BGE 105 II 1
 
1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Februar 1979 i.S. D. gegen D.(Berufung)
 
Regeste
Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951.
Das Scheidungsurteil, das ein Flüchtling mit schweizerischem Wohnsitz im gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten erwirkt hat, kann in der Schweiz jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn der Beklagte, der ebenfalls als Flüchtling in der Schweiz wohnt, sich auf den Scheidungsprozess nicht eingelassen hat.
 
Sachverhalt
A.- Die ungarischen Staatsangehörigen Andreas Istvan D. und Maria-Anna Klara P. heirateten im Jahre 1945 in Bupapest. Seit dem Jahre 1956 leben sie als anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz. Am 17. Juli 1970 verliess der Ehemann die eheliche Wohnung in Zürich und weigert sich seither, die eheliche Gemeinschaft wiederaufzunehmen. Mit Verfügung vom 12. November 1970 bewilligte der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich der Ehefrau die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts und genehmigte eine Vereinbarung der Parteien, worin sich der Ehemann zur Bezahlung eines Unterhaltsbeitrags von monatlich Fr. 1'500.- verpflichtete. Dieser Betrag wurde am 27. Februar 1973 vom Einzelrichter auf Fr. 1'700.- erhöht.
Anfangs 1973 beauftragte der Ehemann einen ungarischen Rechtsanwalt mit der Einreichung einer Scheidungsklage in Ungarn. Dieser forderte die Ehefrau auf, ihrerseits einen ungarischen Anwalt mit der Führung des Prozesses zu beauftragen. Frau D. weigerte sich jedoch, dies zu tun, da sie die ungarischen Gerichte für unzuständig erachtete. Sie verweigerte auch die Annahme der Vorladung zur Verhandlung, die ihr das Zentrale Bezirksgericht von Pest auf dem Rechtshilfeweg hatte zukommen lassen. Mit Urteil vom 29. November 1973, rechtskräftig geworden am 9. April 1974, schied dieses Gericht die Ehe der Parteien. Frau D. nahm das ihr auf dem Rechtshilfeweg zugestellte Urteil nicht an.
In der Folge stellte der Ehemann die Zahlung der durch den Eheschutzrichter festgesetzten Unterhaltsbeiträge ein, worauf er von der Ehefrau betrieben wurde. Als er Rechtsvorschlag erhob, verlangte diese beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich die Rechtsöffnung. Ihr Begehren wurde jedoch am 6. September 1974 abgewiesen. Der Einzelrichter nahm an, das Scheidungsurteil vom 29. November 1973 sei in der Schweiz anzuerkennen, da es von einem zuständigen Gericht erlassen worden sei und nicht gegen den schweizerischen ordre public verstosse; für Eheschutzmassnahmen bestehe daher kein Raum mehr. Sämtliche Rechtsmittel gegen diese Verfügung wurden abgewiesen, darunter mit Urteil vom 20. Oktober 1975 auch eine staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht.
B.- Am 15. Oktober 1976 leitete Frau D. gegen Andreas Istvan D. eine Klage ein, mit der sie beantragte, "es sei festzustellen, dass die Klägerin mit dem Beklagten nach wie vor in rechtsgültiger Ehe verheiratet ist". Mit Urteil vom 17. Oktober 1977 hiess das Bezirksgericht Zürich die Klage gut. Demgegenüber wies das Obergericht des Kantons Zürich in Gutheissung einer Berufung des Beklagten mit Urteil vom 15. Juni 1978 die Klage ab, im wesentlichen mit der Begründung, das ungarische Scheidungsurteil müsse in der Schweiz anerkannt werden, da der Flüchtlingsstatus es einem Flüchtling nicht verbiete, statt der Gerichte des Wohnsitzstaates diejenigen der Heimat anzurufen, zumal wenn der Heimatstaat die ausschliessliche Zuständigkeit in Anspruch nehme, wie dies für Ungarn mit Bezug auf die Scheidung ungarischer Staatsangehöriger der Fall sei; schliesslich verstosse dieses Urteil auch nicht gegen den schweizerischen ordre public.
C.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt die Klägerin, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und dasjenige des Bezirksgerichts wiederherzustellen.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Ferner verlangt er, das von der Klägerin eingereichte Gutachten von Prof. Pierre A. Lalive sei aus dem Recht zu weisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Zu Recht sind die kantonalen Gerichte auf die vorliegende Feststellungsklage eingetreten. Die Klägerin hat ein offensichtliches Interesse an der Abklärung der Frage, ob ihre Ehe weiterhin besteht oder ob sie durch das Urteil des Zentralen Bezirksgerichts von Pest vom 29. November 1973 geschieden worden ist. Die Ungewissheit, die zwischen den Parteien über diese Frage besteht, kann nur durch eine Klage auf Feststellung des Fortbestehens der Ehe beseitigt werden. Sie wurde durch die vorausgegangenen Entscheide im Rechtsöffnungsverfahren nicht behoben. Gegenstand jenes Verfahrens bildete die Erteilung der Rechtsöffnung, nicht das Bestehen der Ehe, und über die Anerkennung des ungarischen Scheidungsurteils wurde damals nur vorfrageweise entschieden. Die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts überprüfte die betreffenden Entscheide der zürcherischen Gerichte in ihrem Urteil vom 20. Oktober 1975 zudem nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür. Die Frage des Bestehens der Ehe der Parteien ist daher noch nicht rechtskräftig beurteilt. Der Beklagte beruft sich denn auch nicht auf die Einrede der Rechtskraft, sondern er begnügt sich damit, die Begründung der Rechtsöffnungsentscheide zur Stützung seines Standpunkts heranzuziehen.
Aus den Akten geht hervor, dass beide Parteien in der Schweiz als Flüchtlinge im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (SR 0.142.30), dem die Schweiz beigetreten ist, anerkannt sind. Nach Art. 12 Ziff. 1 dieses Abkommens bestimmt sich die personenrechtliche Stellung (le statut personnel) eines Flüchtlings nach dem Gesetz seines Wohnsitzlandes oder, wenn er keinen Wohnsitz hat, nach dem Gesetz des Aufenthaltslandes. Zur persönlichen Rechtsstellung einer Person gehören auch ihre familienrechtlichen Beziehungen (BGE 93 II 358 /359). Art. 16 Ziff. 2 des Abkommens stellt die Flüchtlinge ferner hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten den Angehörigen des Staates gleich, wo sie ihren Wohnsitz bzw. ihren ordentlichen Aufenthalt haben. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass ein Flüchtling an seinem schweizerischen Wohnsitz auf Grund des schweizerischen materiellen Rechts auf Scheidung klagen kann, ohne gemäss Art. 7h Abs. 1 NAG den Nachweis erbringen zu müssen, dass Gesetz oder Gerichtsgebrauch seiner Heimat den angerufenen Scheidungsgrund zulassen und den schweizerischen Gerichtsstand anerkennen (BGE 93 II 359, BGE 88 II 330), was den Parteien, die beide unbestrittenermassen die ungarische Staatsangehörigkeit beibehalten haben, nicht möglich wäre (BGE 93 II 357, BGE 88 II 329). Auf Grund des Flüchtlingsabkommens steht dem in der Schweiz wohnhaften Flüchtling somit ein schweizerischer Scheidungsgerichtsstand zur Verfügung. Entscheidend ist nun, ob diese Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte als ausschliesslich zu betrachten ist, oder ob der Flüchtling, der seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit beibehalten hat, die Möglichkeit behält, in seinem Heimatstaat auf Scheidung zu klagen, so dass eine konkurriende Scheidungszuständigkeit des Heimat- und des Wohnsitzstaates bestehen würde. Ist der schweizerische Gerichtsstand ausschliesslich, so kann das ungarische Scheidungsurteil nicht anerkannt werden. Ist jedoch neben dem schweizerischen auch der heimatliche Richter für die Beurteilung der Scheidungsklage zuständig, so ist die Anerkennung zu gewähren, sofern das Urteil vor dem schweizerischen ordre public standhält.
4. Das Obergericht hat sich gegen die Ausschliesslichkeit des schweizerischen Scheidungsgerichtsstands entschieden, mit der Begründung, das Flüchtlingsabkommen wolle die Rechtsstellung des als Flüchtling in der Schweiz lebenden Ausländers im Vergleich mit der Rechtsstellung des "gewöhnlichen" Ausländers mit Wohnsitz in der Schweiz verbessern, indem es ihm die Vornahme gewisser Rechtshandlungen und die Verfolgung seiner Rechte im Wohnsitzstaat erleichtere. Der Flüchtling werde jedoch nicht weitergehend einem Angehörigen des Wohnsitzstaates gleichgestellt, mit der Massgabe, dass er die mit seiner Staatsangehörigkeit zusammenhängenden Rechte nicht mehr wahrnehmen könne. Der Wohnsitzstaat habe keinen Grund, für die auf seinem Staatsgebiet wohnenden Flüchtlinge die ausschliessliche Gerichtsbarkeit zu beanspruchen, wie er es für die eigenen, im Inland wohnenden Staatsangehörigen tue. Dass das Flüchtlingsabkommen die bisherige Rechtsstellung des Flüchtlings nicht schmälern, sondern lediglich in gewissen Beziehungen erweitern wolle, lasse sich aus dem Vorbehalt der wohlerworbenen Rechte in Art. 12 Ziff. 2 schliessen. Mit Bezug auf die Zulassung der Scheidungsklage am schweizerischen Wohnsitz bestehe die Erleichterung der Rechtsstellung des Flüchtlings darin, dass die Einschränkungen von Art. 7h Abs. 1 NAG wegfielen. Dagegen finde sich kein Anhaltspunkt und keine Notwendigkeit für die Annahme, dass mit dieser Verbesserung der Rechtsstellung durch das Flüchtlingsabkommen auch ein Verlust einhergehe, indem der Flüchtling nur noch bei den Gerichten und nach dem Recht seines Wohnsitz- oder Aufenthaltslandes auf Scheidung klagen könne, jedoch nicht mehr in seiner Heimat. Auch die Lehre vertrete die Auffassung, es bestehe für den Flüchtling eine konkurrierende Scheidungszuständigkeit des Heimat- und des Wohnsitzstaates, soweit sie sich überhaupt mit dieser Frage befasse (BEITZKE, in: Festschrift Fragistas, Thessaloniki 1966, S. 389; ders., Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1966, S. 639; HIRSCHBERG, NJW 1972, S. 365/366). Der Flüchtling könne beachtliche Gründe dafür haben, statt der Gerichte des Wohnsitzstaates diejenigen der Heimat anzurufen, insbesondere wenn der Heimatstaat die ausschliessliche Zuständigkeit in Anspruch nehme, wie es für Ungarn mit Bezug auf die Scheidung ungarischer Staatsangehöriger gelte, und daher im Ausland ergangene Scheidungsurteile nicht anerkenne.
5. Es ist zweifellos richtig, dass das Flüchtlingsabkommen bezweckt, die Rechtsstellung des Flüchtlings zu verbessern. Es fragt sich aber, worin diese Besserstellung besteht. Nach Art. 1A Ziff. 2 des Abkommens ist Flüchtling jede Person, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht beanspruchen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen will. Das Abkommen geht somit davon aus, dass der Flüchtling sämtliche Beziehungen zu seiner Heimat abgebrochen hat und nicht mehr dorthin zurückkehren kann oder "aus begründeter Furcht vor Verfolgung" nicht will, so dass sich seine Stellung derjenigen eines Staatenlosen annähert. Das Abkommen bezweckt nun - und insofern verbessert es die Rechtsstellung des Flüchtlings -, das durch den Bruch mit der Heimat entstandene rechtliche Vakuum auszufüllen, indem es den Flüchtling mit Bezug auf das Personalstatut und den Zugang zu den Gerichten im Wohnsitzstaat den Inländern gleichstellt. Mit dieser ratio des Abkommens ist es nicht vereinbar, dass dem Flüchtling neben dem Gerichtsstand des Wohnsitzes auch derjenige der Heimat zur Verfügung stehen soll. Das Abkommen rechnet nicht damit, dass ein Flüchtling in der Lage ist, seine Rechte im Heimatstaat wahrzunehmen, und wenn er es dennoch tun kann, so ist er eben keine Person, die sich "aus begründeter Furcht vor Verfolgung" ausserhalb ihrer Heimat befindet. Dementsprechend fällt ein Flüchtling nach Art. 1C Ziff. 1 nicht mehr unter das Abkommen, wenn er sich freiwillig wieder unter den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, gestellt hat. Aus der Sicht des Abkommens ist der Flüchtlingsstatus ein Ganzes; man kann nicht gleichzeitig die Vorteile dieses Status im Wohnsitzstaat, nämlich die weitgehende Gleichstellung mit dem Inländer, in Anspruch nehmen und sich auf den Gerichtsstand der Heimat berufen. Könnte der Flüchtling nach Belieben wählen, als Inländer oder als Ausländer behandelt zu werden, so wäre er nicht nur besser gestellt, als die Ausländer, die nicht Flüchtlinge sind, sondern auch als die Inländer. Das ist nicht der Sinn des Flüchtlingsabkommens.
Freilich ist einzuräumen, dass der Flüchtling gute Gründe haben kann, eine Scheidungsklage vor den Gerichten seines Heimatlandes anzubringen, so etwa wegen der Rechtsstellung der in der Heimat zurückgelassenen minderjährigen Kinder, des ehelichen Güterrechts, des in der Heimat zurückgelassenen Vermögens oder des späteren Erbrechts (BEITZKE, in: Festschrift Fragistas, S. 386). Beanspruchen die Gerichte des Heimatstaates die ausschliessliche Zuständigkeit, wie dies im Falle von Ungarn zutrifft, so kann er gezwungen sein, sie anzurufen, wenn ihm an der Anerkennung des Scheidungsurteils durch diesen Staat gelegen ist. Auch ist es eine Erfahrungstatsache, dass der Bruch der Beziehungen zum Heimatstaat mit der Zeit den absoluten Charakter verlieren kann, den das Abkommen bei der Umschreibung des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1A Ziff. 2 im Auge hat, so dass es einem Flüchtling möglich sein kann, sich vorübergehend in seiner Heimat aufzuhalten oder doch sich in einem Prozess vertreten zu lassen, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Es stellt sich daher die Frage, ob es einem Flüchtling jedenfalls dann gestattet sein soll, in seiner Heimat auf Scheidung zu klagen, wenn er hiefür beachtliche Gründe hat.
Wie es sich mit dieser Frage verhält, braucht indessen nicht entschieden zu werden, weil das ungarische Scheidungsurteil, wie sich im folgenden ergeben wird, ohnehin nicht anerkannt werden kann.
6. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass es nicht nur um den Status des damaligen Scheidungsklägers geht, sondern um den ehelichen Stand beider Ehegatten. Nun ist aber auch die damalige Beklagte Flüchtling im Sinne des Flüchtlingsabkommens. Auch sie untersteht daher gemäss Art. 12 und 16 des Abkommens mit Bezug auf das Personalstatut dem schweizerischen Recht und kann sich auf den Gerichtsstand des Wohnsitzes berufen. Die Zuständigkeit der ungarischen Gerichte lässt sich deshalb nicht einfach damit begründen, es könne einem Flüchtling nicht verwehrt sein, auf die ihm durch das Flüchtlingsabkommen eingeräumten Rechte zu verzichten, wenn er ein Interesse daran habe, da auf diese Weise die ebenfalls durch das Abkommen garantierten Rechte des beklagten Ehegatten zunichte gemacht werden könnten. Flüchtlinge haben scheidungsrechtlich weitgehend die gleiche Stellung wie Inländer. Eine in der Schweiz wohnende Schweizerin kann aber nur im Inland von ihrem schweizerischen Ehegatten geschieden werden (BGE 89 I 306/307, BGE 86 II 309, BGE 80 II 101). Wie das Bundesgericht im Falle Baumberger (BGE 89 I 303 ff., 313) dargelegt hat, kann auch ein Doppelbürger nicht in seinem ausländischen Heimatstaat auf Scheidung klagen, wenn beide Ehegatten wie hier in der Schweiz wohnen, auch wenn ihn der ausländische Heimatstaat als eigenen Staatsangehörigen behandelt und ihm einen Scheidungsgerichtsstand zur Verfügung stellt. Dies spricht gegen eine konkurrierende Zuständigkeit des Heimatstaates.
Der Klägerin ist es auch nicht zuzumuten, sich in ihrer Heimat auf einen Scheidungsprozess einzulassen. Als anerkannter Flüchtling gehört gemäss dem Wortlaut von Art. 1A Ziff. 2 des Flüchtlingsabkommens auch sie zu den Personen, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes befinden und dessen Schutz nicht beanspruchen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen wollen. Hat sie aber Grund, sich vor Verfolgung in ihrer Heimat zu fürchten, so kann von ihr nicht verlangt werden, persönlich vor den dortigen Gerichten zu erscheinen, wie dies für eine wirksame Verteidigung in einem Scheidungsprozess unerlässlich ist, oder auch nur Anstalten zu unternehmen, sich dort vertreten zu lassen. Der Sinn des Flüchtlingsabkommens besteht gerade darin, den Flüchtling aus der Zwangslage zu befreien, sich zur Wahrung seiner Rechte mit den Behörden des Heimatstaates, aus dem er geflohen ist, herumschlagen zu müssen. Deshalb stellt es ihm für Statusfragen das Recht und den Gerichtsstand des Wohnsitzes zur Verfügung. Zu beachten ist ferner, dass die Klägerin Gefahr läuft, ihre Flüchtlingseigenschaft zu verlieren, wenn sie an einem Scheidungsprozess in Ungarn teilnimmt. Stellt sich nämlich ein Flüchtling freiwillig wieder unter den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, so wird er nach Art. 1C Ziff. 1 des Abkommens nicht mehr als Flüchtling anerkannt. Man kann sich freilich fragen, ob sich der Flüchtling bereits durch die Führung eines Scheidungsprozesses in seinem Heimatstaat dem "Schutz" dieses Staates unterstellt oder ob hiefür nicht ein Mehreres erforderlich ist, etwa die Inanspruchnahme des diplomatischen Schutzes oder das Gesuch um Ausstellung eines Passes (vgl. hiezu SCHÜRCH, Das schweizerische Asylrecht, ZBJV 104/1968, S. 260/261; BEITZKE, in: Festschrift Fragistas, S. 386/387). Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Es genügt, dass die Klägerin im Falle ihrer Teilnahme am Scheidungsprozess in Ungarn ernstlich mit der Gefahr rechnen muss, ihren Flüchtlingsstatus zu verlieren, damit ihr diese Teilnahme nicht zugemutet werden kann. Dass die Befürchtung der Klägerin, sie könnte ihren Flüchtlingsstatus jedenfalls dann verlieren, wenn sie persönlich vor dem ungarischen Scheidungsrichter erscheine, nicht völlig unbegründet ist, ergibt sich übrigens aus mehreren bei den Akten liegenden Äusserungen der eidgenössischen Polizeiabteilung gegenüber ihrem Anwalt.
Auf der andern Seite ist der Beklagte nicht auf den heimatlichen Scheidungsgerichtsstand angewiesen, hat er doch auf Grund des Flüchtlingsabkommens anders als seine in der Schweiz wohnenden Landsleute, die nicht Flüchtlinge sind (BGE 93 II 357, BGE 88 II 329), die Möglichkeit, an seinem schweizerischen Wohnsitz zu klagen. Die Anrufung des schweizerischen Richters ist ihm umso eher zuzumuten, als beide Ehegatten seit vielen Jahren in diesem Lande wohnen und der Gerichtsstand am gemeinsamen ehelichen Wohnsitz eigentlich der natürliche Scheidungsgerichtsstand ist. Dass dadurch ein hinkendes Eheverhältnis herbeigeführt werden kann, weil Ungarn das schweizerische Scheidungsurteil nicht anerkennt, ist zwar richtig, ergibt sich aber notwendig aus dem System des Flüchtlingsabkommens, das die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt für das Personalstatut und den Gerichtsstand generell durch den Wohnsitz ersetzt und dadurch hinkende Scheidungen zum vornherein in Kauf nimmt.
Ist aber das ungarische Scheidungsurteil in der Schweiz nicht anzuerkennen, so ist die Klage gutzuheissen, da der Beklagte keine andern Gründe gegen den Bestand der Ehe vorgebracht hat und solche auch nicht ersichtlich sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Juni 1978 aufgehoben; in Gutheissung der Klage wird festgestellt, dass die Klägerin mit dem Beklagten nach wie vor in rechtsgültiger Ehe verheiratet ist.