BGer 1P.574/2002
 
BGer 1P.574/2002 vom 27.01.2003
Tribunale federale
{T 0/2}
1P.574/2002 /zga
Urteil vom 27. Januar 2003
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Forster.
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal,
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, Gerichtsgebäude, 4410 Liestal.
Wiederaufnahme des Strafverfahrens,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 13. August 2002.
Sachverhalt:
A.
Am 16. Februar 2001 verurteilte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft X.________ wegen mehrfachen gewerbsmässigen Betruges zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus. Der im gleichen Verfahren verurteilte Hauptangeklagte Z.________ erhielt wegen Betrugs- und Urkundendelikten fünf Jahre Zuchthaus. Die von X.________ gegen das Strafurteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 11. Januar 2002 ab, soweit es darauf eintrat. Am 1. Mai 2002 stellte X.________ ein Gesuch um Wiederaufnahme des Strafverfahrens, welches das Kantonsgericht (vormals Obergericht) Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, mit Beschluss vom 13. August 2002 abwies.
B.
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichtes gelangte X.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 31. Oktober 2002 an das Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung von Art. 9 BV und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
Die Staatsanwaltschaft und das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft beantragen mit Eingaben vom 27. November bzw. 2. Dezember 2002 je die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG).
Art. 397 StGB schreibt vor, dass die Kantone gegenüber Urteilen, die auf Grund des Strafgesetzbuches ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten gestatten (vgl. BGE 125 IV 298 E. 2b S. 301). Eine analoge Rechtsweggarantie ergibt sich auch aus den verfassungsmässigen Minimalgarantien von Art. 29 Abs. 1 und 2 BV (vgl. BGE 127 I 133 E. 6 S. 137). Die Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft gewährleistet ein entsprechendes ausserordentliches Rechtsmittel (vgl. § 202 Abs. 1 lit. c StPO/BL).
Erheblich sind neue Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist oder ein (Teil-)Freispruch in Betracht kommt (BGE 122 IV 66 E. 2a S. 67; 120 IV 246 E. 2b S. 248; 116 IV 353 E. 2a S. 356, je mit Hinweisen). Ob eine Tatsache oder ein Beweismittel dem Sachrichter bekannt war oder neu ist, stellt eine Tatfrage dar. Das gleiche gilt für die Frage, ob eine allfällige neue Tatsache oder ein neues Beweismittel geeignet ist, das ergangene Strafurteil zu erschüttern (BGE 122 IV 66 E. 2a S. 67; 116 IV 353 E. 2b S. 356, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 IV 298 E. 2b S. 302). Entsprechende Fragen der Beweiswürdigung sind grundsätzlich mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (vgl. BGE 127 I 133 E. 5 S. 136 f.; 125 IV 298 E. 2b S. 302; 116 IV 353 E. 2b S. 356).
2.
Im kantonalen Wiederaufnahmeverfahren hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, es lägen neue Beweismittel vor, welche beweisen würden, dass er nicht in strafbarer Weise von Geldern der A.________ AG profitiert habe. Vielmehr hätten (der in diesem Zusammenhang als Haupttäter verurteilte) Z.________ sowie eine ehemalige Verwaltungsrätin der A.________ AG sich die betreffenden Einnahmen geteilt. Diese Tatsache ergebe sich aus Gesprächsprotokollen von zwei Kollegen des Beschwerdeführers, welche ein Gespräch zwischen ihm und dem geschiedenen Ehemann der genannten ehemaligen Verwaltungsrätin heimlich belauscht hätten.
Im angefochtenen Entscheid wird demgegenüber erwogen, die eingereichten Gesprächsprotokolle vermöchten "nicht zu beweisen", dass der Beschwerdeführer "nicht auch an den Geldern der A.________ profitiert hat". Dessen Interpretation der Gesprächsprotokolle sei für das Kantonsgericht "nicht nachvollziehbar" und wenig glaubwürdig. Aber selbst wenn nachgewiesen wäre, dass sich nur die ehemalige Verwaltungsrätin an den A.________-Geldern bereichert hätte, würde sich am strafrechtlichen Ergebnis nichts Wesentliches ändern. Da die geltend gemachten Revisionsgründe offensichtlich ungenügend erschienen, sei das Wiederaufnahmegesuch ohne weiteres Beweisverfahren abzuweisen.
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die von ihm angebotenen Beweismittel würden belegen, dass er nie von irgendwelchen Zahlungen in strafbarer Weise profitiert und ebenso wenig zur ungerechtfertigten Bereicherung Dritter beigetragen habe. Die anderslautenden Erwägungen des angefochtenen Entscheides beruhten auf einer willkürlichen Beweiswürdigung und verstiessen gegen Art. 9 BV.
3.
Wie oben (in Erwägung 1) bereits dargelegt, handelt es sich bei der Frage, ob das im Revisionsverfahren Vorgebrachte neu und erheblich sei, um eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. BGE 125 IV 298 E. 2b S. 302; 122 IV 66 E. 2a S. 67; 116 IV 353 E. 2b S. 356, je mit Hinweisen). Neu sind Tatsachen und Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, d.h. ihm überhaupt nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen (vgl. BGE 122 IV 66 E. 2a S. 67; 120 IV 246 E. 2a S. 248; 116 IV 353 E. 3a S. 357, je mit Hinweisen). Es ist dabei zwischen echten neuen Fakten und blosser Kritik an der Würdigung bereits vorliegender Beweisergebnisse zu unterscheiden (vgl. BGE 122 IV 66 E. 2b S. 68)
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt vor, wenn der angefochtene kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 128 I 177 E. 2.1 S. 182; 127 I 38 E. 2a S. 41; 125 II 10 E. 3a S. 15, 129 E. 5b S. 134; 124 I 208 E. 4a S. 211, je mit Hinweisen). Wird mit staatsrechtlicher Beschwerde eine willkürliche Beweiswürdigung gerügt, reicht es jedoch nicht aus, wenn der Beschwerdeführer zum Beweisergebnis frei plädiert und darlegt, wie seiner Auffassung nach die vorhandenen Beweise richtigerweise zu würdigen gewesen wären, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren mit freier Rechts- und Tatsachenüberprüfung tun könnte. Er muss gemäss ständiger Rechtsprechung zu Art. 90 Abs. 1 lit. b OG vielmehr aufzeigen, inwiefern die angefochtene Beweiswürdigung die Verfassung dadurch verletzen sollte, dass sie im Ergebnis offensichtlich unhaltbar wäre (vgl. BGE 128 I 177 E.2.1 S. 182; 127 I 38 E. 3c S. 43; 125 I 71 E. 1c S. 76; 124 I 208 E. 4a in fine S. 211, je mit Hinweisen).
4.
Es kann offen bleiben, ob die "Protokolle" eines heimlich belauschten Gespräches, auf die sich der Beschwerdeführer beruft (oder auch entsprechende Aussagen im Falle einer Zeugenbefragung), überhaupt als prozessual verwertbar bzw. beweisrechtlich ausreichend glaubwürdig erscheinen könnten. Selbst wenn dies zuträfe, ergeben sich aus den angebotenen Beweismitteln jedenfalls keine neuen Tatsachen, welche geeignet wären, das rechtskräftige Strafurteil so zu erschüttern, dass eine wesentlich mildere Bestrafung oder gar ein Freispruch des Beschwerdeführers möglich erschiene.
Zwar macht der Beschwerdeführer - gestützt auf seine Auslegung der von ihm eingereichten Gesprächsprotokolle - geltend, dritte Personen hätten von den fraglichen Geldern profitiert. Er legt jedoch nicht dar, inwiefern sich aus den Protokollen der Nachweis ergäbe, dass er sich - entgegen den ausführlichen Erwägungen des rechtskräftigen Strafurteils - nicht seinerseits in strafrechtlich relevanter Weise bereichert bzw. die Absicht gehabt hätte, sich oder Dritte unrechtmässig zu bereichern. Dass das Kantonsgericht in diesem Zusammenhang keine ausreichenden neuen Anhaltspunkte für die Unschuld des Beschwerdeführers (oder für eine erheblich verminderte Vorwerfbarkeit der ihm zur Last gelegten Straftaten) erkannte, hält vor der Verfassung stand.
Soweit der Beschwerdeführer (unter Hinweis auf seine Eingaben im Strafverfahren) lediglich appellatorische Kritik an den Erwägungen des rechtskräftigen Strafurteils übt, aber nicht darlegt, inwiefern der (die Wiederaufnahme verweigernde) angefochtene Entscheid verfassungswidrig sei, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 84 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
5.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Zwar hat er am 16. November 2002 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Gleichzeitig hat er jedoch den Prozesskostenvorschuss einbezahlt.
Es kann offen bleiben, ob die Einzahlung des Prozesskostenvorschusses als (konkludenter) Verzicht auf unentgeltliche Prozessführung (bzw. auf Befreiung von der Kostenvorschusspflicht) interpretiert werden könnte. Das Gesuch wäre jedenfalls abzuweisen. Zum einen erweist sich die vorliegende Beschwerde als zum Vornherein aussichtslos; zum anderen belegt der Beschwerdeführer seine angebliche finanzielle Bedürftigkeit nicht ausreichend. Bei dieser Sachlage sind die Voraussetzungen von Art. 152 OG nicht erfüllt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Januar 2003
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: