BGE 141 V 361
 
39. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Regierungsrat des Kantons Thurgau gegen Kanton Zürich und Klinik A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
9C_849/2014 vom 21. Mai 2015
 
Regeste
Art. 53 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 39 KVG; Art. 83 lit. r BGG; keine Weiterzugsmöglichkeit von Spitalplanungsentscheiden an das Bundesgericht.
 
Sachverhalt
A. Mit Beschluss vom 11. März 2014 ergänzte der Regierungsrat des Kantons Thurgau die kantonale Spitalliste Psychiatrie 2012 und setzte sie rückwirkend ab 1. Januar 2014 in Kraft. Darin erteilte er der Klinik A. wiederum einen Leistungsauftrag für Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie, wobei er die bisherige Kapazität von vier Betten aufhob und keine Beschränkung der Bettenkapazität mehr vorsah. Beschwerden gegen diesen Beschluss entzog er die aufschiebende Wirkung, mit Ausnahme von Beschwerden von bisher im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zugelassenen Leistungserbringern, die weiterhin im gleichen Rahmen zugelassen blieben.
B. Der Kanton Zürich, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, erhob dagegen am 11. April 2014 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die ergänzte Spitalliste 2012 sei insoweit aufzuheben, als die Klinik A. als Leistungserbringerin zu Lasten der OKP zugelassen werde, eventualiter sei der Leistungsauftrag an diese Klinik auf insgesamt vier Betten zu beschränken. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
Mit Zwischenverfügung vom 30. Juli 2014 stellte das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wieder her und hob eine am 24. April 2014 verfügte Beschränkung des Schriftenwechsels auf die Frage der Beschwerdebefugnis auf.
C. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau, handelnd durch das Departement für Finanzen und Soziales, führt Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, die angefochtene Zwischenverfügung sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht zuständig sei zur Behandlung der Beschwerde des Kantons Zürich vom 11. April 2014. Eventualiter sei unter Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung festzustellen, dass der Kanton Zürich nicht legitimiert sei, gegen die Anpassung der Spitalliste Psychiatrie 2012 des Kantons Thurgau (Regierungsratsbeschluss vom 11. März 2014) Beschwerde zu erheben. Subeventualiter sei die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2014 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Nach einem Meinungsaustausch zwischen der I. und der II. öffentlich-rechtlichen sowie der II. sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts wird die Sache, zuerst unter der Geschäftsnummer 2C_750/2014 angelegt, von der II. sozialrechtlichen Abteilung in der Folge unter der Geschäftsnummer 9C_849/2014 weitergeführt.
Der Kanton Zürich, vertreten durch die Gesundheitsdirektion, schliesst auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der Beschwerde. Die Klinik A. macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht die Aktivlegitimation des Kantons Zürich bejaht; die Zwischenverfügung vom 30. Juli 2014 sei ersatzlos aufzuheben. Zur Vernehmlassungsantwort der Klinik A. nimmt der Kanton Zürich am 5. Februar 2015 Stellung.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
 
Aus den Erwägungen:
1.2 Gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen über die Spitalplanung kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden (Art. 53 Abs. 1 i.V.m. Art. 39 KVG; Art. 33 lit. i des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [VGG; SR 173.32]; vgl. auch BGE 134 V 45 E. 1.1 S. 47 betreffend Beschlüsse nach Art. 55a KVG [Zulassung eines Leistungserbringers zulasten der OKP im Einzelfall]). Nach Art. 83 lit. r BGG ist gegen Entscheide auf dem Gebiet der Krankenversicherung, die das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf Art. 34 VGG getroffen hat, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht nicht zulässig (Urteil 2C_706/2014 vom 20. August 2014 E. 2.2). Art. 34 VGG in der ursprünglichen Fassung (AS 2006 2197) entsprach dem heutigen Art. 53 Abs. 1 KVG. Mit der Änderung des KVG vom 21. Dezember 2007 (in Kraft ab 1. Januar 2009; AS 2008 2049) wurde Art. 34 VGG aufgehoben und durch Art. 53 Abs. 1 KVG in der heutigen Fassung ersetzt, sodass sich der Verweis in Art. 83 lit. r BGG heute auf Art. 53 Abs. 1 KVG bezieht (z.B. Urteil 2C_399/2012 vom 8. Juni 2012 E. 1 mit Hinweisen).
1.3 Der besondere Instanzenzug von Art. 53 KVG liegt darin begründet, dass Entscheide der Kantonsregierungen in gesundheitspolitischen Fragen (betreffend Spitallisten, Tarifverträge usw.) früher ohne Weiterzugsmöglichkeit an ein Gericht beim Bundesrat anfechtbar waren (vgl. BGE 132 V 6 E. 1 S. 8). Nachdem bereits mit der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung eine Entlastung des Bundesrates von Rechtspflegeaufgaben angestrebt wurde (vgl. Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1, 491 Ziff. 231.14), führte der Gesetzgeber im Rahmen der auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzten Justizreform eine gerichtliche Überprüfung von Beschlüssen der Kantonsregierungen gestützt auf aArt. 53 KVG auf eidgenössischer Ebene ein, wobei er eine Öffnung des Beschwerdeweges an das Bundesgericht aus Gründen der Überlastung ausschloss (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202, 4391 zu Art. 30 E-VGG). Der Bundesgesetzgeber wollte bewusst einerseits den gerichtlichen Rechtsschutz im Bereich der Spitallisten einer eidgenössischen Behörde anheimstellen, anderseits den Weiterzug an das Bundesgericht ausschliessen, um dadurch nicht zuletzt auch eine rasche Erledigung solcher Streitigkeiten zu ermöglichen (vgl. genanntes Urteil 2C_399/2012 E. 2.4).
1.4 Nach dem Gesagten steht allen Betroffenen gegen einen Zulassungsentscheid gemäss Art. 39 KVG ausschliesslich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen (Art. 53 Abs. 1 KVG). Nicht im Gesetz vorgesehen ist insbesondere eine Differenzierung des Rechtsweges je nach dem Status der Beschwerde führenden Parteien. Anders zu entscheiden bedeutete, dass der in Art. 83 lit. r BGG ausgeschlossene Beschwerdeweg an das Bundesgericht über Art. 120 Abs. 1 lit. b BGG wieder offenstehen würde, was nicht angeht (zur Unzulässigkeit der Umgehung des gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses vgl. z.B. auch Urteil 1B_209/2011 vom 11. September 2011 E. 2). Es hätte dies ausserdem zur Folge, dass widersprüchliche Entscheide in derselben Sache möglich wären und insoweit eine einheitliche Rechtsanwendung nicht mehr gewährleistet wäre. Weil somit der Status der Beschwerde führenden Parteien ohne Einfluss auf den Rechtsmittelweg bleibt, ist ein Klageverfahren nach Art. 120 Abs. 1 lit. b BGG auch dann ausgeschlossen, wenn zwei Kantone am Recht stehen.