BGE 144 II 345
 
28. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Bundesverwaltungsgericht (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
8C_134/2018 vom 17. September 2018
 
Regeste
Art. 330a Abs. 1 OR in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 BPG; Arbeitszeugnis.
 
Sachverhalt
A. A. (geb. 1979) arbeitete seit 1. März 2014 als Gerichtsschreiberin beim Bundesverwaltungsgericht. Vom 30. April bis 1. Oktober 2014, vom 2. Juli bis 31. August 2015 sowie ab 12. November 2015 war sie wegen Mutterschaftsurlaub und Krankheit abwesend. Das Bundesverwaltungsgericht löste das Arbeitsverhältnis mit Verfügung vom 25. Mai 2016 fristlos auf, nachdem es A. mit Schreiben vom 12. Mai 2016 letztmals aufgefordert hatte, umgehend zur Arbeit zu erscheinen.
B. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid vom 20. Dezember 2017 teilweise gut und verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht, A. (unter anderem) innert 10 Tagen ab Rechtskraft des Entscheides ein im Sinne der Erwägungen abgeändertes Arbeitszeugnis auszustellen.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten stellt A. das Rechtsbegehren, das Bundesverwaltungsgericht sei zu verpflichten, ihr (unter anderem) ein Arbeitszeugnis mit den in der Beschwerde angeführten Änderungen auszustellen.
Das Bundesverwaltungsgericht schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) beantragt die teilweise Gutheissung der Beschwerde. Hierzu hat sich die Beschwerdeführerin nochmals geäussert.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 5
 
Erwägung 5.2
Laut Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Ein solches qualifiziertes Zeugnis bzw. Vollzeugnis soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und deshalb wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, weshalb es grundsätzlich wahr und vollständig zu sein hat. Ein qualifiziertes Zeugnis darf und muss daher bezüglich der Leistungen des Arbeitnehmers auch negative Tatsachen erwähnen, soweit diese für seine Gesamtbeurteilung erheblich sind. Dies trifft auf eine Krankheit zu, die einen erheblichen Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellte und damit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete. Eine geheilte Krankheit, welche die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens nicht beeinträchtigt, darf dagegen nicht erwähnt werden. Längere Arbeitsunterbrüche sind - auch wenn sie krankheitsbedingt waren - in einem qualifizierten Zeugnis zu erwähnen, wenn sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen und daher ohne Erwähnung bezüglich der erworbenen Berufserfahrung ein falscher Eindruck entstünde. Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls (BGE 136 III 510 E. 4.1 S. 511 f. mit Hinweisen; Urteil 4A_574/2017 vom 14. Mai 2018 E. 4).
5.2.2 Gemäss Lehre dürfen gegen den Willen des Arbeitnehmers andere Abwesenheiten wie Militärdienst, Mutterschaftsurlaub oder unbezahlter Urlaub sowie Freistellungen nur erwähnt werden, wenn - wie bei einer Krankheit - die Dauer der Abwesenheit im Verhältnis zur gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses erheblich ins Gewicht fällt und das Zeugnis dadurch an Aussagewert einbüsst (JÜRG BRÜHWILER, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar zu den Art. 319-343 OR, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 330a OR; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N. 3e zu Art. 330a OR; PORTMANN/RUDOLPH, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 2015, N. 5 zu Art. 330a OR). ENZLER vertritt ebenfalls die Auffassung, dass längere Absenzen, die im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer wesentlich ins Gewicht fallen, sowohl im einfachen wie auch im qualifizierten Arbeitszeugnis zu erwähnen sind, falls das Arbeitszeugnis ansonsten zu falschen Schlüssen über die durch die Beschäftigung erworbenen Fähigkeiten des Arbeitnehmers Anlass geben könnte. Er will aber die Erwähnung des Grundes für die Unterbrechung unter Abwägung der jeweiligen Interessen sowohl des Arbeitnehmers als auch Dritter vom Einzelfall abhängig machen (ALEX ENZLER, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch, 2012, S. 85 f.; SUSANNE JANSSEN, Die Zeugnispflicht des Arbeitgebers, 1996, S. 125 f.).
 
Erwägung 5.3
5.3.1 Die Beschwerdeführerin hatte am 1. März 2014 beim Beschwerdegegner zu arbeiten begonnen. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Beschwerdegegner mit Verfügung vom 25. Mai 2016 fristlos aufgelöst. Wegen der Unrechtmässigkeit der fristlosen Kündigung endete das Arbeitsverhältnis ordentlich per 31. August 2016. Während dieser Zeit war die Beschwerdeführerin insgesamt rund 14 Monate wegen Krankheit und Mutterschaft abwesend (30.04.-01.10.2014, 02.07.-31.08.2015 und 12.11.2015-31.05.2016). Die Absenzen machten folglich fast die halbe Dauer des Arbeitsverhältnisses aus. Da deshalb die Dauer der Abwesenheit im Verhältnis zur Anstellungsdauer zweifellos erheblich ins Gewicht fällt, muss sie im Arbeitszeugnis erwähnt werden. Andernfalls entstünde ein falscher Eindruck bezüglich der vorhandenen Berufserfahrung der Beschwerdeführerin, welche zudem bei der Beschwerdegegnerin ihre erste Vollzeitstelle nach Studium angetreten hatte. Daran ändert nichts, dass die Absenzen nicht mit Unterbrüchen erfolgten. Entscheidend ist einzig das Verhältnis zwischen der Dauer der effektiv geleisteten Arbeit und jener der Abwesenheit.
5.3.2 Die Beschwerdeführerin wendet sich in der Beschwerde weder gegen die Nennung der Abwesenheit an sich noch gegen deren Dauer. Sie ist indessen der Auffassung, dass die Begründung für die Absenz "Mutterschaft/Krankheit" weder wahr noch wohlwollend und deshalb aus dem Arbeitszeugnis zu streichen sei. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die Angabe "Krankheit" in einem Arbeitszeugnis sei offensichtlich ein Nachteil und biete Anlass zu Spekulationen über den Grund. Die Angabe der "Mutterschaft" sei ebenfalls zu streichen. Um Benachteiligungen im Zusammenhang mit familiären Verhältnissen zu vermeiden, stünde der Arbeitnehmerin im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens gar das sogenannte Notwehrrecht der Lüge zu. Sämtliche Angaben, die den privaten Lebensbereich der Arbeitnehmerin beträfen und für das zukünftige Arbeitsverhältnis nicht relevant seien, seien nicht anzugeben. Eine Mutterschaft könne einen Wettbewerbsnachteil darstellen. Die Angabe "Mutterschaft" in einem Arbeitszeugnis stehe den Bemühungen diametral entgegen, Diskriminierungen nach dem Gleichstellungsgesetz zu vermeiden.
5.3.3 Müssen Arbeitsunterbrüche erwähnt werden, weil andernfalls ein falsches Bild über die erworbene Berufserfahrung entstünde, dann gebieten es der Grundsatz der Vollständigkeit und das Gebot der Klarheit eines Arbeitszeugnisses, auch die Gründe für die Abwesenheit aufzuführen. Für den Abwesenheitsgrund der Krankheit kann dazu auf die oben zitierte Rechtsprechung verwiesen werden (vgl. E. 5.2.1 hiervor). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist dabei irrelevant, dass ihre Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen war. Entscheidend für die Grundangabe ist einzig, dass die Beschwerdeführerin während ihrer Abwesenheit krankgeschrieben war. Nicht anders verhält es sich bei Abwesenheiten wie Militärdienst, Mutterschaftsurlaub, unbezahlter Urlaub oder Freistellungen. Es ist kein Grund ersichtlich, solche Arbeitsunterbrüche mit Bezug auf die Nennung im Arbeitszeugnis anders zu behandeln als eine Abwesenheit wegen Krankheit. Ein potentieller Arbeitgeber wird die Abwesenheit hinterfragen und sich nach den Gründen erkundigen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin lässt daher nicht die Angabe von Gründen Raum für Spekulationen (vgl. dazu auch JANSSEN, a.a.O., S. 126 Fn. 275), sondern im Gegenteil deren Nichterwähnung, was nicht im Interesse der Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmers liegt. Im Übrigen hat die Vorinstanz zutreffend dargelegt, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern sich die Nennung des Abwesenheitsgrundes der Mutterschaft negativ auswirken sollte. Die Beschwerdeführerin begründet nicht näher, inwiefern sich die Erwähnung des Mutterschaftsurlaubs im Arbeitszeugnis nachteilig auf ihr berufliches Fortkommen auswirken sollte. Entgegen ihrer Auffassung kann sie auch aus dem Notwehrrecht der Lüge nichts zu ihren Gunsten ableiten. Das Arbeitszeugnis dient in erster Linie dem beruflichen Fortkommen, ist ein wesentlicher Bestandteil eines Bewerbungsdossiers und dementsprechend auch Thema und Grundlage eines Bewerbungsgesprächs. Was somit in einem Vorstellungsgespräch verschwiegen und gar aktiv geleugnet werden darf, kann grundsätzlich auch nicht Thema eines Zeugnisses sein. Mutterschaft als "frauenspezifisches Phänomen" ist in Bezug auf eine allfällige Diskriminierung sicher genau zu betrachten. An sich kann sie, genauso wie die Vaterschaft, mit Blick auf die dadurch gewonnenen Erfahrungsfelder im Bewerbungswettbewerb auch mit Vorteilen verbunden sein. Ein Nachteil kann darin bestehen, dass der (potentielle) Arbeitgeber um mögliche Absenzen fürchtet, die beispielsweise durch Krankheit der Kinder oder anderweitigen Betreuungsbedarf bedingt sein können; auch dies kann Väter genauso treffen, angesichts der noch immer vorherrschenden Rollen- und Aufgabenverteilung unter den Eltern aber sicher weit weniger häufig und ausgeprägt als Frauen. Wesentlich ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass bei einer Frau im gebärfähigen Alter, ob sie nun Mutter ist oder nicht, stets mit der Möglichkeit einer (weiteren) Mutterschaft und entsprechenden Ausfällen zu rechnen ist. Selbst wer im Lebenslauf also angibt, kinderlos zu sein, ist es möglicherweise schon wenige Monate nach Stellenantritt nicht mehr. Fragen nach Familienplanung werden im Bewerbungsgespräch grundsätzlich nicht gestellt. Mit Blick auf diesen biologisch bedingten Umstand, der alle Frauen im gebärfähigen Alter betrifft, fällt die Angabe einer schwanger- oder mutterschaftsbedingten Absenz im Zeugnis kaum spürbar ins Gewicht, umso weniger, als damit auch positive Effekte verbunden sein können. Eine Verletzung der Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes ist nicht ersichtlich. Eine solche wird von der Beschwerdeführerin nicht konkret dargelegt, sondern nur behauptet.
5.3.4 Mit Bezug auf die übrigen Änderungsanträge erweist sich die Beschwerde ebenfalls als unbegründet. Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer den Wortlaut und die Formulierung eines Arbeitszeugnisses bestimmt (vgl. E. 5.2.3 hiervor). Entgegen den Vorbringen in der Beschwerde ist nicht ersichtlich, inwiefern es boshaft ist, das Austrittsdatum in einem separaten Satz festzuhalten und weshalb sich daraus der Schluss ergeben sollte, dass das Arbeitsverhältnis auf ungute Weise aufgelöst wurde. Vorliegend steht fest, dass dieses vom Beschwerdegegner aufgelöst wurde. Aufgrund des Grundsatzes der Wahrheit des Arbeitszeugnisses kann daher entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin im Arbeitszeugnis nicht festgehalten werden, dass das Arbeitsverhältnis seitens der Arbeitnehmerin beendet worden sei.