BGE 75 IV 175 - Odermatt und Amborn
 
42. Urteil des Kassationshofes
vom 31. Dezember 1949
i.S. Odermatt und Amborn gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
 
Regeste
1. Art. 21, 148 StGB. Versuch des Versicherungsbetruges, begonnen durch Brandlegung an eigener Sache.
2. Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Begriff des Anzeigens. Wann zeigt jemand an, es sei "eine strafbare Handlung begangen worden" ? Irreführung der Rechtspflege macht auch strafbar, wenn der Täter die Tat begeht, um als Beschuldigter sich in einem Strafverfahren herauszulügen.
3. Art. 25, 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Gehülfenschaft zu Irreführung der Rechtspflege, begangen durch Brandlegung an der Sache des Täters.
4. Art. 269 Abs. 1 BStP. Ein Fehler in der Begründung -- zu der auch die in den Urteilsspruch aufgenommene Schuldigerklärung zu rechnen ist -- kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt werden, wenn er sich auf die ausgesprochenen Rechtsfolgen nicht ausgewirkt hat.
 
Sachverhalt
 
A.
Im November 1948 liess sich Amborn durch Odermatt bestimmen, dessen Automobil, das bei der Schweizerischen Mobiliar-Versicherungsgesellschaft für Fr. 7000.-- gegen Feuer versichert war, in die Gegend zwischen Birmensdorf und Bonstetten zu führen und es dort anzuzünden, damit es vollständig niederbrenne. Odermatt hatte ihm gesagt, zur Erwirkung der Schadensdeckung durch die Versicherungsgesellschaft werde er, Odermatt, alsdann bei der Polizei zuhanden der Versicherung geltend machen, das Automobil sei ihm von einem unbekannten Dritten entwendet worden und auf der vom Dieb unternommenen Fahrt verbrannt. Amborn beging die Tat am Abend des 29. November 1948. Die Polizei erhielt vom Brande durch Dritte Kenntnis, stellte den Eigentümer des Fahrzeuges fest und verhörte Odermatt in der Nacht vom 29. auf den 30. November. Dabei gab Odermatt gegenüber zwei Polizeigefreiten an, es sei ihm am vorangehenden späten Abend von einem Unbekannten entwendet worden. Odermatt wurde verhaftet, und die Tat kam aus, noch ehe er der Versicherungsgesellschaft den Schaden hatte anmelden können. Die Anmeldung unterblieb.
 
B.
Am 31. März 1949 sprach das Obergericht des Kantons Zürich Odermatt von der Anklage des Betrugsversuches und der Anstiftung dazu und Amborn von der Anklage der Gehülfenschaft zu Betrugsversuch frei. Dagegen verurteilte es Odermatt wegen Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und Anstiftung zu Gehülfenschaft dazu und Amborn wegen Gehülfenschaft zu Irreführung der Rechtspflege zu je zwei Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Odermatt bewilligte es den bedingten Strafvollzug.
 
C.
Beide Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen Aufhebung des Urteils, soweit es sie schuldig spricht und verurteilt, und Rückweisung der Sache zu ihrer Freisprechung.
Odermatt macht geltend, wer den Behörden gegenüber falsche Angaben macht, um ein tatsächlich begangenes Verbrechen zu verschleiern, vergehe sich nicht gegen Art. 304 StGB. Odermatt sei der Auffassung gewesen, dass er bezw. Amborn sich bereits einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätten. Seine Angaben hätten dazu gedient, die Tat der Polizei gegenüber zu verschleiern. Der Verbrecher sei nicht verpflichtet, seine Tat auf erstes Befragen hin zuzugeben, und eine solche Pflicht könne nicht auf dem Umweg über Art. 304 geschaffen werden. Ferner sei es unzulässig, jemanden als Täter und als Anstifter zugleich zu verurteilen, also für ein und dieselbe Tat die gleiche Gesetzesbestimmung, hier Art. 304, zweimal auf ihn anzuwenden.
Amborn macht geltend, er habe keine Anzeige erstattet, wie Art. 304 voraussetze, sondern sei von der Polizei gesucht und einvernommen worden, wobei er gegenüber dieser nicht gelogen habe. Dadurch, dass er durch seine Tat die falsche Anzeige Odermatt bewusst erleichtert habe, habe er sich nicht der Gehülfenschaft zu Irreführung der Rechtspflege schuldig gemacht. Dazu komme, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Art. 304 Ziff. 1 Abs 1 nicht zutreffe, wenn jemand einer Behörde über eine wirklich begangene strafbare Handlung oder über eine solche, die er für begangen hält, bewusst falsche Angaben mache. Der Beschwerdeführer habe die Tat des Art. 304 nicht gefördert ; sein Verhalten habe nicht zur Irreführung der Rechtspflege durch Odermatt beigetragen.
 
D.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, beide Beschwerden seien abzuweisen.
 
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung :
 
Erwägung 1
1. Das Obergericht hat die Beschwerdeführer zu Unrecht von der Anklage des Betrugsversuches und der Gehülfenschaft dazu freigesprochen. Nach der Sachlage ist sicher, dass Odermatt den Schaden angemeldet hätte, wenn er dazu überhaupt noch Gelegenheit gehabt hätte, und dass für ihn mitten in der Ausführung des Planes ein von äusseren Schwierigkeiten unbeeinflusstes Zurück (BGE 71 IV 211 ; 74 IV 133) nicht mehr in Frage kam, nachdem das Automobil verbrannt, der Wert, den Odermatt in barem Gelde ersetzt haben wollte, also zerstört war. Nur die Verhaftung, ein äusseres Hindernis, verunmöglichte die Anmeldung des Schadens oder liess sie als nutzlos erscheinen. Das Verbrennen des Automobils und die falsche Angabe gegenüber der Polizei sind nicht blosse Vorbereitungs-, sondern erste wesentliche Ausführungshandlungen im Gesamtplane. Das Bundesgericht hat denn auch schon in einem anderen Falle (Urteil vom 24. März 1949 i. S. von Gunten) ausgeführt, dass der durch Brandlegung an eigener Sache eingeleitete Versicherungsbetrug nicht erst mit der Schadensanzeige, sondern schon mit der Brandlegung beginnt.
Da die Staatsanwaltschaft das Urteil des Obergerichts nicht anficht, muss es indessen beim Freispruch der Beschwerdeführer von der Anklage des Betrugsversuches und der Gehülfenschaft dazu sein Bewenden haben.
 
Erwägung 2
Das "Anzeigen" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden ; die Tat kann nicht nur durch Einreichung einer Strafanzeige im Sinne des kantonalen Prozessrechtes begangen werden, sondern auch in der vom Beschwerdeführer Odermatt gewählten Form : durch Aussage in einem Verhör vor der Polizei, gleichgültig, ob das Verhör auf Veranlassung des Aussagenden oder der Polizei stattfinde. Wer in einem solchen Verhör wider besseres Wissen aussagt, es sei eine strafbare Handlung begangen worden, führt die Rechtspflege in gleicher Weise irre wie jemand, der mit dem Begehren um Einleitung eines Strafverfahrens (Strafanzeige, Strafklage) an die Behörde herantritt.
Wer über eine wirklich begangene strafbare Handlung oder über eine solche, die er für begangen hält, bewusst falsche Angaben macht, zeigt nicht wider besseres Wissen an, es sei eine strafbare Handlung begangen worden (BGE 72 IV 140). Die Beschwerdeführer berufen sich zu Unrecht auf diese Rechtsprechung. Indem Odermatt vor der Polizei behauptete, das Automobil sei ihm von einem Unbekannten entwendet worden, machte er nicht über eine wirklich oder vermeintlich begangene strafbare Handlung falsche Angaben, sondern sprach er von einer strafbaren Handlung, die, wie er wusste, nicht begangen worden war. Daran ändert der Umstand nichts, dass tatsächlich jemand, nämlich die beiden Beschwerdeführer selber, sich strafbar gemacht hatten ; Odermatt hat nicht lediglich über diese strafbaren Handlungen (Betrugsversuch und Gehülfenschaft dazu) bewusst unrichtige Angaben gemacht, sondern wider besseres Wissen behauptet, ein anderer (Unbekannter) habe eine strafbare Handlung anderer Art (Diebstahl oder Entwendung zum Gebrauch) begangen.
Dass Odermatt durch die falsche Behauptung vor der Polizei, das Automobil sei ihm entwendet worden, nicht nur Nachforschungen veranlassen und damit die Grundlage für die beabsichtigte falsche Schadensmeldung an den Versicherer schaffen, sondern zugleich sich vom Verdacht des Betrugsversuches reinwaschen wollte, steht der Anwendung des Art. 304 StGB nicht im Wege. Das angebliche Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren herauszulügen, berechtigt ihn nicht, eine strafbare Handlung zu begehen, um seiner Lüge den Schein der Wahrheit zu verleihen. So wie dieser Beweggrund z.B. die Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 307 StGB) und zu Begünstigung (Art. 305) nicht heiligt (BGE 72 IV 99 ; 73 IV 239, 244), macht er auch die Irreführung der Rechtspflege nicht zur erlaubten Tat.
 
Erwägung 3
3. Amborn hat an der von Odermatt begangenen Irreführung der Rechtspflege nicht dadurch teilgenommen, dass er selber gegenüber der Polizei falsche Angaben gemacht und dadurch jenen Odermatts den Schein der Wahrheit verliehen hätte. Gehülfenschaft zum Vergehen des Art. 304. Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann jedoch nicht nur in dieser Form geleistet werden. Was Amborn getan hat, genügt. Er hat im Einvernehmen mit Odermatt den Sachverhalt hergestellt, der es dem andern überhaupt erst ermöglicht hat, mit Aussicht auf Erfolg die Behörden irrezuführen, und zwar hat er es bewusst und gewollt getan. Damit hat er nicht nur die Tat Odermatts psychisch gefördert, sondern geradezu die Voraussetzungen dazu geschaffen. Das war zum mindesten Gehülfenschaft, wenn nicht sogar Mittäterschaft.
 
Erwägung 4
4. Ob Odermatt sich neben der Irreführung der Rechtspflege auch der Anstiftung des Amborn zu Gehülfenschaft bei diesem Vergehen schuldig gemacht hat, kann dahingestellt bleiben. Das Obergericht erklärt bundesrechtlich unanfechtbar, selbst wenn man das verneinen würde, müsste die Strafe gleich ausfallen, weil die Intensität des verbrecherischen Willens, die darin zum Ausdruck komme, dass Odermatt nicht davor zurückscheute, einen anderen durch die begehrte Mithilfe der Bestrafung auszusetzen, jedenfalls im Rahmen von Art. 63 StGB straferhöhend berücksichtigt werden müsste. Bloss zur Berichtigung eines angeblich unrichtigen Urteilsgrundes kann ein im Ergebnis, den ausgesprochenen Rechtsfolgen, nicht anfechtbares Urteil nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden, und blosser Urteilsgrund im Sinne dieser Rechtsprechung ist auch die Schuldigerklärung wegen eines bestimmten Vergehens, selbst wenn sie formell in den Urteilsspruch aufgenommen wird (BGE 69 IV 112, 150 ; 70 IV 50 ; 73 IV 263).
 
Dispositiv
 
Demnach erkennt der Kassationshof :
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.