BGer 5P.51/2003 |
BGer 5P.51/2003 vom 09.05.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5P.51/2003 /zga
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Urteil vom 9. Mai 2003
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiberin Scholl.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
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Dr. Arnold Weber, Waisenhausstrasse 14,
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9000 St. Gallen,
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gegen
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Y.________,
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Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
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Luigi R. Rossi, Oberer Graben 3, 9000 St. Gallen,
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Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer,
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Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
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Gegenstand
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Art. 9 und 29 BV (Ehescheidung),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 2. Dezember 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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Im seit 1998 hängigen Scheidungsprozess zwischen Y.________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) einigten sich die Parteien mit Teilkonvention vom 20. Juni 2001 auf das gemeinsame Beantragen der Scheidung sowie in einigen Nebenpunkten. Die Regelung der übrigen Scheidungsnebenfolgen überliessen sie dem Gericht.
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B.
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Mit Entscheid vom 12./17. Juli 2001 genehmigte das Bezirksgericht St. Gallen die Teilkonvention, verpflichtete X.________ zur Zahlung von Fr. 949'029.30 aus Güterrecht an Y.________ und wies deren Begehren um Zusprechung eines Unterhaltsbeitrages ab. Dagegen erhoben die Parteien Berufung bzw. Anschlussberufung. Mit Entscheid vom 2. Dezember 2002 setzte das Kantonsgericht St. Gallen die güterrechtliche Forderung zu Gunsten von Y.________ auf Fr. 1'903'674.75 fest und wies im Übrigen die Berufung bzw. Anschlussberufung ab, soweit es darauf eintrat.
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C.
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X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids.
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Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen ist X.________ ebenfalls mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 5C.43/2003).
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren.
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2.
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Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und in welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 128 I 177 E. 1 S. 179).
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Nach Art. 86 Abs. 1 OG ist eine staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Das Urteil des Kantonsgerichts stellt einen solchen dar. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügt, ist die Berufung ans Bundesgericht nicht gegeben (Art. 43 Abs. 1 OG) und somit nur die staatsrechtliche Beschwerde möglich (Art. 84 Abs. 2 OG).
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Unzulässig ist die Beschwerde soweit der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht verschiedentlich Willkür in Zusammenhang mit dem Regelbeweismass vorwirft. Die Frage nach dem anzuwendenden Beweismass ist Teil des Bundesprivatrechts (BGE 118 II 235 E. 3c S. 239; 128 III 271 E. 2b/aa S. 275) und daher im vorliegenden Fall der eidgenössischen Berufung zugänglich. Somit kann diesbezüglich nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden (Art. 84 Abs. 2 OG; BGE 120 II 384 E. 4a S. 385).
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3.
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Strittig ist zunächst, ob die Aktien einer Gesellschaft, an welcher der Beschwerdeführer beteiligt gewesen war, bzw. der daraus erzielte Verkaufserlös, zu seinem Eigengut oder seinen Errungenschaften gehören. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Kantonsgericht habe bei der Auslegung des Ehevertrages auf eine konstruierte Systematik des Vertrages abgestellt, anstatt auf dessen klaren Wortlaut. Zudem habe es in willkürlicher Weise angenommen, dass die ursprüngliche Investition von Fr. 4'500.-- in die Gesellschaft aus dem Einkommen der Arztpraxis gestammt hatte.
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3.1 In Bezug auf die Auslegung des Ehevertrages hat das Kantonsgericht ausdrücklich festgehalten, dass keine tatsächliche Willensübereinstimmung nachgewiesen werden konnte und hat daher eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz vorgenommen. Die Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip und welche Methode dabei anzuwenden ist, stellt eine Rechtsfrage dar (BGE 125 III 435 E. 2a/aa S. 436 f.; 127 III 248 E. 3a S. 253), welche im Rahmen der eidgenössischen Berufung vom Bundesgericht geprüft werden kann. Somit kann in diesem Punkt nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden (Art. 84 Abs. 2 OG).
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3.2 Bezüglich der Herkunft der ursprünglichen Investition von Fr. 4'500.-- im Jahr 1965 in die Gesellschaft hat das Kantonsgericht ausgeführt, der Beschwerdeführer habe unterschiedliche und widersprüchliche Begründungen für seine Behauptung geliefert, die Mittel würden aus Eigengut stammen. Dies zeige, dass er selber nicht mehr wisse, aus welcher Masse er den Betrag entnommen habe. Zudem sei auch sein Vorbringen, er sei nicht in der Lage gewesen, diesen Kapitaleinsatz aus dem damaligen bescheidenen Einkommen zu leisten, nicht überzeugend, da er schliesslich selber ausgesagt habe, dass die im Jahr 1955 eröffnete Arztpraxis von Anfang an sehr gut lief.
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Mit diesen Erwägungen des Kantonsgerichts setzt sich der Beschwerdeführer in seiner Eingabe nur ungenügend auseinander. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht jedoch nur klar und detailliert erhobene Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3; 127 I 38 E. 3c S. 43). Unzureichend ist, die Ausführungen des Kantonsgerichts pauschal als fiktiv und aktenwidrig zu bezeichnen und bloss seine eigenen, abweichenden Betrachtungsweisen und Behauptungen darzulegen. Insbesondere fehlt in der Beschwerdeschrift jede Stellungnahme zu den Feststellungen des Kantonsgerichts, der Beschwerdeführer habe unterschiedliche Begründungen zur Herkunft der Investition vorgebracht und seine geltend gemachte knappe finanzielle Situation zu jener Zeit widerspreche seiner Aussage, dass die Arztpraxis damals bereits gut lief. Demzufolge kann auf die vorliegende Rüge nicht eingetreten werden.
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4.
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Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, der Liquidationserlös aus der Auflösung seiner Arztpraxis stelle Eigengut dar, da er deren Einrichtung im Jahr 1955 von seinem Vater geschenkt erhalten habe. Das Kantonsgericht habe unter Verletzung des Verbots des überspitzten Formalismus die Bilanz per 30. Juni 1988 nicht als Liquidationsbilanz anerkannt. Zudem habe es das rechtliche Gehör verletzt, indem es Beweismittel zum ursprünglichen Wert und zum Zeitpunkt der Auflösung der Praxis nicht abgenommen habe.
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4.1 Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der güterrechtlichen Qualifikation des angeblichen Erlöses bzw. Ertrags aus medizinischen Apparaten der Arztpraxis aufwirft, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Dieses güterrechtliche Problem stellt ebenfalls eine Rechtsfrage dar, die der Berufung zugänglich ist (Art. 84 Abs. 2 OG).
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4.2 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, dass das Kantonsgericht von einer Liquidation der Arztpraxis erst im Jahr 1993 ausgegangen ist. Vielmehr hat es bloss die jeweiligen Behauptungen der Parteien wiederholt, ohne dazu Stellung zu nehmen. Ebenfalls offen gelassen hat es die Frage, ob der Wert der Praxiseinrichtung ursprünglich tatsächlich Fr. 150'000.-- betragen und es sich dabei um Eigengut gehandelt habe. Der Beschwerdeführer übersieht, dass das Kantonsgericht diese Tatsachen als unerheblich angesehen hat, daher auch nicht gehalten war, dazu Beweise abzunehmen oder zu würdigen. Auch die vom Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren zu diesem Thema eingereichten Unterlagen sind somit unbeachtlich, soweit als Noven überhaupt zulässig (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71; 113 Ia 336 E. 1c S. 339).
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Das Kantonsgericht hat einzig darauf abgestellt, dass aus der Praxisaufgabe ein Liquidationserlös weder nachgewiesen noch wahrscheinlich sei, womit sich dessen güterrechtliche Qualifikation erübrigt habe. Unzutreffend ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Kantonsgericht habe nur aus formalistischen Argumenten (keine Bezeichnung als "Schluss- bzw. Liquidationsbilanz") die Bilanz per 30. Juni 1988 nicht als Liquidationsbilanz anerkannt: Das Kantonsgericht hat in seinem Entscheid ausdrücklich auch deren Inhalt in seine Würdigung einbezogen. Im Übrigen könnte diesbezüglich einzig Willkür gerügt werden; das Verbot des überspitzten Formalismus (Aufstellen von ungerechtfertigt strengen Form- und Verfahrensvorschriften) steht hier nicht in Frage.
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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch in diesem Punkt die Beschwerdeschrift nicht den Begründungsanforderungen an eine staatsrechtliche Beschwerde genügt, da insbesondere eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid fehlt, so dass auf die vorliegende Rüge nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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5.
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Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Zusammenhang mit der Feststellung von Mehrvermögen der Beschwerdegegnerin. Diese habe nur Kontoauszüge ab 1995 eingereicht, obwohl er sämtliche Belege verlangt habe.
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5.1 Das Kantonsgericht hat festgehalten, es gebe keine weiteren Hinweise bzw. Beweisanträge auf weitere Schwarzgeldkonten. Auf diese Feststellung geht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde jedoch nicht ein. Er macht insbesondere nicht geltend, er habe, nachdem die Beschwerdeführerin die genannten Belege eingereicht hatte - entgegen den Ausführungen des Kantonsgerichts - noch weitere Beweisanträge gestellt, welche das Kantonsgericht übersehen oder abgewiesen habe und verweist auch nicht auf Aktenstellen, welche solche Anträge belegen könnten. Somit kann insoweit ebenfalls nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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5.2 Gleiches gilt für die in Bezug auf das (angebliche) Mehrvermögen der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Rüge, das Kantonsgericht habe willkürlich im Lastschriftverfahren getätigte Zahlungen der Beschwerdegegnerin in nicht unerheblicher Höhe allein mit dem Hinweis auf deren gehobenen Lebensstandard anerkannt. In diesem Punkt übt der Beschwerdeführer appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung des Kantonsgerichts. Mangels genügender Substantiierung des Willkürvorwurfes ist daher diesbezüglich nicht auf die Beschwerde einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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5.3 Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer - ohne eine konkrete Rüge zu erheben - ausführt, dass der Saldo der Konten der Beschwerdegegnerin Fr. 58'896.30 betrage und nicht Fr. 58'796.30. Diesbezüglich käme einzig ein offensichtliches Versehen des Kantonsgerichts in Frage, welches mit Berufung geltend zu machen wäre (Art. 63 Abs. 2 OG).
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6.
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Unbehelflich ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Kantonsgericht habe einzig auf Grund einer Visitenkarte geschlossen, dass der Sohn der Parteien zahlungsfähig sei. Gemäss angefochtenem Entscheid hat das Kantonsgericht seinen Schluss vielmehr auf die von Amtes wegen eingeholte definitive Steuereinschätzung des Jahres 2000 des Sohnes sowie auf die Parteibefragung gestützt. Die Abweisung weiterer Beweisanträge in antizipierter Beweiswürdigung stellt zudem keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Inwiefern der Entscheid in diesem Punkt im Übrigen aktenwidrig und willkürlich sein soll, führt der Beschwerdeführer nicht näher aus. Somit kann auch in diesem Punkt nicht auf die Beschwerde eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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7.
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Soweit sich der Beschwerdeführer auf einen bundesrechtlichen Anspruch auf ein einheitliches Scheidungsverfahren beruft, um daraus ein Recht auf Klageänderung abzuleiten, ist darauf nicht einzutreten. Diese Rechtsfrage ist im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zu prüfen (Art. 84 Abs. 2 OG). Die Verletzung von kantonalem Prozessrecht macht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht geltend.
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8.
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Der Beschwerdeführer rügt zudem eine Verletzung der Garantie des fairen Gerichtsverfahrens gemäss Art. 6 EMRK und Art. 29 und 30 BV. Im vorliegenden Fall habe der beteiligte Ersatzrichter die Streitigkeit mit einem Bürokollegen seines Anwaltsbüros besprochen, so dass es einer Drittperson möglich gewesen sei, auf das Verfahren in unzulässiger Weise Einfluss zu nehmen.
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Für diese Behauptung, die, sollte sie zutreffen, tatsächlich heikle Fragen im Hinblick auf das Amtsgeheimnis und die Unabhängigkeit des Gerichts aufwerfen könnte, gibt es indes keine Hinweise. Der Beschwerdeführer nennt weder den Namen der Drittperson noch erläutert er, wie und wann er von diesem angeblichen Verfahrensmangel erfahren habe, wobei insbesondere Letzteres für die Frage der Verwirkung der Rüge bedeutsam wäre. Auch verweist er nicht auf Aktenstellen, die seinen Vorwurf belegen könnten. Somit kann auf diese Rüge ebenfalls nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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9.
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Damit kann auf die staatsrechtliche Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er schuldet der Beschwerdegegnerin allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, zumal keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
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II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 9. Mai 2003
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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