BVerfGE 25, 69 - Verfassungsfeindliche Äußerungen


BVerfGE 25, 69 (69):

Art. 5 Abs. 1 GG steht der Bestrafung wegen an sich nicht verfassungsfeindlicher Äußerungen im Rahmen der mitgliedschaftlichen Tätigkeit in einer verbotenen Partei oder einer ihrer Ersatzorganisationen nicht entgegen.
 
Beschluss
des 1. Senates vom 14. Januar 1969
- 1 BvR 176/66 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Paul B. ... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte ... - gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1965 - 2 StE 2/65 -.


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Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.-I.
Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Parteiverbotsverfahren waren zunächst durch die §§ 42, 47 BVerfGG unter Strafe gestellt. Diese Strafvorschriften wurden durch § 28 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593) - VereinsG - mit Wirkung vom 12. September 1964 aufgehoben. An ihre Stelle trat der durch § 22 Nr. 1 des Vereinsgesetzes neu eingefügte § 90 a StGB - im folgenden: § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG -. Bis zur Aufhebung mit Wirkung vom 1. August 1968 und Ersetzung durch § 84 StGB in der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1968 (BGBl. I S. 741) - 8. StRÄndG - lautete § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG:
    (1) Wer eine politische Partei, die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt ist, fortführt, ihren organisatorischen Zusammenhalt auf andere Weise aufrechterhält oder für sie eine Ersatzorganisation schafft, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar.
    (2) Wer sich an einer in Absatz 1 bezeichneten Partei oder an einer für sie geschaffenen Ersatzorganisation als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird mit Gefängnis bestraft.
    (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern gehört.
    (4) bis (6) ...
§ 94 StGB in der seit 6. Juni 1964 wirksamen Fassung des Siebenten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 1. Juni 1964 (BGBl. I S. 337 - im folgenden § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG -, aufgehoben mit Wirkung vom 1. August 1968 durch Art. 1 des 8. StRÄndG) ermöglichte eine Strafschärfung bei staatsgefährdender Absicht, u.a. auch bei dem Vergehen der Geheimbündelei

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nach § 128 StGB (§ 128 StGB in der Fassung des § 22 Nr. 4 VereinsG - im folgenden: § 128 StGB n.F. -, in Kraft vom 12. September 1964 bis zur Aufhebung am 1. August 1968 durch Art. 1 des 8. StRÄndG). Die Strafvorschriften lauteten:
    § 94
    (1) Wird eine Tat, die nach den Vorschriften über
    ...
    Angriffe gegen die öffentliche Ordnung (§§ 123 bis 139),
    ...
    strafbar ist, in der Absicht begangen, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern, so kann, soweit die Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder auf Gefängnis und, wenn die Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren erkannt werden.
    (2) ...
    § 128
    (1) Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahre zu bestrafen.
    (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Verbindung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat.
    (3) ...
II.
Der Beschwerdeführer gehörte der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) seit 1945 an. Von 1949 bis zum Verbot der Partei im August 1956 war er hauptamtlich für die KPD tätig.
1. a) Von August 1959 bis Ende Januar 1960 wirkte er leitend in einem regionalen "Literaturherstellungs- und Verteilerapparat" der illegalen KPD in Nordrhein-Westfalen.


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b) Für die Zeit von Februar 1960 bis Ende Juni 1964 verblieb er als Mitglied im Verband der verbotenen KPD, ohne eine aktive parteipolitische Tätigkeit zu entfalten.
c) Von Juli 1964 bis zu seiner Verhaftung im Februar 1965 leistete er wiederum aktive Parteiarbeit. Die verbotene KPD besoldete ihn im Range eines Mitgliedes einer Bezirksleitung mit monatlich 800-1000 DM.
d) Seit Juni 1963 schrieb er Beiträge für verschiedene Zeitungen in Norddeutschland. Diese journalistische Tätigkeit übte er seit Wiederaufnahme seiner aktiven Parteiarbeit im Juli 1964 im Auftrag der verbotenen KPD aus. Die Partei ersetzte ihm u.a. die Unkosten für Literatur, die er für seine journalistische Arbeit benötigte.
e) Schließlich wirkte er am 19. Juli 1964 an einer in Rostock auf der Warnow-Werft aufgenommenen Sendung des "Freiheitssenders 904" über das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in Werftbetrieben der Bundesrepublik und in der Ostzone mit.
2. Am 16. Dezember 1965 verurteilte der Bundesgerichtshof den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot in Tateinheit mit Geheimbündelei in verfassungsfeindlicher Absicht und mit verfassungsfeindlichen Beziehungen zu zwei Jahren Gefängnis. Zur Begründung führte das Urteil aus:
Der Beschwerdeführer sei während des gesamten Zeitraums von August 1959 bis zu seiner Verhaftung Mitglied der verbotenen KPD gewesen. In den oben unter 1 a), c) und d) genannten Zeitabschnitten habe der Beschwerdeführer jedoch darüber hinaus den organisatorischen Zusammenhalt der Partei aufrechterhalten. In dem unter 1 c) und d) erwähnten Tatabschnitt habe er dies durch seine eigene Propagandatätigkeit - vor allem als Journalist - und durch die Erfüllung weiterer Parteiaufgaben als Funktionär im Rang eines Mitglieds einer Bezirksleitung getan. Er habe als Rädelsführer gehandelt. Daher werde Abs. 2 des § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG durch die Absätze 1 und 3 dieser Vorschrift verdrängt. Die im Untergrund fortbestehende verbotene KPD sei ein Geheimbund. Der Beschwerdeführer habe in der

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Absicht gehandelt, die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der KPD zu fördern. Er sei deshalb auch als Mitglied eines Geheimbundes nach § 128 StGB n.F., § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG zu bestrafen. Durch seine propagandistische Tätigkeit auf der Warnow-Werft habe der Beschwerdeführer verfassungsfeindliche Beziehungen nach § 100 d Abs. 2 StGB aufgenommen.
Die Strafe sei aus §§ 128 StGB n.F., 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG als dem Gesetz mit der schwersten Strafandrohung entnommen worden, dürfe jedoch die sechsmonatige Mindeststrafe des § 90 a Abs. 3 StGB i.d.F. des VereinsG nicht unterschreiten.
Ab Juli 1964 habe der Beschwerdeführer die journalistische Tätigkeit im Auftrag der KPD ausgeübt und damit gegen das Parteiverbot verstoßen. Die von ihm verfaßten Artikel als solche fielen unter keinen strafrechtlichen Tatbestand. Es handele sich weder um staatsgefährdende Schriften gemäß § 93 StGB, noch seien die §§ 185 ff. StGB verletzt, wenn der Beschwerdeführer auch eine scharfe Sprache führe und harte - teils offensichtlich übertriebene - Kritik übe. Auch ein nicht der verbotenen Partei angehörender Kommunist könnte diese Artikel geschrieben haben, ohne sich dadurch einer Strafverfolgung auszusetzen. Der Beschwerdeführer habe sie aber als bezahlter Funktionär der verbotenen KPD verfaßt und sich dadurch strafbar gemacht.
Eine "legale" politische Tätigkeit von Kommunisten sei rechtlich möglich. Untersagt sei ihnen allerdings, sich in der verbotenen KPD zu betätigen oder diese als Organisation zu unterstützen. Die strafrechtliche Bewehrung eines Parteiverbots solle verhindern, daß die verfassungsfeindlichen Ziele der Partei im Geltungsbereich des Grundgesetzes organisiert weiterverfolgt würden. Dem einzelnen Kommunisten sei es aber nicht verwehrt, sich als Kommunist zu bekennen und sich öffentlich für kommunistische Forderungen einzusetzen, solange er nicht zugleich die verbotswidrig fortbestehende Partei als Organisation fördere. Frühere KPD-Mitglieder könnten sich auch zusammenschließen, wenn sie nur verfassungsmäßige tagespolitische Ziele verfolgten.

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Es könne sein, daß damit ein linientreuer Kommunist nur geringe Möglichkeiten politischer Betätigung habe. Das liege am Wesen des organisierten Kommunismus, nicht aber an den Gesetzen und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
III.
Mit der gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verletzung der Art. 3, 5 und 9 GG. Er hält die Verurteilung insoweit für verfassungswidrig, als er wegen sogenannter "offener Arbeit" für die verbotene KPD bestraft worden sei. Das auf Art. 21 GG beruhende KPD-Verbotsurteil decke nicht eine Bestrafung wegen Abfassens an sich "legaler" Artikel, auch wenn sie ein bezahlter Funktionär der verbotenen KPD geschrieben habe. Der Bundesgerichtshof lasse bei seiner Auslegung des § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG die durch Art. 5 GG gezogenen Grenzen außer acht. Das politische Strafrecht müsse jedenfalls Meinungsäußerungen von Kommunisten straffrei lassen, die jeder andere Staatsbürger straflos abgeben könne. Allein dieser Auftrag der KPD zu einem "legalen" Verhalten könne dies nicht illegal machen. Das angegriffene Urteil verstoße gegen das Übermaßverbot und schränke die Betätigungsfreiheit von Kommunisten unter Verletzung des Gleichheitssatzes ein. Den Kommunisten sei nur eine ganz bestimmte Betätigungsform ihrer politischen Gesinnung durch das KPD-Verbotsurteil verwehrt, nämlich die Betätigung als Partei, vor allem die parteibezogene Beteiligung an allgemeinen Wahlen mit dem Ziel, Sitz und Stimme in den Parlamenten zu erlangen.
IV.
Für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Justiz Stellung genommen. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Im Hinblick auf Art. 5 GG könne zwar nur ein solches Verhalten unter Strafe gestellt werden, das eine unmittelbar organisationsfördernde Wirkung habe. Der Beschwerdeführer

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berücksichtige jedoch nicht, daß er verurteilt worden sei, weil er sich als Funktionär der fortbestehenden KPD aktiv betätigt und den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen Partei aufrechterhalten habe. Seine Verurteilung entspreche eindeutig dem § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG als Ungehorsams- und Organisationsdelikt. Eine sogenannte "legale" Tätigkeit eines aktiven Funktionärs einer verbotenen politischen Partei, die im Rahmen dieser verbotenen Organisation und eines besoldeten Parteiamtes geleistet werde, nehme nicht am Schutz der politischen Meinungs- und Betätigungsfreiheit teil. Dem Beschwerdeführer werde dadurch nicht das jedermann zustehende Recht zur politischen Kritik genommen.
 
B.-I.
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer die Verurteilung nach § 100 d Abs. 2 StGB wegen der unter A II 1 e) genannten Handlung nicht angreift und durch die Verurteilung aus anderen Strafvorschriften sich nur insoweit verletzt fühlt, als er wegen "offener Arbeit" seit Juli 1964 verurteilt worden ist. Die Beschränkung der Verfassungsbeschwerde auf die isolierte Überprüfung der Verurteilung hinsichtlich einzelner Tätigkeitsakte einer rechtlichen Handlungseinheit ist zulässig (vgl. BVerfGE 12, 296 [302]). Zwar würde sich bei Erfolg der Verfassungsbeschwerde anders als bei Wegfall eines in Tateinheit stehenden Delikts am Schuldspruch nichts ändern, weil der Beschwerdeführer mit weiteren Handlungen dieselben Strafvorschriften verletzt hat. Schon das staatliche Unwerturteil, mit dem der einzelne Akt vom Strafgericht als strafbar bezeichnet wird, begründet jedoch eine Beschwer, die einen Angriff mit der Verfassungsbeschwerde zuläßt. Außerdem läßt sich nicht ausschließen, daß die Strafe niedriger ausfallen würde, wenn einzelne Teilakte aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr in die Verurteilung einbezogen werden dürften.


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2. Das Rechtsschutzbedürfnis ist im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer erstrebte Ziel durch das Straffreiheitsgesetz 1968 nicht entfallen. Die Bewilligung von Straffreiheit steht der Freistellung von einem strafgerichtlichen Unwerturteil nicht gleich. Zwar läßt sich dieser Unterschied in der Bewertung nicht unmittelbar dem § 9 des Straffreiheitsgesetzes 1968 entnehmen wie in den Fällen, in denen mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde Freispruch erstrebt wird (vgl. Beschluß des BVerfG vom 14. Januar 1969 - 1 BvR 553/64 -, S. 14); denn ein Freispruch, wie ihn § 9 ermöglichen soll, kommt hier wegen des begrenzten Umfangs der Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht. Dennoch kann der dem § 9 des Straffreiheitsgesetzes 1968 zugrunde liegende Gedanke, der Straffreiheit hafte ein gewisser Makel an, nicht außer acht gelassen werden. Abgesehen davon könnte die Verneinung der Strafbarkeit einzelner Teilakte nach außen in einer Herabsetzung der Strafhöhe zum Ausdruck kommen. Die Strafhöhe bleibt trotz des Straferlasses nach § 3 Straffreiheitsgesetz 1968 weiterhin von Bedeutung; so wird der Eintrag im Strafregister durch das Straffreiheitsgesetz nicht getilgt. Das Straffreiheitsgesetz 1968 enthält nämlich keine Vorschrift über die Löschung von Strafregistereinträgen. Es ist daher wie bei dem insoweit gleichartigen Straffreiheitsgesetz 1954 nicht von einer sofortigen Löschung auszugehen, der Straferlaß setzt vielmehr erst die Fristen für beschränkte Auskunft und Tilgung in Lauf (vgl. Brandstetter, Straffreiheitsgesetz 1954, § 1, Rdnr. 29).
II.
1. Der Bundesgerichtshof hat bei der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen seiner "legalen" Propagandatätigkeit seit Juli 1964 nach § 90 a Abs. 1 und 3 StGB i.d.F. des VereinsG die Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG nicht verkannt.


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Die Neufassung des § 90 a StGB diente in erster Linie nur einer genaueren tatbestandlichen Erfassung des Begriffs der "Zuwiderhandlung" der §§ 42, 47 BVerfGG und führte abgestufte Strafandrohungen ein. Im Hinblick auf das durch die Strafvorschrift geschützte Rechtsgut ist damit keine Änderung eingetreten. Geschützt bleibt die freiheitliche demokratische Grundordnung selbst (BVerfGE, aaO, S. 17).
Entscheidend für die erforderliche Güterabwägung zwischen dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und dem von § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG als "allgemeinem Gesetz" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgut (vgl. BVerfGE 7, 198 [208 ff.]) ist hier, daß der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Strafurteils, die er selbst nicht angreift, seine Propagandaartikel im Rahmen einer Mitgliedsbetätigung in der verbotenen KPD und eines besoldeten Parteiamtes verfaßt hat.
Nach Art. 21 Abs. 3 GG durfte der Gesetzgeber entsprechend dem Zweck des Parteiverbots Vorschriften schaffen, um den Apparat der verbotenen Partei wegen der mit seiner Weiterexistenz verbundenen Gefahren zu zerschlagen (BVerfG, Beschluß vom 14. Januar 1969 - 1 BvR 553/64 -, S. 17 f.). Die Tatsache, daß die einzelne Handlung als solche "legal" ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine verbotene Partei wird, soweit sie nach außen hervortritt, weitgehend versuchen, die einzelnen Handlungen legal erscheinen zu lassen, um nicht sofort Gegenmaßnahmen schon gegen die einzelne Äußerung als solche zu provozieren. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird nicht durch die einzelne Handlung als solche gefährdet, sondern dadurch, daß mit ihr die Ziele der verbotenen Partei weiter in organisierter Form verfolgt werden.
2. Die Verurteilung nach § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG läßt auch im übrigen keine Verfassungsverstöße erkennen.
a) Es ist weder der allgemeine Gleichheitssatz noch seine Konkretisierung in Art. 3 Abs. 3 GG verletzt. Grund der Bestrafung ist nicht der Inhalt der Äußerungen des Beschwerdeführers,

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sondern der Umstand, daß er sich in der Organisation einer verbotenen Partei betätigt und gegen den Schutz des Staates durch das Parteiverbot verstoßen hat. Insofern unterscheidet sich das Verhalten des Beschwerdeführers von dem anderer Personen, die gleichlautende Artikel ohne Verbindung zu einer verbotenen Partei verfassen.
b) Mit der Rüge der Verletzung des Art. 9 Abs. 1 GG will der Beschwerdeführer offenbar sein subjektives öffentliches Recht gegen den Staat auf freie Beteiligung an einer Partei in Anspruch nehmen. Für den Parteibereich ist aber die maßgebliche Verfassungsbestimmung in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG, nicht in Art. 9 Abs. 1 GG zu sehen. Damit ist von vornherein die Einschränkung des Art. 21 Abs. 2 GG verbunden.
c) Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt nicht vor. Die in § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG angedrohten Strafen verletzen nicht das Rechtsstaatsprinzip. Insoweit kann auf die Ausführungen im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 553/64 zu §§ 42, 47 BVerfGG verwiesen werden (BVerfG, aaO, S. 15 f.). Die generell vorgesehene Mindeststrafe von sechs Monaten Gefängnis ist nach § 90 a Abs. 3 StGB i.d.F. des VereinsG nur in besonders schweren Fällen zu verhängen.
3. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, daß der Beschwerdeführer wegen der "legalen" Tätigkeit neben § 90 a StGB i.d.F. des VereinsG auch eines damit in Tateinheit stehenden Verbrechens der Geheimbündelei in verfassungsfeindlicher Absicht nach § 128 StGB n.F. und § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG schuldig gesprochen wurde.
a) § 128 StGB n.F. und § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG verletzen nicht das Rechtsstaatsprinzip, weil sie einen Verbrechenstatbestand schaffen. § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG sieht neben Zuchthausstrafe wahlweise eine Gefängnisstrafe ohne Begrenzung nach unten vor, so daß § 90 a Abs. 3 StGB i.d.F. des VereinsG hinsichtlich der Mindeststrafe sogar strenger ist. Eine allein

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nach § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG zulässige Zuchthausstrafe wurde hier nicht verhängt.
b) Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 GG. Die erhöhte Strafdrohung für die in § 94 StGB i.d.F. des 7. StRÄndG aufgezählten Tatbestände ist an die Absicht geknüpft, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, einen der in § 88 StGB in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 (BGBl. I S. 739) bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern. Die staatsgefährdende Absicht ist damit ein subjektives Tatbestandselement; sie ist mit den einzelnen strafbaren Handlungen verbunden, die zu einer Gefährdung der Sicherheit des Staates führen. Es wird also nicht die Gesinnung bestraft.
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