BGer 4P.177/2003 |
BGer 4P.177/2003 vom 11.11.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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4P.177/2003 /lma
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Urteil vom 11. November 2003
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I. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Corboz, Präsident,
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Bundesrichter Walter, Nyffeler,
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Gerichtsschreiber Huguenin.
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Parteien
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A.________,
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Beschwerdeführerin, vertreten durch
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Herren Dr. Werner Stieger und/oder Dr. Fritz Blumer, Weinbergstrasse 56/58, Postfach 338, 8035 Zürich,
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gegen
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B.________ AG,
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Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucas David, Münstergasse 2, Postfach 2990, 8022 Zürich,
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Handelsgericht des Kantons Aargau.
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Gegenstand
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Art. 8, 9 und 29 Abs. 2 BV (Zivilprozess; Gerichtskosten und Parteientschädigung; rechtl. Gehör),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Teilurteil vom 26. Juni 2003 und das Berichtigungsurteil vom 25. August 2003 des Handelsgerichts des Kantons Aargau.
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Sachverhalt:
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A.
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Die B.________ AG mit Sitz in Baar (Beschwerdegegnerin) ist ausschliessliche Lizenznehmerin an dem von der italienischen C.________ S.r.l. gehaltenen und auch für die Schweiz erteilten Europäischen Patent 0 195 750 B1, welches eine Vorrichtung zur Durchmischung von Milch, Luft und Dampf, insbesondere für die Zubereitung von Cappuccinos und ähnlichen Getränken in Kaffeemaschinen mittels eines so genannten Schäumers zum Gegenstand hat.
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Die D.________ AG mit Sitz in Niederrohrdorf bezweckt ihrerseits die Fabrikation von und den Handel mit Kaffeemaschinen. In zwei Modellen verwendet sie eine Vorrichtung zur Erzeugung von Milchschaum mit dem gleichen Zweck wie der durch das Klagepatent geschützte Schäumer. Diese Schäumer bezieht sie von der A.________ S.r.l. mit Sitz in Italien.
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Die Beschwerdegegnerin sah in diesen Vorrichtungen eine Verletzung des Klagepatents und mahnte die D.________ AG unter Angebot einer Lizenz ab. Die D.________ AG lehnte den Abschluss eines Lizenzvertrags ab und verweigerte eine verletzungsrechtliche Unterlassungserklärung.
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B.
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Mit Klage vom 28. August 2000 belangte die Beschwerdegegnerin die D.________ AG vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau auf Unterlassung patentverletzender Handlungen, auf Schadenersatz sowie auf Herausgabe der sich in ihrem Besitze befindenden patentverletzenden Vorrichtungen.
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Die D.________ AG schloss - soweit hier von Interesse - auf Abweisung der Klage. Sie verkündete der A.________ S.r.l. (nachstehend Litisdenunziatin oder Beschwerdeführerin) den Streit, und diese trat als ihre Streithelferin dem Prozess bei.
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C.
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Auf Antrag beider Hauptparteien fällte das Handelsgericht am 26. Juni 2003 ein Teilurteil. Es bejahte die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin als Lizenznehmerin, verwarf die von der D.________ AG erhobene Einrede der Patentnichtigkeit, lastete dieser eine Nachmachung der patentgeschützten Erfindung an und hiess demzufolge das Unterlassungsbegehren gut. Die übrigen Klagebegehren liess es vorerst unbeurteilt.
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Am 25. August 2003 berichtigte das Handelsgericht das Teilurteil in Bezug auf die Gerichtskosten.
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D.
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Die Litisdenunziatin führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Teilurteil bezüglich der Parteientschädigung und das Berichtigungsurteil insgesamt aufzuheben.
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Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Handelsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
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E.
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Den Entscheid über eine auch hinsichtlich der Parteientschädigung beantragte Berichtigung des Teilurteils vom 26. Juni 2003 setzte der Instruktionsrichter des Handelsgericht mit Verfügung vom 12. September 2003 bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens aus.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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In seinem Teilurteil vom 26. Juni 2003 hat das Handelsgericht die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 88'430.-- der D.________ AG auferlegt und diese verpflichtet, der B.________ AG eine Parteientschädigung von Fr. 99'585.-- auszurichten. Mit Berichtigungsurteil vom 25. August 2003 hat es die Gerichtskosten auf insgesamt Fr. 63'330.-- herabgesetzt, weil es die ursprüngliche Streitwertberechnung nach unten korrigierte.
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Der Beschwerdeführerin wurden im kantonalen Verfahren weder Gerichts- noch Parteikosten auferlegt.
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2.
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Die Beschwerdeführerin hält die Kostenentscheide des Handelsgerichts für verfassungswidrig. Sie rügt Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 8 BV), des Willkürverbots (Art. 9 BV) sowie ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).
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2.1 Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde bestimmt sich ausschliesslich nach Art. 88 OG, unabhängig von der Parteistellung der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren. Nach der Rechtsprechung kommt sie nur Personen zu, welche durch den angegriffenen Hoheitsakt in ihren persönlichen und rechtlich geschützten Interessen betroffen werden. Zur Wahrung rein faktischer Interessen steht die Beschwerde nicht offen (BGE 129 I 217 E. 1; 126 I 43 E. 1a).
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2.2 Diese Grundsätze gelten ebenfalls für die Beschwerdebefugnis einer zivilprozessualen Nebenpartei. Auch hier beurteilt sich die Legitimation ausschliesslich nach Bundesrecht. Auf die Parteistellung im kantonalen Verfahren kommt nichts an, es sei denn, es werde eine willkürliche Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die sich die Nebenpartei nach kantonalem Prozessrecht berufen kann. Davon abgesehen steht der Nebenpartei die Verfassungsbeschwerde nur offen, wenn der gegen die unterstützte Hauptpartei ergangene Entscheid auch ihre Rechtsstellung unmittelbar beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts trifft dies für den Litisdenunziaten dann zu, wenn ihm im Regressprozess diejenigen Einreden verschlossen sind, welche bereits im ersten Verfahren hätten erhoben werden können, nicht dagegen dann, wenn ihm das erste Urteil im nachfolgenden Verfahren nicht rechtsverbindlich entgegengehalten werden kann (BGE 114 Ia 93 E. 1b; 107 Ia 175 E. 6b). Die Frage, ob einem Urteil auch Wirkungen gegenüber der Nebenpartei zukomme, bestimmt sich nach dem massgebenden Sachrecht (BGE 114 Ia 93 E. 1b).
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2.3 Die Liquidation der Verfahrenskosten wird vom anwendbaren Prozessrecht beherrscht, hier von demjenigen des Kantons Aargau. Dieses bestimmt mithin auch, ob der Kostenschluss des Handelsgerichts die Rechtsstellung der Litisdenunziatin rechtlich unmittelbar beeinträchtigt.
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Nach § 117 Abs. 1 ZPO AG entscheidet der Richter nach Ermessen über die Anteile der Streithelfer an den Prozesskosten. Dazu wird mit guten Gründen die Meinung vertreten, die Bestimmung stelle - analog Art. 69 Abs. 2 Satz 2 BZP - nicht nur in das richterliche Ermessen, in welchem Ausmass, sondern ob überhaupt ein Streithelfer in die Kostenregelung einbezogen werden soll (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zu aargauischen Zivilprozessordnung, N 7 zu § 117 ZPO AG). Folgt man dieser Auffassung, ist die in den angefochtenen Entscheiden mit keinen Kosten belastete Litisdenunziatin von vornherein nicht beschwert und damit zur staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert.
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Selbst wenn davon auszugehen wäre, § 117 ZPO AG schliesse eine Inanspruchnahme der Litisdenunziatin für Verfahrenskosten auf dem Wege des Regresses nicht aus, wäre deren Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde nicht gegeben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern der Litisdenunziatin hinsichtlich der im kantonalen Verfahren praxisgemäss ohne vorgängige Anhörung der Parteien erfolgten Festsetzung von Gerichtskosten und Parteientschädigung aus Treu und Glauben verwehrt sein sollte, gegenüber einer Rückgriffsforderung der unterstützten Hauptpartei den Einwand zu erheben, diese habe sich mit ungesetzlichen Betreffnissen belasten lassen. Damit ist eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin in der mit der Beschwerde verteidigten Rechtsstellung nicht auszumachen.
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3.
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Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist somit mangels Legitimation nicht einzutreten. Damit erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der angefochtene Kostenschluss eines Teilurteils nach Massgabe von Art. 87 OG überhaupt selbständig mit staatsrechtlichen Beschwerde anfechtbar ist.
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4.
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Bei diesen Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Bei der Bemessung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung ist zu beachten, dass der dafür relevante Streitwert nicht derjenige des Hauptprozesses ist, sondern dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Übermass der kantonalen Verfahrenskosten entspricht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. November 2003
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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