BGer 5P.312/2002 |
BGer 5P.312/2002 vom 13.02.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5P.312/2002 /min
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Sitzung vom 13. Februar 2003
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II. Zivilabteilung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiber Schett.
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H.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Thomas Marfurt, Schanzenstrasse 1, Postfach 8464, 3001 Bern,
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gegen
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Schweizerische Eidgenossenschaft, Beschwerdegegnerin, vertreten durch die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
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Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,
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Art. 9 BV (Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung),
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 29. August 2002.
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Sachverhalt:
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A.
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H.________ betreibt eine Schreinerei, ist als Einzelunternehmer im Handelsregister eingetragen und unterliegt somit der Konkursbetreibung (Art. 39 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG). Die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, ersuchte am 15. Januar 2002 um Eröffnung des Konkurses gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG über H.________ mit der Begründung, der Steuerverwaltung lägen vier Verlustscheine im Gesamtbetrag von Fr. 30'202.-- vor, H.________ habe für weitere Fr. 37'815.90 betrieben werden müssen und zudem seien noch Forderungen im Betrag von Fr. 18'763.10 fällig geworden.
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Auf Begehren von H.________ verfügte der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VI Signau-Trachselwald am 11. Februar 2002 die Sistierung des Verfahrens bis zum 15. April 2002. Grund war der Abschluss einer Vereinbarung, wonach H.________ verpflichtet war, der Hauptabteilung Mehrwertsteuer bis zum 13. Februar 2002 einen Teilbetrag von Fr. 35'000.-- zu bezahlen und bis Mitte März 2002 einen definitiven Abzahlungsplan zu unterbreiten. Bei Nichteinhaltung dieser Vereinbarung durfte die Gläubigerin die Ansetzung eines Termins für die Konkursverhandlung verlangen. Mit Urteil vom 16. Juni 2002 wies der Gerichtspräsident 1 das Konkursbegehren aus drei Gründen ab. Erstens habe H.________ in der Zwischenzeit Fr. 35'000.-- bloss deshalb mit Verspätung bezahlt, weil einer seiner Debitoren seinerseits mit Verzug bezahlt habe. Zweitens sei die Abzahlungsvereinbarung nur deswegen gescheitert, weil H.________ monatlich Fr. 2'000.-- habe amortisieren wollen und die Gläubigerin Fr. 5'000.-- mehr verlangt habe. Drittens sei die Zahl der gestellten Konkursbegehren gegen H.________ in den letzten Jahren zurückgegangen.
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B.
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Auf Appellation der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, eröffnete der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 29. August 2002 über H.________ den Konkurs ohne vorgängige Betreibung gemäss Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG mit Wirkung ab dem gleichen Tag um 11.45 Uhr.
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C.
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Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben. Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
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D.
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Nach Anhörung der Beschwerdegegnerin hat der Präsident der II. Zivilabteilung der Beschwerde mit Verfügung vom 30. September 2002 die aufschiebende Wirkung erteilt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Vorliegend kann einzig staatsrechtliche Beschwerde geführt werden (BGE 107 III 53 E. 1 S. 55). Der Beschwerdeführer behält sich in verschiedenem Zusammenhang das Recht vor, weitere Beweismittel zu nennen, was nicht angeht. Denn er verkennt, dass im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren (von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen) neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen (BGE 119 II 6 E. 4a; 124 I 208 E. 4b S. 212).
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1.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind indes nur zu prüfen, soweit sie den Begründungsanforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen. Demnach ist klar darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und einlässlich erhobene Rügen. Auf bloss appellatorische Kritik tritt es nicht ein (BGE 119 Ia 197 E. 1d). Wird der kantonalen Behörde Willkür bei der Rechtsanwendung vorgeworfen, so ist die Rechtsnorm zu bezeichnen und anhand der angefochtenen Subsumtion zu zeigen, inwiefern der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 128 I 177 E. 2.1).
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2.
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2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Appellationshof habe willkürlich übersehen, dass gemäss Art. 69 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG; SR 641.20) für Mehrwertsteuerforderungen ein Konkursbegehren grundsätzlich nicht gestellt werden dürfe. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV sind neue rechtliche Vorbringen unzulässig (zu Art. 4 aBV BGE 117 Ia 1 E. 2 S. 3; 118 Ia 20 E. 5a S. 26). Der kantonalen Behörde kann nämlich nicht Willkür vorgeworfen werden, wenn sie Vorbringen nicht geprüft hat, welche ihr nicht vorgetragen worden sind. Da der Beschwerdeführer nicht mit Belegen geltend macht, er habe schon im kantonalen Verfahren mit Art. 69 MWSTG argumentiert und solches weder dem angefochtenen Urteil noch seiner Stellungnahme vom 19. August 2002 zur Appellation der Beschwerdegegnerin entnommen werden kann, ist auf das neue Vorbringen nicht einzutreten.
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2.2 Weiter rügt der Beschwerdeführer, die Beschwerdegegnerin dürfe mit Rücksicht auf Art. 43 Ziff. 1 SchKG, wonach für Steuern die Konkursbetreibung "in jedem Fall" ausgeschlossen sei, die Eröffnung des Konkurses gar nicht verlangen.
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Auch diese Rüge ist neu und damit unzulässig; denn der Beschwerdeführer hat sich in seiner Appellationsantwort zu den entsprechenden Ausführungen der Beschwerdegegnerin nicht geäussert.
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3.
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Der Appellationshof hat die Zahlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG bejaht mit den Begründungen, seit dem 30. Juni 2000 bestünden gegen diesen offene Verlustscheine im Gesamtbetrag von Fr. 238'775.30, seit Einreichung des Konkursbegehrens seien zum damaligen Betrag Verlustscheine im Betrag von Fr. 47'583.65 hinzu gekommen und gemäss Auszug aus dem Betreibungsregister sei der Beschwerdeführer seit dem 27. Januar 2000 für Forderungen von Fr. 124'355.95 betrieben worden, wovon für das Total von Fr. 90'610.45 die Betreibungen nach Einreichung des Konkursbegehrens eingeleitet worden seien. Bei den betriebenen Forderungen handle es sich zum grössten Teil um solche öffentlichrechtlicher Natur. Es sei offensichtlich, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage sei, seinen Zahlungspflichten nachzukommen, auch wenn man berücksichtige, dass er aus einem Bauhandwerkerpfandrecht Fr. 108'000.-- erhalten würde. Der Beschwerdeführer erblickt darin aus verschiedenen Gründen Willkür.
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3.1 Das Bundesgericht gesteht dem Sachgericht in der Beweiswürdigung einen weiten Ermessensspielraum zu (BGE 83 I 7 S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Als willkürlich erscheinen kann eine Beweiswürdigung immerhin dann, wenn das Sachgericht einseitig einzelne Beweise berücksichtigt und andere, aus denen sich Gegenteiliges ergeben könnte, ausser Acht lässt (BGE 100 Ia 119 E. 4 S.127 und E. 6 S. 130; 118 Ia 28 E. 1b S. 30). In der Beschwerdeschrift muss in Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Entscheids aufgezeigt werden, inwiefern Beweise geradezu unhaltbar oder der tatsächlichen Situation offensichtlich zuwiderlaufend gewürdigt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; E. 1.2 hiervor).
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3.2 Wie schon vor dem Appellationshof macht der Beschwerdeführer geltend, die ausgebliebenen Einnahmen von Fr. 108'000.-- würden 12 % der Jahreseinnahmen ausmachen, weshalb sich die Liquidität nicht den Erwartungen entsprechend verbessert habe. Gerade wegen dieses Betrages seien die Sanierungsbemühungen zurückgeworfen worden. Er müsse als zahlungsfähig betrachtet werden, weil er an die Forderungen der Beschwerdegegnerin am 13. März 2002 einen Drittel in der Höhe von Fr. 35'000.-- abbezahlt habe; eine Abzahlungsvereinbarung sei an der Unfähigkeit der Beschwerdegegnerin gescheitert, seine engen finanziellen Möglichkeiten zu erkennen. Dass er sich wirtschaftlich erhole, werde dadurch belegt, dass im Jahre 2000 noch acht, im Jahre 2001 nur noch vier und im laufenden Jahr nebst dem hier zu beurteilenden nur noch ein einziges Konkursbegehren gestellt worden seien; er sei nur vorübergehend zahlungsunfähig gewesen. Der Appellationshof habe den konkreten Fallumständen nicht Rechnung getragen und willkürlich seine Zahlungsfähigkeit verneint.
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3.3 Indem der Beschwerdeführer bloss einzelne Gesichtspunkte anders, bzw. stärker gewichtet haben will, übt er unzulässige appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung des Appellationshofes (E. 1.2 hiervor). Er verkennt zudem, dass die Fr. 108'000.-- nur einen Bruchteil seiner Ausstände ausmachen und setzt sich nicht rechtsgenüglich (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) mit den Erwägungen des Appellationshofes auseinander, wonach im Zeitpunkt der Einreichung des Konkursbegehrens am 15. Januar 2002 die Beträge, für die der Beschwerdeführer betrieben wurde und für die ihm Verlustscheine ausgestellt wurden, hoch waren und dass sie seither erheblich angestiegen sind. Das darf ohne Willkür als Zeichen der Zahlungsunfähigkeit gewertet werden, genügt doch nach konstanter Rechtsprechung, dass während längerer Zeit ein erheblicher Anteil der laufenden und unbestrittenen Schulden nicht beglichen worden ist (Urteile 5P.33/2002 vom 7. März 2002, E. 4; 5P.448/2000 vom 5. Februar 2001, E. 2). Der Beschwerdeführer hat sich selber anzurechnen, dass er vor dem Appellationshof nicht dargelegt hat, in welchem Verhältnis die unbeglichenen Forderungen zu den beglichenen stehen. Weiter befasst er sich nicht mit dem von der bundesgerichtlichen Praxis anerkannten Argument, Zahlungsunfähigkeit äussere sich - wie hier - vor allem im Anstieg der unbezahlten öffentlichrechtlichen Forderungen (Urteil 5P.412/1999 vom 17. Dezember 2000, E. 2b; publiziert in SJ 122/2000 I S. 250). Der Appellationshof hat seinen grossen Ermessensspielraum nicht willkürlich gehandhabt (Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, t. 3: art. 159 - 270, N. 27 zu Art. 190 SchKG; zur Willkür bei Ermessensentscheiden BGE 126 III 8 E. 3c S. 10).
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4.
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Bleibt die staatsrechtliche Beschwerde aus den dargelegten Gründen erfolglos und hat ihr das Bundesgericht die aufschiebende Wirkung gewährt, wird der Zeitpunkt der Konkurseröffnung praxisgemäss neu angesetzt. Der unterliegende Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Der obsiegenden Beschwerdegegnerin ist keine Parteientschädigung zu entrichten, da sie über einen eigenen Rechtsdienst verfügt (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 125 I 182 E. 7 S. 202, mit Hinweisen).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Als Datum der Konkurseröffnung wird der 13. Februar 2003, 14.45 Uhr, bestimmt.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Appellationshof des Kantons Bern, II. Zivilkammer, sowie dem Betreibungs- und Konkursamt Emmental Oberaargau, Dienststelle Signau-Trachselwald, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 13. Februar 2003
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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