BGE 99 III 9
 
3. Auszug aus dem Entscheid vom 14. Mai 1973 i.S. Kropf
 
Regeste
Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG).
Verwirkung des Rechts, der Pfändung des Stockwerkeigentums zu widersprechen? Parteirollenverteilung.
 
Sachverhalt
Aus dem Tatbestand:
A.- Auf den Liegenschaften Kat. Nr. 398 und 399 an der Weiten Gasse in der Zürcher Altstadt stehen die aneinandergebauten Häuser Versicherungsnummer 73 und 71 (Weite Gasse 10 und 8). Das Dach des Hauses Nr. 71 auf Kat. Nr. 399 (Weite Gasse 8) trägt einen Raum mit einer Grundfläche von 33,84 m2, der nur vom Hause Nr. 73 auf Kat. Nr. 398 (Weite Gasse 10) aus zugänglich ist und früher offenbar drei Kammern umfasste, später dagegen als Waschküche diente.
In dem vom Notariat Zürich (Altstadt) geführten Grundprotokoll war hinsichtlich der Liegenschaft Nr. 399 mit dem Hause Nr. 71 früher angemerkt, dass zum Nachbarhause Nr. 73 auf Kat. Nr. 398 drei Kammern über dem Dache des Hauses Nr. 71 gehören. Später wurde diese Anmerkung wie folgt neu gefasst:
"Stockwerkeigentum: Kat. Nr. 398 besitzt auf dem Dache von Kat. Nr. 399 eine... Waschküche, die ein Flächenmass von 33,84 m2 besitzt".
Ein Grundprotokollauszug vom 23. September 1970 bezeichnet Karl Camenzind, dem damals auch die Liegenschaft Nr. 398 gehörte, als Eigentümer von folgendem "Grundeigentum": "Stockwerkeigentum im Sinne von Art. 45 SchlT/ZGB an der Waschküche auf dem Dache des Gebäudes Nr. 71 auf der Liegenschaft Kat. Nr. 399...".
B.- Im Jahre 1970 wurde in Betreibungen gegen Camenzind neben der Liegenschaft Nr. 398, die bereits Gegenstand von Grundpfandbetreibungen war, das Stockwerkeigentum Camenzinds gepfändet. Am 11. November 1970 wurde die Liegenschaft Nr. 398 auf Begehren der Grundpfandgläubiger versteigert. Den Zuschlag erhielt André Giger. Das Stockwerkeigentum wurde von dieser Versteigerung nicht erfasst.
C.- Nachdem ein Pfändungsgläubiger die Verwertung des Stockwerkeigentums verlangt und das Betreibungsamt die untere Aufsichtsbehörde gestützt auf Art. 73 lit. b VZG und Art. 132 SchKG um Bestimmung des Verwertungsverfahrens ersucht hatte, unterrichtete diese Behörde André Kropf, der im Grundprotokoll als Eigentümer der Liegenschaft Nr. 399 eingetragen ist, mit Schreiben vom 10. März 1972 über die Pfändung des Stockwerkeigentums des Schuldners Camenzind und verlangte von ihm nähere Angaben über die Pfandbelastung der Liegenschaft Nr. 399. Kropf liess am 27. März 1972 antworten, es handle sich nicht um Stockwerkeigentum, sondern die Liegenschaft Nr. 399 sei mit einem Überbaurecht belastet. Später verdeutlichte er diese Erklärung dahin, die Liegenschaft Nr. 399 stehe in seinem Alleineigentum; sie sei nie in Stockwerkeigentum aufgeteilt worden; zur Nachbarliegenschaft Nr. 398 gehöre von alters her ein seine Liegenschaft überragender Überbau, der nur von Nr. 398 aus zugänglich sei.
Die untere und die obere kantonale Aufsichtsbehörde entschieden, das gepfändete Stockwerkeigentum sei im Hinblick auf den Wortlaut des Grundprotokolls und auf Art. 20bis SchlT/ZGB als Miteigentumsanteil im Sinne von Art. 712 a ZGB an der Liegenschaft Nr. 399 zu behandeln und gemäss Art. 73 lit. a VZG zu versteigern; Art. 73 lit. b VZG sei im Falle von Stockwerkeigentum nicht anwendbar. Die obere Aufsichtsbehörde zog in ihren Erwägungen allerdings in Zweifel, ob im Grundprotokoll zu Recht Stockwerkeigentum eingetragen sei, fand aber, es sei nicht tunlich, die Rechtslage hinsichtlich der Waschküche entsprechend dem Wunsche Kropfs vor der Versteigerung endgültig abzuklären, weil Verwertungsbegehren nach Art. 122 und 133 SchKG innert kurzer Fristen zu vollziehen seien. Sie erliess zum Schutz der von Kropf beanspruchten Rechte lediglich die Weisung, das Betreibungsamt habe in den Steigerungsbedingungen darauf aufmerksam zu machen, dass der Eintrag des Stockwerkeigentums im Grundprotokoll "rechtlich zweifelhaft" sei.
D.- Mit seinem Rekurs an das Bundesgericht besteht Kropf darauf, dass vor der Versteigerung des gepfändeten Stockwerkeigentums die Rechtslage mit Bezug auf die streitige Waschküche abgeklärt werde.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hebt den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde auf und weist das Betreibungsamt an, im Sinne der nachfolgenden Erwägung das Widerspruchsverfahren einzuleiten.
 
Aus den Erwägungen:
Macht ein Dritter ein Recht geltend, das die Pfändung ausschliesst (oder doch bei der Verwertung und Verteilung zu berücksichtigen ist), so ist das Widerspruchsverfahren nach Art. 106 ff. SchKG durchzuführen (BGE 80 III 71 /72 mit Hinweisen; STOCKER, Widerspruchsverfahren, SJK Nr. 985 S. 1). Das gilt u.a. auch dann, wenn streitig ist, ob und in welchem Umfang der Schuldner pfänd- und verwertbares Miteigentum an einer Liegenschaft besitzt (vgl. Art. 23 Abs. 4 VZG, BGE 72 III 46 und STOCKER, a.a.O. S.11). Das Betreibungsamt Zürich l'das die Pfändung des im Grundprotokoll eingetragenen Stockwerkeigentums des Schuldners Camenzind vollzogen hat, ist daher anzuweisen, über den vom Rekurrenten erhobenen Anspruch darauf, dass die Liegenschaft Nr. 399 mit Ausnahme der Waschküche auf dem Hausdach ihm allein gehöre und dass er mit Bezug auf diese Waschküche kein Stockwerkeigentum, sondern nur ein Überbaurecht zugunsten der Nachbarliegenschaft Nr. 398 anzuerkennen habe, das Widerspruchsverfahren einzuleiten. Dringt der Rekurrent mit diesem Anspruch durch, so ist der Pfändung von Stockwerkeigentum und dem daran anschliessenden Verwertungsverfahren die Grundlage entzogen.
Dem Rekurrenten kann nicht etwa entgegengehalten werden, er habe sein Recht, der Pfändung zu widersprechen, durch arglistige Verzögerung der Anmeldung seines Anspruchs verwirkt (vgl. hiezu BGE 97 III 64 Erw. 2). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er von der Pfändung des Stock werkeigentums schon vor Erhalt des Schreibens der untern Aufsichtsbehörde vom 10. März 1972 Kenntnis gehabt habe. Auf dieses Schreiben liess er der Aufsichtsbehörde schon am 27. März 1972 antworten, es handle sich nicht um Stockwerkeigentum, sondern um ein Überbaurecht.
Das Widerspruchsverfahren ist nach Art. 106/107 SchKG durchzuführen, d.h. die Klägerrolle ist dem Rekurrenten zuzuweisen, da seine Rechtsbehauptung den Eintragungen im Grundprotokoll widerspricht (BGE 72 III 44 ff.). Hieran ändert nichts, dass die Vorinstanz die Richtigkeit dieser Eintragungen mit beachtlichen Gründen in Zweifel zieht.