BGE 144 III 481
 
58. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
5A_384/2018 vom 21. September 2018
 
Regeste
Art. 276 Abs. 2 und Art. 285 Abs. 2 ZGB; Dauer und Umfang des Betreuungsunterhalts.
 
Sachverhalt
A. A. (1969) und B. (1972) heirateten 1996 und trennten sich Anfang 2014. Sie haben die gemeinsamen Kinder C. (1997), D. (1999), E. (2002) und F. (2004).
B. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens wurden die drei älteren Kinder mit Massnahmeentscheid unter die Obhut des Vaters und F. unter die alternierende Obhut der Eltern gestellt, unter Verpflichtung von A. zu Unterhaltsbeiträgen von Fr. 450.- für F. und von Fr. 650.- für die Ehefrau.
C. Im Scheidungsurteil genehmigte das Kreisgericht U. die Teilvereinbarung der Parteien. Sodann verpflichtete es die Mutter zu Unterhaltsbeiträgen an E. von Fr. 300.- ab Oktober 2017 bis zur Volljährigkeit bzw. bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Ausbildung; ferner hielt es fest, dass die Parteien die ausserordentlichen Bedürfnisse der Kinder im Verhältnis von 2/3 (Vater) und 1/3 (Mutter) sowie ab Oktober 2017 von 3/5 (Vater) und 2/5 (Mutter) zu tragen hätten. Weiter verpflichtete es A. zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 420.-, unter Feststellung einer Unterdeckung von Fr. 650.-, sowie zur Aushändigung der Küchenmaschine Kenwood.
Auf beidseitige Berufung hin verpflichtete das Kantonsgericht St. Gallen A. mit Entscheid vom 13. März 2018 zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 400.-. Weiter hielt es fest, dass für F. jeder Elternteil während seiner Betreuungszeit aufkomme und der Vater die Krankenkassenprämien bezahle. Die Kosten für die ausserordentlichen Bedürfnisse der Kinder auferlegte es den Eltern im Verhältnis von 3/5 (Vater) und 2/5 (Mutter). Im Übrigen wies es die Berufungen ab.
D. In Bezug auf den Kindesunterhalt und die Küchenmaschine Kenwood hat A. beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht, sinngemäss bzw. im Ergebnis mit den Begehren um Absehen von nachehelichem Unterhalt, um Verpflichtung der Mutter zu Unterhaltsbeiträgen von Fr. 1'200.- für E., um Verpflichtung der Parteien zur hälftigen Tragung der ausserordentlichen Kosten der Kinder und um Abweisung des Antrags auf Herausgabe der Küchenmaschine Kenwood.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
4.1 Das Kantonsgericht hat einleitend bemerkt, dass das Bundesgericht für die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen herkömmlich keine bestimmte Methode vorschreibe. Dies trifft zu; gemäss bundesgerichtlichen Vorgaben wurde der Methodenpluralismus bislang zugelassen (BGE 128 III 411 E. 3.2.2 S. 414 f.; BGE 140 III 337 E. 4.2.2 S. 339, BGE 140 III 485 E. 3.3 S. 488) und einzig die Vermischung einzelner Methoden als unzulässig erachtet.
Die auf 1. Januar 2017 erfolgte Einführung des Betreuungsunterhaltes führt zu einer erheblichen Komplizierung der Unterhaltsberechnung, namentlich wenn verschiedene Kinder untereinander und sodann diese mit dem Ehegatten in Konkurrenz stehen. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der zunehmenden interkantonalen Mobilität ist der Methodenpluralismus für die Zukunft kein gangbarer Weg mehr (Kritik an den bisher eingeräumten weiten Spielräumen, welche zu unterschiedlichen kantonalen Praxen im Bereich des Unterhaltsrechts geführt haben, üben namentlich: DIEZI, Nachlebensgemeinschaftlicher Unterhalt, 2014, S. 338 f.; BÜCHLER/CLAUSEN, Die Eigenversorgungskapazität im Recht des nachehelichen Unterhalts: Theorie und Rechtsprechung, FamPra.ch 2015 S. 7). Es drängt sich auf, für die gesamte Schweiz eine einheitliche Methodik im Bereich des Unterhaltsrechts zu entwickeln und verbindlich vorzugeben.
Einen ersten Schritt hierzu hat das Bundesgericht im öffentlich beratenen und BGE 144 III 377 E. 7 S. 379 getan, indem es die sog. Lebenshaltungskostenmethode als verbindlich erklärt und die anderen in der Doktrin diskutierten bzw. in der kantonalen Rechtsprechung teilweise angewandten Methoden als nicht sachgerecht verworfen hat. Im vorliegenden Urteil wird sich das Bundesgericht zur Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbsarbeit bei Betreuungspflichten (zum Resultat vgl. E. 4.7) und zum Verhältnis zwischen dem Betreuungsunterhalt und dem (nach-)ehelichen Unterhalt äussern (vgl. E. 4.8). Weitere Vorgaben werden im Rahmen künftiger Urteile folgen.
Wie sich im Einzelnen noch zeigen wird, bleibt das soeben Gesagte in Bezug auf den hier zu beurteilenden Fall ohne konkrete Auswirkung: Erstens pflegte das Kantonsgericht St. Gallen beim Betreuungsunterhalt zwar nicht der Lebenshaltungskostenmethode zu folgen, sondern legte diesem einen Fixbetrag im Verhältnis der Betreuungsquote zugrunde. Vorliegend hat es davon Abstand genommen mit der Begründung, dass das jüngste Kind unter der alternierenden Obhut der Elternteile steht, und deshalb nicht seine übliche Methode, sondern im Ergebnis die Lebenshaltungskostenmethode angewandt; es ist mithin bundesrechtskonform vorgegangen. Gleiches gilt für die vom Kantonsgericht sonst angewandte Form des Schulstufenmodells, wovon es vorliegend ebenfalls abgewichen ist (vgl. dazu E. 4.2). Was sodann die konkrete Unterhaltsberechnung anbelangt, fehlt es an einer hinreichenden Beschwerdebegründung (dazu nicht publ. E. 4.9.4), weshalb auch diesbezüglich die Beschwerde im Ergebnis abzuweisen ist (nicht publ. E. 4.9.5).
Für den vorliegenden Einzelfall hat es sodann erwogen, F. sei gut 13 Jahre alt und die Mutter müsste deshalb grundsätzlich im Umfang von 55 % arbeiten. Das für F. umgesetzte Modell der alternierenden Obhut verursache allerdings im Vergleich zum traditionellen Modell der einseitigen Obhutszuweisung Mehrkosten (höhere Mietkosten, doppelte Anschaffungen). In knappen Verhältnissen wie vorliegend bedeute dies, dass die Eltern, soweit zumutbar und möglich, einen grösseren Arbeitseinsatz zu leisten hätten. Dem entspreche, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung auch ungetrennte Elternpaare, welche die Kinderbetreuung ähnlich wie die Parteien aufgeteilt hätten, in der Regel deutlich mehr arbeiten würden als ungetrennte Paare mit klassischer Rollenteilung.
Für die konkrete Zumutbarkeit ging das Kantonsgericht sodann von der aktuellen Erwerbstätigkeit der Mutter von total 60 % aus sowie von ihrer Angabe anlässlich der Hauptverhandlung, Logistik-Fachleute seien sehr begehrt und es sei nicht schwer, eine Vollzeitstelle zu finden. Zum ADHS von F. erwog es, dass dies über eine erhöhte Betreuungsbedürftigkeit noch nichts aussage, allerdings Kinder mit diesem Syndrom typischerweise mehr Hilfe bei den Hausaufgaben und der allgemeinen Organisation des Alltags bräuchten; F. gehe mittlerweile in die 5. oder schon 6. Klasse, weshalb er an mehreren Nachmittagen Schule habe und sich der erhöhte Betreuungsbedarf insbesondere am späteren Nachmittag oder Abend oder gegebenenfalls den Wochenenden ergebe. Vor dem Hintergrund all dieser Elemente sei der Beschwerdegegnerin die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von 70 % zumutbar und auch tatsächlich möglich.
Im Unterschied zu Deutschland (zur Rechtsvergleichung statt vieler: MENNE, Betreuungsunterhalt in der Schweiz und in Deutschland, in: Private Law, 2011, S. 1251 ff.; MENNE, Brennpunkte des Unterhaltsrechts, FamPra.ch 2014 S. 525 ff.; ders., Der Betreuungsunterhalt im Rechtsvergleich, FamPra.ch 2017 S. 1021 ff.), wo der Betreuungsunterhalt ein Anspruch des betreuenden Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil ist (vgl. § 1570 Abs. 1 BGB für geschiedene und § 1615l Abs. 2 BGB für nicht verheiratete Eltern), wurde er vom schweizerischen Gesetzgeber als eine neben den Natural- und Barunterhalt tretende dritte Kategorie des Kindesunterhaltes ausgestaltet (vgl. Art. 276 Abs. 2 und Art. 285 Abs. 2 ZGB).
Art. 285 Abs. 2 ZGB spricht in allgemeiner Weise davon, dass der Unterhaltsbeitrag auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte diene. Soweit es dabei um kostenpflichtige Drittbetreuung geht, ist diese im Rahmen des Barunterhaltes zu berücksichtigen, welcher alle (direkten) Kosten für das Kind abdeckt, d.h. sämtliche an Dritte für die notwendige Pflege, Erziehung und Ausbildung des Kindes zu erbringenden Entgelte (vgl. Botschaft, BBl 2014 540 Ziff. 1.3.1, 551 Ziff. 1.5.2 und 576 Ziff. 2.1.3). Mit dem Betreuungsunterhalt werden dagegen die (indirekten) Kosten abgegolten, welche einem Elternteil dadurch entstehen, dass er aufgrund einer persönlichen Betreuung des Kindes davon abgehalten wird, durch Arbeitserwerb für seinen Lebensunterhalt aufzukommen (vgl. Botschaft, BBl 2014 554 Ziff. 1.5.2 und 576 Ziff. 2.1.3). Mit anderen Worten soll der Betreuungsunterhalt, obwohl er formell als Anspruch des Kindes ausgestaltet ist, wirtschaftlich dem persönlich betreuenden Elternteil zukommen.
Angesichts der spezifischen Anknüpfung und Ausgestaltung des Betreuungsunterhaltes im schweizerischen Recht ist dieser auf der einen Seite vom Bar- und Naturalunterhalt für das Kind und auf der anderen Seite vom ehelichen bzw. nachehelichen Unterhalt gegenüber dem anderen Ehegatten abzugrenzen (vgl. zu Letzterem nebst den nachfolgenden Ausführungen insbesondere auch E. 4.8):
Der Naturalunterhalt besteht in der Betreuung und Erziehung des Kindes; er stellt mithin die nichtpekuniäre Komponente des Kindesunterhalts dar. Der Bar- und der Betreuungsunterhalt werden beide in Form von Geldleistung erbracht, wobei wie gesagt der Barunterhalt alle direkten und der Betreuungsunterhalt die indirekten Kinderkosten umfasst. Soweit die Mittel nicht ausreichen, sind die beiden pekuniären Unterhaltskategorien nicht anteilsmässig zu kürzen, sondern muss der Barunterhalt dem Betreuungsunterhalt vorgehen, weil er der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse des Kindes dient, mithin auch wirtschaftlich direkt dem Kind zukommen soll, während der Betreuungsunterhalt wirtschaftlich dem betreuenden Elternteil zugedacht ist und nur indirekt die Bedürfnisse des Kindes (nämlich seine persönliche Betreuung) abdeckt; dies rechtfertigt, den Art. 276a Abs. 1 ZGB zugrunde liegenden Gedanken analog auf das Verhältnis zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt zu übertragen (gleicher Ansicht namentlich AESCHLIMANN/SCHWEIGHAUSER, in: Scheidung, Bd. I, 3. Aufl. 2017, N. 21 Allg. Bem. zu Art. 276-293 ZGB; SPYCHER, Kindesunterhalt: Grundlagen und Herausforderungen [nachfolgend: 2016], FamPra.ch 2016 S. 33; ALLEMANN, Betreuungsunterhalt, Jusletter 11. Juli 2016 Rz. 82; BURRI, Der Betreuungsunterhalt, 2018, S. 82).
Was sodann den auf Art. 163 ZGB fussenden ehelichen Unterhalt sowie den sich aus dem Gedanken der nachehelichen Solidarität ergebenden und rechtlich auf Art. 125 Abs. 1 ZGB stützenden nachehelichen Unterhalt im Falle fehlender Eigenversorgungskapazität anbelangt, ist nicht das Eltern-Kind-Verhältnis, sondern die Elternebene betroffen und damit naturgemäss einzig das verheiratete oder verheiratet gewesene Elternpaar. Die Verständigung über den Familienunterhalt bezieht sich nach der gesetzlichen Umschreibung in Art. 163 Abs. 2 ZGB auch auf die Kinderbetreuung und gemäss Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB ist diese bei der Scheidung zu berücksichtigen (für die heutige Tragweite dieser Bestimmung vgl. E. 4.8).
In der Unterhaltsnovelle wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Kindesunterhalt dem (nach-)ehelichen Unterhalt vorgeht (vgl. Art. 276a Abs. 1 ZGB). Aus den vorhandenen Mitteln ist folglich zuerst der Barunterhalt des Kindes, sodann der Betreuungsunterhalt für das Kind und am Schluss der (nach-)eheliche Unterhalt aufzufüllen.
4.4 In Bezug auf das konkrete Vorgehen bei der Festsetzung des Betreuungsunterhaltes macht die Botschaft eher vage Angaben und überlässt Einzelheiten bewusst der Praxis. Immerhin wird ausgehend von der Überlegung, dass der Betreuungsunterhalt nicht Entlöhnung für die Betreuung sein, sondern die zur erforderlichen persönlichen Betreuung eines Kindes notwendige physische Präsenz des Obhutsinhabers sicherstellen soll (vgl. Botschaft, BBl 2014 554 Ziff. 1.5.2 und 576 Ziff. 2.1.3), die Anwendung der Lebenshaltungskostenmethode empfohlen, welche das Bundesgericht im öffentlich beratenen und BGE 144 III 377 E. 7 S. 379 denn auch zur massgeblichen erklärt hat. Im Übrigen betont die Botschaft das Kindeswohl (BBl 2014 530 Übersicht, BGE 144 III 534 Ziff. 1 und 554 f. Ziff. 1.5.2) sowie die Gleichwertigkeit von Eigen- und Fremdbetreuung (BBl 2014 552 Ziff. 1.5.2 und 575 Ziff. 2.1.3; dazu E. 4.6 und 4.7), wobei davon auszugehen sei, dass die Eltern am besten wüssten, welche Lösung für ihr Kind die beste sei (BBl 2014 565 Ziff. 1.6.2 und 575 Ziff. 2.1.3; vgl. auch Votum Bundesrätin Sommaruga in der parlamentarischen Debatte, AB 2014 N 1233). Im Zusammenhang mit der von den Eltern vereinbarten Rollen- bzw. Lastenverteilung bzw. dem von ihnen gewählten Betreuungskonzept spricht die Botschaft sodann das Kontinuitätsprinzip an, welches es rechtfertige, die konkret gelebte Aufgabenteilung nach der Trennung für eine gewisse Zeit weiterzuführen (BBl 2014 552, 555 oben Ziff. 1.5.2 und 575 unten zu Art. 285 Abs. 2; dazu E. 4.5). Schliesslich hält die Botschaft fest, dass die Einführung des Betreuungsunterhaltes Anlass sein könnte, die sog. 10/16-Regel zu überdenken (BBl 2014 578 zu Art. 285 Abs. 2 a.E.).
Wenn die Botschaft sodann festhält, dass das elternautonom festgelegte Betreuungskonzept im Trennungsfall vorerst für eine gewisse Zeit weitergeführt werden soll, entspricht dies der konstanten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum bisherigen Kindesunterhaltsrecht: Hatten die Ehegatten während der Ehe eine klassische Rollenteilung gepflegt, indem der eine Elternteil ganz oder überwiegend einer Erwerbsarbeit nachging und die finanziellen Lasten der Gemeinschaft trug, während sich der andere ganz oder überwiegend der Kinderbetreuung widmete, so war im Trennungsfall dem die Obhut übernehmenden Elternteil nach der sog. 10/16-Regel ein Erwerbspensum von 50 % erst zumutbar, sobald das jüngste Kind 10 Jahre alt war, und ein solches von 100 % erst, sobald es 16 Jahre alt war (BGE 115 II 6 E. 3c S. 10; BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 109 sowie zahllose nicht publizierte Entscheide). Umgekehrt konnte sich nicht im Zuge der Trennung auf diese Regel berufen, wer trotz Kinderbetreuung bereits während des Zusammenlebens erwerbstätig war (vgl. Urteile 5A_100/2007 vom 4. Juli 2007 E. 4; 5A_6/2009 vom 30. April 2009 E. 2.3; 5A_177/2010 vom 8. Juni 2010 E. 8.2.2; 5A_894/2010 vom 15. April 2011 E. 5.2.2; 5A_319/2013 vom 17. Oktober 2013 E. 2.3.3; 5A_277/2014 vom 26. September 2014 E. 3.2; 5A_957/2014 vom 5. Mai 2015 E. 3.7.2).
Das Kontinuitätsprinzip wirkt sich mit anderen Worten in beide Richtungen aus, indem die Eltern im Trennungsfall für eine gewisse Zeit auf dem bisher Gelebten behaftet wurden. Entsprechend den Vorgaben der Botschaft ist das Kontinuitätsprinzip (zivilstandsunabhängig) auch im Bereich des Betreuungsunterhalts anzuwenden. Verschiedentlich wird dies zwar kritisiert, weil die vorbestandene Lösung nicht zwingend die beste für das Kind gewesen sein müsse (etwa BURRI, a.a.O., S. 64). Indes ist nur schwer zu sehen, inwiefern das Gericht besser als zuvor die Eltern soll beurteilen können, was im konkreten Fall zum besten Wohl des Kindes sei, und es wäre beispielsweise in der gelebten Rechtspraxis auch nicht denkbar, dass der Richter dem hauptbetreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit bzw. die Wahrnehmung eines Drittbetreuungsangebotes verbietet und ihn zu umfassender persönlicher Betreuung des Kindes verpflichtet.
Sodann braucht es diese auch im Zusammenhang mit dem Kontinuitätsprinzip: Die im gemeinsamen Haushalt (der verheirateten oder unverheirateten Eltern) praktizierte Aufgabenteilung kann nicht in alle Ewigkeit fortgesetzt werden; es würde sonst über die Tatsache hinweggesehen, dass mit der Trennung neue Lebensverhältnisse einhergehen, welche zwangsläufig von denjenigen abweichen, unter denen sich die Eltern auf eine bestimmte Aufgabenteilung verständigt haben (namentlich DIEZI, a.a.O., S. 524). Dass vor diesem Hintergrund die im gemeinsamen Haushalt gelebte Aufgabenteilung nicht auf unbestimmte Zeit perpetuiert werden kann, entspricht denn auch der bisherigen Rechtsprechung und den Vorgaben in der Botschaft ("für eine gewisse Zeit", vgl. Nachweise in E. 4.4).
Aus der soeben zitierten Aussage der Botschaft geht gleichzeitig hervor, dass dem die Obhut übernehmenden Elternteil, der sich bislang ganz oder überwiegend der Kinderbetreuung gewidmet hat, die Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit in der Regel nicht sofort zugemutet werden soll. Dies würde sich nebst den genannten Gründen auch deshalb nicht rechtfertigen, weil die Trenung eine einschneidende Zäsur für das Kind bedeutet, welche zuerst verarbeitet sein will. Eine gleichzeitig mit der Trennung einhergehende Umgestaltung des Betreuungsmodells würde sich deshalb mit dem Kindeswohl schlecht vereinbaren lassen. Wie dies schon bislang der Fall war, sind mithin - in Abhängigkeit vom Grad der Wiederaufnahme oder Ausdehnung, vom finanziellen Spielraum der Eltern und von weiteren Umständen des Einzelfalls - Übergangsfristen zu gewähren, die nach Möglichkeit grosszügig bemessen sein sollen (vgl. BGE 113 II 13 E. 5 S. 17; BGE 129 III 417 E. 2.2 S. 421; zuletzt Urteil 5A_1043/2017 vom 31. Mai 2018 E. 3.2).
4.6.1 Was nun die konkrete Regel für die Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Kinderbetreuung anbelangt, werden in der Lehre verschiedene Konzepte vorgeschlagen. Letztlich gehen alle Meinungsäusserungen von der Aussage in der Botschaft aus, wonach die Kindesunterhaltsrevision Anlass biete, die sog. 10/16-Regel zu überdenken (BBl 2014 578 zu Art. 285 Abs. 2 a.E.), und drehen sich darum, ob diese Regel für den Betreuungsunterhalt zu übertragen oder zu modifizieren sei (für mehr oder weniger unveränderte Übertragung der Regel: SPYCHER, Betreuungsunterhalt: Zielsetzung, offene Fragen und Berechnungsthemen, FamPra.ch 2017 S. 219; FANKHAUSER, Der Betreuungsunterhalt: zur Spurensuche und -deutung anhand von Materialien, in: Zivilrecht und seine Durchsetzung, 2016, S. 805; ALLEMANN, a.a.O., Rz. 36; BURRI, a.a.O., S. 67; für eine Modifikation im Sinn von Schulstufenmodellen in verschiedener Ausprägung: JUNGO/AEBI-MÜLLER/SCHWEIGHAUSER, Der Betreuungsunterhalt, FamPra.ch 2017 S. 167; ARNDT/BRÄNDLI, Berechnung des Betreuungsunterhalts, FamPra.ch 2017 S. 241; STOUDMANN, La contribution de prise en charge, in: Entretien de l'enfant et prévoyance professionnelle, 2018, S. 107; für ein Altersstufenmodell mit Eintrittsalter von drei Jahren gemäss deutschem Recht: RUMO-JUNGO, Betreuungsunterhalt bei getrennt lebenden nicht verheirateten Eltern, recht 2008 S. 35; KELLER, Gesetzliche Verankerung der Dreijahresregel nach deutschem Vorbild de lege ferenda auch in der Schweiz, FamPra.ch 2014 S. 582; DE LUZE, Entretien de l'enfant, in: Droit en question, 2017, S. 117 f.; BURRI, a.a.O., S. 71).
4.6.2 Die sog. 10/16-Regel wurde ursprünglich für die altrechtliche Scheidungsrente nach Art. 151 ZGB entwickelt, in der Folge - nach einer anfänglich erfolgten Fokussierung auf das Prinzip des clean break (vgl. BGE 127 III 136) - auf das neue Scheidungsrecht übertragen und schliesslich generell auch auf den ehelichen Unterhalt angewandt. Es ging mit anderen Worten immer um Unterhaltsleistungen, welche auf der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft bzw. der daran knüpfenden nachehelichen Solidarität fussen. Hintergrund bzw. materielle Grundlage war - analog zum Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards bei langjähriger und damit lebensprägender Ehe (vgl. BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 594 f.; BGE 134 III 145 E. 4 S. 146, BGE 134 III 577 E. 8 S. 580; BGE 135 III 59 E. 4.1 S. 61) - das Vertrauen in die zwischen den verheirateten Eltern gestützt auf Art. 163 Abs. 2 ZGB vereinbarte Aufgabenteilung in Verbindung mit dem Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe (aus der jüngeren Zeit z.B. BGE 135 III 59 E. 4.1 S. 61; BGE 138 III 97 E. 3.2 S. 101 f.; Urteile 5A_103/2008 vom 5. Mai 2008 E. 2.2.2; 5A_241/2010 vom 9. November 2010 E. 5.4.3 und 5.4.4).
Freilich war die 10/16-Regel immer auch vom Gedanken des Kindeswohls getragen, ansonsten nicht eine Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit (erst) ab den Altersstufen 10 bzw. 16 als zumutbar erachtet worden wäre. Dieser zunächst teilweise unausgesprochen gebliebene (vgl. aber bereits BGE 109 II 283 E. 5b S. 289) oder jedenfalls nur implizit angesprochene Hintergrund wurde in jüngeren Entscheidungen meist offen erwähnt, indem das Kindeswohl gleichberechtigt neben dem Vertrauen in die gestützt auf Art. 163 Abs. 2 ZGB vereinbarte Aufgabenteilung und den Fortbestand der Ehe als Begründung für die 10/16-Regel angeführt wurde (vgl. namentlich BGE 121 III 441 E. 3b/aa S. 443; BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 109; Urteile 5A_210/2008 vom 14. November 2008 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 135 III 158; 5A_6/2009 vom 30. April 2009 E. 2.2). In einem - von allen anderen Präjudizien abweichenden - Entscheid hat das Bundesgericht schliesslich festgehalten, die 10/16-Regel sei allein dem Kindeswohl verpflichtet (Urteil 5A_336/2015 vom 3. März 2016 E. 5.3).
4.6.3 Die im letztgenannten Urteil gemachte Aussage kann vor dem Hintergrund der Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates, wonach die Eigen- und die Fremdbetreuung grundsätzlich gleichwertig seien (Nachweise in E. 4.4) für den Betreuungsunterhalt nicht mehr massgebend sein. Der mit der 10/16-Regel unterschwellig verbundene Gedanke, dass ein Kind bis zu 10 Jahren auch unter der Woche auf ganztägige Eigenbetreuung angewiesen und Fremdbetreuung letztlich nicht im Kindeswohl sei, stand immer schon in einem gewissen Kontrast zur Prämisse, wonach die von den Eltern einvernehmlich gewählte Betreuungsform als die beste Lösung für das Kind anzusehen sei und die einmal gewählte Betreuungsart auch für den Trennungsfall Bestand haben solle (dazu E. 4.5). Die gedankliche Auflösung dieses Spannungsfeldes kann insofern offenbleiben, als die Botschaft für den Betreuungsunterhalt wie gesagt von einer Gleichwertigkeit zwischen Eigen- und Fremdbetreuung ausgeht. Dieser Grundsatz ist nunmehr - auch wenn der Gleichwertigkeitsgrundsatz in der Lehre bislang kaum aufgenommen worden ist - für den Betreuungsunterhalt als neues Kernprinzip massgeblich. Entsprechend kann es nicht nur für den Fall elterlicher Einigung, sondern muss es auch für die richterliche Entscheidung im Streitfall gelten (vgl. auch E. 4.7.1). Die entscheidende Ausgangsfrage lautet mithin: Wie lange und in welchem Umfang braucht ein Kind im konkreten Fall persönliche Betreuung?
4.7 Die Notwendigkeit persönlicher Betreuung ist zunächst im Sinn des Kindeswohls durch die objektivierbaren Bedürfnisse des Kindes bestimmt, und zwar durch die allgemeinen Bedürfnisse eines jeden kleinen Kindes, ferner aber auch durch spezifische Bedürfnisse z.B. bei physischen oder psychischen Gebrechen (kindbezogene Gründe). Sodann muss bei gelebten Verhältnissen nach dem in E. 4.5 und 4.6 Gesagten für eine erste Phase das Kontinuitätsprinzip greifen, weil die Prämisse besteht, dass die Eltern am besten wissen, welches Betreuungskonzept ihrem Kind zum Wohl gereicht (elternbezogene Gründe). Schliesslich setzt der in der Botschaft aufgestellte Gleichwertigkeitsgrundsatz gedanklich die Existenz adäquater Drittbetreuungsstrukturen voraus; fehlen solche in sinnvoller geographischer Distanz oder sind sie aufgrund langer Wartelisten nicht innert nützlicher Frist greifbar, bleibt bei kleineren Kindern zwangsläufig nur die persönliche Betreuung übrig (umgebungsbezogene Gründe).
Der von der Botschaft vorgegebene Grundsatz, dass die Eigen- und die Fremdbetreuung grundsätzlich als gleichwertig anzusehen sind (vgl. E. 4.6.3), schliesst ein einseitiges Wahlrecht des Obhutsberechtigten für den Fall elterlicher Uneinigkeit über die richtige Betreuungsform aus, umso mehr als die betreffende Wahl grundsätzlich zur Ausübung des Sorgerechts gehört, welches im Regelfall unabhängig von der Obhutszuteilung beiden Elternteilen gemeinsam zusteht (Art. 296 Abs. 2 ZGB; zu den Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Alleinzuteilung des Sorgerechts vgl. BGE 141 III 472 und die darauf beruhende Rechtsprechung).
Ebenso wenig kann aber eine rein ökonomische Betrachtung im Vordergrund stehen, nach welcher die Betreuungsform an dem auszurichten wäre, was insgesamt die grösste materielle Wohlfahrt verspricht. Vielmehr ist gemäss Botschaft stets das Kindeswohl im konkreten Einzelfall massgebend. Die diesbezügliche richterliche Entscheidfindung stösst freilich an die Grenzen der Justiziabilität. Insofern bedarf es, wie festgehalten, einer auf den Normalfall ausgerichteten Regel.
4.7.2 Der deutsche Gesetzgeber hat in Abkehr von der früher praktizierten sog. 08/15-Regel vorgegeben, dass Betreuungsunterhalt im Normalfall während der drei ersten Lebensjahre des Kindes geschuldet ist (vgl. § 1570 Abs. 1 bzw. § 1615l Abs. 2 BGB). Dies scheint eine sinnvolle gesetzgeberische Entscheidung zu sein. Einer Übernahme dieses Schwellenalters für die Schweiz würde angesichts der fehlenden gesetzgeberischen Vorgaben jedoch ein willkürliches Element innewohnen, weil es - abgesehen von Stimmen in der kinderpsychologischen Literatur (dazu E. 4.7.4), wonach ein Kind vor allem in den ersten drei Jahren eine enge Bezugsperson brauche - an keine objektiven Anhaltspunkte zu knüpfen vermag und wenig einsichtig ist, weshalb ein Kind im Sinn einer allgemeinen Richtlinie gerade bis drei Jahre auf persönliche Betreuung angewiesen sein soll und nachher nicht mehr. Vielmehr ist eine gewisse Altersabstufung weiterhin naheliegend und scheint es überdies geboten, objektivierbare Kriterien zum Ausgangspunkt zu machen.
4.7.4 Konkrete Eckpunkte lassen sich auch aus der kinderpsychologischen Forschung nicht ableiten: Diese ist bislang zu keinem klaren Ergebnis gelangt, welche Betreuungsform in der Nachtrennungszeit für ein Kind am besten wäre (vgl. Zusammenstellung zahlreicher Studien bei RUHE/SCHREIBER, Nicht elterliche Drittbetreuung, FamPra.ch 2017 S. 756 ff.). Als gesichert kann einzig gelten, dass Kleinkinder in einer ersten Lebensphase empfindlich auf jeden Wechsel der Pflegeperson reagieren, insbesondere wenn damit auch ein Wechsel in der häuslichen Umgebung verbunden ist, weshalb sichergestellt sein sollte, dass eine geeignete und nicht wechselnde Person ganztägig zur persönlichen Betreuung zur Verfügung steht (vgl. Hinweise auf die betreffende kinderpsychologische Literatur bereits in BGE 121 III 441 E. 3b/aa S. 443).
Die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen als zuständiges Fachgremium des Bundes geht in ihrem im Jahr 2008 verfassten Bericht "Familien- und schulergänzende Kinderbetreuung" davon aus, dass die stabile Bindung an eine Betreuungsperson zur Ausprägung des "Urvertrauens" im ersten Lebensjahr wichtig, jedoch für die weitere Entwicklung des Kindes primär die Qualität der in verschiedenen Formen möglichen Betreuung entscheidend ist (in diesem Sinn auch SCHWEIGHAUSER, in: Scheidung, Bd. I, 3. Aufl. 2017, N. 65 zu Art. 285 ZGB).
Der Bericht lässt mit anderen Worten offen, welche Betreuungsform im Anschluss an die erste Lebensphase des Kindes vorzuziehen ist. Aus der kinderpsychologischen Literatur ergibt sich, wie bereits angetönt, kein eindeutiges Ergebnis, dass nach dem ersten Lebensjahr eine vollumfängliche persönliche Betreuung eines gesunden Kindes für dessen körperliche, geistige und soziale Entwicklung weiterhin unabdingbar wäre (Hinweise auf verschiedene internationale Studien z.B. bei KELLER, Gesetzliche Verankerung der Dreijahresregel nach deutschem Vorbild de lege ferenda auch in der Schweiz, FamPra.ch 2014 S. 574 ff.). Es werden freilich verschiedene Thesen vertreten und diese nehmen teilweise die Form eines Glaubenskrieges an (DIEZI, a.a.O., S. 527); verschiedentlich wird von Fachseite frei eingeräumt, dass sich letztlich keine stringenten Aussagen machen lassen (vgl. SCHREINER, in: Scheidung, Bd. II, 3. Aufl. 2017, Anh. Psych N. 165; RUHE/SCHREINER, a.a.O., S. 760 f.).
4.7.5 Im neulich (noch zum früheren Kindesunterhaltsrecht) ergangenen Urteil 5A_98/2016 vom 25. Juni 2018 E. 3.5 hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ab wann einer Mutter die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, wenn sie für die im Zuge der Trennung unter die Obhut des Vaters gestellten Kinder Unterhaltsleistungen zahlen muss und später aus einer neuen Beziehung ein Kind zur Welt bringt. Unter Verweis auf den erwähnten Bericht der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen, auf die Rechtsprechung zu ähnlichen Konstellationen und auf Ziff. C.I.3 der per 1. Januar 2017 dahingehend revidierten SKOS-Richtlinien hat das Bundesgericht befunden, dass während des ersten Lebensjahres des neugeborenen Kindes die persönliche Betreuung und die damit einhergehende Unzumutbarkeit einer Erwerbsarbeit für die Mutter eine besondere Rechtfertigung für die ungleiche Verteilung von Natural- und Geldunterhalt gegenüber den Kindern aus den zwei Beziehungen darstellen kann.
Dass mithin nach Vollendung des ersten Lebensjahres des unter ihrer Obhut stehenden Kindes der Mutter eine Erwerbstätigkeit (wieder) zumutbar war, kann indes nicht im Sinn einer generellen Richtlinie für den Betreuungsunterhalt verallgemeinert werden. Dies ist vielmehr zugeschnitten auf den Fall, dass die (finanziellen und betreuerischen) Unterhaltsansprüche von Kindern aus verschiedenen Beziehungen in Konkurrenz stehen, so dass ein gerechter Ausgleich zu finden und kein Kind über Gebühr zu vernachlässigen ist.
4.7.6 Mit der obligatorischen Einschulung des Kindes (in der Mehrheit der Kantone der Kindergarten-, in verschiedenen aber auch der eigentliche Schuleintritt) wird der obhutsberechtigte Elternteil in verbindlicher Weise während der betreffenden Zeit von der persönlichen Betreuung entbunden. Dies muss - letztlich mangels anderer objektivierbarer Kriterien für die Betreuungsbedürfnisse eines sich normal entwickelnden Kindes (dazu E. 4.7.1 bis 4.7.5) - zum Ausgangspunkt genommen werden. Dabei geht es folglich, in Nachachtung des für das neue Recht geltenden Gleichwertigkeitsgrundsatzes (dazu E. 4.6.3 und 4.7.1), nicht um eine Kindeswohlüberlegung, sondern um die Anknüpfung an die verbindliche Übernahme von Betreuungsaufgaben durch den Staat. Objektivierbar ist sodann, dass sich die schulische Betreuung im Verlauf der Jahre ausdehnt. Dies sowie die allgemeine Entwicklung des Kindes lassen eine Ausdehnung der zumutbaren Erwerbsquote nach Schulstufen des Kindes als angezeigt erscheinen.
Dass nach dem Gesagten für die Regelbildung im Sinn eines Ausgangspunktes an der obligatorischen Beschulung des Kindes anzuknüpfen ist, könnte eine schrittweise feine Abstufung der jeweils zumutbaren Erwerbsquote nahelegen. Es ist jedoch zu befürchten, dass dies an der realen Situation auf dem Arbeitsmarkt vorbeiginge und in der Praxis (auch rechnerisch) nur schwer zu handhaben wäre. Es scheint mit Blick auf die Praxistauglichkeit sachgerechter, die Stufen zu vergröbern und für den Normalfall dem hauptbetreuenden Elternteil ab der (je nach Kanton mit dem Kindergarten- oder mit dem eigentlichen Schuleintritt erfolgenden) obligatorischen Beschulung des jüngsten Kindes eine Erwerbsarbeit von 50 %, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe I eine solche von 80 % und ab dessen Vollendung des 16. Lebensjahres einen Vollzeiterwerb zuzumuten.
4.7.7 Dabei handelt es sich wie gesagt um den Ausgangspunkt der Regelbildung insofern, als der betreuende Elternteil auch anders als durch die obligatorische Beschulung des Kindes von Betreuungspflichten entlastet und dadurch für eine Erwerbstätigkeit frei werden kann. Zu denken ist für die vorangehende Zeit zum Beispiel an die Betreuung in einer Kinderkrippe oder durch eine Tagesmutter, aber auch im Rahmen freiwilliger Kindergartenjahre, und ab dem Zeitpunkt der obligatorischen Einschulung namentlich an kindergarten- oder schulergänzende Angebote.
Die Verfügbarkeit solcher Angebote darf nicht ausser Acht bleiben, insbesondere dort, wo keine gelebte Situation vorliegt. Nach dem in E. 4.7.1 Gesagten würde zwar eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise dem Kindeswohlgedanken nicht gerecht. Indes steht es nicht im Widerspruch zum Anliegen der Unterhaltsrevision, die bestmögliche Betreuung des Kindes sicherzustellen, wenn bei elterlichem Dissens auch wirtschaftliche Gedanken in die richterliche Entscheidfindung einfliessen: Die Eltern haben gemeinsam alle Bedürfnisse des Kindes abzudecken (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB); dazu gehört nicht nur die Betreuung, sondern gleichwertig auch die Bereitstellung der nötigen finanziellen Mittel. Es dürfte nicht im Interesse des Kindes liegen, dauerhaft in Sozialhilfeabhängigkeit oder jedenfalls am Rand des Existenzminimums aufzuwachsen, wie dies selbst bei mittleren Verhältnissen droht, wenn mit einem einzigen Erwerbseinkommen zwei Haushalte finanziert werden müssen. Insofern liegt die beidseitige Ausschöpfung der elterlichen Eigenversorgungskapazität, wo dies aufgrund greifbarer Drittbetreuungsangebote zu bewerkstelligen ist und im Ergebnis zu spürbaren wirtschaftlichen Vorteilen führt, durchaus im Kindeswohl (vgl. DIEZI, a.a.O., S. 529). Jedenfalls wäre es für die heutige Zeit, wo auch in gemeinsam geführten Haushalten überwiegend beide Elternteile zumindest teilweise erwerbstätig sind, nicht einsichtig, wieso es bei getrennten Haushalten, die zwangsläufig höhere Kosten verursachen, anders sein sollte; statistische Erhebungen zeigen denn nebst der genannten Tatsache auch, dass betreuende Elternteile in getrennten und in gemeinsamen Haushalten zu relativ ähnlichen Prozentsätzen erwerbstätig sind (vgl. im Einzelnen zu den Erwerbsquoten und der Erwerbssituation bei Kinderbetreuung in Paar- bzw. Einzelhaushalten: Bundesamt für Statistik, "Erwerbsquoten der 25- bis 54-Jährigen nach Geschlecht, Familiensituation und Alter des jüngsten Kindes" [su-d-01.07.05.01] und "Erwerbssituation der 25- bis 54-Jährigen nach Geschlecht, Familiensituation und Alter des jüngsten Kindes im Haushalt" [su-d-01.07.05.07]).
Mit dem soeben Gesagten soll - vor dem Hintergrund des in beide Richtungen geltenden Gleichwertigkeitsgrundsatzes - keine Vermutung zugunsten einer möglichst umfassenden Drittbetreuung des Kindes auch für den vor- sowie ausserschulischen Bereich, sondern eine diesbezügliche richterliche Prüfungspflicht aufgestellt werden. Damit steht den Sachgerichten auch die Möglichkeit offen, auf die fortschreitenden gesellschaftlichen Veränderungen und die nach wie vor in Ausbau befindlichen Drittbetreuungsangebote zu reagieren. Dies haben sie übrigens schon im Zusammenhang mit der 10/16-Regel getan; zwar hat das Bundesgericht für das alte Kindesunterhaltsrecht an dieser bis zuletzt im Sinn einer Richtlinie festgehalten, es ist aber kein Fall ersichtlich, in welchem das Bundesgericht ein begründetes Abweichen von der Richtlinie nicht geschützt hätte.
Von selbst versteht sich, dass - nebst dem Vorhandensein und der konkreten Greifbarkeit von Drittbetreuungsangeboten, auch schulergänzenden wie Mittagstisch etc., welche eine Erwerbstätigkeit faktisch zulassen (sog. umgebungsbezogene Gründe, vgl. 4.7) - immer auch die tatsächliche Erwerbsmöglichkeit anhand der üblichen Kriterien (Gesundheit, Ausbildung, Arbeitsmarktlage etc., vgl. BGE 128 III 4 E. 4a S. 5; BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 108; Urteil 5A_129/2015 vom 22. Juni 2016 E. 5.5.1) zu prüfen ist; all dies ist freilich eine von der Zumutbarkeit als Rechtsfrage zu unterscheidende und separat zu prüfende Tatsachenfrage.
4.7.9 Von den soeben aufgestellten Richtlinien kann aufgrund pflichtgemässer richterlicher Ermessensausübung im Einzelfall abgewichen werden. Beispielsweise darf Berücksichtigung finden, dass bei vier Kindern die verbleibende ausserschulische Betreuungslast (Aufgabenhilfe, Vorkehrungen im Krankheitsfall, Kindergeburtstage, Hilfestellung bei der Ausübung von Hobbys etc.) deutlich grösser als bei nur einem Kind und deshalb eine Erwerbstätigkeit von 50 % bzw. 80 % gemäss Schulstufen allenfalls nicht zumutbar ist. Eine erhöhte Betreuungslast kann sich auch durch eine Behinderung eines Kindes ergeben (vgl. E. 4.7; MICHEL/LUDWIG, in: ZGB, Kurzkommentar, 2. Aufl. 2018, N. 8c zu Art. 285 ZGB). Spezifische Besonderheiten des Einzelfalles waren schon nach der bisherigen Rechtsprechung zu berücksichtigen (vgl. etwa das Urteil 5A_210/2008 vom 14. November 2008 E. 3.3.1, nicht publ. in: BGE 135 III 158).
4.8.1 Vor dem Hintergrund, dass die 10/16-Regel namentlich auf dem Gedanken des schützenswerten Vertrauens in den Bestand der Ehe baut, könnte sie für den (nach-)ehelichen Unterhalt an sich belassen werden, indem das mit der Unterhaltsrevision aus der betreffenden Unterhaltskategorie ausgegliederte Element der Kinderbetreuung (vgl. Botschaft, BBl 2014 555 Ziff. 1.5.2) nach Ablauf des Betreuungsunterhaltes für eine gewisse weitere Zeit in jene "zurückverschoben" würde. Ein solches Vorgehen wäre namentlich aufgrund der Aussage in der Botschaft, wonach die Einführung des Betreuungsunterhaltes das System des nachehelichen Unterhalts nicht grundsätzlich in Frage stellen soll (BBl 2014 555 Ziff. 1.5.2), und der Tatsache, dass Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB nicht gestrichen wurde, denkbar und in der Theorie vielleicht sogar naheliegend.
Zum einen würde die für die Rechtspraxis ohnehin an Grenzen stossende Komplexität der Unterhaltsberechnung zusätzlich vergrössert. Mehr noch als dieser praktische Aspekt fällt jedoch ins Gewicht, dass die Ehe in den letzten Jahrzehnten ihren Charakter als "Versorgungsinstitut" stark eingebüsst hat und angesichts der zwischenzeitlich bei knapp 50 % liegenden Scheidungsquote (vgl. Bundesamt für Statistik, "Zusammengefasste Scheidungsziffer" [gr-d-01. 06.01.02.04-su]) aus der gesamtgesellschaftlichen Perspektive zwar nach wie vor, aber nicht mehr in gleicher Intensität von einem schützenswerten Vertrauen in den Fortbestand der Ehe gesprochen werden kann.
Sodann dürfen auch die stark veränderten Rahmenbedingungen (aufgekommenes und immer noch in Ausbau befindliches Drittbetreuungsangebot) und gesellschaftlichen Ansichten in Bezug auf die Betreuungsformen nicht ausgeblendet werden. Heute lässt die überwiegende Zahl von Eltern ihre Kinder bereits sehr früh ganz oder teilweise und in unterschiedlichen Strukturen durch Drittpersonen betreuen, um selbst einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können (statistische Nachweise in E. 4.7.7), in der Überzeugung, dass dies insgesamt eine gute Lösung sei. Entscheiden sich die Eltern anders, indem sie die persönliche Betreuung auch älterer Kinder als beste Lösung erachten, ist diese Aufgabenteilung im Trennungsfall vorerst, aber nicht für beliebige Zeit fortzuführen (dazu E. 4.5 und 4.6). Für die richterliche Entscheidung, wie die Situation nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist auszusehen hat, kann der angesprochene gesamtgesellschaftliche Anschauungswandel auch auf der Ebene des Ehegattenunterhalts nicht unberücksichtigt bleiben. Es wäre künstlich, hier (weiterhin) einen anderen Massstab anzulegen.
Ein Teil der Lehre weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass damit der (nach-)eheliche Unterhalt im Ergebnis "gekürzt" werde, ohne dass sich die äusseren Umstände geändert hätten, was nicht das Anliegen der Gesetzesrevision gewesen sein könne (namentlich FANKHAUSER, a.a.O., S. 805; BURRI, a.a.O., S. 67; SPYCHER, Betreuungs- und Vorsorgeunterhalt - Stand der Diskussion und Ausblick, in: Elterliche Sorge, Betreuungsunterhalt, Vorsorgeausgleich und weitere Herausforderungen, 2018, S. 90). Freilich haben sich diese nicht auf das Stichdatum des 1. Januar 2017, wohl aber seit Begründung der 10/16-Regel markant verändert, wie vorstehend dargelegt worden ist. Darauf dürfte denn auch die Aussage in der Botschaft zielen, die Einführung des Betreuungsunterhaltes könnte Anlass sein, die 10/16-Regel zu überdenken (BBl 2014 578 zu Art. 285 Abs. 2 a.E.). Insgesamt drängt sich nach dem Gesagten auf, die Richtlinien für die Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbsarbeit im Zusammenhang mit Kinderbetreuung für den Betreuungsunterhalt und den (nach-)ehelichen Unterhalt zu harmonisieren.
Aus dem Gesagten ergibt sich zusammenfassend, dass die 10/16-Regel nicht nur nicht auf den Betreuungsunterhalt zu übertragen (vgl. E. 4.7.3), sondern vielmehr auch im Bereich des (nach-)ehelichen Unterhaltes aufzugeben ist. Für die Zumutbarkeit der (Wieder-)Aufnahme und/oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit gelten fortan die gleichen Richtlinien, wie sie in E. 4.7.6 bis 4.7.9 aufgestellt worden sind.
4.8.3 Als Themata des nachehelichen Unterhaltes verbleiben somit die Nachteile, welche durch die Kinderbetreuung entstehen und quantitativ nicht durch den wirtschaftlich dem betreuenden Elternteil zugedachten Betreuungsunterhalt abgedeckt sind. Dazu gehört namentlich die Differenz zwischen dem für den Betreuungsunterhalt relevanten familienrechtlichen Existenzminimum (vgl. BGE 144 III 377 E. 7.1.4 S. 386) und dem gebührenden Unterhalt (vgl. Botschaft, BBl 2014 556 Ziff. 1.5.2; SCHWENZER/BÜCHLER, in: Scheidung, Bd. I, 3. Aufl. 2017, N. 77 und 85 zu Art. 125 ZGB; SPYCHER, 2016, a.a.O., S. 33). Es geht bei diesem um die Fortführung des bisherigen Lebensstandards (vgl. BGE 135 III 49 E. 4.1 S. 61; BGE 137 III 102 E. 4.2.1.1 S. 106; BGE 141 III 465 E. 3.1 S. 468 f.) und um den sog. Vorsorgeunterhalt zum Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge (vgl. namentlich BGE 135 III 158). Aus diesem Grund war es denn auch sachgerecht, dass der Gesetzgeber - anders als der Vorentwurf es vorsah - Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB nicht gestrichen hat.