BGE 141 V 597
 
65. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen META, Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
9C_826/2014 vom 22. September 2015
 
Regeste
Art. 53b und 53c BVG; Art. 2 Abs. 1 FZG; (Teil-)Liquidation und Fälligkeit der Austrittsleistung.
 
Sachverhalt
A.
A.a A. war vom 13. März 2007 bis 19. Juni 2014 als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" (Firmennummer x nachfolgend: altB. GmbH) im Handelsregister eingetragen. Seit 19. Juni 2014 war er lediglich als Gesellschafter (mit Einzelunterschrift) vermerkt, während seine Ehefrau unverändert als Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift eingetragen blieb. Am 2. Dezember 2014 wurde die Gesellschaft in "C. GmbH" umbenannt. Gleichentags wurde die "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" unter der Firmennummer y neu im Handelsregister eingetragen, wobei A. als Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift fungiert.
A.b Seit 1. April 2007 war die altB. GmbH der META Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge (nachfolgend: Meta) angeschlossen, wobei für die Arbeitgeberin ein eigenes Vorsorgewerk errichtet wurde. Per 31. Dezember 2008 betrug der Deckungsgrad der Meta 69,2 %, während der Pool 1 der Meta, dem das Vorsorgewerk der altB. GmbH angehörte, einen Deckungsgrad von 68,2 % aufwies. Im Januar 2009 und im Dezember 2011 erliess der Stiftungsrat (jeweils rückwirkend per 1. Januar 2009) Anhang 4 zum Vorsorgereglement der Meta vom 9. November 2010 (nachfolgend: Vorsorgereglement) mit "Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung" (Minder-/Nullverzinsung, Reduktion des Umwandlungssatzes, Beschränkung des Vorbezugs für Wohneigentum, Erhebung von Sanierungsbeiträgen von Arbeitgebern und -nehmern).
Am 30. Mai 2012 kündigte die altB. GmbH den Anschlussvertrag auf den 31. Dezember 2012. Am 20. September 2012 teilte ihr die Meta mit, infolge der Unterdeckung des Vorsorgewerks reichten die verfügbaren Mittel nicht aus, die minimalen gesetzlichen Austrittsleistungen gemäss BVG zu finanzieren; gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde könne der Anschlussvertrag erst aufgelöst werden, wenn der erforderliche Deckungsgrad erreicht sei oder der Arbeitgeber die fehlenden Mittel einbringe. Ohne Gegenbericht werde sie den Vorsorgeplan wie bis anhin weiterführen. Die altB. GmbH beharrte auf der Kündigung und war nicht bereit, zusätzliche Mittel einzuschiessen. Sowohl sie als auch die Meta hielten an ihren Positionen fest (diverse Korrespondenz vom 26. November 2012 bis 21. Mai 2013).
Der Stiftungsrat der Meta beschloss am 24. April 2013 weitere, z.T. bereits ab 1. Juli 2013 umzusetzende Sanierungsmassnahmen (insbesondere Minder-/Nullverzinsung mit gleichzeitiger Reduktion des Mindestzinssatzes gemäss BVG; Erhöhung der von Arbeitgebern und -nehmern erhobenen Sanierungsbeiträge). Am 16. September 2013 zeigte die altB. GmbH der Meta den Austritt von D. wegen Stellenwechsels auf Ende September 2013 und am 13. Januar 2014 jenen von A. aus "anderem Grund" auf Ende Januar 2014 an.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 hielt die Meta fest, mit A. seien alle Versicherten aus dem Vorsorgewerk der altB. GmbH ausgetreten; damit sei der Tatbestand einer Teilliquidation erfüllt. Die Freizügigkeitsleistung des Mitarbeiters könne erst an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden, wenn der Deckungsgrad des Vorsorgewerks bekannt, revidiert und vom Stiftungsrat verabschiedet sei. Am 14. April 2014 bekräftigte die Meta ihren Standpunkt, dass sie erst nach Eingang des "BVG-Fehlbetrags" den Anschlussvertrag auflösen und das Freizügigkeitsguthaben (d.h. das Altersguthaben nach BVG) des A. überweisen werde.
B. A. liess am 14. April 2014 Klage erheben mit dem Antrag, die Meta sei zu verpflichten, seine Austrittsleistung von Fr. 58'175.40 auf die Raiffeisen Freizügigkeitsstiftung zu überweisen, zuzüglich Zins zu 1,75 % seit 1. Februar 2014 und zu 2,75 % seit 3. März 2014. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die Klage mit Entscheid vom 17. September 2014 ab.
C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Aufhebung des Entscheids vom 17. September 2014 beantragen und das vorinstanzliche Rechtsbegehren erneuern.
Die Meta schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 2
Weiter hat das kantonale Gericht festgestellt, bei der Meta bzw. beim Vorsorgewerk der altB. GmbH liege eine erhebliche Unterdeckung vor. Seit der auf Ende Januar 2014 erfolgten Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen der altB. GmbH und dem Beschwerdeführer erledige dieser die Carrosserie-/Reparaturarbeiten nunmehr als Selbstständigerwerbender über seine (nicht im Handelsregister eingetragene) Einzelfirma "E.", wobei sich die Gesellschaft darauf beschränke, die Kunden an ihn weiterzuverweisen. Es hat erwogen, diese Neuorganisation diene lediglich dem Zweck, die Belastung der altB. GmbH durch die Sanierungsmassnahmen der Meta zu umgehen. Das sei "offenbar rechtsmissbräuchlich" und verdiene keinen Rechtsschutz. Folglich sei ungeachtet der formellen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht von einem Freizügigkeitsfall im Sinne von Art. 2 FZG (SR 831.42) auszugehen, weshalb der Beschwerdeführer auch nicht Anspruch auf die geltend gemachte Freizügigkeitsleistung habe.
 
Erwägung 3
3.2 Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), haben Anspruch auf eine Austrittsleistung (Art. 2 Abs. 1 FZG). Diese berechnet sich grundsätzlich nach Art. 15 f. FZG; Art. 17 und 18 FZG legen Mindestansprüche der Versicherten fest (vgl. HERMANN WALSER, in: BVG und FZG, 2010, N. 1 zu Art. 18 FZG). Registrierte Vorsorgeeinrichtungen haben den austretenden Versicherten mindestens das Altersguthaben nach Artikel 15 BVG mitzugeben (Art. 18 FZG). Im Freizügigkeitsfall dürfen Vorsorgeeinrichtungen keine versicherungstechnischen Fehlbeträge von der Austrittsleistung abziehen (Art. 19 Abs. 1 FZG). Im Fall einer Teil- oder Gesamtliquidation (Art. 23 Abs. 2 FZG) dürfen versicherungstechnische Fehlbeträge abgezogen werden (Art. 19 Abs. 2 Satz 1 FZG). Aber auch die zuletzt genannte Regelung steht unter dem ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt, dass durch den (anteilmässigen) Abzug nicht das Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG geschmälert wird (Art. 53d Abs. 3 BVG i.V.m. Art. 23 Abs. 2 FZG; BGE 138 V 303 E. 3.2 S. 306 f.).
Dennoch gilt es zu unterscheiden, ob der Anspruch auf die Austrittsleistung im Zusammenhang mit einem (Teil-)Liquidationstatbestand oder mit einem "gewöhnlichen" Freizügigkeitsfall nach Art. 2 Abs. 1 FZG steht (vgl. auch SZS 2015 S. 270, 9C_484/2014 E. 2.3.1 mit Hinweisen): Im letzteren Fall wird die Austrittsleistung unmittelbar mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig (Art. 2 Abs. 3 FZG); im ersteren hingegen ergibt sich die Fälligkeit der Austrittsleistung erst, wenn feststeht, wie hoch die freien Mittel sind resp. der Fehlbetrag ist, zumal ein solcher immer individuell weiterzugeben ist (Art. 27g Abs. 3 Satz 2 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]). Das bedeutet, dass sich die Fälligkeit der Austrittsleistung im Rahmen einer (Teil-)Liquidation erst im Zeitpunkt ergibt, in dem das vorhandene Vermögen resp. die Höhe des Altersguthabens definitiv bestimmt ist. Dies bedingt das Vorliegen eines verbindlichen Verteilungsplans resp. einer verbindlichen Zuweisung des Fehlbetrages, der im Übrigen keinen Verteilungsplan erfordert (BGE 135 V 113 E. 2.1.5 in fine S. 118). Erst dann ist das Altersguthaben durch die Art. 2 ff. FZG geschützt (MARTINA STOCKER, Die Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen, 2012, S. 53 oben). Implizit ergibt sich dies auch aus Art. 27g Abs. 3 Satz 3 BVV 2. Daraus erhellt, dass die Austrittsleistung nicht vor der Feststellung eines allfälligen Fehlbetrages überwiesen werden muss.
 
Erwägung 4
4.1 Wie sich den Akten entnehmen lässt, arbeitete D. nach seinem Ausscheiden aus der altB. GmbH für die Einzelfirma "E." des Beschwerdeführers (Protokoll der Parteibefragung von A. vom 13. August 2014 S. 3 unten). Dieser Umstand, die Neuorganisation des Betriebes - Reduktion der Tätigkeit der altB. GmbH auf Auftragsvermittlung an die Einzelfirma, ausschliessliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Selbstständigerwerbender (vgl. E. 2.1) - sowie weitere von der Vorinstanz verbindlich (nicht publ. E. 1.1) festgestellte Momente - identische Räumlichkeiten und identischer Telefonanschluss der altB. GmbH und der Einzelfirma, Werbung (Autoreparaturarbeiten) im Internet für die altB. GmbH - erwecken in der Tat den Eindruck, dass das gewählte Vorgehen lediglich der Umgehung der von der Beschwerdegegnerin eingeleiteten Sanierungsmassnahmen resp. des von der Beschwerdegegnerin ausgesprochenen Kündigungsstopps (vgl. Sachverhalt lit. A.b Abs. 2 und 3) diente.
Ein Umgehungstatbestand und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Weigerung der Meta, das Anschlussverhältnis mangels Ausfinanzierung des BVG-Minimums aufzulösen, ihrerseits rechtmässig ist. Dies erscheint fraglich, braucht in casu - soweit überhaupt im (Leistungs-)Klageverfahren zu beurteilen - aber nicht abschliessend beantwortet zu werden (vgl. E. 4.4 nachfolgend). Jedenfalls schränkt der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen betreffend das Vorgehen zur Behebung einer Unterdeckung (Art. 65c-65e BVG; Art. 44 f. BVV 2) die Zulässigkeit einer Auflösung des Anschlussvertrages nicht ein. Nichts anderes ergibt sich aus den hier anwendbaren vertraglichen Grundlagen (Anschlussvereinbarung vom 7. Juli 2007 und Vorsorgereglement, insbesondere dessen Anhang 1 [Vorsorgeplan für das hier interessierende Vorsorgewerk] und Anhang 4 [Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung]). Wohl ist eine Anweisung der BVG- und Stiftungsaufsicht beider Basel an die Stiftung vom 26. März 2013 aktenkundig, wonach Anschlussverträge nur aufgelöst werden dürfen resp. die entsprechenden Deckungskapitalien nur überführt werden dürfen, wenn das BVG-Minimum ausfinanziert ist. Sie erging jedoch ausdrücklich nicht als formelle Verfügung.
Der Austritt von D. und derjenige des Beschwerdeführers bedürfen demnach einer gesamtheitlichen Betrachtung (vgl. auch BGE 139 V 407 E. 4.1.1 S. 411), weshalb die in Bezug auf D. bereits geleistete Austrittsleistung unter dem Vorbehalt der (teilweisen) Rückerstattung steht (Art. 27 g Abs. 3 BVV 2). Zum einen liegen die beiden Austritte lediglich vier Monate auseinander. Zum andern basieren beide auf der Neuorganisation der Geschäftstätigkeit des Beschwerdeführers als Selbstständigerwerbender. Dieser hatte sich davon Vorteile für den Betrieb erhofft, welche sich gemäss Aussagen der Ehefrau auch einstellten, wie sich Erwägung 3.3 des vorinstanzlichen Urteils entnehmen lässt.
4.3 Es liegt auf der Hand, dass die Austritte der beiden einzigen Versicherten - die Ehefrau des Beschwerdeführers war gemäss verbindlicher (nicht publ. E. 1.1) Feststellung der Vorinstanz für die berufliche Vorsorge nirgends angeschlossen - sowohl einer Restrukturierung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b Teilliquidationsreglement gleichkommen als auch den Tatbestand von Art. 1 Abs. 1 lit. a Teilliquidationsreglement (Verminderung der Belegschaft) erfüllen. Art. 1 Abs. 3 Teilliquidationsreglement nimmt eine Restrukturierung an, "wenn bisherige Tätigkeitsbereiche eines Unternehmens zusammengelegt, eingestellt, verkauft, ausgelagert oder auf andere Weise verändert werden und dies (bei einer Belegschaft von 1-9 Personen) eine Verminderung der Belegschaft und der individuell gebundenen Mittel" im Umfang von je 20 % bewirkt. Eine Verminderung der Belegschaft (von 1-9 Personen) definiert Art. 1 Abs. 2 Teilliquidationsreglement bei einer "Reduktion der Belegschaft und der gebundenen Mittel um je 40 %" als erheblich.
Nachdem die altB. GmbH mit Schreiben vom 7. März 2014 die Stiftung wissen liess, dass momentan keine Neuanstellungen geplant seien und das Vorsorgewerk deshalb aufzuheben sei, entsprechen die gestaffelten Austritte des Beschwerdeführers und seines Angestellten D. auch dem Teilliquidationstatbestand von Art. 1 Abs. 1 lit. c Teilliquidationsreglement (Auflösung des Anschlussvertrages). Wie der Beschwerdeführer vor dem kantonalen Gericht vorbrachte, wollten die Angestellten die Arbeitsstelle verlassen, sofern die Pensionskasse nicht gewechselt werde. Jedenfalls erkannte auch die Beschwerdegegnerin selber, dass mit dem Austritt des Beschwerdeführers und damit des letzten Versicherten der Tatbestand der Teilliquidation erfüllt war (Schreiben vom 25. Februar 2014).
Anzumerken bleibt, dass die korrekte Durchführung einer (Teil-) Liquidation auf dem aufsichtsrechtlichen Weg zu erwirken ist. Dabei wird die zuständige Aufsichtsbehörde - vor allem wenn sie an ihrer Auffassung gemäss Anweisung vom 26. März 2013 festhält (vgl. E. 4.1 in fine) - eine anfechtbare Verfügung zu erlassen haben (vgl. SZS 2012 S. 374, 9C_823/2011 E. 2.1; vgl. auch Art. 53d Abs. 6 BVG).