BGE 81 III 124
 
34. Auszug aus dem Entscheid vom 17. August 1955 i. S. Kaufmann.
 
Regeste
Anwendungsbereich von Art. 38 GebT (Gebühren für Verkauf aus freier Hand), speziell im Konkurs (Art. 56 GebT).
Der besondern Mühewaltung des Konkursamtes oder der Konkursverwaltung ist gemäss Art. 10 GebT Rechnung zu tragen.
 
Sachverhalt
Aus dem Tatbestand:
Der Rekurrent hat als Konkursbeamter während des vom 22. März 1954 bis 23. Dezember 1954 dauernden Konkursverfahrens über Theo Müller, mechanische Drechslerei, Wil, die von den Gläubigern beschlossene Weiterführung des Geschäftes des Gemeinschuldners geleitet. Er reichte der kantonalen Aufsichtsbehörde die Kostennote ein, die sich - nach einigen Korrekturen - auf Fr. 9375.40 belief. Davon entfielen Fr. 891.-- auf Barauslagen und Fr. 2095.-- auf nicht tarifierte, gemäss Art. 10 des Gebührentarifs festzusetzende Gebühren. Diese Beträge wurden von der kantonalen Aufsichtsbehörde genehmigt. Unter den tarifierten Gebühren, wie sie der Rekurrent in Rechnung stellte, strich die Aufsichtsbehörde dagegen rund Fr. 1000.-- für Verkäufe aus dem Ladengeschäft und Fr. 2090.-- für Warenverkäufe aus dem Fabrikbetrieb des Gemeinschuldners. Demgemäss setzte sie die Gesamtentschädigung auf Fr. 6285.40 fest.
Der Rekurrent hatte die beiden gestrichenen Posten auf Art. 38 GebT gestützt, wonach bei Verkauf aus freier Hand die Gebühren des Art. 36 Abs. 1, wie sie für die Vorbereitung und Abhaltung der Versteigerung vorgesehen sind, verdoppelt werden. Er hält gegenüber dem kantonalen Entscheid am Anspruch auf diese Verkaufsgebühren fest.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
... Der Vorinstanz ist darin beizustimmen, dass die in Art. 38 GebT normierte Entschädigung nur für Freihandverkäufe gilt, die als Verwertungsmassnahme vorgenommen werden, also an die Stelle einer Versteigerung oder eines Ausverkaufes treten. Das ergibt sich eindeutig aus der Einreihung des Art. 38 wie des Art. 36 unter die Ziff. VI "Verwertung" (umfassend die Art. 35 - 40) und auch aus dem Inhalt des Art. 38, der sich eben an Art. 36 Abs. Abs. 1 anlehnt, die Verdoppelung der dort für die Vorbereitung und Abhaltung der Versteigerung oder Ausverkäufe festgesetzten Gebühren vorsieht und überdies auf Art. 130 SchKG hinweist. Im Konkurse sind die Bestimmungen der Art. 35 bis 41 sowie 43 und 44 GebT entsprechend anwendbar "für die Verwertung des Massevermögens und die Verteilung des Erlöses" (Art. 56 GebT). Somit gilt Art. 38 auch hier nur für die als Verwertungsart vorgenommenen Verkäufe aus freier Hand. Im Konkurs wie im Pfändungs- und Pfandverwertungsverfahren ist die Verdoppelung der gewöhnlichen Verwertungsgebühren daraus zu erklären, dass dem Beamten bzw. Konkursverwalter durch Gewinnung von Interessenten, Verhandlungen, Vertragsabschlüsse usw. beträchtlich mehr Umtriebe erlaufen können, als bei Durchführung einer Steigerung oder eines (gleichfalls öffentlich ausgeschriebenen) Ausverkaufes.
Diese Voraussetzung fehlt, wenn der Betrieb des Gemeinschuldners weitergeführt wird, das Personal desselben weiterhin Verkaufsgeschäfte besorgt und der Beamte bzw. Konkursverwalter den Betrieb nur zu leiten und zu überwachen hat. Im übrigen kommt der Fortführung des Betriebes nicht der Charakter einer Verwertungsmassnahme zu. Es handelt sich vielmehr darum, den einem solchen Betriebe gewidmeten Teil des Konkursvermögens in zweckmässiger Weise zu verwalten. Dabei spielt sowohl das Interesse der Konkursgläubiger (im Hinblick auf einen Verkauf des Geschäftes als Gesamtvermögen) wie auch des Schuldners (der allenfalls einen Nachlassvertrag anstrebt, wie im vorliegenden Falle) eine Rolle. Gewiss fällt der Reinertrag, der während des Konkurses erzielt wird (nach Abzug der Spesen wie auch eines Unterhaltsbeitrages an den Schuldner, vgl. Art. 229 Abs. 2 SchKG) in die Masse. Es verhält sich aber damit nicht anders als mit natürlichen oder zivilen Früchten (Miet- und Pachtzinserträgnissen) einer zum Konkursvermögen gehörenden Liegenschaft. Die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes ist nicht Verwertungsmassnahme, sondern fällt in den Rahmen der dem Beamten oder Konkursverwalter obliegenden Verwaltung und Sicherung des Massevermögens (vgl FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung II 108). Über die Weiterführung des Betriebes pflegt denn auch die erste Gläubigerversammlung (Art. 238 Abs. 1 SchKG) oder der Gläubigerausschuss (Art. 237 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG) in einem Stadium des Konkurses zu beschliessen, wo die Verwertung (Art. 252 ff.) noch nicht eingeleitet, die Frage also noch offen ist, ob und in welcher Weise sie wird erfolgen mussen.
Dem steht nicht entgegen, dass die erste Gläubigerversammlung unter dem Gesichtspunkt einer unaufschiebbaren Massnahme auch eine vorzeitige Verwertung bestimmter Aktiven, und zwar unter Umständen, wenn sich gerade eine günstige Gelegenheit bietet, einen Verkauf aus freier Hand beschliessen kann (Art. 238 SchKG; JAEGER, N. 1 dazu). Denn die Weiterführung eines Geschäftsbetriebes erfolgt nicht in diesem Sinne.
Da nun die Bemühungen, die dem Beamten oder Konkursverwalter aus der Betreuung des weitergeführten Betriebes erwachsen, im wesentlichen nicht tarifiert sind, kann er somit nur nach Art. 10 GebT entschädigt werden. Das ist hier nach vorinstanzlicher Feststellung auf Grund einer detaillierten Rechnungsstellung für alle einzelnen Verrichtungen vollumfänglich geschehen ...
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.