BGer 1P.658/2002 |
BGer 1P.658/2002 vom 28.04.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1P.658/2002 /sta
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Urteil vom 28. April 2003
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
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Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Aeschlimann,
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Gerichtsschreiber Steinmann.
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Parteien
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X.________ AG in Nachtragsliquidation, Beschwerdeführerin, vertreten durch Firma A.________, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Dietsche, Eisenbahnstrasse 41, Postfach 228, 9401 Rorschach,
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gegen
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Kantonales Untersuchungsamt, Wirtschaftsdelikte, Klosterhof 8A, 9001 St. Gallen,
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Anklagekammer des Kantons St. Gallen, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen,
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weitere Verfahrensbeteiligte:
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B.Y.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alois Näf, Marktgasse 5, 9000 St. Gallen.
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Gegenstand
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Art. 9, 29 und 36 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Beschlagnahme),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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Seit 1994 ermittelte die Staatsanwaltschaft Mannheim u.a. gegen C.________, D.________ und B.Y.________ wegen des Verdachts der Teilnahme an verschiedenen Vermögensdelikten, insbesondere Anlagebetrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung. C.________ und D.________ sowie weitere Personen wurden in Deutschland rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. B.Y.________ hingegen stellte sich den deutschen Ermittlungsbehörden nicht. Daher wurde das gegen sie geführte Strafverfahren 1997 an den Kanton St. Gallen abgetreten. Hier wurde die entsprechende Strafuntersuchung auf weitere Personen, u.a. auf den Ehemann E.Y.________ ausgedehnt.
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Das Kantonale Untersuchungsamt erliess am 16. November 2001 eine Beschlagnahmeverfügung für einen Vermögenswert über "USD 3'150'000.-- oder entsprechende Gegenwerte (Surrogate) in anderer Währung". Die Beschlagnahmeverfügung enthält folgende Begründung:
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"Die aus dem Schiedsgerichtsverfahren in New York stammenden Vermögenswerte unterliegen der Beschlagnahme, weil die Voraussetzungen der Einziehung nach Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB gegeben sind: B.Y.________ sowie weiteren Beteiligten wird die Mittäterschaft bzw. Teilnahme am gewerbsmässigen Betrug zum Nachteil etlicher Kleinanleger im Zusammenhang mit Geldanlagen über die Firmen F.________, G.________ und X.________ AG angelastet. Der für diese Beschlagnahme relevante Schaden dürfte eine Höhe von über USD 20 Mio. haben. Im entsprechenden Umfang werden Gläubigerforderungen erwartet. Die zu beschlagnahmenden Vermögenswerte liegen voraussichtlich auf einem Konto der X.________ AG in Liquidation bzw. einem Konto von im Auftrag von B.Y.________ gegründeten Stiftungen (Firma H.________, Firma I.________ und Firma J.________), weshalb der Hintergrund "gutgläubige Dritte" (Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) nicht greift. Sind die Voraussetzungen gegeben, ist die Einziehung nach CH-Recht grundsätzlich zwingend."
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Das Kantonale Untersuchungsamt ersuchte gleichentags die zuständigen Behörden in Liechtenstein um Rechtshilfe, begründete das Ersuchen eingehend und legte ihm die Beschlagnahmeverfügung bei.
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B.
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Diese Beschlagnahmeverfügung fochten B.Y.________ und die X.________ AG in Nachtragsliquidation bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen an. Die Anklagekammer wies die Beschwerde am 22. Mai 2001 ab (und nahm die Zustellung des begründeten Entscheids am 13. November 2001 vor). Sie führte zur Begründung aus, es bestünden genügend konkrete Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes (Mit-)Verschulden von B.Y.________ insbesondere hinsichtlich eines mutmasslichen Anlagebetruges. Beim streitigen Geld handle es sich um eine Schadenersatzzahlung und somit nicht um unmittelbaren Deliktserlös. Es bestehe indessen ein hinreichender Zusammenhang mit den betrügerischen Anlagegeschäften bzw. mit den daraus resultierenden Verlusten und den Entschädigungen zuhanden der geschädigten Anleger. Die Anklagekammer verwarf ferner das Argument, die X.________ AG sei eine Drittperson, bei der eine Beschlagnahme ausgeschlossen sei. Schliesslich erfordere auch die Unsicherheit über die aus zeitlicher Sicht zulässigen Forderungen von geschädigten Anlegern, dass die Beschlagnahme aufrechterhalten bleibe.
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C.
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Gegen diesen Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen hat die X.________ AG in Nachtragsliquidation beim Bundesgericht am 13. Dezember 2002 staatsrechtliche Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragt. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 9 sowie von Art. 36 in Verbindung mit Art. 26 BV geltend. Auf die Begründung im Einzelnen ist, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.
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Das Kantonale Untersuchungsamt beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Die Anklagekammer hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Beschwerdeführerin hält in ihrer Replik an ihren Anträgen fest; das Kantonale Untersuchungsamt verzichtet auf eine Duplik. B.Y.________ ist ins Verfahren einbezogen worden, hat sich indessen zur Beschwerde nicht geäussert.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Bundesgericht prüft die Sachurteilsvoraussetzungen der bei ihm erhobenen Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (vgl. BGE 128 I 46 E. 1a S. 48). Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren ist ein selbständiges Verfahren; der Umstand, dass die Anklagekammer die Legitimation der Beschwerdeführerin bejahte und auf die kantonale Beschwerde eintrat, ist daher für das bundesgerichtliche Verfahren nicht ausschlaggebend (vgl. BGE 107 Ia 269 E. 1 S. 271; 114 Ia 93 E. 1 S. 94).
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2.
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2.1 Die Beschlagnahmeverfügung des Kantonalen Untersuchungsamtes richtet sich nicht gegen die Beschwerdeführerin selber. In der Verfügung wird als "Lagerort" der zu beschlagnahmenden Vermögenswerte angegeben: "nicht bekannt, vermutlich Konto der X.________ AG in Liquidation". Bei dieser Sachlage ist es fraglich, ob die Beschwerdeführerin eigene rechtlich geschützte Interessen im Sinne von Art. 88 OG wahrnimmt. Sie unterlässt es, ihre Legitimation näher zu begründen.
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Dem angefochtenen Entscheid und den kantonalen Akten kann allerdings entnommen werden, dass die streitigen Vermögenswerte aus einem in New York durchgeführten Schiedsgerichtsverfahren stammen und Schadenersatzzahlungen zu Handen von geschädigten Anlegern darstellen. Sie sollten der Beschwerdeführerin ausbezahlt werden, damit diese die Verteilung vornehmen könne. Da die X.________ AG zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst und gelöscht war, kam es zu einer Nachtragsliquidation, in deren Verlauf der Liquidatorin aufgetragen wurde, das nachträglich hervorgekommene Vermögen nach der konkursrechtlichen Rangordnung zu verteilen und den geschädigten Anlegern zukommen zu lassen. Unter diesen Umständen ist denkbar, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Verteilung der Gelder eine treuhänderische Funktion ausüben und daher möglicherweise eigene Interessen geltend machen könnte. Wie es sich mit der Legitimation verhält, braucht indessen nicht abschliessend beurteilt zu werden.
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2.2 Nach Art. 87 Abs. 2 OG können (selbständig eröffnete) Zwischenentscheide mit staatsrechtlicher Beschwerde nur angefochten werden, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben können. Dieser Nachteil muss rechtlicher Natur sein, ein rein tatsächlicher Nachteil reicht hierfür nicht aus. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt insbesondere eine Verlängerung, Verzögerung oder Verteuerung des Verfahrens keinen derartigen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur dar (BGE 123 I 325 E. 3c S. 328 mit Hinweisen).
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Im vorliegenden Fall übt die Beschwerdeführerin allenfalls eine treuhänderische Funktion aus, die auf die Verteilung der aus dem Schiedsgerichtsverfahren stammenden Gelder beschränkt ist. Die blosse Beschlagnahme hat deshalb lediglich zur Folge, dass entsprechende Zahlungen an geschädigte Anleger - sofern diese bereits vollständig ermittelt sein sollten - zur Zeit nicht getätigt werden können. Dies indessen stellt für die Beschwerdeführerin keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG dar.
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3.
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Demnach ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kantonalen Untersuchungsamt, Wirtschaftsdelikte, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen sowie der weiteren Verfahrensbeteiligten schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. April 2003
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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