BGer I 237/2001
 
BGer I 237/2001 vom 07.05.2003
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 237/01
Urteil vom 7. Mai 2003
III. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Grünvogel
Parteien
J.________, 1956, Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
(Entscheid vom 23. Februar 2001)
Sachverhalt:
A.
Die 1956 geborene, verheiratete spanische Staatsangehörige J.________ war von Anfang Juni 1988 bis Ende Juli 1996 beim Kantonsspital X.________ und darüber hinaus vom 1. Februar 1994 bis Ende August 1996 beim Polizei- und Militärdepartement des Kantons Y.________ teilzeitig als Raumpflegerin tätig. Am 31. Juli 1996 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, weil sie seit zwei Jahren an Diskushernie leide. Am 10. August 1996 verliess sie die Schweiz und begründete in Spanien einen neuen Wohnsitz.
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland klärte die erwerblichen und gesundheitlichen Verhältnisse ab, indem sie Auskünfte der Arbeitgeberinnen, Berichte des an der Rheumaklinik des Spitals B.________ tätigen Dr. G.________ vom 30. November 1995, des Rheumatologen Dr. K.________ vom 18. Oktober 1996 und des Hausarztes Dr. H.________ vom 16. Januar 1997 einholte. Zusätzlich liess sie J.________ den Fragebogen für die im Haushalt tätigen Versicherten am 14. März 1998 ausfüllen. Nachdem der Vertrauensarzt Dr. R.________ am 3. Juli 1998 zu den Akten Stellung bezogen hatte, sprach die IV-Stelle J.________ mit Verfügung vom 29. Juni 1999 für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis 31. August 1996 eine befristete Rente (Hälfte der ordentlichen Ehepaar-Invalidenrente, dies im Hinblick auf die Invalidität des Ehemannes) zu.
B.
Hiegegen erhob J.________ bei der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer unbefristeten Rente. Die Verwaltung legte im Vernehmlassungsverfahren neu einen Bericht der IV-Stellenärztin Frau Dr. E.________ vom 18. November 1999 ins Recht, worauf J.________ von der Rekurskommission am 30. November 1999 Gelegenheit erhielt, sich u.a. zu diesem Bericht zu äussern.
Mit Entscheid vom 23. Februar 2001 wies die Rekurskommission das Rechtsmittel mit der Begründung ab, zum Zeitpunkt der Abreise nach Spanien habe der Invaliditätsgrad lediglich knapp 30% betragen.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert J.________ das vorinstanzlich gestellte Begehren.
Während die IV-Stelle Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die streitige Verwaltungsverfügung wurde vor Inkrafttreten (1. Juni 2002) des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit erlassen. Dieses Abkommen, insbesondere dessen Anhang II, der die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, muss demnach im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben (BGE 128 V 316 Erw. 1).
1.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 29. Juni 1999) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
2.
Die Vorinstanz hat die anwendbaren Bestimmungen und Grundsätze für den Anspruch einer in Spanien wohnhaften spanischen Staatsangehörigen auf eine schweizerische Invalidenrente (Art. 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über Soziale Sicherheit vom 13. Oktober 1969; Art. 4 Abs. 1, Art. 6, Art. 28 f., Art. 36 Abs. 1 IVG; BGE 121 V 269 Erw. 5f., 119 V 102 Erw. 4a, 111 V 22 Erw. 2b) zutreffend dargelegt. Danach ist u.a. ein Invaliditätsgrad von mindestens 50% vorausgesetzt (vgl. BGE 121 V 269 Erw. 5), was übrigens nicht nur für in Spanien wohnhafte versicherte spanische Staatsangehörige, sondern auch für Schweizer mit identischem Wohnsitz gilt (Art. 9 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über Soziale Sicherheit vom 13. Oktober 1969; Art. 28 Abs. 1ter IVG). Richtig sind auch die Ausführungen zur Bemessungsmethode der Invalidität bei einer teilzeitig erwerbstätigen Versicherten mit zusätzlicher Haushaltsarbeit (Art. 27bis IVV; BGE 117 V 197 Erw. 4b mit Hinweisen, 104 V 136 Erw. 2a; vgl. auch BGE 125 V 149 Erw. 2a). Darauf ist zu verweisen.
3.
Die Beschwerdeführerin hat ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim spanischen Ministerio de trabajo y asuntos sociales instituto nacional de la seguridad social in Cordoba am letzten Tag der 30-tägigen Beschwerdefrist (Art. 106 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 132 OG und Art. 32 in Verbindung mit Art. 135 OG [5. April 2001]) eingereicht. Das Ministerium überwies die Eingabe elf Tage später postalisch an das Eidgenössische Versicherungsgericht. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nur einzutreten, wenn deren Übergabe an das besagte Ministerium als fristwahrend gelten kann. Wie es sich damit verhält, braucht nicht abschliessend beantwortet zu werden, da der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus materiellen Gründen ohnehin kein Erfolg beschieden ist, wie die folgenden Erwägungen zeigen.
4.
Vorinstanz und Verwaltung haben den Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode bestimmt. Zur Begründung verweisen sie auf den Umfang der zuletzt ausgeübten beiden Erwerbstätigkeiten, welcher gesamthaft gesehen nicht denjenigen einer Vollzeitstelle erreicht. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, stets nach einer Vollzeitbeschäftigung gesucht zu haben.
Anhaltspunkte für eine ganztägige Erwerbstätigkeit ohne Gesundheitsschaden finden sich in den Akten keine. Der Umstand, dass die Versicherte seit dem Stellenantritt beim Polizei- und Militärdepartement des Kantons Y.________ am 1. Februar 1994 bis zum Eintritt der Invalidität in einem unveränderten Umfang von 86% einer Vollzeitstelle teilzeitig erwerbstätig war, stützt gegenteils die Vorgehensweise von Vorinstanz und Verwaltung, welche den Invaliditätsgrad nicht nur nach der gemischten Methode, sondern darüber hinaus auch die Bereiche Erwerbstätigkeit mit 86% und Haushaltsarbeit mit 14% zutreffend gewichtet haben.
5.
In einlässlicher Würdigung der einzelnen Arztberichte wie auch der Auskünfte der früheren Arbeitgeberinnen ist die Rekurskommission in Anlehnung an die Einschätzung von Frau Dr. E.________ vom 18. November 1999 zum Schluss gelangt, die Versicherte sei im erwerblichen Bereich bei einer leidensangepassten Tätigkeit, welche leichte bis mittelschwere Arbeiten umfasse, zu 75% der Norm leistungsfähig; im Haushalt sei von einer Beeinträchtigung im gleichen Umfang auszugehen. Auch in diesem Punkt ist auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen.
5.1 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, überzeugt nicht.
5.1.1 Dem Einwand, nicht persönlich von Frau Dr. E.________ untersucht worden zu sein, ist die Vielzahl von Arztberichten entgegen zu halten, die Frau Dr. E.________ in die Lage versetzten, zuverlässig eine Einschätzung vorzunehmen. Auch vermag die Funktion von Frau Dr. E.________ als IV-Stellenärztin am Beweiswert ihrer Schlussfolgerungen nichts zu ändern. Die Tatsache allein, dass die befragte Person in einem Anstellungsverhältnis zur Versicherungsträgerin steht, lässt nicht auf eine mangelnde Objektivität und auf Befangenheit schliessen (BGE 125 V 354 mit Hinweisen).
5.1.2 Sodann äussern sich die von der Beschwerdeführerin angerufenen Berichte der Dres. G.________ vom 30. November 1995, K.________ vom 18. Oktober 1996 sowie H.________ vom 16. Januar 1997 allesamt nur zur Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit im Reinigungsdienst. Bei der Invaliditätsbemessung für den Erwerbsbereich ist jedoch nicht das Einkommen entscheidend, welches bei der zuletzt verrichteten Tätigkeit in zumutbarere Weise erzielt werden könnte, sondern es ist zu fragen, ob es auch andere, dem Leiden besser angepasste Tätigkeiten gibt, mit welchen die versicherte Person in einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt ein höheres Erwerbseinkommen erzielen könnte (Art. 28 Abs. 2 IVG). Die Leistungseinbusse im Haushalt ist ebenso wenig mit jener im Reinigungsdienst gleichzusetzen.
5.1.3 Soweit sich die Beschwerdeführerin zudem auf Dr. R.________ beruft, welcher in der Einschätzung vom 3. Juli 1998 von einem Invaliditätsgrad von 40% ausgeht, so hat dieser Arzt nicht nur die Möglichkeit von Verweisungstätigkeiten ausser Acht gelassen, sondern darüber hinaus, wie von der Vorinstanz dargetan, in unzulässiger Weise vom Grad der Arbeitsunfähigkeit direkt auf den Invaliditätsgrad geschlossen. Den Invaliditätsgrad zu bestimmen ist ohnehin nicht Aufgabe des Arztes, sondern dies obliegt der Verwaltung und im Bestreitungsfalle den Gerichten (vgl. BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1).
5.1.4 Wenn die Vorinstanz auf die Einschätzung von Frau Dr. E.________ vom 18. November 1999 abstellt, welche nicht nur als einzige und in Kenntnis der übrigen Arztberichte leidensangepasste Tätigkeiten und die damit verbundene Arbeitsfähigkeit nennt, sondern im Weiteren die verbliebene Leistungsmöglichkeit in der angestammten Tätigkeit im Reinigungsdienst in Einklang mit der überwiegenden Anzahl der übrigen Ärzte auf 50% der Norm einschätzt, so ist dies nicht zu beanstanden.
6.
Zu prüfen bleibt, ob die Rekurskommission zu Recht den Anspruch auf eine Rentenleistung ab 1. September 1996 zufolge eines ermittelten Invaliditätsgrades von weniger als 50% ablehnte.
6.1 Das hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) legte die Vorinstanz, ausgehend vom zuletzt erzielten Verdienst (vgl. BGE 126 V 76 Erw. 3a; AHI 2000 S. 302 Erw. 3a), zutreffend auf Fr. 3550.- im Monat oder Fr. 42'600.- im Jahr 1996 (3550.- x 12) fest. Umgerechnet auf ein Vollzeitpensum würde dies einem Betrag von Fr. 49'535.- (42'600.- / 0,86) entsprechen.
6.2 Zur Bestimmung des Invalideneinkommens zog die Rekurskommission sodann wegen fehlender Erwerbstätigkeit nach Eintritt des Gesundheitsschadens (vgl. BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb) die so genannten Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) heran und stellte dabei auf den am unteren Quartil liegenden statistischen Lohn einer Frau für einfache und repetitive Tätigkeiten in der Region Nordwestschweiz (BS, BL; AG) ab (LSE 1996 S. 34, TA13).
6.2.1 Diese Vorgehensweise überzeugt nicht. Zwar durfte die Vorinstanz auf die statistischen Werte zurückgreifen. Indessen hätte sie für die weitere Berechnung vom Zentralwert (Median) ausgehen müssen. Allfälligen Erschwernissen, deretwegen in der Regel mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen zu rechnen ist, ist praxisgemäss durch einen Abzug vom Tabellenlohn, nicht aber durch das Abstellen auf den unteren Quartilbereich Rechnung zu tragen (Urteile L. vom 5. September 2000, I 170/00, R. vom 9. Februar 2000, I 137/99, P. vom 17. Januar 2000, U 129/99, je mit Hinweis).
6.2.2 Gemäss LSE 1996 belief sich der monatliche Bruttolohn (Zentralwert) für mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Frauen im privaten und öffentlichen Sektor in der Nordwestschweiz bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und unter Einschluss eines Zwölftels des 13. Monatslohnes (LSE 1996 S. 5) im Jahr 1996 auf Fr. 3619.- (LSE 1996 S. 34, TA13); umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,9 Stunden im Jahr 1996 (Die Volkswirtschaft 12/2001 S. 80 Tabelle B 9.2 Zeile A-O "Total") entspricht dies Fr. 3791.- pro Monat oder Fr. 45'491.- für das ganze Jahr 1996. Da die Versicherte in einer solchen Tätigkeit zumutbarerweise nur noch ihre Restarbeitsfähigkeit von 75% erwerblich verwerten kann, reduziert sich das Invalideneinkommen um 25% auf Fr. 34'118.- (45'491.- x 0,75). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Abzug vom Tabellenlohn hier zulässig und erforderlich ist, kann offen bleiben, weil die Beschwerdeführerin selbst bei Vornahme des höchstmöglichen zulässigen Abzuges von 25% (BGE 126 V 78 Erw. 5; AHI 2002 S. 67 Erw. 4) gesamthaft gesehen keinen rentenbegründenden Invaliditätsgrad von mindestens 40% erreichen würde (Invalidität im Erwerbsbereich: [42'600.- - 34'118.- x 0,75]: 42'600.- x 0,86 x 100 = 34,34%; Invalidität im Haushalt: 0,25 x 0,14 x 100 = 3,5%; zusammen: 34,34% + 3,5% = 37,84%).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 7. Mai 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: