BVerwGE 12, 87 - Endiviensalat
1. Anordnung seuchenpolizeilicher Maßnahmen durch eine oberste Landesbehörde als Allgemeinverfügung.
2. Der in § 29 des Reichsgesetzes betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten normierte Entschädigungsanspruch ist nicht auf das Gebiet des Desinfektionsrechts beschränkt. Er ist auch dann zu gewähren, wenn eine Behörde sonstige seuchenpolizeiliche Anordnungen trifft, die im Ergebnis auf die Vernichtung der betroffenen Gegenstände hinauslaufen, z.B. den Verkauf leicht verderblicher Waren verbietet.
3. Über diesen Entschädigungsanspruch entscheiden in Fortführung der in BVerwGE 7, 257 entwickelten Rechtsprechung die Verwaltungsgerichte.
Reichsgesetz betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten §§ 19, 29; Verordnung des Reichsministers des Innern betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten §§ 7, 16; BGB §§ 133, 157; VwGO § 40
 
Urteil
des I. Senats vom 28. Februar 1961
-- BVerwG I C 54/57 --
I. Verwaltungsgericht Stuttgart
II. Verwaltungsgerichtshof Stuttgart
Ende Dezember 1952 traten in Stuttgart und Umgebung epidemische Erkrankungen an Typhus abdominalis auf. Bis zum 18. Januar 1953 stieg die Zahl der Kranken für Groß-Stuttgart auf 388 an; dazu kamen weitere Fälle in verschiedenen Kreisen der Regierungsbezirke Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern.
Am Sonntag, dem 18. Januar 1953, vormittags, fand eine Besprechung zwischen Vertretern des Innenministeriums, des Regierungspräsidiums Nordwürttemberg und der Stadt Stuttgart statt. Das Innenministerium war durch Ministerialrat Dr. U. vertreten. Bei dieser Besprechung kam man zu dem Ergebnis, daß mit größter Wahrscheinlichkeit Endiviensalat die Infektionsquelle sei. Am Nachmittag desselben Tages fand eine weitere Besprechung auf dem Bürgermeisteramt statt. Vor dieser Besprechung hatte Ministerialrat Dr. U. von dem Ministerialdirektor des Innenministeriums fernmündlich die Vollmacht erhalten zu veranlassen, was er, Dr. U., für richtig halte. Im Anschluß an diese Besprechung hielt Oberbürgermeister Dr. K. in Gegenwart von Ministerialrat Dr. U. eine Pressekonferenz ab und gab u.a. bekannt, die Gesundheitsabteilung des Innenministeriums habe angeordnet, daß von sofort an bis auf weiteres in den vom Typhus betroffenen Kreisen Nord- und Südwürttembergs der Groß- und Einzelhandel mit Endiviensalat verboten sei.
Der Süddeutsche Rundfunk gab am 18. Januar 1953 u.a. folgende Durchsage:
    Die Bevölkerung wird nachdrücklich vor dem Genuß von Endiviensalat gewarnt. Der Verkauf von Endiviensalat durch Groß- und Kleinhändler ist ab sofort in allen von Typhus betroffenen Städten und Kreisen Nord- und Südwürttembergs verboten. Diese Anordnung ist vom Innenministerium des Landes Baden-Württemberg erlassen worden.
Am 19. Januar 1953 erschienen in den großen Stuttgarter Tageszeitungen auf Grund der Pressekonferenz des Oberbürgermeisters Dr. K. Artikel mit den Überschriften "Handel mit Endiviensalat grundsätzlich verboten" und "Der Handel mit Endiviensalat ist ab sofort verboten".
 
Aus den Gründen:
Mit dem Hauptantrag beantragen die Klägerinnen auszusprechen, daß das vom Innenministerium erlassene Verbot des Verkaufs von Endiviensalat unzulässig gewesen sei. Nach der Darstellung der Klägerinnen soll der Beklagte am 18. Januar 1953 von sofort an bis auf weiteres in den von Typhuserkrankungen betroffenen Kreisen Nord- und Südwürttembergs den Groß- und Einzelhandel mit Endiviensalat verboten haben. Das Berufungsgericht hat das Verkaufsverbot als Allgemeinverfügung und nicht als Rechtsnorm angesehen. Dem war beizutreten. Das behauptete Verkaufsverbot traf keine abstrakten Anweisungen, sondern regelte einen Einzelfall des öffentlichen Rechts (BVerwGE 7, 54 [55]). Gegenstand des Verkaufsverbots war ein einzelnes reales Vorkommnis, die konkrete Seuchengefahr, in deren Regelung es sich erschöpfte (Thoma, Der Polizeibefehl im badischen Recht, S. 64; Brohm, Rechtsschutz im Bauplanungsrecht, S. 47).
Der Charakter des Verkaufsverbots als Allgemeinverfügung wird auch nicht dadurch berührt, daß es nicht nur gegen die Verbreitung der Epidemie in den schon betroffenen Kreisen, sondern auch gegen das Übergreifen auf bisher noch nicht befallene Gebiete Vorsorge treffen sollte. Das Schwergewicht des behaupteten Verbots als einer Notmaßnahme lag zunächst in der Fürsorge der einwandfrei befallenen Bezirke von Baden- Württemberg. Von hier aus erhielt die Maßnahme ihr Gepräge. Im übrigen schrieb das Verkaufsverbot auch den Groß- und Einzelhändlern in den bisher noch nicht betroffenen Bezirken bereits jetzt vor, wie sie sich zu verhalten hätten, wenn die Seuche ihr Gebiet ergreifen sollte. Dies war kein "gedachter Fall", wie er für eine Rechtsnorm charakteristisch und erforderlich ist. Hier war eine spezielle Typhusepidemie bereits im Anzug, die jederzeit auch die bisher noch verschont gebliebenen Bezirke ergreifen konnte. Diese konkrete Gefahr bestimmte einheitlich den Charakter des Verkaufsverbots auch hinsichtlich der noch seuchenfreien Gebiete.
Richtig ist, daß der Kreis der Adressaten des Verkaufsverbots im Zeitpunkt seines Erlasses nicht genau bestimmbar war. Es waren nicht alle Kreise von der Epidemie ergriffen. Einige waren stark, einige nur schwach betroffen. Der einzelne Händler konnte unter Umständen nicht wissen, ob er unter das Verbot fiel, z.B. dann, wenn nur eine einzige, vielleicht der Allgemeinheit unbekannte Erkrankung oder nur ein "Verdachtsfall" vorlag. Der Senat hat dem in Anbetracht der oben gewürdigten Umstände jedoch kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Es handelt sich hierbei nur um partielle und ausscheidbare Unbestimmtheiten, die die Allgemeinverfügung vielleicht insoweit fehlerhaft erscheinen lassen, sie jedoch nicht begrifflich ausschließen. Gegen die Annahme einer Rechtsnorm sprach schließlich insbesondere auch die Erwägung, daß es sich im vorliegenden Fall um eine polizeiliche Maßnahme handelt. Als Rechtsnorm könnte das Verkaufsverbot nur eine Polizeiverordnung sein. Polizeiverordnungen dienen aber der Abwehr abstrakter Gefahren. Die Abwehr einer konkreten Gefahr geschieht im Wege der polizeilichen Verfügung.
Ist das von den Klägerinnen behauptete Verkaufsverbot somit als Verwaltungsakt anzusehen, so war es doch im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt und gegenstandslos, da im April 1953 alle gegen den Verkauf von Endiviensalat eingeleiteten Maßnahmen aufgehoben waren. Dies steht jedoch der Zulässigkeit des jetzt aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO herzuleitenden Hauptantrages nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats macht es für die Anwendbarkeit der entsprechenden Vorschrift der früheren Verwaltungsgerichtsgesetze keinen Unterschied, ob die Erledigung des Verwaltungsaktes vor oder nach Erhebung der Klage eingetreten ist (Urteile des Senats vom 12. Dezember 1957 -- BVerwG I C 68.55 -- und vom 27. Februar 1958 -- BVerwG I C 101.56 --; vgl. Urteil des VII. Senats vom 8. November 1957 [NJW 1958 S. 312]). Dies muß auch für die Anwendung des jetzigen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gelten.
Das Rechtsschutzinteresse für den von den Klägerinnen beantragten Ausspruch ergibt sich auf jeden Fall aus der diskriminierenden Wirkung, die das angebliche Verkaufsverbot für den Endiviensalat erzeugt hat.
Der Hauptantrag ist jedoch nicht begründet.
Das Berufungsgericht hat den Ausspruch der Unzulässigkeit des Verkaufsverbots als unbegründet angesehen, weil ein solches Verbot vom Innenministerium in Wahrheit überhaupt nicht erlassen worden sei. Der Senat vermochte sich dem nicht anzuschließen. (Wird ausgeführt.) Oberbürgermeister Dr. K. verkündete den Erlaß eines vom Innenministerium angeordneten Verkaufsverbots, während lediglich eine Warnung beschlossen worden war. Der Zeuge Dr. U., der zuvor vom Innenministerium die Vollmacht erhalten hatte zu veranlassen, was er für richtig halte, war hierbei anwesend und erhob keinen Widerspruch. Auch nach der Veröffentlichung des Verbots in der Presse und im Rundfunk ist ein Dementi des Innenministeriums nicht erfolgt. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die von Oberbürgermeister Dr. K. abgegebene Erklärung nicht den Schluß gestatte, das Innenministerium habe durch Erlaß eines Verkaufsverbots einen Verwaltungsakt erlassen. Hierbei hat das Berufungsgericht zu Unrecht von den gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) keinen Gebrauch gemacht. Es hat das entscheidende Gewicht auf die der Pressekonferenz vorangegangene interne Beschlußfassung gelegt. Es hat verkannt, daß nur der erklärte Wille maßgebend ist, also nur das, was als Wille für denjenigen erkennbar ist, für den die Erklärung bestimmt ist. Auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts muß jeder seine Handlungen und Erklärungen so gelten lassen, wie der andere sie auffassen durfte. Wenn Oberbürgermeister Dr. K. im Auftrag und in Anwesenheit des zuständigen Beamten des Ministeriums der Presse mitteilte, daß das Innenministerium den Verkauf von Endiviensalat von sofort an verboten habe, und Presse und Rundfunk dieses Verbot als Anordnung des Innenministeriums nunmehr öffentlich verkündeten, konnten die von ihm betroffenen Händler an seinem tatsächlichen Erlaß keine Zweifel haben. Darüber mußte sich der Zeuge Dr. U. bei der Pressekonferenz auch im klaren sein. Er mußte insbesondere auch in Rechnung ziehen, daß sich die Händler nunmehr nach dem Verbot richten würden und ihnen hierdurch schwere wirtschaftliche Nachteile entstehen könnten. Wollte er diese Folgen abwenden, so war er verpflichtet, gegen das von Oberbürgermeister Dr. K. verkündete Verkaufsverbot sofort Widerspruch zu erheben und es zu berichtigen. Tat er dies nicht, so mußte sein Schweigen als Zustimmung angesehen werden. Wie berechtigt diese Schlußfolgerung war, hat sich später dadurch erwiesen, daß das Innenministerium die Zeitungs- und Rundfunkmeldungen, in denen das Verkaufsverbot als Anordnung des Innenministeriums bezeichnet wurde, undementiert gelassen hat. Auch in dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht übersehen, daß bei Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregeln eine Zustimmung des Beklagten zum Erlaß des verkündeten Verkaufsverbots als gegeben angenommen werden mußte. Es hat infolgedessen nur von einem fingierten Verwaltungsakt gesprochen und verkannt, daß ein Verwaltungsakt des Beklagten in der Tat ergangen ist. Eine solche Feststellung kann auch noch in der Revisionsinstanz getroffen werden.
Der streitige Verwaltungsakt findet seine rechtliche Grundlage in der Vorschrift des § 16 der Verordnung des Reichsministers des Innern betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 1. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1721) -- VO 38 --. Danach können für Gemeinden oder Gemeindeteile, die von einer übertragbaren Krankheit befallen oder bedroht sind, von der Kreispolizeibehörde Vorschriften über die Herstellung, Behandlung und Aufbewahrung sowie den Vertrieb von Gegenständen, durch welche die Krankheit übertragen werden kann, erlassen werden. Das Verkaufsverbot beruht also auf Bundesrecht (Art. 74 Nr. 19 in Verbindung mit Art. 125 GG).
Es ist auch rechtswirksam ergangen.
§ 16 benennt zwar als zuständige Behörde zum Erlaß von Anordnungen über den Vertrieb von Gegenständen, durch welche die Krankheit übertragen werden kann, die Kreispolizeibehörde; das hier streitige Vertriebsverbot ist vom Innenministerium erlassen worden. Das Berufungsurteil führt zur Begründung der Zuständigkeit des Innenministeriums an, daß es sich bei der Typhusepidemie um eine Landespolizeiangelegenheit gehandelt habe. In dieser Hinsicht beruht das Berufungsurteil - wie insbesondere auch aus der von ihm in Bezug genommenen Entscheidung ESVGH Bd. 2 S. 109, insbesondere 119 ff., hervorgeht - auf Landesrecht. Die Zuständigkeitserwägungen des Berufungsgerichts stehen mit § 16 nicht in Widerspruch. Nach § 16 haben die Kreispolizeibehörden die im Gesetz aufgeführten Maßnahmen zu treffen, wenn Gemeinden oder Gemeindeteile von einer Seuche befallen oder bedroht sind. Im vorliegenden Fall bestand aber eine Epidemiegefahr für ein ganzes Land. Eine Anweisung der einzelnen Kreispolizeibehörden und der Erlaß entsprechender Verbote durch diese mußte notwendig den Verlust kostbarer Zeit zur Folge haben und ein weiteres Ansteigen der Erkrankungen befürchten lassen.
Das Verbot war auch inhaltlich gerechtfertigt.
Nach Ansicht der Ärzte war mit großer Wahrscheinlichkeit der Erreger des Typhus im Endiviensalat zu suchen. Die Klägerinnen haben demgegenüber geltend gemacht, daß vor dem Erlaß des Verkaufsverbots eine bakteriologische Untersuchung hätte angeordnet werden müssen. Dieser Einwand wird jedoch den Verhältnissen, unter denen damals gehandelt werden mußte, nicht gerecht. Eine solche Maßnahme wäre ohne eine gewisse Verzögerung nicht durchführbar gewesen. Die Epidemie war aber noch im Ansteigen begriffen. Jeder Tag konnte neue Todesopfer bringen. Es mußten sofortige und durchgreifende Maßnahmen getroffen werden. Da der Verdacht bestand, daß der Typhuserreger durch den Endiviensalat übertragen wurde, war ein allgemeines Verbot des Verkaufs von Endiviensalat eine "erforderliche" Schutzmaßnahme im Sinne des § 7 VO 38. Dem steht auch nicht der Einwand der Klägerinnen entgegen, das Verkaufsverbot habe sich nur auf den im Dezember 1952 eingeführten und inzwischen längst verzehrten Salat bezogen. Die von dem Beklagten angeordnete Maßnahme kann nur dahin verstanden werden, daß sie sich auf den gesamten, also auch auf den inzwischen eingeführten und neu einzuführenden Salat erstreckte.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Verkaufsverbots können auch nicht daraus hergeleitet werden, daß dieses Verbot praktisch zur Vernichtung des Salats geführt hat. Die Verordnung von 1938 erwähnt zwar unter den Schutzmaßnahmen die Vernichtung von Gegenständen nicht. Da Zweck und Inhalt der Verordnung von 1938 eine Ausdehnung des Reichsgesetzes betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900 (RGBl. S. 306) - Reichsseuchengesetz - auf andere Krankheiten ist, so sind die entsprechenden Vorschriften des Reichsseuchengesetzes heranzuziehen (vgl. die Erwähnung des § 12 des Gesetzes zur Bekämpfung der Papageienkrankheit [Psittacosis] und anderer übertragbarer Krankheiten vom 3. Juli 1934 in der Präambel zur VO 38). § 19 Abs. 3 des Reichsseuchengesetzes sieht eine Vernichtung vor, wenn die Desinfektion nicht ausführbar oder im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig ist. Jedoch ist § 19 Abs. 3 nicht in dem Sinne zu verstehen, daß er die Rechtmäßigkeit anderer Schutzmaßnahmen verneinen will, wenn sie unter Umständen mittelbar zur Folge haben, daß die betroffenen Gegenstände verderben.
Die Revision war daher zurückzuweisen, soweit sie die Rechtmäßigkeit der gegen die Klägerinnen angeordneten Maßnahmen zum Gegenstand hat.
Hingegen war ihr ein Erfolg insoweit nicht zu versagen, als die Klägerinnen Beseitigung des ihnen durch das Verkaufsverbot entstandenen Schadens unter Berufung auf § 29 des Reichsseuchengesetzes beanspruchen. Nach dieser Vorschrift ist für Gegenstände, welche infolge einer nach Maßgabe des Reichsseuchengesetzes polizeilich angeordneten und überwachten Desinfektion derart beschädigt worden sind, daß sie zu ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht weiter verwendet werden können, oder welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet worden sind, vorbehaltlich bestimmter in den §§ 32 und 33 vorgesehener Ausnahmen auf Antrag Entschädigung zu gewähren. Diese Vorschrift ist zunächst auf Desinfektionsbeschädigungen und auf Vernichtung von Gegenständen nach der Verordnung von 1938 entsprechend anzuwenden. Auch hier ist zu berücksichtigen, daß die Verordnung von 1938 eine Ergänzung und Weiterführung des Reichsseuchengesetzes ist und die gleichen gesundheitspolizeilichen Zwecke verfolgt (vgl. auch Pfundtner-Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, Bd. 16, IV d 17 S. 11; ferner Federhen, Der Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes, 1952, S. 384/385, Anm. 37). Es wäre nicht einzusehen, aus welchen Gründen bei einer Flecktyphuserkrankung eine Entschädigung gewährt, bei einer anderen Typhuserkrankung aber versagt werden sollte.
Zweifelhafter ist die Frage, ob die Entschädigungsregelung des § 29 des Reichsseuchengesetzes auch auf einen Fall der vorliegenden Art angewandt werden kann. § 29 knüpft in seinem hier maßgebenden Teil: "Gegenstände ..., welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet worden sind", an § 19 Abs. 3 des Reichsseuchengesetzes an. Danach kann die Vernichtung angeordnet werden, wenn die Desinfektion derjenigen Gegenstände, von denen anzunehmen ist, daß sie mit dem Krankheitsstoff behaftet sind, nicht ausführbar oder im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig ist. Die gesetzliche Regelung betrifft also zunächst nur das Gebiet des Desinfektionsrechts. Sie setzt auch eine auf unmittelbare Vernichtung gerichtete Behördenanordnung voraus. Hieran fehlt es im vorliegenden Falle. Die tatsächlich eingetretene Vernichtung des Endiviensalats war nur eine mittelbare Folge der getroffenen Maßnahme. Wenn der Senat trotz dieser Bedenken § 29 des Reichsseuchengesetzes zugunsten der Klägerinnen angewandt hat, so geschah dies zunächst in der Erwägung, daß auch im vorliegenden Falle letzten Endes seuchenverdächtige Gegenstände infolge einer behördlichen Maßnahme der Vernichtung anheimgefallen sind und der Gesetzgeber einen solchen schweren und tiefgreifenden Eingriff einer Entschädigung für wert gehalten hat. Wenn er hierbei an den Fall der Vernichtung nur in Zusammenhang mit dem Desinfektionsrecht gedacht hat, so hindert dies nach Ansicht des Senats nicht, § 29 auch dann anzuwenden, wenn die Behörde in sonstiger Hinsicht seuchenrechtliche Schutzmaßnahmen trifft, die im Ergebnis auf eine Vernichtung der betroffenen Gegenstände hinauslaufen. Andernfalls hätte es die Behörde in der Hand, sich z.B. bei leicht verderblichen Waren einer seuchenrechtlichen Entschädigung dadurch zu entziehen, daß sie statt einer Vernichtungsanordnung ein Vertriebsverbot erläßt. Dies kann nicht die Absicht des Gesetzgebers bei der Regelung der Entschädigungspflicht des § 29 gewesen sein, zumal diese nicht nur den Betroffenen den Anreiz nehmen sollte, infizierte oder infektionsverdächtige Gegenstände der Desinfektion zu entziehen, sondern auch aus Billigkeitserwägungen erfolgt ist (vgl. Materialien zum Gesetz betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900, Drucks. Nr. 690 S. 39). Hinzu kommt, daß die Klägerinnen nach den obigen Ausführungen die Vernichtung des Salats als rechtmäßig hinnehmen mußten, obwohl die Vernichtungsbedingungen des § 19 Abs. 3 des Reichsseuchengesetzes nicht erfüllt waren. Es würde nach Ansicht des Senats nicht der Billigkeit entsprechen, sie nun hinsichtlich der Entschädigung an die engen Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 zu binden.
Für die Entscheidung über diesen Entschädigungsanspruch ist der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten eröffnet. Zwar bestimmt nunmehr § 40 Abs. 2 VwGO, daß für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift für den vorliegenden Fall nicht schon deshalb ausscheidet, weil sie den Begriff der Aufopferung nur in dem beschränkten Umfang und in dem technischen Sinn übernommen hat und gelten lassen will, wie er in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angewandt wird, d.h. nur für die Fälle der Beeinträchtigung nichtvermögenswerter Rechte (BGHZ Bd. 13 S. 88 [90]). Auch wenn man annimmt, daß der Begriff "Aufopferung für das gemeine Wohl" in § 40 Abs. 2 VwGO in einem umfassenderen Sinne zu verstehen ist, so erfüllt § 29 des Reichsseuchengesetzes nicht die Tatbestandsmerkmale eines Aufopferungsanspruchs. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 14. Oktober 1958 (BVerwGE 7, 257 [260]) ausgeführt, daß es sich bei der Tötung seuchenkranker und -verdächtiger Tiere auf Grund einer viehseuchenpolizeilichen Anordnung nicht um eine Enteignung, sondern um eine Maßnahme handle, die in Auswirkung und Begrenzung des Eigentums durch das Viehseuchengesetz ergehe. Für die Vernichtung verseuchter bzw. seuchenverdächtiger Gegenstände auf Grund der allgemeinen Seuchengesetzgebung kann nichts anderes gelten. Der Endiviensalat kann nach seiner Natur Träger von Seuchenerregern sein. Wegen dieser potentiellen Gefährlichkeit der Ware ist das Eigentum an ihr von vornherein einer besonderen Pflichtenbindung ausgesetzt, die sich aus Gründen des allgemeinen Wohls ergeben kann und in der Seuchengesetzgebung ihren Niederschlag gefunden hat. Diese "Pflichtigkeit" (BGH, NJW 1960 S. 1618 [1619]) kann unter gegebenen Umständen zur Pflicht des Eigentümers werden und ihm die Duldung von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Einwirkungen auf sein Eigentum auferlegen, die bis zur Vernichtung der Gegenstände selbst gehen können. Wird - wie im vorliegenden Fall - eine solche Duldungspflicht geltend gemacht, so kommt damit nur eine dem Eigentum anhaftende Belastung zum Ausdruck (Kreft, DÖV 1955 S. 516 [520]; vgl. ferner BGH a.a.O.; RGZ Bd. 72 S. 85 [90]). Dies gilt auch -- wie der Senat ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 14. Oktober 1958 entschieden hat --, soweit es sich um die Vernichtung bloß seuchenverdächtiger Gegenstände handelt. Auch im vorliegenden Falle hat der Gesetzgeber die Eingriffsbefugnis bereits an den bloßen Seuchenverdacht geknüpft. Die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 14. Oktober 1958 kommen auch insoweit entsprechend zur Anwendung.
[Folgende Absätze nicht in BVerwGE:] Sind somit die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 VwGO auf keinen Fall gegeben, so ist die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs auf Grund der Generalklausel des § 40 Abs. 1 zu bejahen.
Eine Entscheidung über den von den Klägerinnen geltend gemachten Anspruch ist allerdings noch nicht möglich. Das Berufungsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen über Art und Umfang des Schadens getroffen. Die Sache mußte daher gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.