BGE 83 III 17
 
5. Entscheid vom 28. Februar 1957 i.S. Kamer.
 
Regeste
Die provisorische Pfändung (Art. 83 Abs. 1 SchKG) ist wie eine definitive zu vollziehen und kann daher auch den Lohn (Art. 93 SchKG) erfassen.
Anzeige an den Arbeitgeber (Art. 99 SchKG)
 
Sachverhalt
In der Betreibung, die Gottlieb Beringer für eine Forderung von Fr. 6180.-- gegen Josef Kamer führt, stellte der Gläubiger, nachdem er am 17. Januar 1956 provisorische Rechtsöffnung erwirkt und der Schuldner Aberkennungsklage erhoben hatte, am 1. Dezember 1956 das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt Büren a.A. pfändete am 5. Dezember 1956 neben einer auf Fr. 500.-- geschätzten Liegenschaft vom Lohn des Schuldners, der als Bauführer monatlich Fr. 1000.-- verdient, im Sinne einer provisorischen Pfändung gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG Fr. 480.-- pro Monat und zeigte dies dem Arbeitgeber an. Daraufhin führte der Schuldner (der auf Ende Januar 1957 seine Stelle zu wechseln gedachte) Beschwerde "gegen die bereits erfolgte Mitteilung an den heutigen und die offenbar beabsichtigte Mitteilung an den zukünftigen Arbeitgeber". Er vertrat die Meinung, die Lohnpfändung dürfe dem Arbeitgeber wegen der mit einer solchen Anzeige verbundenen Nachteile vor dem Entscheid über die Aberkennungsklage nicht mitgeteilt werden. Von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 13. Februar 1957 abgewiesen, rekurriert er an das Bundesgericht mit den Begehren, die Lohnpfändung sei aufzuheben; eventuell sei das Betreibungsamt anzuweisen, eine Mitteilung im Sinne von Art. 99 SchKG an den heutigen Arbeitgeber zu unterlassen.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerde an die Vorinstanz richtete sich formell nur gegen die Anzeige an die Arbeitgeber, so dass man sich fragen kann, ob der Hauptantrag des Rekurses, mit dem die Aufhebung der Lohnpfändung verlangt wird, ein gemäss Art. 79 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) unzulässiges neues Begehren darstelle. Diese Frage kann jedoch dahingestellt werden, weil der erwähnte Antrag auch dann nicht geschützt werden kann, wenn man ihn auf Grund der Annahme, die Beschwerde an die Vorinstanz habe sich der Sache nach auch bereits gegen die Lohnpfändung als solche gerichtet, als prozessual zulässig ansieht. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist nämlich die provisorische Pfändung im Sinne von Art. 83 Abs. 1 SchKG wie eine definitive zu vollziehen (JAEGER N. 5 zu Art. 83, S. 216). Sie kann daher nach Massgabe von Art. 93 SchKG auch den Lohn des Schuldners erfassen. Der einzige Unterschied zwischen der provisorischen und der definitiven Pfändung besteht darin, dass der Gläubiger, solange die Pfändung bloss provisorisch ist, die Verwertung nicht verlangen kann (Art. 118 SchKG), dass die Pfändungsurkunde bei bloss provisorischer Pfändung keinen definitiven oder provisorischen Verlustschein im Sinne von Art. 115 Abs. 2 SchKG bildet, auch wenn die Pfändung überhaupt keine oder keine genügende Deckung ergeben hat (BGE 76 III 1), und dass einem Gläubiger, zu dessen Gunsten erst provisorisch gepfändet wurde, die dem Betreibungsamt abgelieferten Lohnbeträge und der Anteil am Erlös einer von einem andern Gläubiger herbeigeführten Verwertung (Art. 144 Abs. 5 SchKG) nicht ausbezahlt werden dürfen. Indem das Betreibungsamt den Lohn des Rekurrenten in die provisorische Pfändung einbezog, hat es also keinen Satz des Bundesrechts verletzt.
2. Unbegründet ist aber auch der Eventualantrag des Rekurrenten. Art. 99 SchKG stellt den Erlass der Anzeige an den Schuldner der gepfändeten Forderung (hier: an den Arbeitgeber) nicht in das Ermessen des Betreibungsamts, sondern schreibt diese Anzeige allgemein vor. Die Aufsichtsbehörden können das Betreibungsamt von der Einhaltung dieser Vorschrift nicht entbinden, auch nicht bei der provisorischen Pfändung, die eben gleich wie eine definitive zu vollziehen ist. Das kann höchstens der Gläubiger tun, indem er auf die zu seinem Schutz vorgeschriebene Anzeige verzichtet. Wenn das Betreibungsamt die Anzeige in Vertrauen auf die Ehrlichkeit des Schuldners von sich aus unterlässt, ist es für einen dem Gläubiger daraus allenfalls entstehenden Schaden verantwortlich.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.