EuGH Rs. C-306/05, Slg. 2006, S. I-11519 - SGAE
 
Urteil
des Gerichtshofs (Dritte Kammer)
vom 7. Dezember 2006
In der Rechtssache
-- C-306/05 --
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 3. August 2005
in dem Verfahren
Sociedad General de Autores y Editores de Espana (SGAE)
gegen
Rafael Hoteles SL
erlässt
Der Gerichtshof (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovsky (Berichterstatter), U. Löhmus und A. O Caoimh, Generalanwältin: E. Sharpston,Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Sociedad General de Autores y Editores de Espana (SGAE), vertreten durch R. Gimeno-Bayon Cobos und P. Hernandez Arroyo, abogados, der Rafael Hoteles SA, vertreten durch R. Tornero Moreno, abogado, der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte, Irlands, vertreten durch D. J. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. Travers, BL, der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, der polnischen Regierung, vertreten durch K. Murawski, U. Rutkowska und P. Derwicz als Bevollmächtigte, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. R. Vidal Puig und W. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2006 folgendes
 
Urteil
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der der Sociedad General de Autores y Editores de Espana (SGAE) und der Rafael Hoteles SL (im Folgenden: Rafael) wegen angeblicher Verletzung der von SGAE verwalteten Rechte des geistigen Eigentums durch Rafael.
 
Rechtlicher Rahmen
Das anwendbare Völkerrecht
3. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation wurde durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986--1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) von der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.
4. Artikel 9 Absatz 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums lautet:
    "(1) Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu. Die Mitglieder haben jedoch aufgrund dieses Übereinkommens keine Rechte oder Pflichten in Bezug auf die in Artikel 6 bis der Übereinkunft gewährten oder die daraus abgeleiteten Rechte."
5. Artikel 11 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt:
    "1. Die Urheber von dramatischen, dramatisch-musikalischen und musikalischen Werken genießen das ausschließliche Recht, zu erlauben:
    i) die öffentliche Aufführung ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Aufführung durch irgendein Mittel oder Verfahren,
    ii) die öffentliche Übertragung der Aufführung ihrer Werke durch irgendein Mittel.
    2. Die gleichen Rechte werden den Urhebern dramatischer oder dramatisch musikalischer Werke während der ganzen Dauer ihrer Rechte am Originalwerk hinsichtlich der Übersetzung ihrer Werke gewährt."
6. Artikel 11bis Absatz 1 der Berner Übereinkunft sieht vor:
    "Die Urheber von Werken der Literatur und Kunst genießen das ausschließliche Recht, zu erlauben:
    i) die Rundfunksendung ihrer Werke oder die öffentliche Wiedergabe der Werke durch irgendein anderes Mittel zur drahtlosen Verbreitung von Zeichen, Tönen oder Bildern,
    ii) jede öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes mit oder ohne Draht, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem ursprüngli chen Sendeunternehmen vorgenommen wird,
    iii) die öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes durch Lautsprecher oder irgendeine andere ähnliche Vorrichtung zur Übertragung von Zeichen, Tönen oder Bildern."
7. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erließ am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger und den WIPO- Urheberrechtsvertrag. Diesen beiden Verträgen stimmte die Gemeinschaft durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) zu.
8. Artikel 8 des WIPO-Urheberrechtsvertrags bestimmt:
    "Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 11 Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 11bis Absatz 1 Ziffern 1 und 2, 11ter Absatz 1 Ziffer 2, 14 Absatz 1 Ziffer 2 und 14bis Absatz 1 der Berner Übereinkunft haben die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht, die öffentliche drahtlose oder drahtgebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschließlich der Zugänglichmachung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind."
9. Von der Diplomatischen Konferenz wurden am 20. Dezember 1996 Gemeinsame Erklärungen zum WIPO-Urheberrechtsvertrag abgegeben.
10. Die Gemeinsame Erklärung zu Artikel 8 dieses Vertrags lautet:
    "Die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen, die eine Wiedergabe er möglichen oder bewirken, stellt für sich genommen keine Wiedergabe im Sinne dieses Vertrags oder der Berner Übereinkunft dar. Artikel 10 steht einer Anwendung von Artikel 11 bis Absatz 2 der Berner Übereinkunft durch die Vertragsparteien nicht entgegen."
Gemeinschaftsrecht
11. Die neunte Begründungserwägung der Richtlinie 2001/29 lautet:
    "Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden."
12. In der zehnten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es:
    "Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z.B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden."
13. Die 15. Begründungserwägung der Richtlinie lautet:
    "Die Diplomatische Konferenz, die unter der Schirmherrschaft der ... [WIPO] im Dezember 1996 stattfand, führte zur Annahme von zwei neuen Verträgen, dem WIPO-Urheberrechtsvertrag und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger, die den Schutz der Urheber bzw. der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller zum Gegenstand haben. In diesen Verträgen wird der internationale Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, nicht zuletzt in Bezug auf die sog. .digitale Agenda, auf den neuesten Stand gebracht; gleichzeitig werden die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Piraterie weltweit verbessert. Die Gemeinschaft und die meisten Mitgliedstaaten haben die Verträge bereits unterzeichnet, und inzwischen wurde mit den Vorbereitungen zu ihrer Genehmigung bzw. Ratifizierung durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten begonnen. Die vorliegende Richtlinie dient auch dazu, einigen dieser neuen internationalen Verpflichtungen nachzukommen."
14. In der 23. Begründungserwägung der Richtlinie heißt es:
    "Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheber recht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließ lich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten."
15. Die 27. Begründungserwägung der Richtlinie 2001/29 lautet:
    "Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar."
16. Artikel 3 der Richtlinie bestimmt:
    "(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
    (2) Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:
    a) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;
    b) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;
    c) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme;
    d) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.
    (3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit."
Nationales Recht
17. Die kodifizierte Fassung des Gesetzes über das geistige Eigentum, das die auf diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften regelt, präzisiert und harmonisiert (Ley de propiedad intelectual, im Folgenden: LPI) wurde durch das Real Decreto Legislativo (Königliches Gesetzesdekret) Nr. 1/1996 vom 12. April 1996 (BOE Nr. 97 vom 22. April 1996) genehmigt.
18. Artikel 17 der LPI bestimmt:
    "Dem Urheber steht die ausschließliche Wahrnehmung der Verwertungsrechte an seinem Werk in jeglicher Form zu; dies gilt insbesondere für die Rechte der Vervielfältigung, der Verbreitung, der öffentlichen Widergabe und der Verän derung, die mit Ausnahme der in diesem Gesetz vorgesehenen Fälle nur mit seiner Erlaubnis zulässig sind."
19. Artikel 20 Absatz 1der LPI lautet:
    "Öffentliche Widergabe ist jede Handlung, durch die einer Mehrzahl von Personen Zugang zu dem Werk ermöglicht wird, ohne dass zuvor Exemplare an jede dieser Personen verteilt worden sind.
    Keine öffentliche Wiedergabe liegt vor, wenn die Wiedergabe in einem rein privaten Bereich stattfindet, der nicht in ein Verbreitungsnetz gleich welcher Art einbezogen oder an ein solches angeschlossen ist."
 
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
20. SGAE ist die in Spanien mit der Verwaltung der Rechte des geistigen Eigentums beauftragte Einrichtung.
21. SGAE war der Ansicht, dass durch den Einsatz von Fernsehapparaten und Geräten zur Verbreitung von Hintergrundmusik in den Hotels von Rafael zwischen Juni 2002 und März 2003 Werke des von ihr verwalteten Repertoires öffentlich wiedergegeben worden seien. Sie erhob vor dem Juzgado de primera instancia no 28 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 28 von Barcelona) eine Klage auf Zahlung einer Ausgleichsentschädigung gegen Rafael, da deren Verhalten ihrer Ansicht nach die an diesen Werken bestehenden Rechte des geistigen Eigentums verletzt.
22. Dieses Gericht wies die Klage mit Entscheidung vom 6. Juni 2003 teilweise ab. Es war der Auffassung, dass der Einsatz von Fernsehapparaten in den Hotelzimmern keine öffentliche Wiedergabe der von der SGAE verwalteten Werke sei. Die Klage sei aber im Hinblick auf die in den Hotels offenbar existierenden Gemeinschafts flächen, die mit Fernsehapparaten ausgestattet seien und in denen Hintergrund musik gespielt werde, begründet.
23. SGAE und Rafael legten beide beim Audiencia Provincial de Barcelona Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein. Daraufhin hat dieses Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Stellt das Aufstellen von Fernsehgeräten, an die das über Satellit oder erdgebundene Systeme empfangene Fernsehsignal per Kabel weitergeleitet wird, in Hotelzimmern eine öffentliche Wiedergabe dar, auf die sich die in Artikel 3 der Richtlinie 2001/29 verlangte Harmonisierung der nationalen Vorschriften zum Urheberrechtsschutz erstreckt?
    2. Steht es im Widerspruch zu dem in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Schutz des Urheberrechts, wenn das Hotelzimmer als ein rein privater Bereich verstanden und eine Wiedergabe durch Fernsehgeräte, an die das zuvor vom Hotel empfangene Fernsehsignal weitergeleitet wird, nicht mehr als öffentlich angesehen wird?
    3. Kann die Wiedergabe, die mittels eines Fernsehgeräts in einem Hotelzimmer erfolgt, im Sinne des in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Urheberrechts schutzes bei öffentlicher Wiedergabe als öffentlich angesehen werden, weil einer aus aufeinanderfolgenden Gästen bestehenden Öffentlichkeit Zugang zu dem Werk gewähren?
 
Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
24. Mit Schreiben, das am 12. September 2006 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat Rafael gemäß Artikel 61 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Wiederer öffnung der mündlichen Verhandlung beantragt.
25. Rafael begründet ihren Antrag damit, dass die Schlussanträge der Generalanwältin in sich widersprüchlich seien. Die Verneinung der ersten Frage müsse unweigerlich auch zur Verneinung der zweiten und der dritten Frage führen; die Generalanwältin schlage aber vor, die zweite und die dritte Frage zu bejahen.
26. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofes und die Verfahrensordnung nicht die Möglichkeit vorsehen, dass die Verfahrensbeteiligten zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung nehmen (vgl. u.a. Beschluss vom 30. März 2006 in der Rechtssache C-259/04, Emanuel, Slg. 2006, I-3089, Randnr. 15).
27. Der Gerichtshof kann aber nach Artikel 61 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Verfahrensbeteiligten anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Verfahrens beteiligten nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u.a. Urteile vom 13. November 2003 in der Rechtssache C-209/01, Schilling und Fleck- Schilling, Slg. 2003, I-13389, Randnr. 19, und vom 17. Juni 2004 in der Rechtssache C-30/02, Recheio  Cash & Carry, Slg. 2004, I-6051, Randnr. 12).
28. Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof über sämtliche Angaben, die er für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen benötigt.
29. Die mündliche Verhandlung ist daher nicht wiederzueröffnen.
 
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
30. Zunächst ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen von Rafael der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt nicht unter die Richtlinie 93/83/ EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. L 248, S 15), sondern unter die Richtlinie 2001/29 fällt. Letztere ist auf jede öffentliche Wiedergabe geschützter Werke anwendbar, während die Richtlinie 93/83 nur eine Mindestharmonisierung bestimmter Aspekte des Schutzes von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten bei der öffentlichen Wiedergabe über Satellit oder der Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten über Kabel vorsieht. Wie der Gerichtshof bereits zu einer Frage betreffend einen Sachverhalt, der dem in den Vorlagefragen dargestellten ähnlich war, entschieden hat, bieten diese Regelungen zur Mindest harmonisierung  anders als die Richtlinie 2001/29  keine Kriterien für die Beantwortung einer solchen Frage (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Februar 2000 in der Rechtssache C-293/98, Egeda, Slg. 2000, I-629, Randnrn. 25 und 26).
31. Des weiteren verlangen die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen sind (vgl. u.a. Urteile vom 9. November 2000 in der Rechtssache C-357/98, Yiadom, Slg. 2000, I-9265, Randnr. 26, und vom 6. Februar 2003 in der Rechtssache C-245/00, SENA, Slg. 2003, I-1251, Randnr. 23). Die österreichische Regierung kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, den in der Richtlinie 2001/29 verwendeten, dort aber nicht definierten Begriff "öffentlich" zu definieren.
Zur ersten und zur dritten Frage
32. Mit der ersten und der dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verbreitung eines Signals an Gäste durch in Hotelzimmern aufgestellte Fernsehapparate eine öffentliche Wie dergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt und ob schon die Aufstellung von Fernsehapparaten in den Hotelzimmern als solche eine öffentliche Wiedergabe darstellt.
33. Was unter einer "öffentlichen Wiedergabe" zu verstehen ist, wird in dieser Richtlinie nicht erläutert.
34. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvor schrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u.a. Urteile vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/ Kommission, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 50, und vom 6. Juli 2006 in der Rechtssache C-53/05, Kommission/Portugal, Slg. 2006, I-6215, Randnr. 20).
35. Außerdem sind Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit im Licht des Völkerrechts auszulegen, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Gemein schaft geschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden soll (vgl. u.a. Urteil vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-341/95, Bettati, Slg. 1998, I-4355, Randnr. 20 und die dort zitierte Rechtsprechung).
36. Aus der 23. Begründungserwägung der Richtlinie 2001/29 geht hervor, dass der Begriff "öffentliche Wiedergabe" weit zu verstehen ist. Eine solche Auslegung ist im Übrigen unerlässlich, um das Hauptziel der Richtlinie zu erreichen, das gemäß der neunten und der zehnten Begründungserwägung darin besteht, ein hohes Schutz niveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, u.a. bei einer öffentlichen Wiedergabe für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung zu erhalten.
37. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bedeutet "öffentlich" im Rahmen dieses Begriffes eine unbestimmte Zahl möglicher Fernsehzuschauer (Urteile vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-89/04, Mediakabel, Slg. 2005, I-4891, Randnr. 30, und vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache C-192/04, Lagardère Active Broadcast, Slg. 2005, I-7199, Randnr. 31).
38. In einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens ist ein umfassender Ansatz geboten, bei dem zum einen nicht nur die Gäste zu berücksichtigen sind, die in den Hotelzimmern wohnen, sondern auch die in den Vorlagefragen nicht ausdrücklich genannten Gäste, die sich in anderen Räumen des Hotels aufhalten und denen ein dort aufgestellter Fernsehapparat zur Verfügung steht. Zum anderen ist der Umstand zu berücksichtigen, dass Hotelgäste gewöhnlich rasch aufeinanderfolgen. Im Allgemeinen geht es um recht viele Personen, so dass diese angesichts des in Randnummer 36 dieses Urteils genannten Hauptziels der Richtlinie 2001/29 als Öffentlichkeit anzusehen sind.
39. In Anbetracht der kumulativen Wirkungen, die sich daraus ergeben, dass die Werke diesen potenziellen Fernsehzuschauern zugänglich gemacht werden, kann dies in einem solchen Kontext eine erhebliche Bedeutung erlangen. Kaum von Belang ist folglich, dass die Bewohner der Zimmer die alleinigen Adressaten und als Einzelne für das Hotel nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind.
40. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine Wiedergabe, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erfolgt, gemäß Artikel 11bis Absatz 1 Ziffer 2 der Berner Übereinkunft als eine Wiedergabe anzusehen ist, die durch eine weiter-verbreitende Sendeanstalt erfolgt, die sich von der ursprünglichen Sendeanstalt unterscheidet. Eine solche Verbreitung erfolgt also für ein neues, d.h. anderes Publikum als das der ursprünglichen Wiedergabe des Werkes.
41. Wie im WIPO-Leitfaden zur Berner Übereinkunft  einem von der WIPO ausgearbeiteten Auslegungsdokument, das zwar nicht rechtsverbindlich ist, aber der Auslegung der Übereinkunft dient  erläutert wird, will der Urheber, wenn er seine Erlaubnis zur Übertragung seines Werkes durch den Rundfunk gibt, nur die unmittelbare Zuhörerschaft erfassen wollte, d.h. die Besitzer von Empfangsgeräten, die die Sendung allein oder im privaten bzw. familiären Kreis empfangen. Erfolgt dieser Empfang zu dem Zweck, einen weiteren Kreis, oft gegen Vergütung, zu unterhalten, so wird gemäß dem WIPO-Leitfaden ein zusätzlicher Teil der Öffentlichkeit in die Lage versetzt, das Werk anzuhören oder anzusehen und die Wiedergabe der Sendung über Lautsprecher oder eine ähnliche Vorrichtung ist nicht mehr nur der Empfang der Sendung selbst, sondern eine eigenständige Handlung, durch die das gesendete Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Wie der WIPO-Leitfaden erläutert, gründet sich auf diesen öffentlichen Empfang das ausschließliche Recht des Urhebers, diesen zu erlauben.
42. Die Gäste eines Hotels bilden ein solches neues Publikum. Die Verbreitung des ausgestrahlten Werkes an diese Gäste über Fernsehapparate stellt nicht nur ein bloßes technisches Mittel zur Gewährleistung oder Verbesserung des Empfangs der ursprünglichen Sendung in ihrem Sendebereich dar. Vielmehr wird das Hotel als Einrichtung tätig, die in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens ihren Gästen Zugang zu den geschützten Werken verschafft. Ohne das Tätigwerden des Hotels könnten seine Gäste das geschützte Werk nicht genießen, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhalten.
43. Zudem geht aus Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 und aus Artikel 8 des WIPO-Urheberrechtsvertrags hervor, dass es für eine öffentliche Wiedergabe ausreicht, wenn das Werk der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht wird, dass deren Mitglieder dazu Zugang haben. Es ist also in dieser Hinsicht entgegen dem Vorbringen Rafaels und Irlands unerheblich, dass die Gäste, die ihren Fernsehapparat nicht eingeschaltet hatten, tatsächlich keinen Zugang zu den Werken hatten.
44. Im Übrigen geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass das Tätigwerden des Hotels, durch das dessen Gästen Zugang zum ausgestrahlten Werk verschafft wird, als eine zusätzliche Dienstleistung anzusehen ist, die erbracht wird, um daraus einen gewissen Nutzen zu ziehen. Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass das Angebot dieser Dienstleistung sich auf den Standard des Hotels und damit den Preis der Zimmer auswirkt. Selbst wenn man, wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, davon ausginge, dass die Gewinnerzielungsabsicht keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wieder gabe ist, ist folglich jedenfalls der Nachweis dafür erbracht, dass die Wiedergabe unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, Erwerbszwecken dient.
45. In Bezug auf die Frage, ob das bloße Aufstellen von Fernsehapparaten in Hotelzimmern eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt, ist auf den Wortlaut der 27. Begründungserwägung dieser Richtlinie hinzuweisen, in der es im Einklang mit Artikel 8 des WIPO- Urheberrechtsvertrags heißt, dass "[d]ie bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, ... selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar[stellt]".
46. Zwar ist das bloße körperliche Bereitstellen von Einrichtungen, an dem in der Regel außer dem Hotel auf den Verkauf oder die Vermietung von Fernsehapparaten spezialisierte Unternehmen beteiligt sind, als solches keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29, doch kann diese Einrichtung den Zugang der Öffentlichkeit zu den ausgestrahlten Werken technisch ermöglichen. Also handelt es sich, wenn das Hotel durch so aufgestellte Fernsehapparate das Signal an die in den Zimmern dieses Hotels wohnenden Gäste verbreitet, um eine öffentliche Wiedergabe, ohne dass es darauf ankommt, welche Technik zur Übertragung des Signals verwendet wird.
47. Folglich sind die erste und die dritte Frage dahin zu beantworten, dass das bloße körperliche Bereitstellen von Einrichtungen als solches keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29 darstellt, dass aber die Verbreitung eines Signals mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornimmt, unabhängig davon, mit welcher Technik das Signal übertragen wird, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie darstellt.
Zur zweiten Frage
48. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der private Charakter von Hotelzimmern der Einstufung der Wiedergabe eines Werkes mittels eines Fernsehapparats in diesen Räumen als öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 entgegensteht.
49. In dieser Hinsicht macht Irland geltend, dass die Wiedergabe oder das Zugäng lichmachen von Werken, die im privaten Umfeld der Hotelzimmer erfolge, von der Wiedergabe an öffentlichen Orten im Hotel zu unterscheiden sei. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.
50. Aus dem Wortlaut und dem Geist von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 und Artikel 8 des WIPO-Urheberrechtsvertrags, die beide eine Erlaubnis des Urhebers nicht für die Weiterübertragung an einen öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Ort, sondern für die Wiedergabehandlungen verlangen, durch die das Werk öffentlich zugänglich gemacht wird, geht hervor, dass es unerheblich ist, ob es sich beim Ort der Wiedergabe um einen privaten oder um einen öffentlichen Ort handelt.
51. Gemäß diesen Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 und des WIPO-Urheber rechtsvertrags umfasst das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Übrigen auch das öffentliche Zugänglichmachen der Werke in der Weise, dass sie den Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Dieses Recht des öffentlichen Zugänglichmachens und damit auch der öffentlichen Wiedergabe liefe offensichtlich leer, wenn es nicht auch die Wiedergabe an privaten Orten umfasste.
52. Zur Begründung seines Vorbringens betreffend den privaten Charakter von Hotelzimmern beruft sich Irland zudem auf die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere auf deren Artikel 8, wonach eine Behörde nicht willkürlich oder unverhältnismäßig in die Privatsphäre eingreifen darf. Auch dem ist nicht zu folgen.
53. In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass Irland nicht ausführt, wer in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens das Opfer eines solchen willkürlichen und unver hältnismäßigen Eingriffs wäre. Dabei wird Irland kaum an die Gäste denken, die von dem Signal profitieren, das sie empfangen und für das sie den Urhebern keine Vergütung zahlen müssen. Das Hotel kann offensichtlich auch nicht gemeint sein, denn selbst wenn man es für verpflichtet hielte, die Vergütung zu zahlen, kann es doch nicht geltend machen, Opfer eines Verstoßes gegen Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu sein, da die Zimmer nicht als Teil seiner Privatsphäre anzusehen sind, wenn sie den Gästen zur Verfügung gestellt worden sind.
54. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die zweite Frage dahin zu beantworten, dass der private Charakter von Hotelzimmern nicht an der Einstufung der dort erfolgten Wiedergabe eines Werkes mittels eines Fernsehapparats als öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 entgegensteht.
 
Kosten
55. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Zwar stellt die bloße Bereitstellung von Empfangsgeräten als solche keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parla ments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, aber die Verbreitung eines Signals mittels in den Hotelzimmern aufgestellter Fernsehapparate, die ein Hotel für seine Gäste vornimmt, stellt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie dar; dies gilt unabhängig davon, mit welcher Technik das Signal übertragen wird.
Der private Charakter von Hotelzimmern steht dem nicht entgegen, dass es sich bei der dort erfolgten Wiedergabe eines Werkes mittels eines Fernsehapparats um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 handelt.
Unterschriften