BGE 137 IV 258
 
37. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_118/2011 vom 11. Juli 2011
 
Regeste
Art. 66 StGB; Friedensbürgschaft.
 
Sachverhalt
A. Seit Ende Sommer 2009 führen X. und Y. im Zuge des Abbruchs ihrer Beziehung eine erbitterte Auseinandersetzung. Auf Antrag von Y. hatte die Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Friedensbürgschaft erfüllt seien. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2010 trat die Einzelrichterin auf einen Antrag nicht ein, einen wies sie ab und einen dritten hiess sie gut. Die zu hinterlegende Sicherheit setzte sie auf Fr. 500'000.- fest. Weiter regelte sie die Folgen einer allfälligen Säumnis bzw. des Nichteinhaltens des vom Beschwerdeführer dem Gericht abzugebenden Versprechens.
B. Beide Parteien erhoben Rekurs gegen die Verfügung der Einzelrichterin. X. stellte ausserdem ein Begehren um aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung vom 3. November 2010 erteilte das Obergericht des Kantons Zürich dem Rekurs von X. aufschiebende Wirkung. Y. stellte im Rekursverfahren unter anderem den prozessualen Antrag, diese sei wieder zu entziehen.
Mit Beschluss vom 7. Februar 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs von X. ab. Im Rahmen der Erwägungen stellte es unter anderem fest, eine Veranlassung, auf die angeordnete aufschiebende Wirkung zurückzukommen, wie dies von Y. beantragt werde, bestehe nicht.
C. X. erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Februar 2011 sei aufzuheben, und das Gesuch von Y. um Anordnung einer Friedensbürgschaft sei vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Gerichtskosten aller Instanzen seien Y. aufzuerlegen, und diese sei zu verpflichten, ihm eine angemessene Prozessentschädigung für alle Verfahren zu bezahlen.
Mit Zwischenverfügung vom 1. März 2011 gewährte das Bundesgericht der Beschwerde von X. die beantragte aufschiebende Wirkung.
D. Die von Y. erhobene Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht bildet Gegenstand des Verfahrens 6B_190/2011.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 2
 
Erwägung 2.1
2.1.2 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots (Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV). Bei der Friedensbürgschaft, welche die Grundrechte stark einschränke, sei dieses Gebot zwingend zu beachten. Die Vorinstanz verkenne die Natur der Friedensbürgschaft als Präventiv- und Zwangsmassnahme. Es fehle vorliegend jegliches Präventionsinteresse, nachdem die Beschwerdegegnerin erst Monate nach der angeblichen Drohung das Begehren um Anordnung einer Friedensbürgschaft gestellt habe. Das Verfahren habe sie in der Folge laufend verzögert, so dass mehr als ein Jahr bis zum angefochtenen Entscheid vergangen sei. Seit dem Bruch der Beziehung im Spätsommer 2009 hätten sich zudem keinerlei Vorfälle aggressiven Inhalts oder tätliche Auseinandersetzungen zwischen ihnen mehr ereignet. Allein aufgrund des Zeitablaufs könne jegliche Gefährdung der Beschwerdegegnerin ausgeschlossen werden, weshalb die Anordnung einer Friedensbürgschaft nicht verhältnismässig sei.
2.2 Die Vorinstanz erwägt, die geringe Frustrationstoleranz in künftigen ähnlichen Situationen lasse auf erneute Handgreiflichkeiten des Beschwerdeführers schliessen. Die Beteuerungen, er habe nach dem Tod seines Vaters im Sommer 2010 ein verantwortungsvolles Erbe angetreten und nun anderes im Sinn, sei mit "gesunder Vorsicht" zu würdigen. Es fehle am Tatbeweis, dass er sein Verhaltensmuster geändert habe und sein angekündigter Wandel gefestigt sei. Sein Umgang mit dem Zeugen C. im Juni 2010 lasse nicht auf eine gefestigte Verhaltensänderung vertrauen. Zudem laufe aufgrund eines Strafantrags der Beschwerdegegnerin ein Strafverfahren gegen ihn beim Bezirksgericht Zürich. Die Drohung gegen die Beschwerdegegnerin habe er lange nach Beendigung der Beziehung ausgestossen, weil sie ihre Aussagen bzw. den Strafantrag in dieser Sache nicht zurückgezogen habe. Er habe an diesem Rückzug nach wie vor ein Interesse. Nicht die gescheiterte Beziehung oder unverarbeitete Beziehungskonflikte bildeten Ursache der Drohung, sondern das erwähnte hängige Strafverfahren. Das Präventionsinteresse sei daher nach wie vor gegeben. Die Verhältnismässigkeit der angeordneten Friedensbürgschaft zur Schwere des angeordneten Nachteils und zum Grad der Verwirklichungsgefahr sei gewahrt, und zwar unbeeinflusst von subjektivem Angstempfinden, übertriebener Panikmacherei und Dramatisierung durch die Beschwerdegegnerin.
2.3 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten (Art. 66 Abs. 1 StGB). Der Richter wird hierbei nicht von Amtes wegen tätig, sondern auf Antrag der bedrohten Person. Auch bei einem entsprechenden Antrag steht es im richterlichen Ermessen, eine Friedensbürgschaft auszusprechen.
Vorliegend bildet die erste Tatbestandsvariante der Friedensbürgschaft Gegenstand des Verfahrens: Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, verbunden mit der Gefahr ihrer Ausführung.
2.5 Das Tatbestandsmerkmal der Drohung setzt keine strafrechtlich relevante Drohung im Sinne von Art. 180 StGB voraus. Genügend ist jede Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, wenn die Gefahr besteht, dass der Drohende sie verwirklichen werde. Art. 66 StGB setzt auch nicht voraus, dass die Drohung ausdrücklich und gegenüber dem Bedrohten geäussert wurde (BGE 71 IV 72 E. 2). Das Bundesgericht hat in diesem einzigen amtlich publizierten Entscheid offengelassen, ob der Drohende tatsächlich die Absicht haben muss, die Tat auszuführen. Im Schrifttum besteht die Auffassung, dass die Drohung unabhängig des konkreten Verwirklichungswillens zumindest als ernstgemeint erscheinen soll (RENÉ KISSLING, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung [nachfolgend: BSK-StPO],2011, N. 2 zu Art. 372 StPO; ders., Friedensbürgschaft und Zwangsmassnahmen[nachfolgend: Friedensbürgschaft], SJZ 103/2007S. 199 f.; AUDE BICHOVSKY, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 17 zu Art. 66 StGB; ERICH ZÜBLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 8 zu Art. 66 StGB; so auch schon JAKOB GRÜNBAUM, Die Friedensbürgschaft im schweizerischen Strafgesetz, 1941, S. 29 f.; anders PHILIPPE GRAVEN, Le cautionnement préventif, 1963, S. 47, wonach die Absicht ["l'intention"] des Täters vorliegen muss, die Drohung wahr zu machen).
2.6 Es erscheint sachgerecht, unabhängig vom konkreten Verwirklichungswillen auf die Wirkung der Drohung gegenüber dem Drohungsempfänger abzustellen, analog dem Tatbestand der Drohung nach Art. 180 StGB. Tathandlung bildet dort, den Empfänger der Drohung in Schrecken oder Angst zu versetzen. Der Täter muss nicht die Absicht haben, die Drohung tatsächlich in die Tat umzusetzen (Urteil 6S.621/2000 vom 26. Oktober 2000 E. 2a; in diesem Sinne nun auch KISSLING, BSK-StPO, a.a.O., N. 2 f. mit Hinweis). Höhere Anforderungen an die Verwirklichungsabsicht der Drohung im Rahmen der Friedensbürgschaft sind nicht angezeigt.
2.8 Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie aufgrund der festgestellten geringen Frustrationstoleranz und der fehlenden Festigung der lediglich angekündigten Verhaltensänderung des Beschwerdeführers die Gefahr einer Umsetzung der ausgesprochenen Drohung nach wie vor als gegeben erachtet. Sie durfte zudem das Präventionsinteresse an der Friedensbürgschaft ohne Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes bejahen, zumal offenbar das von der Beschwerdegegnerin gegen den Beschwerdeführer veranlasste (und noch immer hängige) Strafverfahren Auslöser der ausgestossenen Drohung war. Aufgrund des blossen Zeitablaufs seit der Drohung kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht jegliche Gefährdung der Beschwerdegegnerin ausgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als die beiden Parteien seit längerem räumlich getrennt sind, jedoch gemäss Vorinstanz bei einem Zusammentreffen (wie vor der Untersuchungsbehörde) immer noch sehr emotional aufeinander reagieren. Dass die Beschwerdegegnerin den Antrag auf eine Friedensbürgschaft erst rund dreieinhalb Monate nach der Drohung, am 17. Mai 2010, gestellt hat, ändert am Präventionsinteresse ebenfalls nichts, zumal der Antrag nicht an eine Frist gebunden ist, solange die Ausübung des angedrohten Übels befürchtet werden muss (KISSLING, Friedensbürgschaft, a.a.O., S. 200).