BGer K 77/2000
 
BGer K 77/2000 vom 19.12.2001
[AZA 7]
K 77/00 Vr
III. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiber Fessler
Urteil vom 19. Dezember 2001
in Sachen
M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Alessia Chocomeli-Lisibach, Thunstrasse 34, 3005 Bern,
gegen
Sanitas Krankenversicherung, Länggassstrasse 7, 3012 Bern, Beschwerdegegnerin,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
A.- R.________ wurde am 15. September 1998 von seinem Hausarzt ins Hospiz X.________ eingewiesen. Er litt an einem seit 1997 manifesten unheilbaren progredienten Hirntumor.
Dort blieb er bis zu seinem Ableben am 1. November 1998. Das Hospiz X.________ figuriert auf der kantonalen Pflegeheimliste im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes.
Von den in Rechnung gestellten Kosten von Fr. 16'925.- für Behandlung und Aufenthalt übernahm der Krankenversicherer von R.________, die Sanitas Krankenversicherung, den Betrag von Fr. 3708.-, davon Fr. 2688.- im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entsprechend dem geltenden Tarif für in Pflegeheimen erbrachte Leistungen. Das Gesuch der Ehefrau des Verstorbenen, M.________, um Übernahme auch der Differenz von Fr. 13'217.- lehnte die Sanitas mit Einspracheentscheid vom 9. Juni 1999 ab.
B.- M.________ liess hiegegen Beschwerde erheben, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 30. März 2000 abwies.
C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sanitas zu verpflichten, ihr die für den verstorbenen Ehemann R.________ "im Hospiz X.________ entstandenen Pflege- und Behandlungskosten (...) zu ersetzen".
Die Sanitas beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat keine Vernehmlassung eingereicht.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Sanitas im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung die gesamten vom Hospiz X.________ in Rechnung gestellten Kosten für Behandlung und Aufenthalt des verstorbenen Ehemannes der Beschwerdeführerin vom 15. September bis
1. November 1998 zu übernehmen hat. Dabei steht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass das Hospiz X.________ auf der kantonalen Liste der zugelassenen Pflegeheime figuriert (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. k und Art. 39 Abs. 3 KVG), nicht hingegen auf der Spitalliste. Ferner ist unbestritten, dass die Sanitas ihren Kostenbeitrag (ohne den zusatzversicherten Teil) von Fr. 2688.- nach Massgabe des geltenden Pflegeheim-Tarifs (Teilpauschale Pflegestufe 3 gemäss Informationsblatt Nr. 3.98 des Kantonalverbandes Bernischer Krankenversicherer Februar 1998) berechnet hat (vgl.
Art. 50 KVG).
2.- Die Vorinstanz hat in sinngemässer Anwendung des Art. 49 Abs. 3 KVG den Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten für Behandlung und Aufenthalt mangels Spitalbedürftigkeit verneint. Aufgrund der Akten sei nicht erstellt, dass der Versicherte ab dem 15. September 1998 für die medizinisch indizierte Pflege des Aufenthalts in einem Spital bedurft hätte.
Im Weitern hat das kantonale Gericht festgestellt, dass der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin, "der nicht mehr zu Hause gepflegt werden konnte, keinen Anspruch auf die Vergütung von Leistungen bei Spitalaufenthalt nach Art. 49 Abs. 3 KVG hatte, solange ihm die im gewählten Pflegeheim erbrachten Pflegeleistungen - was eindeutig zutraf - seinen tatsächlichen Bedürfnissen entsprach".
Schliesslich hat die Vorinstanz alle übrigen Argumente der Beschwerdeführerin für die Übernahme der gesamten Kosten, da nicht stichhaltig, verworfen.
3.- a) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die vorinstanzliche Beurteilung der Spitalbedürftigkeit vorab mit dem Hinweis beanstandet, der Hausarzt habe den Versicherten im Schreiben vom 24. Juni 1999 als im Zeitpunkt der Einweisung "eindeutig spitalbedürftig" bezeichnet. Aus den gesamten Äusserungen dieses Arztes müsse zudem gefolgert werden, dass er Herrn R. in ein Akutspital eingewiesen hätte, wenn es die Alternative des Hospiz X.________ nicht gegeben hätte. Wie es sich damit verhält, braucht gestützt auf die nachfolgenden Erwägungen nicht geprüft zu werden.
b) Das Hospiz X.________ ist als Pflegeheim im Sinne von Art. 39 Abs. 3 KVG, nicht hingegen als Spital nach Art. 39 Abs. 1 KVG zur Leistungserbringung zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen. Dies bedeutet, dass die Kosten für Behandlung und Aufenthalt lediglich nach dem gestützt auf Art. 50 KVG mit den Versicherern vereinbarten Tarif übernommen werden. Die gegenteilige Auffassung widerspräche dem Grundsatz, wonach ohne Zulassung keine Kostenübernahmepflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung besteht (Eugster, Krankenversicherungsrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR] Soziale Sicherheit, S. 90 Rz 181 und S. 122 Rz 237 sowie Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, S. 69; vgl. auch BGE 125 V 452 Erw. 3a). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass im Unterschied zu früher das neue Recht die Begriffe Spital und Pflegeheim klar unterscheidet.
Die Kategorie Pflegeheime mit Heilanstalts- resp.
Spitalcharakter, welche unter der Herrschaft des früheren Rechts bei Spitalbedürftigkeit Anspruch u.a. auch auf Vergütung der Kosten für Unterkunft und Verpflegung gaben (BGE 115 V 51 Erw. 3b/bb und 3c sowie Maurer a.a.O. S. 70/71), gibt es nicht mehr (Eugster a.a.O. S. 126 f. Rz 245, insbesondere Fn 553). Dies kommt auch in der Zulassungsregelung zum Ausdruck, indem eine Einrichtung nur dann gleichzeitig Spital und Pflegeheim sein kann, wenn sie über entsprechende räumlich und organisatorisch klar getrennte Räumlichkeiten (Abteilungen) verfügt (vgl. Eugster a.a.O.
S. 131 oben und Maurer a.a.O. S. 70 unten; ferner BBl 1992 I 166).
Nach dem Gesagten kann Art. 49 Abs. 3 KVG für die Anwendung eines höheren (Spital-)Tarifs als des Pflegeheimtarifs gemäss Art. 50 KVG nicht angerufen werden. Dabei kann offen bleiben, ob es vom Grundsatz, dass nur Spitäler nach Art. 39 KVG zum Spitaltarif abrechnen dürfen, Ausnahmen wie beispielsweise in Notfallsituationen gibt. Denn um eine solche Situation handelt es sich vorliegend nicht.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 19. Dezember 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: