BGE 109 II 51
 
14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. März 1983 i.S. G. gegen Iren H.-M. (Berufung)
 
Regeste
Bäuerliches Vorkaufsrecht.
2. Das EGG verbietet es einem nicht selbstbewirtschaftenden Vorkaufsberechtigten nicht, sein Vorkaufsrecht auch gegen einen selbstbewirtschaftenden Käufer durchzusetzen (E. 3).
 
Sachverhalt
Am 11. Februar 1981 schlossen M. und G. einen Kaufvertrag über das landwirtschaftliche Heimwesen ab, das M. schon seit mehreren Jahren nicht mehr selber bewirtschaftet, sondern an verschiedene Landwirte verpachtet hatte. Am 14. Juli 1981 wurde der Vertrag zum Eintrag im Grundbuch angemeldet. Der Grundbuchführer gab davon den gemäss Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vorkaufsberechtigten Nachkommen des Verkäufers Kenntnis. Am 27. Juli 1981 teilte Iren H.-M. dem zuständigen Grundbuchamt mit, dass sie das Vorkaufsrecht für das gesamte landwirtschaftliche Heimwesen ausübe.
Mit Klage an das Bezirksgericht P. stellte G. daraufhin das Rechtsbegehren, es sei richterlich festzustellen, dass das Vorkaufsrecht durch Iren H.-M. rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden und der vom Kläger mit M. abgeschlossene Kaufvertrag im Grundbuch einzutragen sei. Am 9. Januar 1982 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
Eine dagegen erhobene Berufung an das Obergericht des Kantons Thurgau blieb ohne Erfolg. Gegen das obergerichtliche Urteil vom 23. September 1982 wendet sich G. mit Berufung an das Bundesgericht und beantragt, festzustellen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäss Art. 6 ff. EGG durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich und damit ungültig sei.
 
Aus den Erwägungen:
2. Die Feststellungsklage richtet sich gegen eine gestützt auf gesetzliche Vorschrift vorkaufsberechtigte Person. Bei einer solchen Rechtslage stehen der Käufer der mit einem gesetzlichen Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft und der Vorkaufsberechtigte, der sein Recht ausgeübt hat, in keinem Vertragsverhältnis zueinander. Sie treten nur insofern in eine rechtliche Beziehung, als es für beide um den Kaufvertrag geht, in den der sein Recht ausübende Vorkaufsberechtigte eintreten will. Das hindert indessen nicht daran, eine Feststellungsklage des Käufers gegen den Vorkaufsberechtigten zuzulassen, wenn der Feststellungskläger ein erhebliches rechtliches Interesse betreffend den Bestand oder Nichtbestand eines ausgeübten Vorkaufsrechtes nachzuweisen vermag (BGE 101 II 187 und BGE 96 II 131 je mit weiteren Hinweisen). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat eine Feststellungsklage des Verkäufers gegen den Käufer zugelassen (BGE 90 II 33 E. 3). Eine entsprechende Klage einer gemäss Art. 6 ff. EGG allenfalls vorkaufsberechtigten Partei gegen den Käufer eines landwirtschaftlichen Grundstücks wurde in BGE 97 II 280 f. E. 2 nur deshalb nicht als zulässig betrachtet, weil der Klägerin gegen den im Grundbuch schon eingetragenen Käufer und damit im Sinne einer Realobligation Verpflichteten auch die gleichzeitig geltend gemachte Klage auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums zustand. Im übrigen hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung in anderem Zusammenhang in Übereinstimmung mit der Lehre anerkannt, dass die Feststellungsklage nicht bloss rechtliche Beziehungen zwischen den Parteien oder einer Partei zu einer Sache sowie die daraus sich ergebenden Rechte und Pflichten, sondern auch Rechtsverhältnisse Dritter, z.B. die Rechtsbeziehung zwischen einem Dritten und einer Prozesspartei, zum Gegenstand haben kann, wenn der Kläger gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung hat (BGE 93 II 16 E. 2c). Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn es um die Frage geht, ob sich der Käufer eines Grundstücks durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zurücksetzen lassen muss.
3. Der Berufungskläger bestreitet nicht, dass Iren H.-M. als Tochter des Verkäufers gestützt auf Art. 6 Abs. 1 EGG grundsätzlich ein Vorkaufsrecht am landwirtschaftlichen Gewerbe zusteht, das ihm ihr Vater am 11. Februar 1981 verkauft hat. Indessen betrachtet er die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Berufungsbeklagte deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil diese im Gegensatz zu ihm gar nicht daran denke, den landwirtschaftlichen Betrieb selber zu bewirtschaften. Vielmehr beabsichtige sie, dieses Heimwesen weiter zu veräussern. Bekanntlich habe ein Interesse daran bestanden, den landwirtschaftlichen Betrieb von M. in die zur Zeit noch nicht abgeschlossene Güterzusammenlegung einzubeziehen. Gerade dagegen aber habe sich der Verkäufer zur Wehr gesetzt. Iren H.-M. könne in diesem Lichte besehen nur als Strohmann gelten; sie habe das ihr zustehende Vorkaufsrecht daher für einen andern Käufer ausgeübt, was Art. 9 Abs. 1 EGG ausdrücklich verbiete.
a) Wenn der Berufungskläger davon ausgeht, dass die Ausübung eines Vorkaufsrechtes nach Art. 6 Abs. 1 EGG nicht dazu führen soll, dass der agrarpolitisch bedeutsame Grundsatz des Vorranges des Selbstbewirtschafters gegenüber dem nicht selbstbewirtschaftenden Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes missachtet wird, so mag dies ein Postulat de lege ferenda sein. Im geltenden Gesetz findet der Berufungskläger dafür keine Stütze. Zwar hat der Bundesrat in dem den Eidgenössischen Räten unterbreiteten Gesetzesentwurf zum Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 in Art. 7 Abs. 1 vorgesehen, dass das Vorkaufsrecht nur Berechtigten zustehen soll, sofern "sie das Gut selbst bewirtschaften wollen". In dieser Hinsicht ist das Parlament aber dem Bundesrat nicht gefolgt. Dies mit der Begründung, dass es in diesem Zusammenhang darum gehe, Bindungen in der Familie zu schützen (vgl. Sten.Bull. Nationalrat 1948, S. 409 f., und Ständerat 1949, S. 333 f., 432 f.). So spielt denn die Selbstbewirtschaftung im geltenden Gesetz nur insofern eine Rolle, als in Art. 11 Abs. 2 EGG unter ranggleichen Vorkaufsberechtigten, die alle ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen, dem Selbstbewirtschafter der Vorzug gegeben wird. Zudem können gemäss Art. 12 Abs. 1 EGG Verwandte in gerader Linie das Vorkaufsrecht im Gegensatz zu andern Verwandten zum Ertragswert im Sinne des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen ausüben, sofern sie den landwirtschaftlichen Betrieb zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen und hiefür geeignet erscheinen.
b) Zu beachten bleibt allerdings, dass der Vorkaufsberechtigte, der sein Recht ausübt, hinsichtlich einer Weiterveräusserung an beliebige Dritte nicht frei bleibt. Zum einen sieht Art. 218 Abs. 1 OR vor, dass landwirtschaftliche Grundstücke während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden dürfen. Eine Ausnahme ist in Art. 218bis OR nur auf behördliche Bewilligung hin, und zwar bei Vorliegen wichtiger Gründe, vorgesehen. Zudem wäre auch in jedem Fall von Weiterveräusserung zu beachten, dass die in Art. 6 ff. EGG vorgesehenen Vorkaufsrechte erneut wirksam würden. Auch wenn zutreffen würde, was nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse (Art. 63 Abs. 2 OG) im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Iren H.-M. keineswegs schon mit Sicherheit feststand, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nur bezweckt werden sollte, das landwirtschaftliche Heimwesen entgegen dem bisherigen Willen des Verkäufers in die noch nicht abgeschlossene Güterzusammenlegung einzubringen, so stünde daher noch nicht fest, ob dieses Ziel auch tatsächlich erreicht werden könnte.
c) Somit lässt sich aber auch nicht behaupten, das Vorkaufsrecht sei im Sinne von Art. 9 Abs. 1 EGG verbotenerweise für einen andern ausgeübt worden. Dieses gesetzliche Verbot unterstreicht den persönlichen Charakter des Vorkaufsrechts, wenn es weder einer Abtretung zugänglich sein, noch für einen andern soll ausgeübt werden können. Hingegen wurde bei dieser Bestimmung weiter nicht an den Fall der indirekten Stellvertretung gedacht, denn eine solche sollte schon auf anderem Wege in dem Rahmen ausgeschlossen bleiben, als eine Weiterveräusserung nicht anerkannten agrarpolitischen Zielen zuwiderlaufen darf. Daran ändert nichts, dass Art. 7 Abs. 2 des bundesrätlichen Gesetzesentwurfes, welcher im Gesetz als Art. 9 Abs. 1 übernommen wurde, insofern eine weitergehende Bedeutung haben konnte, als dort die Selbstbewirtschaftung im Vordergrund stand.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen.