beweis:
    1. Zeugnis des Polizeiobermeisters E ... zu laden beim Polizeiabschnitt Celle, Hannoversche Straße 47, dem der Beklagte diese Schilderung gegeben hatte und
    2. Parteivernehmung des Beklagten zu 2), der den Kläger an der Unfallstelle sofort aufgefordert hatte, dem Citroen hinterherzufahren."
    In seinem Schriftsatz vom 15. Februar 1971 kam er nochmals auf diesen Punkt zu sprechen:
    "Der Beklagte zu 2) hat an der Unfallstelle von sich aus erklärt: 'Es tut mir leid, ich mußte scharf bremsen, weil der Citroen mir direkt vor den Wagen gefahren war. Fahren Sie ihm doch hinterher'.
    Der Beklagte zu 2) gab als Begründung für sein Verhalten an, der vorausfahrende Pkw (Citroen) sei anstatt nach rechts nach links abgebogen.
    Beweis:
    Polizeiobermeister E ... Parteivernehmung des Klägers gemäß § 448 ZPO."
Die Beklagten bestritten die behauptete Gefahrenbremsung. Das Amtsgericht erhob die angebotenen Beweise nicht. Am 17. Februar 1971 wies es die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, die Gefahrenbremsung - unterstellt, sie habe stattgefunden - sei für den Unfall nicht kausal gewesen.
Im Tatbestand dieses Urteils sind die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Beweismittel nicht angeführt. Das Amtsgericht verwies hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien lediglich auf die von ihnen vorgetragenen Schriftsätze.
2. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. März 1971 Berufung ein und begründete gleichzeitig das Rechtsmittel. Er machte vor allem geltend, das Amtsgericht

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habe zu Unrecht angenommen, die Gefahrenbremsung könnte für den Unfall nicht ursächlich gewesen sein. Seine in erster Instanz gestellten Beweisanträge wiederholte er zunächst nicht. Er nahm aber, "um Wiederholungen zu vermeiden", "auf das Vorbringen in erster Instanz Bezug".
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1971 führte die Prozeßbevollmächtigte der Berufungsbeklagten aus, das erstinstanzliche Urteil habe die Klage zu Recht abgewiesen und bestritt im übrigen wiederum die Gefahrenbremsung.
Im Termin vom 27. Mai 1971 räumte das Landgericht dem Beschwerdeführer eine Frist von 10 Tagen ein, um zu dem Schriftsatz der Berufungsbeklagten Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom selben Tag wies der Beschwerdeführer darauf hin,
    "daß bereits in der ersten Instanz vom Kläger behauptet und vorgetragen worden ist, daß der Beklagte zu 2) gegenüber dem Polizeibeamten E ... erklärt hat, er habe eine Gewaltbremsung durchgeführt und bedauere dies".
3. Durch Urteil vom 16. Juni 1971 wies das Landgericht Lüneburg die Berufung zurück. Es legte dar, daß den Beschwerdeführer an dem Unfall die Alleinschuld treffe und begründete dies im einzelnen. Bei der Abwägung der Frage, welche Betriebsgefahren von den an dem Unfall beteiligten Fahrzeugen ausgegangen seien, führte es sodann aus:
    "Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers, der ohne auf den Straßenverkehr vor ihm zu achten, sich mit unverminderter Geschwindigkeit der Einmündung näherte, überwiegt die Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 2) gesteuerten Busses der Beklagten zu 1), der vor der Einmündung langsam abgebremst wurde, so sehr, daß der Kläger gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 3 StVG seinen gesamten Schaden selbst tragen muß. Bei der Bemessung der Betriebsgefahr des Omnibusses der Beklagten zu 1) kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte zu 2) den Bus scharf gebremst hat; diese Vermu

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    tung des Klägers ist nicht bewiesen. Der Kläger hat dazu in erster Instanz vorgetragen, der Beklagte zu 2) habe nach dem Unfall erklärt: 'Es tut mir leid, ich mußte scharf bremsen, weil der Citroen mir direkt vor den Wagen gefahren war. Fahren Sie ihm doch hinterher.' Beweis für die Behauptung hat er damals nicht angetreten. In seinem Schriftsatz vom 27.5.1971, der am 3.6.1971 hier eingegangen ist, bezieht er sich dafür, daß der Beklagte zu 2) behauptet habe, er habe eine Gewaltbremsung durchgeführt, auf das Zeugnis des Polizeibeamten E ..., Celle. Dieser Beweisantritt ist jedoch gemäß § 529 Abs. 2 ZPO verspätet und kann deshalb nicht mehr berücksichtigt werden."
Aus der Zurückweisung des Beweisantritts nach § 529 Abs. 2 ZPO ergibt sich, daß das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht die Frage der Gefahrenbremsung für rechtserheblich ansah.
II.
1. Mit der am 6. Juli 1971 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe den von ihm bereits in erster Instanz angebotenen Beweis für die behauptete Gefahrenbremsung übersehen und seinen im Schriftsatz vom 27. Mai 1971 wiederholten Beweisantrag zu Unrecht als verspätet behandelt. Gerade die Frage der Gefahrenbremsung sei das Kernproblem des Zivilverfahrens gewesen.
Der Beschwerdeführer bezieht sich vor allem auf die Entscheidung des Zweiten Senats vom 15. Januar 1969 (BVerfGE 25, 137 ff.).
2. Der Niedersächsische Minister der Justiz hat davon abgesehen, sich zu der Verfassungsbeschwerde zu äußern. Auch die Beklagten des Ausgangsverfahrens haben eine Stellungnahme nicht abgegeben.
3. Die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs haben sich zur Frage der Anwendung des § 529 Abs. 2 ZPO sowie dazu geäußert, ob und inwieweit eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen in

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der Vorinstanz auch die in dieser Instanz unterbreiteten Beweisantritte erfaßt.
 
B. - I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.
1. Der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist hinreichend substantiiert (vgl. BVerfGE 28, 17 [20]). Der Beschwerdeführer trägt vor, die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liege in der Zurückweisung des von ihm angebotenen Beweismittels nach § 529 Abs. 2 ZPO.
2. Auf dieser Zurückweisung beruht das angegriffene Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Berücksichtigung des aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zugelassenen Beweismittels zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung des Berufungsgerichts geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 239 [241]; 13, 132 [145]; 28, 17 [19 f.]).
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die Zurückweisung des Beweisantritts nach § 529 Abs. 2 ZPO beruht im vorliegenden Fall auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten grundsätzlich ein Recht darauf, daß er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 [429]; 24, 119 [155]). Dem entspricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern bei seiner Entscheidung auch in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 [220]; 14, 320 [323]; 18, 380 [383]; 22, 267 [273]).
2. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gewährt aber keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise außer Betracht lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 [194]). Unter diesem Blickpunkt ist die Vorschrift des § 529 Abs. 2 Satz 1

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ZPO bei verfassungskonformer Handhabung mit Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar.
§ 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO dient der Beschleunigung des Verfahrens und erfaßt nur Angriffs- und Verteidigungsmittel, die der Betroffene in erster Instanz in vorwerfbarer Weise (Absicht oder grobe Nachlässigkeit) nicht vorgetragen hat und deren Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt also voraus, daß die Partei in erster Instanz ausreichend Gelegenheit zu einem bestimmten Sachvortrag hatte, diese Gelegenheit aber schuldhaft ungenutzt verstreichen ließ.
Damit ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan. Art. 103 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, durch Präklusionsbestimmungen auf eine beschleunigte Abwicklung des Rechtsmittelverfahrens hinzuwirken, soweit die betroffene Partei in erster Instanz ausreichend Gelegenheit hatte, sich in allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat.
3. Im vorliegenden Fall war die Zurückweisung des Beweisangebots nach § 529 Abs. 2 ZPO indes verfehlt.
Der Beschwerdeführer hatte für die behauptete Gefahrenbremsung des Beklagten zu 2) bereits in erster Instanz Beweis angeboten. Das mit Schriftsatz vom 27. Mai 1971 in zweiter Instanz erneut vorgetragene Beweisangebot durfte nicht als neues Angriffsmittel im Sinne des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO behandelt werden. Dabei kann es hier auf sich beruhen, ob sich das Berufungsgericht im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG bei der Prüfung der Frage, ob das vorgetragene Beweismittel "neu" im Sinne des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO sei, auf den Tatbestand des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils, die darin in Bezug genommenen Schriftsätze und Protokolle und das Sitzungsprotokoll beschränken konnte (vgl. zur Rechtslage nach einfachem Recht Grunsky in: Stein-Jonas-Pohle, ZPO, 19. Aufl., Anm. II zu § 529 ZPO, und Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl. S. 735). Eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör liegt dann

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jedenfalls darin, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufungsbegründung auf sein Beweisangebot in erster Instanz in zulässiger Weise Bezug genommen, das Berufungsgericht diese Bezugnahme aber offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat.
a) Im Regelfall reicht eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen in erster Instanz unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht aus, um das Berufungsgericht zu verpflichten, die gesamten erstinstanzlichen Ausführungen des Berufungsklägers auf ihre Relevanz für das Berufungsverfahren zu überprüfen. Das Gericht kann grundsätzlich ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör davon ausgehen, daß der Berufungskläger in seiner den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung nicht nur darlegt, in welchen Punkten er das erstinstanzliche Urteil angreift, sondern auch das Vorbringen und die Beweisanträge ausdrücklich kennzeichnet, auf die er weiterhin Wert legt (vgl. auch BGHZ 35, 103 [106 f.], zu § 286 ZPO). Soweit aus der Entscheidung vom 15. Januar 1969 (BVerfGE 25, 137 ff.) etwas anderes abgeleitet werden könnte, wird klargestellt, daß eine globale Bezugnahme auf das Vorbringen in erster Instanz in der Regel das Berufungsgericht unter dem Blickpunkt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, den gesamten erstinstanzlichen Vortrag der betreffenden Partei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
b) In Ausnahmefällen kann indes die Nichtberücksichtigung eines global in bezug genommenen Vorbringens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen.
Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn das Erstgericht ein unter Beweis gestelltes Vorbringen als unerheblich behandelt, der Berufungskläger mit seiner Berufung gerade diese Rechtsauffassung angreift und das Berufungsgericht den betreffenden Sachvortrag daraufhin ebenfalls für erheblich ansieht. Ist er bestritten und hat der Berufungskläger in der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen, darin den Beweisantritt aber nicht ausdrücklich wiederholt, so muß sich das Berufungsgericht Gewißheit darüber verschaffen, ob in erster

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Instanz Beweis angeboten worden ist, ehe es die Berufung aus diesem Grunde scheitern läßt. Ebensowenig kann es in einem solchen Fall ein in zweiter Instanz vorgetragenes Beweismittel ohne weiteres als "neu" im Sinne des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO behandeln. Unter diesen Voraussetzungen ist das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG vielmehr gehalten zu prüfen, ob das Beweismittel nicht bereits in erster Instanz benannt worden ist.
So liegt der Fall hier. Der Beschwerdeführer hatte in erster Instanz den Gesichtspunkt der Gefahrenbremsung in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellt und dafür Beweis angeboten. Das Amtsgericht hat die etwaige Gefahrenbremsung als rechtlich unerheblich behandelt. Gerade diese rechtliche Wertung griff der Beschwerdeführer mit seiner Berufung an. Das Berufungsgericht war ebenfalls der Ansicht, daß der Gesichtspunkt der Gefahrenbremsung rechtlich erheblich sei. Es hätte daher die Pflicht gehabt, sich davon zu überzeugen, ob ein entsprechendes Beweisangebot in erster Instanz vorgetragen worden war. Statt dessen hat es den mit Schriftsatz vom 27. Mai 1971 in zweiter Instanz erneut angetretenen Beweis nach § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zugelassen. Diese Sachbehandlung ist mit Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, zumal der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 27. Mai 1971 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, von ihm sei bereits in erster Instanz vorgetragen worden, "daß der Beklagte zu 2) gegenüber dem Polizeibeamten E ... erklärt hat, er habe eine Gewaltbremsung durchgeführt und bedauere dies".
4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG. Erstattungspflichtig ist das Land Niedersachsen, dem die von dem Beschwerdeführer erfolgreich gerügte Verfassungsverletzung zuzurechnen ist.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Seuffert v. Schlabrendorff Rupp Geiger Hirsch Rinck Rottmann Wand