BVerfGE 1, 299 - Wohnungsbauförderung


BVerfGE 1, 299 (299):

1. Gegen die Zulässigkeit eines Hilfsantrags im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind jedenfalls dann keine rechtlichen Bedenken zu erheben, wenn über ihn in demselben Verfahren entschieden werden kann, in dem über den Hauptantrag zu entscheiden ist, und wenn durch die Entscheidung über den Hilfsantrag die (prozessualen und materiellen) Rechte Dritter nicht in anderer Weise betroffen werden, als sie betroffen worden wären, wenn der Hilfsantrag als Hauptantrag gestellt und verabschiedet worden wäre.
2. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren

BVerfGE 1, 299 (300):

Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen erhaltenen Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.
3. Aus der Aufnahme von Mitteln für den sozialen Wohnungsbau der Länder in den Bundeshaushalt erwächst dem einzelnen Land kein Anspruch auf einen summenmäßig bestimmten Anteil.
4. § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes gewährt den Ländern nur ein Recht auf Mitwirkung bei der Verteilung der Mittel, jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Anteil.
5. Art. 65 GG handelt nur von der Stellung des Bundeskanzlers und der Bundesminister innerhalb der Bundesregierung und gegenüber anderen Verfassungsorganen des Bundes; er betrifft nicht das BundLänderverhältnis und bestimmt nichts über den zulässigen Umfang der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes.
6. Art. 50 GG umreißt nur grundsätzlich die besondere Funktion des Bundesrats als eines Verfassungsorgans des Bundes. Er schließt nicht aus, daß ein einfaches Bundesgesetz weitere Formen der Einflußnahme der Länder auf die Bildung des Bundeswillens einführt, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften des Grundgesetzes entgegenstehen oder Kompetenzen des Bundes ihrer Natur nach unbeschränkbar sind.
7. a) Für ein Rechtsverhältnis, das vom föderalistischen Prinzip beherrscht ist, gilt nicht die im Geltungsbereich des demokratischen Prinzips beheimatete Regel, daß die Mehrheit entscheidet, sondern der Grundsatz der Einstimmigkeit. Wo ein Bundesgesetz das Einvernehmen der Länder mit einem Bundesorgan fordert, genügt daher die Zustimmung der Mehrheit der Länder nicht.
b) Aus dem föderalistischen Prinzip folgt die verfassungsrechtliche Pflicht, daß die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen ("Rechtspflicht zu bundesfreundlichem Verhalten"). Ein aus sachfremden Motiven erhobener, daher unsachlicher und in diesem Sinne willkürlicher Widerspruch eines Landes ist deshalb rechtlich unerheblich.
8. Sachgerecht ist eine Verteilung von Bundeswohnungsbaumitteln

BVerfGE 1, 299 (301):

auf die Länder nur, wenn dabei ausschließlich Gesichtspunkte berücksichtigt werden, deren Berücksichtigung deshalb gerechtfertigt erscheint, weil sie in einer inneren, natürlichen Beziehung zu der zu lösenden Aufgabe stehen, wenn sie also dem Sinn und Zweck der zu schaffenden Ordnung gemäß sind. Die Frage, ob dieser Grundsatz verletzt ist, ist eine Rechtsfrage.
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 21. Mai 1952
- 2 BvH 2/52 -
in dem Verfassungsrechtsstreit betreffend die Verteilung von 91 Millionen DM aus Mitteln des Bundeshaushalts 1951 für den Wohnungsbau in den Ländern; - Antragsteller: für das Land Bayern die Bayerische Staatsregierung, Antragsgegner: für die Bundesrepublik Deutschland die Bundesregierung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
I. Der Bundesminister für Wohnungsbau darf aus den Mitteln, die im Bundeshaushalt 1951, Einzelplan XIV, Kapitel 1, Titel 33, zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues bereitgestellt sind, die restlichen 91 Millionen DM erst an die Länder verteilen, wenn er sich über ihre Verteilung mit allen Ländern verständigt hat.
II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Von den im Bundeshaushalt 1951 für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues bestimmten Mitteln sind noch 91 Millionen DM gemäß § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 (BGBl. S. 83) zu verteilen.
Nach dem Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau (vgl. Anlage zum Schreiben des Bundesministers für Wohnungsbau vom 31. März 1952 an die für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder [Az.: 1228/5/ 52] sollen vorweg erhalten:
    Schleswig-Holstein
    "zur Abdeckung der offenen Finanzierungsbeträge aus dem Wohnungsbauprogramm 1951" 47,0 Millionen DM,


    BVerfGE 1, 299 (302):

    Baden
    "zur Abdeckung des Fehlbetrages in der Finanzierung der Flüchtlingsumsiedlung 1951 (1. Abschnitt)" 8,2 Millionen DM,
    Württemberg-Hohenzollern
    "zur Abdeckung des Fehlbetrages in der Finanzierung der Flüchtlingsumsiedlung 1951 (1. Abschnitt)" 4,3 Millionen DM,
    Rheinland-Pfalz
    "als einmalige finanzielle Übergangshilfe zum endgültigen Lastenausgleich" 5,0 Millionen DM.
Von dem Rest in Höhe von 26,5 Millionen DM sollen entfallen auf:
    Hamburg 2,0 Millionen DM,
    Nordrhein-Westfalen 12,7 Millionen DM,
    Bremen 0,7 Millionen DM,
    Württemberg-Baden 3,7 Millionen DM,
    Rheinland-Pfalz 2,5 Millionen DM,
    Württemberg-Hohenzollern 1,0 Millionen DM,
    Baden 1,0 Millionen DM,
    Berlin 2,9 Millionen DM.
Dem Verteilungsplan des Bundesministers für Wohnungsbau stimmten in einer Sitzung vom 4. April 1952 die Länder Baden, Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu; die Länder Bayern, Hessen und Niedersachsen widersprachen. Der Bundesminister für Wohnungsbau kündigte hierauf an, er werde die Mittel entsprechend seinem Vorschlag zuteilen.
Die Bayerische Staatsregierung hat dagegen das Bundesverfassungsgericht angerufen und beantragt, zu erkennen:
    Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, an das Land Bayern aus den im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 des Bundesministers für Wohnungsbau bewilligten Mitteln für Wohnungsbau weitere DM 14.742.000 abzuführen.


BVerfGE 1, 299 (303):

Hilfsweise hat sie den Antrag gestellt, zu erkennen:
    Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, die in der gemeinsamen Sitzung des Bundesministers für Wohnungsbau und der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister (Senatoren) der Länder vom 4.4.1952 beschlossene Verteilung von DM 91 Millionen restlichen Bundeswohnungsbaumitteln 1951 zu unterlassen und eine Verteilung dieser Mittel durchzuführen, die dem im Einvernehmen mit sämtlichen Ländern beschlossenen sog. Düsseldorfer Schlüssel gemäß Protokoll der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder der Bundesrepublik Deutschland und Berlins vom 23./24. November 1950 entspricht.
Gleichzeitig hat sie eine einstweilige Anordnung folgenden Inhalts beantragt:
    Die Bundesregierung hat bis zur Entscheidung über den Hauptsachenantrag eine anderweitige Verplanung der DM 91 Millionen zu unterlassen.
Die Bundesregierung hat beantragt, die Anträge des Landes Bayern als unbegründet zurückzuweisen.
In dem zur Verhandlung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung anberaumten Termin einigten sich die Beteiligten dahin, daß der Bundesminister für Wohnungsbau bei der Verteilung der 91 Millionen DM den von Bayern beanspruchten Anteil bis zum 21. Mai 1952 zurückhält, daß bis dahin die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgestellt wird und daß unter Verzicht auf förmliche Ladung sofort zur Hauptsache verhandelt werden soll.
Das Land Bayern trägt zur Sache vor:
Der Bundesminister für Wohnungsbau könne die Wohnungsbaumittel nach § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes nur "im Einvernehmen mit den Ländern" verteilen, die von ihm beabsichtigte Verteilung der Bundesmittel müsse also die Zustimmung

BVerfGE 1, 299 (304):

aller Länder finden. Daran fehle es hier, weil Bayern, Hessen und Niedersachsen den Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau abgelehnt hätten. Ferner widerspreche dieser Vorschlag einer Vereinbarung, die die Länder über die Art der Verteilung aller gemäß § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes zu verteilenden Bundesmittel einstimmig beschlossen hätten und der der Bundesminister für Wohnungsbau zugestimmt habe (sog. Düsseldorfer Schlüssel): In der Sitzung der Vertreter der zuständigen Landesministerien am 23./24. November 1950 in Düsseldorf sei unter Zugrundelegung einer Reihe von "Komponenten" (Grad der Kriegszerstörung, Bevölkerungszuwachs und Industriepotential in den einzelnen Ländern) der prozentuale Anteil festgelegt worden, den jedes Land bei einer künftigen Verteilung von Wohnungsbaumitteln des Bundes erhalten solle. Danach stünden Bayern 16,2% von 91 Millionen DM, also 14.742.000 DM zu.
Die Bundesrepublik führt aus:
§ 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes widerspreche den Artikeln 50 und 65 des Grundgesetzes. Selbst wenn er aber gültig sein sollte, so ergäbe sich aus ihm ein Anspruch Bayerns auf eine bestimmte Summe erst dann, wenn der Bundesminister für Wohnungsbau Bayern im Rahmen der Verteilung bestimmte Beträge zugeteilt habe. Das sei bisher nicht geschehen. Die Verteilung der 91 Millionen DM nach dem Plan vom 4. April 1952 stehe im Einklang mit dem geltenden Recht. Das in § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes geforderte Einvernehmen mit den Ländern über die Art der Verteilung der Wohnungsbaumittel sei hergestellt, wenn die Mehrheit der Länder mit dem Verteilungsvorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau einverstanden sei. Der sog. Düsseldorfer Schlüssel sei für den Wohnungsbauminister nicht bindend. Er stelle eine interne Übereinkunft der Länder dar, die nur die Bedeutung einer Verhandlungsgrundlage für künftige Mittelverteilungen habe, von der also jederzeit abgewichen werden könne, auch wiederholt abgewichen worden sei. Die vom Bundesminister für Wohnungsbau jetzt vorgeschlagene Verteilung des Restbetrages sei auch sachgerecht. Insbesondere

BVerfGE 1, 299 (305):

hätten die Länder in früheren Besprechungen eine besondere Notlage Schleswig-Holsteins anerkannt: Sein Haushalt sei durch die Überbelegung des Landes mit Flüchtlingen und eine außergewöhnlich hohe strukturelle Arbeitslosigkeit in besonderem Maße belastet; zur Deckung eines Fehlbetrages, der bei der Finanzierung seines aus staatspolitischen Gründen nicht einschränkbaren Wohnungsbauprogramms für das Jahr 1951 entstanden sei, solle es eine Sonderzuweisung von 53 Millionen DM erhalten. Bayern und Niedersachsen seien aus den 91 Millionen DM deshalb nicht bedacht worden, weil sie vorher aus Soforthilfemitteln für Zwecke des Wohnungsbaues erhebliche Beträge (20 Millionen DM bzw. 18 Millionen DM) erhalten hätten.
Demgegenüber weist das Land Bayern darauf hin, der Beschluß der Länder über die Sonderhilfe für Schleswig-Holstein spreche nur davon, daß "mit Hilfe von Zuschüssen oder Darlehen aus Bundes- oder sonstigen Mitteln der ungedeckte Vorgriff des Landes Schleswig- Holstein aus dem Wohnungsbauprogramm 1951 in Höhe von 53 Millionen DM abgedeckt wird"; daraus folge nicht, daß Schleswig-Holstein von den zu verteilenden 91 Millionen DM Bundeswohnungsbaumitteln vorweg 47 Millionen DM zu erhalten habe. Ein "Ausgleich" im Hinblick auf die 20 Millionen DM, die Bayern aus Mitteln des Hauptamtes für Soforthilfe zugewiesen wurden, sei nicht berechtigt; dieser Betrag sei im Rahmen der Verteilung von 400 Millionen DM Soforthilfemitteln zum Zwecke der "innergebietlichen Umsetzung von Flüchtlingen" in den sog. Abgabeländern - d. h. den Ländern, die eine überdurchschnittlich große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen haben - bestimmt gewesen; zu ihnen gehöre neben Niedersachsen und Schleswig-Holstein auch Bayern. Im übrigen sei für das Land Bayern die Belebung des Baumarktes von ebenso entscheidender Bedeutung wie für das Land Schleswig-Holstein. Zwischen beiden Ländern bestehe nur der Unterschied, daß sich Bayern bei der Aufstellung seines Wohnungsbauprogrammes im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel gehalten, während Schleswig-Holstein unter Über

BVerfGE 1, 299 (306):

schreitung dieser Grenze den Wohnungsbau gefördert habe in der Erwartung, der Bund werde das entstehende Defizit abdecken.
 
B.
1. Bayern und der Bund streiten über die Art der Verteilung von Haushaltsmitteln des Bundes, die für den Wohnungsbau in den Ländern zur Verfügung stehen. Bayern behauptet, die vom Bundesminister für Wohnungsbau vorgeschlagene Verteilung der 91 Millionen DM stehe im Widerspruch zu § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes und zu einer Vereinbarung, die zwischen den Ländern und dem Bund getroffen worden sei. Demnach handelt es sich um einen im öffentlichen Recht wurzelnden Streit zwischen dem Bund und einem Land, der keine Verfassungsstreitigkeit im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, vielmehr eine andere öffentlich-rechtliche Streitigkeit zwischen dem Bund und einem Land im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG ist. Ein anderer Rechtsweg ist für die Entscheidung dieses Streites nicht gegeben. Zuständig ist deshalb nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, § 13 Nr. 8 BVerfGG das Bundesverfassungsgericht. Nach § 14 Abs. 1 BVerfGG entscheidet der Zweite Senat. Auf das Verfahren sind die besonderen Vorschriften des 8. Abschnitts des III. Teils des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht anzuwenden.
2. Gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG tritt im Verfahren für den Bund die Bundesregierung und für das Land die Landesregierung auf. Die Bayerische Staatsregierung als Antragstellerin und die Bundesregierung als Antragsgegnerin sind im Verfahren ordnungsgemäß vertreten (§ 22 Abs. 1 S. 3 BVerfGG). Die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG (vgl. § 71 Abs. 2 BVerfGG) ist gewahrt.
 
C. -- I.
Das Bundesverfassungsgericht kann nur Rechtsfragen entscheiden. Es kann deshalb nicht nachprüfen, ob die Verteilung der Bundesmittel für den Wohnungsbau unter sozialen, wirt

BVerfGE 1, 299 (307):

schaftlichen oder politischen Gesichtspunkten "richtig" durchgeführt wird. Im vorliegenden Fall hat es nur zu prüfen, ob sich der Bundesminister für Wohnungsbau für die Verteilung der 91 Millionen DM des gesetzlich vorgeschriebenen Einvernehmens der Länder versichert hat und ob die Verteilung einem früher erzielten und für diese Verteilung verbindlichen Einvernehmen widerspricht.
II.
Der Hauptantrag des Landes Bayern auf Verurteilung des Bundes zur Zahlung von 14.742.000 DM ist im Verfahren gemäß § 13 Nr. 8 BVerfGG, wie sich aus § 72 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG ergibt, zulässig. Er ist aber nicht begründet.
1. Aus der Aufnahme der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den Bundeshaushalt 1951 erwächst dem Land kein Anspruch auf Leistung eines summenmäßig bestimmten Anteils. Nach § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes hat der Bundesminister für Wohnungsbau jedoch die Rechtspflicht, die Mittel an die Länder zu verteilen, sobald und soweit sie hierfür verfügbar sind. §14 Abs. 1 lautet:
    "Zur Durchführung der Programme der Länder für den sozialen Wohnungsbau werden die Mittel, die der Bund bereitstellt, im Einvernehmen mit den Ländern durch den Bundesminister für Wohnungsbau auf die Länder verteilt".
Die Vorschrift gewährt den Ländern nur ein Recht auf Mitwirkung bei der Verteilung der Mittel, jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Anteil. Dieser Anspruch entsteht erst, wenn der Bundesminister für Wohnungsbau sich mit den Ländern über einen Verteilungsplan geeinigt hat, der den einzelnen Ländern Mittel in bestimmter Höhe zuteilt. Unstreitig sind Bayern bisher 14.742.000 DM oder eine andere Summe in einem Verteilungsplan nach § 14 Abs. 1 aaO nicht zugeteilt worden.
2. Eine den Hauptantrag Bayerns rechtfertigende Zuteilung kann aber auch nicht aus der Düsseldorfer Übereinkunft vom 23./24. November 1950 hergeleitet werden. Zwar wäre es mög

BVerfGE 1, 299 (308):

lich - auch mit § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vereinbar -, daß die Länder unter sich und mit dem Bund eine rechtlich verbindliche, generelle Vereinbarung treffen, in welcher Weise künftig alle Haushaltsmittel des Bundes, die für Wohnungsbauzwecke der Länder zur Verfügung stehen, verteilt werden, eine Vereinbarung, auf Grund deren der Anspruch auf einen bestimmten, der Höhe nach ohne weiteres errechenbaren Anteil eines jeden Landes in dem Augenblick entsteht, in dem die Haushaltsmittel des Bundes verfügbar sind.
Der Düsseldorfer Übereinkunft vom 23./24. November 1950 kommt jedoch eine solche Bedeutung nicht zu. Eine verbindliche Vereinbarung der genannten Art würde nur im allseitigen Einverständnis der Beteiligten geändert werden können und daher eine zweckentsprechende, sich den wechselnden Bedürfnissen elastisch anpassende Verteilung der Wohnungsbaumittel erheblich erschweren. Es ist deshalb von vornherein nicht anzunehmen, daß sich der Bundesminister für Wohnungsbau in dieser Weise binden wollte.
Gegen die Annahme einer förmlichen Vereinbarung spricht die Art und Weise, in der die Düsseldorfer Beschlüsse zustande kamen. Sie wurden in einer Sitzung des "Ausschusses Baufinanzierung" der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder der Bundesrepublik Deutschland und Berlins gefaßt. Die Vertreter des Bundesministers für Wohnungsbau nahmen nur als Gäste teil. Eine formelle und ausdrückliche Bestätigung der Beschlüsse durch die zuständigen Landesminister und den Bundesminister für Wohnungsbau ist nie erfolgt.
Zudem müßte man bei der Bedeutung eines solchen Abkommens erwarten, daß es in einer Urkunde niedergelegt worden wäre, wenn eine Bindung für alle künftigen Verteilungen gewollt gewesen wäre (vgl. die Vereinbarung der Länder unter sich und mit dem Reich über die Gewährung eines Reichszuschusses für polizeiliche Zwecke vom 15. 1./9. 5. 1928, zit. bei Häntzschel, AöR N. F. 20, S. 384 ff., 403 ff.).


BVerfGE 1, 299 (309):

Entscheidend ist, daß die seit 1950 geübte Praxis bei der Verteilung der Wohnungsbaumittel erkennen läßt, daß kein Beteiligter den Düsseldorfer Schlüssel als generelle, verbindliche Vereinbarung über die Verteilung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau betrachtete. Der Bundesminister für Wohnungsbau lud vor jeder Verteilung verfügbarer Haushaltsmittel die zuständigen Landesminister zu einer Besprechung über die Art der Verteilung ein; das wäre nicht nötig gewesen, wenn die Anteile der Länder für alle Beteiligten verbindlich auf Grund der "Düsseldorfer Vereinbarung" festgestanden hätten. Insbesondere ergibt sich aus dem vom Lande Bayern vorgelegten Schreiben des Bundesministers für Wohnungsbau vom 27. März 1952 (Az.: 1334 - 08/15/52), daß sowohl Bayern wie der Bund davon ausgehen, es müsse hinsichtlich der Verteilung der 91 Millionen DM das Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Wohnungsbau und den Ländern erst noch hergestellt werden. Dieselbe Auffassung vertritt der Bundesminister der Finanzen im Schreiben vom 12. März 1952 (Az.: II A-Wo 1016 - 168/51), in dem es mit Bezug auf die Verteilung der hier streitigen Bundesmittel heißt: "Mit dem nach § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes erforderlichen Einvernehmen der übrigen Länder kann nach den Ergebnissen der Sitzung der Länderminister vom 1. Februar 1952 gerechnet werden."
Dem in der Sitzung vom 23./24. November 1950 beschlossenen Verteilungsschlüssel kommt nach alledem nur die Bedeutung einer Arbeitsgrundlage zu. Er soll, ohne eine bindende Wirkung zu haben, die Verhandlungen zwischen den Ländern untereinander und zwischen dem Bund und den Ländern über künftige Verteilungen erleichtern. Diese Funktion hat er so gut erfüllt, daß die Mittel die bisher gemäß § 14 zu verteilen waren, nach eingehenden Verhandlungen fast ausnahmslos entsprechend dem Düsseldorfer Schlüssel verteilt wurden. Aus der Tatsache, daß der Düsseldorfer Schlüssel bei den verschiedenen Verteilungen von Wohnungsbaumitteln des Bundes regelmäßig angewandt wurde, kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß seine

BVerfGE 1, 299 (310):

rechtliche Verbindlichkeit stillschweigend vorausgesetzt wurde. Der Hauptantrag Bayerns auf Zahlung von 14.742.000 DM war deshalb als unbegründet abzuweisen.
III.
Nach Abweisung des Hauptantrages ist über den Hilfsantrag des Landes Bayern zu entscheiden. Gegen die Zulässigkeit eines solchen Antrages sind jedenfalls dann keine rechtlichen Bedenken zu erheben, wenn über ihn in demselben Verfahren entschieden werden kann, in dem über den Hauptantrag zu entscheiden ist, und wenn durch die Entscheidung über den Eventualantrag die (prozessualen und materiellen) Rechte Dritter nicht in anderer Weise betroffen werden, als sie betroffen worden wären, wenn der Eventualantrag als Hauptantrag gestellt und darüber entschieden worden wäre. Genau dies ist die Rechtslage im vorliegenden Fall.
1. Soweit der Hilfsantrag in seinem zweiten Teil die Feststellung begehrt, der Wohnungsbauminister habe die 91 Millionen DM nach dem Düsseldorfer Schlüssel auf die Länder zu verteilen, war er aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag abzuweisen.
2. Soweit der Hilfsantrag auf Unterlassung einer Maßnahme des Bundesministers für Wohnungsbau gerichtet ist, ist er, wie sich aus § 72 Abs. I Nr. 2 BVerfGG ergibt, zulässig.
Materiell stützt sich dieser Antrag auf § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes, nach dem der Bundesminister für Wohnungsbau die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau nur "im Einvernehmen mit den Ländern" auf diese verteilen kann. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift bestehen nicht. Sie ist insbesondere weder mit Art. 65 noch mit Art. 50 GG unvereinbar. Art. 65 GG bildet kein Hindernis für ein Bundesgesetz, das einen Bundesminister bei gewissen Maßnahmen an die Mitwirkung der Länder oder bestimmter Landesorgane bindet. Denn er handelt nur von der Stellung des Bundeskanzlers und der Bundesminister innerhalb der Bundesregie

BVerfGE 1, 299 (311):

rung und gegenüber anderen Verfassungsorganen des Bundes er betrifft gar nicht das Bund-Länderverhältnis und bestimmt nichts über den zulässigen Umfang der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes. Und wenn Art. 50 GG sagt: "Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit", so umreißt er nur grundsätzlich die besondere Funktion des Bundesrats als eines Verfassungsorgans des Bundes. Soweit ihm im Grundgesetz Kompetenzen zugewiesen sind, können an seiner Stelle nicht die Länder handeln. Das schließt nicht aus, daß ein einfaches Bundesgesetz weitere Formen der Einflußnahme der Länder auf die Bildung des Bundeswillens einführt, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften des Grundgesetzes entgegenstehen oder Kompetenzen des Bundes ihrer Natur nach nicht beschränkbar sind. Es entspricht der föderalistischen Struktur des Bundes, wenn er bei bestimmten Verwaltungsmaßnahmen den Ländern als solchen oder Landesorganen ein mehr oder weniger weitreichendes Mitwirkungsrecht einräumt. Auch das Grundgesetz kennt ein Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung, so z. B. wenn die Länder Bundesgesetze "im Auftrag des Bundes" ausführen (Art. 85 GG). Im Bereich des sozialen Wohnungsbaues liegt ein besonderes Bedürfnis vor, die Länder bei der Verteilung der Bundesmittel einzuschalten, weil die Durchführung der Förderungsmaßnahmen im wesentlichen Ländersache ist, alle Länder auf eine sachgerechte Verteilung bedacht sein müssen und ihre Wirtschaft entscheidend betroffen wird.
3. § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes fordert, nachdem im Regierungsentwurf des Gesetzes nur vorgesehen war, daß der Bundesminister für Wohnungsbau "im Benehmen" mit den Ländern handeln solle, eine Verteilung der Bundesmittel "im Einvernehmen" mit den Ländern (vgl. über die Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren die Bundestags-Drucksachen Nr. 567, 703, 773). Es genügt demnach nicht, daß der Bundesminister für Wohnungsbau vor einer Verteilung von Bundeswohnungsbaumitteln die Länder anhört; er muß sich vielmehr

BVerfGE 1, 299 (312):

mit ihnen über die Art der Verteilung verständigen. Der Verteilungsplan des Bundesministers für Wohnungsbau muß die Zustimmung der Länder gefunden haben. Eine Verteilung, die der Bundesminister für Wohnungsbau ohne vorausgegangene Zustimmung der Länder oder in Abweichung von einer erzielten Einigung vornimmt, ist gesetzwidrig.
4. Die Auslegung des § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes ergibt weiter, daß sich der Bundesminister für Wohnungsbau - vorbehaltlich einer noch zu erörternden Ausnahme vor jeder Verteilung von Bundesmitteln für den Wohnungsbau in den Ländern des Einverständnisses aller Länder, d. h. jedes einzelnen der Bundesländer versichern muß.
Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.
Wenn § 14 aaO vom Einvernehmen "der Länder" spricht, so kann das, wenn der Sprache nicht Gewalt angetan werden soll, nur dahin verstanden werden, daß dem Bundesminister für Wohnungsbau die einzelnen Länder gegenüberstehen und er mit jedem von ihnen eine (mit den übrigen inhaltlich übereinstimmende) Einigung erzielen muß, um handeln zu können. "Die Länder" besagt eindeutig etwas anderes als "die Mehrheit der Länder".
Den Wortlaut des Gesetzes genau zu nehmen, besteht um so mehr Berechtigung, als er während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach geändert wurde. Nach dem Regierungsentwurf sollte

BVerfGE 1, 299 (313):

es heißen "im Benehmen mit den Ländern", nach dem Vorschlag des Bundesrates "im Einvernehmen mit dem Bundesrat", nach einem späteren Vorschlag des 18. Ausschusses des Bundestages "im Benehmen mit den obersten Landesbehörden". Unter diesen Umständen hätte es in der Fassung des Gesetzes zum Ausdruck kommen müssen, wenn es genügen sollte, daß sich der Bundesminister für Wohnungsbau mit der Mehrheit der Länder über den Verteilungsplan geeinigt hat.
Daran ändert auch nichts, daß die amtliche "Begründung zum Ersten Wohnungsbaugesetz", veröffentlicht im Bundesanzeiger 1950 Nr. 87 vom 6. Mai 1950 S. 8-10, unter Berufung auf eine "Feststellung", die in einer gemeinsamen Sitzung des Bundestagsausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen und des Bundesratsausschusses für Wiederaufbau am 27. März 1950 getroffen worden sei, meint, das Einvernehmen mit den Ländern sei hergestellt, "wenn die Mehrheit der Länder den Vorschlägen des Bundesministers für Wohnungsbau zustimmt". Eine amtliche Begründung kann es nur zum Entwurf eines Gesetzes geben. Der Entwurf des Ersten Wohnungsbaugesetzes enthielt § 14 nicht in der Fassung, die die genannte amtliche "Begründung" behandelt; diese gibt also in Wahrheit die Auffassung des Ministeriums zu dem bereits verkündeten Gesetz wieder. Überdies enthält das Protokoll über die Sitzung vom 27. März 1950 nicht die behauptete "Feststellung".
Ebensowenig ist der Schluß zwingend: Der Bundesrat habe nur das "Einvernehmen mit dem Bundesrat", also eine den Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau billigende Mehrheitsentscheidung der im Bundesrat vereinigten Länder gefordert; wenn demgegenüber die Bundesregierung darauf beharrte, daß nicht der Bundesrat, sondern "die Länder" bei der Verteilung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau mitwirken sollten, könne nicht angenommen werden, daß sie eine stärkere Bindung als die an eine Mehrheitsentscheidung der Länder wollte. Dabei ist vor allem übersehen, daß die Bundesregierung die Mitwirkung der Länder nur in der rechtlich unverbindlichen

BVerfGE 1, 299 (314):

Form ihrer Anhörung ("im Benehmen mit den Ländern") zugestehen wollte, eine Regelung, bei der die Frage "Zustimmung aller oder der Mehrheit der Länder?" überhaupt nicht auftreten konnte. Der Antrag, auf Grund dessen im Bundestag die Gesetz gewordene Fassung des § 14 beschlossen wurde, ist erst zur zweiten Beratung des Gesetzes im Bundestag von Mitgliedern des 18. Ausschusses des Bundestags eingebracht worden, die der Fraktion der CDU/CSU, der SPD und der FDP angehören (vgl. Bundestags-Drucksache Nr. 773).
Abgesehen vom Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist es auch begrifflich nicht möglich, unter dem Willen der Länder den Willen der Mehrheit der Länder zu verstehen. Denn ein Mehrheitsbeschluß kann nur dann als gemeinsame Willensentscheidung mehrerer Beteiligter gewertet werden, wenn diese zu einer Gemeinschaft "verfaßt" sind, deren Satzung die Regeln über Beschlußfassung enthält.
Aus den Konsequenzen, die sich aus einer Auslegung des § 14 Abs. 1 in dem einen oder anderen Sinne ergeben, läßt sich kein Argument für die Auslegung des § 14 gewinnen: Fordert die Vorschrift das Einverständnis aller Länder mit dem Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau, so entsteht die Schwierigkeit, daß ein Land durch seinen Widerspruch die Verteilung blockieren oder den Bundesminister und die übrigen Länder zwingen kann, um seine Zustimmung zu gewinnen, ungerechtfertigte Zugeständnisse zu machen. Würde nach § 14 das Einverständnis der Mehrheit der Länder genügen, so könnte die Gefahr entstehen, daß sich der Bundesminister für Wohnungsbau mit der Mehrheit der Länder auf Kosten der Minderheit der Länder verständigt.
Die Auffassung, daß nach § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes jede Verteilung von Bundesmitteln auf die Länder der Zustimmung aller Länder bedarf, wird entscheidend gestützt durch eine weitere Überlegung, die den § 14 in den größeren Zusammenhang des geltenden Verfassungsrechts stellt. Die Mitwirkung der Länder bei der Verteilung der Bundesmittel ist

BVerfGE 1, 299 (315):

Ausdruck des föderalistischen Prinzips, das - neben anderen Grundsätzen - der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland das Gepräge gibt. Als Glieder des Bundes besitzen die Länder, soweit positive verfassungsrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, den gleichen Status; sie stehen einzeln und gleichberechtigt nebeneinander; unter ihnen gilt nicht die im Geltungsbereich des demokratischen Prinzips beheimatete Regel, daß die Mehrheit entscheidet, sondern der Grundsatz der Einstimmigkeit, d. h. daß kein Land durch die übrigen Länder überstimmt werden kann. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dies führe zur Herrschaft der Minderheit. Dem bundesstaatlichen Prinzip entspricht vielmehr die verfassungsrechtliche Pflicht, daß die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen. Der im Bundesstaat geltende verfassungsrechtliche Grundsatz des Föderalismus enthält deshalb die Rechtspflicht des Bundes und aller seiner Glieder zu "bundesfreundlichem Verhalten"; d. h. alle an dem verfassungsrechtlichen "Bündnis" Beteiligten sind gehalten, dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung seiner und der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen (so schon R. Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, in der Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 247 ff., 261). Der in dieser Rechtspflicht liegende Zwang zur Verständigung wirkt zwar nicht so automatisch wie das demokratische Mehrheitsprinzip. Er ist jedoch stark genug, um die notwendigen gemeinsamen Entscheidungen sachgerecht herbeizuführen. Er ist es vor allem, der auch der Übermacht des Gesamtstaates im Interesse der Glieder feste Schranken zieht.
5. Aus dem zuletzt entwickelten Gedankengang folgt, daß die vom Gesetz geforderte Verständigung zwischen dem Bundesminister für Wohnungsbau und den anderen Ländern über die Verteilung der für den Wohnungsbau in den Ländern zur Verfügung stehenden Bundesmittel durch den Widerspruch eines

BVerfGE 1, 299 (316):

oder auch mehrerer Länder dann nicht in Frage gestellt werden kann, wenn er mit der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten unvereinbar ist. Ein aus sachfremden Motiven erhobener, daher unsachlicher und in diesem Sinne willkürlicher Widerspruch gegen einen Verteilungsplan ist rechtlich unerheblich.
Der Streit um die Erheblichkeit oder Unerheblichkeit des Widerspruchs ist ein Rechtsstreit, zu dessen Entscheidung das Bundesverfassungsgericht zuständig ist. Tritt dieselbe Meinungsverschiedenheit innerhalb eines anhängigen Verfahrens hervor, so handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesverfassungsgericht incidenter zu entscheiden berechtigt und verpflichtet ist. Die Entscheidung mag im Einzelfall schwierig sein, sie ist jedoch nicht wesentlich verschieden von den Fällen, in denen andere - im Verfassungsrecht häufige - unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden sind. Dabei kann das Problem, ob der Widersprechende darzutun hat, daß sein Widerspruch gerechtfertigt und deshalb ein Einverständnis zwischen dem Bund und den Ländern nicht erzielt ist, oder ob die anderen beweisen müssen, daß ihr Verteilungsplan sachgerecht und der Widerspruch ungerechtfertigt ist, nicht entstehen: Das verfassungsgerichtliche Verfahren kennt keine Regeln über die Beweislast, es wird nach der Offizialmaxime durchgeführt. Das Bundesverfassungsgericht muß, wenn es eine nach § 14 aaO durchzuführende oder durchgeführte Verteilung verwerfen will, auf Grund freier Würdigung des gesamten Vorbringens der Beteiligten und aller bekannten Umstände zu der Überzeugung kommen, daß es wegen eines nach den dargelegten Rechtsgrundsätzen beachtlichen Widerspruchs an dem Einverständnis zwischen dem Bundesminister für Wohnungsbau und den Ländern fehlt.
IV.
Unstreitig haben bisher nicht alle Länder dem Plan des Bundesministers für Wohnungsbau über die Verteilung der 91 Millionen DM zugestimmt. Daher spitzt sich der Streit im anhängigen Verfahren auf die Frage zu, ob Bayern durch die Ablehnung des vor

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geschlagenen Verteilungsplans gegen seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten gegenüber dem Bund und den übrigen Ländern verstoßen hat, mit anderen Worten, ob sein Widerspruch gegen den für die Verteilung der 91 Millionen DM aufgestellten Plan offenbar unsachlich und deshalb unbeachtlich ist.
Es bedarf in diesem Verfahren keiner allgemeinen Erwägung der Gründe, aus denen die Weigerung eines Landes, einer von den übrigen Beteiligten erzielten Vereinbarung beizutreten, offenbar unsachlich und willkürlich sein kann oder unter welchen Voraussetzungen eine solche Weigerung sich sachlich rechtfertigen läßt. Es genügt hier die Feststellung, daß zu den legitimen Gründen für die Ablehnung eines Vorschlags jedenfalls die Tatsache gehört, daß dieser Vorschlag auf offenbar sachwidrigen Erwägungen beruht.
Die Art der Verteilung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau ist weithin eine Frage der politischen Zweckmäßigkeit. Für sie können mehrere - möglicherweise konkurrierende oder miteinander in Widerstreit stehende - Gesichtspunkte in Betracht kommen: Grad der Kriegszerstörung, Zuwachs der Bevölkerung, Lenkung der Arbeitskräfte nach den Wirtschaftszentren, Industriepotential, Unterstützung besonders notleidender Gebiete, Belebung der Bautätigkeit in Gegenden mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit, Relation zu den eigenen Anstrengungen der einzelnen Länder auf dem Gebiete der Finanzierung des Wohnungsbaues, Finanzkraft der Länder u. ä. In jedem Fall muß es sich aber um Gesichtspunkte handeln, deren Berücksichtigung deshalb gerechtfertigt erscheint, weil sie in einer inneren, natürlichen Beziehung zu der zu lösenden Aufgabe stehen, nämlich der Förderung des sozialen Wohnungsbaues. Die Umstände, die berücksichtigt werden, müssen dem Sinn und Zweck der zu schaffenden Ordnung gemäß sein; sie müssen sachgerecht sein.
Das Land Bayern rechtfertigt seinen Widerspruch mit der Behauptung, die vom Bundesminister für Wohnungsbau beabsichtigte Verteilung der 91 Millionen DM beruhe auf zwei sach

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fremden Erwägungen, die im Ergebnis zu seiner Benachteiligung führten:
    1. Es bestehe kein zureichender Grund, dem Land Schleswig-Holstein von den 91 Millionen DM vorweg 47 Millionen DM "zur Abdeckung der offenen Finanzierungsbeträge aus dem Wohnungsbauprogramm 1951" zuzuteilen,
    2. Bayern sei willkürlich auch von der Verteilung des Restbetrages ausgeschlossen worden.
Zu 1.: Schleswig-Holstein hat 1951 zur Belebung seiner Wirtschaft und zur Bekämpfung der dort außergewöhnlich hohen Arbeitslosigkeit im Rahmen seines Wohnungsbauprogramms über seine eigenen finanziellen Kräfte hinaus Bauvorhaben gefördert, sie teilweise auch vorfinanziert, obgleich nicht damit gerechnet werden konnte, daß der vom Bund zu erwartende Anteil aus den für den sozialen Wohnungsbau im Bundeshaushalt vorgesehenen Mitteln zur Abdeckung der eingegangenen Verpflichtungen ausreichen würde. Auf diese Weise entstand ein Fehlbetrag von 53 Millionen DM. Auf einer Sitzung der Finanz-, Flüchtlings- und Wiederaufbauminister der Länder am 1. Febr. 1952 kamen die Länder überein, sie würden sich "für eine Sonderregelung einsetzen, durch die mit Hilfe von Zuschüssen oder Darlehen aus Bundes- oder sonstigen Mitteln der ungedeckte Vorgriff des Landes Schleswig-Holstein aus dem Wohnungsbauprogramm 1951 in Höhe von 53 Millionen DM abgedeckt wird". Mit der Zuteilung von 47 Millionen DM aus den noch zu verteilenden 91 Millionen DM Bundeswohnungsbaumitteln sollte dieser Fehlbetrag teilweise ausgeglichen werden. Ohne daß die Frage der Zulässigkeit dieser Maßnahme abschließend entschieden werden kann, ist so viel zu bemerken: Für die Verteilung von Wohnungsbaumitteln des Bundes auf die Länder kann der Gesichtspunkt, daß ein Land ohne Deckung im eigenen Haushalt und über die ihm vom Bund in Aussicht gestellten Mittel hinaus nur im Vertrauen darauf, es werde ihm in seiner Finanznot später vom Bund und von den Ländern geholfen werden

BVerfGE 1, 299 (319):

müssen, Verbindlichkeiten eingeht, für sich allein nicht als sachgerecht anerkannt werden. Das Land, das so handelt, mag den Fehlbetrag aus den ihm später auf Grund sachgerechter Verteilung zufließenden Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau abdecken oder sich die Mittel anderweit auf eine Weise beschaffen, die die Anteile der im Rahmen der eigenen und der vom Bund zu erwartenden Mittel disponierenden Länder nicht verkürzt. Ob und inwieweit andere außergewöhnliche Schwierigkeiten, denen ein Land durch Förderung der Bauwirtschaft zu begegnen sucht, es rechtfertigen, ihm mehr zuzuteilen, als es den generell für alle Länder geltenden Grundsätzen entsprechen würde, bedarf besonders sorgfältiger Prüfung; insbesondere wird es dabei darauf ankommen, die Lage der einzelnen Länder miteinander zu vergleichen.
Zu 2.: Aus dem Restbetrag von 26,5 Millionen DM wurde Bayern deshalb nicht bedacht, weil es am 13. März 1952 aus Mitteln, die das Hauptamt für Soforthilfe an die Länder verteilte, 20 Millionen DM erhalten hat. Damals wurden Soforthilfemittel in Höhe von 400 Millionen DM verteilt. 250 Millionen DM wurden für den sozialen Wohnungsbau in den Ländern bestimmt; davon gingen 44 Millionen DM an Bayern. Insoweit ist von keinem Land etwas gegen die Verteilung erinnert worden. Weitere 100 Millionen DM wurden für Zwecke der übergebietlichen Umsiedlung von Flüchtlingen an die sogenannten Aufnahmeländer verteilt, zu denen Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nicht gehören. Auch diese Verteilung wurde von keiner Seite beanstandet. Schließlich wurden als "Ausgleich" 50 Millionen DM für Zwecke der "innergebietlichen Umsetzung" von Flüchtlingen an die "Abgabeländer" Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie an Hessen verteilt; Bayern erhielt davon 20 Millionen DM. Diese Zuteilung diente, wie es in dem Rundschreiben des Hauptamts für Soforthilfe vom 13. März 1952 heißt, "der Behebung dringender sozialer Notstände bei Flüchtlingen und Sachgeschädigten, insbesondere der Barackenräumung und Lagerauflösung". Die Zuweisung der zuletzt ge

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nannten 20 Millionen DM an Bayern haben einzelne Länder beanstandet.
Um dieser Beanstandung Rechnung zu tragen und einen "Ausgleich" für die Auszahlung der 20 Millionen DM Soforthilfemittel zu schaffen, wurde Bayern bei der Verteilung der Restmittel für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 91 Millionen DM nicht bedacht. Das ist unzulässig. Die Soforthilfemittel, die an die Länder verteilt werden, dienen zwar - teilweise - ebenso wie die Bundesmittel, die im Bundeshaushalt für Zwecke des sozialen Wohnungsbaues in den Ländern bereitgestellt sind, der Förderung der Wohnungsbauprogramme der Länder, jedoch nur soweit Wohnungen für die "Geschädigten" errichtet werden sollen. Sie haben im übrigen nichts miteinander zu tun. Sie fließen aus verschiedenen Quellen, sie werden von verschiedenen Stellen, in verschiedenen Verfahren, für teilweise verschiedene Zwecke, nach verschiedenen Grundsätzen und unabhängig voneinander verteilt. Selbst wenn die Art der Verteilung von Soforthilfemitteln für den Wohnungsbau im Einzelfall mit Recht beanstandet würde, könnte der "Ausgleich" nicht durch eine entsprechende Änderung in der Verteilung der im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel für den Wohnungsbau herbeigeführt werden. Davon abgesehen hat Bayern die 20 Millionen DM Soforthilfemittel nicht für den sozialen Wohnungsbau, sondern "zur Behebung dringender sozialer Notstände bei Flüchtlingen und Sachgeschädigten, insbesondere zur Barackenräumung und Lagerauflösung" erhalten. Den Betrag bei der Verteilung der für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Mittel zu berücksichtigen, hieße einen sachfremden Gesichtspunkt der Verteilung zugrunde legen.
Die Bundeswohnungsbaumittel werden vom Bundesminister für Wohnungsbau im Einvernehmen mit den Ländern verteilt, die Soforthilfemittel vom Hauptamt für Soforthilfe im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern (§ 15 Erstes Wohnungsbaugesetz). Zuteilungen der einen Stelle können nicht bei Zuteilungen der anderen korrigiert werden. Wenn das Haupt

BVerfGE 1, 299 (321):

amt es für gerechtfertigt gehalten hat, nicht nur an die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen sollen, 100 Millionen DM, sondern auch an die Länder, die mit Flüchtlingen überbelegt sind, 50 Millionen DM zur Räumung der Baracken und zur Auflösung der Lager, davon 20 Millionen DM an Bayern, zu verteilen, so könnte das bei der Verteilung der Bundeswohnungsbaumittel selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn jene Verteilung zu beanstanden wäre. Die Anrechnung der 20 Millionen DM Soforthilfemittel bei der Verteilung der 91 Millionen DM Bundeswohnungsbaumittel bedeutet also eine offensichtliche Benachteiligung des Landes Bayern. Sein Ausschluß von der Verteilung der 91 Millionen DM ist unter diesem Gesichtspunkt willkürlich.
Die Bundesregierung beruft sich darauf, der Bundesminister der Finanzen habe die Freigabe der 91 Millionen DM an die Auflage gebunden, daß mit einem Teil dieser Mittel der erwähnte Fehlbetrag des Landes Schleswig-Holstein abgedeckt werde; das ergebe sich aus dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen an den Bundestagsabgeordneten Lücke vom 12. März 1952 (Az.: II A-Wo 1016 - 168/52). Das Schreiben enthält eine derartige Auflage oder eine andere Zweckbindung der freigegebenen Mittel nicht. Es heißt darin nur: "... Ich gehe dabei von der Erwartung aus, daß dieser Betrag in erster Linie zur Beseitigung der dringendsten Wohnungsnotstände, insbesondere zum Bau von Wohnungen für Barackenbewohner in den drei Flüchtlingsabgabeländern" - also auch in Bayern - "verwendet wird. Vor allem muß die in Schleswig-Holstein im Jahre 1951 entstandene Finanzierungslücke abgedeckt werden. Mit dem nach § 14 des Ersten Wohnungsbaugesetzes erforderlichen Einvernehmen der Länder kann nach den Ergebnissen der Sitzung der Länderminister vom 1. Februar 1952 gerechnet werden . . .". Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob der Bundesfinanzminister überhaupt die Freigabe bestimmter Haushaltsmittel an gewisse Bedingungen oder Auflagen knüpfen kann. Es bedarf auch nicht einer Entscheidung der Frage, welche Auswirkung eine solche Auflage des Bundesministers der Finanzen

BVerfGE 1, 299 (322):

auf einen damit unvereinbarten Verteilungsplan hätte, den der Bundesminister für Wohnungsbau im Einvernehmen mit den Ländern aufgestellt hat.
V.
Das Land Bayern hat demnach, wenn es dem Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau über die Verteilung der 91 Millionen DM bisher nicht zustimmte, damit nicht gegen seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen. Sein Widerspruch gegen den Verteilungsplan ist rechtlich erheblich. Das Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Wohnungsbau und den Ländern ist bisher, ohne daß es auf die Würdigung des Verhaltens des Landes Niedersachsen und des Landes Hessen gegenüber dem Vorschlag des Bundesministers für Wohnungsbau ankommt, nicht hergestellt. Der Bundesminister für Wohnungsbau hat deshalb die Verteilung der 91 Millionen DM zu unterlassen, bis er darüber mit allen Ländern eine Verständigung erzielt hat.