Eine Veruntreuung im Sinne des Art. 140 StGB begeht, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, oder wer anvertrautes Gut unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet. Diese Bestimmung stellt somit im Gegensatz zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (§ 246) und zu gewissen ehemaligen kantonalen Strafgesetzbüchern (z.B. Zürich § 177, Bern Art. 219) nicht darauf ab, ob sich die Sache im Besitz oder Gewahrsam des Täters befunden hat, sondern einzig darauf, ob sie ihm anvertraut gewesen ist. Die Auffassung, Gewahrsam sei das "physische Vermögen
ausschliesslicher tatsächlicher Herrschaftsausübung" (RGSt
5 43) oder "die Möglichkeit, mit
Ausschluss anderer auf die Sache einzuwirken, verbunden mit dem erkennbaren Willen, die eigene Herrschaft
unter Ausschluss anderer geltend zu machen" (ZBJV
47 294) steht daher nach eidgenössischem Recht der Annahme von Veruntreuung nicht im Wege, wenn die tatsächliche Herrschaft über die Sache zwischen dem Täter und Drittpersonen geteilt war, wogegen sie nach den erwähnten anderen Rechtsordnungen in solchen Fällen die Würdigung der Tat als Unterschlagung ausschliesst (RGSt
5 44,
52 144,
58 49 ; Monatsbl. f. bern. Rspr.
10 142). Art. 140 StGB verlangt nicht, dass die Sache dem Täter
ausschliesslich anvertraut worden sei. Diese Vorschrift will ihn bestraft wissen, weil er das Vertrauen missbraucht hat, das ihm geschenkt worden ist. Ein solcher Vertrauensmissbrauch ("abus de confiance", vgl. Randtitel des französischen Textes) aber liegt auch vor, wenn die Sache einem Dritten mitanvertraut war oder ihr Eigentümer
oder ein Dritter neben dem Täter tatsächliche Gewalt über sie gehabt hat.