BGer I 620/2002
 
BGer I 620/2002 vom 22.04.2003
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 620/02
Urteil vom 22. April 2003
II. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiberin Polla
Parteien
IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf, Beschwerdeführerin,
gegen
X.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Zwyssig, Lehnplatz 15, 6460 Altdorf
Vorinstanz
Obergericht des Kantons Uri, Altdorf
(Entscheid vom 12. Juli 2002)
Sachverhalt:
A.
Die 1944 geborene X.________ leidet seit 1993 an einer chronisch obstruktiven Bronchitis mit Lungenemphysem bei persistierendem Nikotinabusus und chronischem Aethylproblem. Am 25. Februar 2000 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente) an. Nach verschiedenen Abklärungen in medizinischer Hinsicht nahm die IV-Stelle Uri zudem eine Abklärung im Haushalt vor (Bericht vom 12. Mai 2000). Mit Verfügung vom 5. Oktober 2000 verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit der Begründung, da X.________ trotz Behinderung immer noch ein Vollzeitpensum leiste, erleide sie keine Einbusse in erwerblicher Hinsicht, womit sie nicht invalid im Sinne der Gesetzgebung sei.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Uri in dem Sinne gut, dass es die Verfügung vom 5. Oktober 2000 aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Entscheid vom 12. Juli 2002).
C.
Die IV-Stelle Uri führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 5. Oktober 2000 wiederherzustellen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über den Anspruch auf Invalidenrente unter Anwendung der Methode des Betätigungsvergleichs zur Invaliditätsbemessung, neu entscheide.
X.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt sinngemäss Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Invalidenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 5. Oktober 2000) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die neuen Bestimmungen nicht anwendbar.
1.2 Nach Art. 4 Abs. 1 IVG gilt als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit.
1.3 Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist - was je zur Anwendung einer andern Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich, gemischte Methode, Betätigungsvergleich) führt -, ergibt sich aus der Prüfung, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Diese Frage beurteilt sich praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 194 Erw. 3b, je mit Hinweisen).
1.4 Nach Art. 27 Abs. 2 IVV (in der hier anwendbaren [BGE 127 V 467 Erw. 1.1], bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung) gilt als Aufgabenbereich der im Haushalt tätigen Versicherten die übliche Tätigkeit im Haushalt und allenfalls im Betrieb des Ehepartners sowie die Erziehung der Kinder.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Versicherte Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat, wobei insbesondere interessiert, welche Methode der Invaliditätsbemessung anzuwenden ist.
2.1 Vorinstanz und Beschwerdegegnerin betrachten die Versicherte als (Teil-)Erwerbstätige, wobei sich das kantonale Gericht für die Anwendung der ausserordentlichen Bemessungsmethode bezüglich der ausserhäuslichen Tätigkeit (erwerblich gewichteter Betätigungsvergleich) ausspricht. Die beschwerdeführende IV-Stelle hingegen erachtet die spezifische Methode als anwendbar, da die Versicherte, trotz unentgeltlicher Mitarbeit im Betrieb des Ehemannes, als Hausfrau einzustufen sei.
2.2 Es ist unbestritten und steht fest, dass die Beschwerdegegnerin nebst der Verrichtung des Haushalts seit Jahren unentgeltlich in der von ihrem Ehemann geführten Bäckerei mit Tearoom tätig ist. Seit 1. Januar 2001 sieht Art. 27bis IVV zwar vor, dass nicht nur für Teilerwerbstätige, sondern auch für Versicherte, die unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, für diesen Teil die Invalidität mittels Einkommensvergleich (Art. 28 Abs. 2 IVG) festgelegt wird und sofern sie daneben in einem Aufgabenbereich nach Art. 5 Absatz 1 tätig sind, die Invalidität für diese Tätigkeit durch die Vornahme eines Betätigungsvergleichs nach Art. 27 IVV zu bestimmen ist. Nach anteilsmässiger Festlegung der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb und der Haushaltstätigkeit ist der Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen (gemischte Methode der Invaliditätsbemessung). Entgegen Vorinstanz und Beschwerdegegnerin kann diese Bestimmung vorliegend jedoch gerade nicht zur Anwendung gelangen, da ein allfälliger Rentenanspruch mit Beginn vor dem 1. Januar 2001 zu beurteilen ist; in zeitlicher Hinsicht sind aber grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1, vgl. Erw. 1.1 hievor). Die Invaliditätsbemessung ist daher nach den Grundsätzen für Nichterwerbstätige gemäss Art. 27 IVV (in der bis 31. Dezember 2000 in Kraft gewesenen Fassung) vorzunehmen, welche Bestimmung die allfällige Mitarbeit im Betrieb des Ehepartners ausdrücklich zum Aufgabenbereich der im Haushalt tätigen Versicherten zählt. Dies trifft im Übrigen auch bei ausschliesslicher Tätigkeit im ehelichen Betrieb ohne Haushaltsführung und bei einem ein normales Arbeitspensum übersteigenden Einsatz im Geschäft zu (ZAK 1989 114 Erw. 3a; Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, Zürich 1997, S. 218). Die IV-Stelle betrachtete die Versicherte demnach zu Recht als nichterwerbstätige Hausfrau mit erweitertem Aufgabenbereich nach Art. 27 Abs. 2 IVV und brachte somit korrekterweise die spezifische Methode der Invaliditätsbemessung zur Anwendung, indem sie einen Abklärungsbericht Haushalt (vom 12. Mai 2000) erstellen liess, um mittels Betätigungsvergleich das Mass der Behinderung im gesamten bisherigen Aufgabenbereich (einschliesslich ihrer Mitarbeit im Betrieb) festzustellen. Art. 27 Abs. 2 IVV sowie die hiezu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung lassen keinen Raum für die Anwendung einer anderen Methode der Invaliditätsbemessung.
2.3 Die Sache ist demnach, entsprechend dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin, an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle unter Anwendung der Methode des Betätigungsvergleichs beurteile und hernach über die Beschwerde neu entscheide. Damit bleibt den Parteien die Möglichkeit einer zweifachen gerichtlichen Überprüfung gewahrt (vgl. in BGE 117 V 131 nicht veröffentlichte, aber in ZAK 1991, S. 370 publ. Erw. 8 des Urteils Y. vom 22. April 1991, H 147/89).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juli 2002 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde neu entscheide.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, der Ausgleichskasse des Kantons Uri und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 22. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.