BGE 97 II 277
 
38. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. September 1971 i.S. Christen gegen Holzbau Kayser AG.
 
Regeste
Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG.
2. Dem Inhaber eines bäuerlichen Vorkaufsrechts steht gegenüber dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer (Käufer oder Verkäufer) die Klage auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums zu (Erw. 2).
3. Das Vorkaufsrecht nach Art. 6 Abs. 2 EGG bezieht sich auch auf wesentliche Teile eines landwirtschaftlichen Gewerbes (Erw. 3).
4. Das Vorkaufsrecht nach EGG findet auch auf bäuerliche Kleinbetriebe Anwendung. Rationalität und Rentabilität der Bewirtschaftung sind nicht entscheidend (Erw. 4).
5. Um unter das Vorkaufsrecht nach EGG zu fallen, muss die verkaufte Parzelle nicht nur zu einem landwirtschaftlichen Gewerbegehört haben, sondern auch selber einen landwirtschaftlichen Charakter aufweisen. Wann fehlt diese Voraussetzung? (Erw. 5).
 
Sachverhalt
A.- Walter Niederberger ist Eigentümer der Liegenschaft "Innere Göhren" (Grundbuch Oberdorf Nr. 70), die in der Talebene der Gemeinde Oberdorfliegt. Er hatte diese ursprünglich etwas mehr als 2 Hektaren umfassende Liegenschaft samt lebendem und totem Inventar im Jahre 1932 aus dem Nachlass seines Vaters zum (damaligen) Ertragswert von Fr. 42'000.-- erworben und bis vor etwa sechs Jahren landwirtschaftlich genutzt. In der Folge gab er den Landwirtschaftsbetrieb auf, da dieser keine ausreichende Existenz bot, und nahm eine Stelle als Hilfsarbeiter bei der Firma Holzbau Kayser AG an. Ungefähr 3'500 m2 bewirtschaftet er noch heute landwirtschaftlich; den Rest des Landes hat er einem Landwirt in Pacht gegeben. Mit Vertrag vom 6. April 1963 verkaufte Walter Niederberger der Firma Holzbau Kayser AG eine an deren Areal angrenzende Parzelle im Ausmass von ca. 2'300 m2 zum Preise von Fr. 18.- pro m2. Gleichzeitig verpflichtete sich die Käuferin, innert einer Frist von fünf Jahren (die später bis Ende April 1969 verlängert wurde) das an die Kaufsparzelle angrenzende Grundstück im Ausmass von 4'600 m2 zum gleichen Quadratmeterpreis ebenfalls zu erwerben. Ein entsprechender Kaufvertrag über 4'600 m2 "Bauland" zum Preise von Fr. 83'880.-- wurde am 29. April 1969 verurkundet.
Frau Agnes Christen-Niederberger, eine Schwester des Verkäufers, teilte dem Grundbuchamt Nidwalden auf die amtliche Anzeige des Verkaufs vom 29. April 1969 hin mit, dass sie von dem Vorkaufsrecht, das ihr nach dem nidwaldnischen Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) zustehe, Gebrauch mache. Die Firma Holzbau Kayser AG bestritt das Vorkaufsrecht, ebenso - nach anfänglichem Anerkennen - der Verkäufer, der dann auch Hand dazu bot, dass die Käuferin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde.
B.- Frau Christen erhob hierauf Klage gegen die Firma Holzbau Kayser AG und stellte folgende Rechtsbegehren:
"1. Die Beklagte habe das Vorkaufsrecht der Klägerin bezüglich der Parzelle Nr. 317 im Ausmasse von 4660 m2 ab Liegenschaft innere Göhren, Oberdorf, GB Nr. 70 gemäss Mutation Nr. 238 vom 25.4.1969, zu respektieren und anzuerkennen.
2. Das Vorkaufsrecht der Klägerin an der Parzelle Nr. 317 im Ausmasse von 4460 m2 ab der Liegenschaft innere Göhren, GB Nr. 70 der Gemeinde Oberdorf sei gerichtlich zu schützen.
3. Das Grundbuch Nr. 416 der Gemeinde Oberdorf (Grundstück der Beklagten) sei zu berichtigen, indem die Beklagte als Eigentümerin der Parzelle 317 im Ausmasse von 4660 m2, gemäss Mutationsplan Nr. 238, vom 25.4.1969, zu löschen, und die Klägerin als Eigentümerin der Parzelle Nr. 317 der Gemeinde Oberdorf, einzutragen sei.
4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge für die Beklagte."
Das Kantonsgericht Nidwalden wies die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 1970 ab. Es ging davon aus, der Grundbesitz von Walter Niederberger könne vor allem wegen seiner geringen Ausdehnung nicht als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des EGG betrachtet werden; zumindest handle es sich dabei um einen Grenzfall, weshalb die gesamten Umstände, unter denen das Vorkaufsrecht ausgeübt worden sei, eine entscheidende Bedeutung erhielten. Unter diesem Gesichtspunkt falle ins Gewicht, dass Frau Christen zusammen mit ihrem Ehemann einen Gastwirtschaftsbetrieb in Stansstad führe und ihre Nachkommen in der Landwirtschaft weder ausgebildet noch tätig seien; sie wolle das streitige Land nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken oder wegen besonders enger Beziehungen zum väterlichen Heimwesen erwerben, sondern offensichtlich in spekulativer Absicht. Die beklagte Firma habe die Streitparzelle dagegen aus höherwertigen Interessen gekauft, nämlich zur Arrondierung ihrer Fabrikliegenschaft und um eine zukünftige bauliche und betriebliche Erweiterung sicherzustellen.
C.- Die von Frau Christen gegen das erstinstanzliche Urteil erklärte Appellation wies das Obergericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 11. Februar 1971 ab.
D.- Mit der Berufung ans Bundesgericht hält die Beklagte an ihren Rechtsbegehren fest.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach einem erst kürzlich ergangenen Bundesgerichtsentscheid steht dem Inhaber eines bäuerlichen Vorkaufsrechts, der dieses Recht ausgeübt hat, gegenüber dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer die Klage auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums zu, und zwar unabhängig davon, ob es sich beim Eingetragenen um den Verkäufer oder den Käufer des umstrittenen Grundstücks handelt; es wird angenommen, das im EGG vorgesehene Vorkaufsrecht stelle eine Realobligation dar, weshalb ausschliesslich der jeweilige Grundstückeigentümer als der aus dem Schuldverhältnis Verpflichtete zu betrachten sei (Urteil des Bundesgerichts vom 1. März 1971 in Sachen Jeanmaire und Mitbeteiligte gegen Jeanmaire und Kaufmann, Erw. 2 b, mit Hinweisen). Im dritten Rechtsbegehren der Klägerin kann ohne weiteres eine solche, sich gegen den im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Käufer richtende Klage erblickt werden. Ob der Klägerin daneben auch die Grundbuchberichtigungsklage des Art. 975 Abs. 1 ZGB zur Verfügung steht, an die sie offenbar bei der Formulierung des Rechtsbegehrens in erster Linie gedacht hat, mag dahingestellt bleiben.
3. Gemäss Art. 6 Abs. 2 EGG können die Kantone das Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Gewerbe, das gemäss Absatz 1 der gleichen Bestimmung den Nachkommen, dem Ehegatten und den Eltern des Verkäufers zusteht, auf die Geschwister des Verkäufers ausdehnen, sofern der Verkäufer das landwirtschaftliche Gewerbe von seinen Eltern oder aus deren Nachlass erworben hat. Der Kanton Nidwalden hat in Art. 4 Abs. 2 seines Einführungsgesetzes zum EGG vom 27. April 1952 (EG/EGG) von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Da ferner feststeht, dass der Verkäufer des strittigen Landes, Walter Niederberger, die Liegenschaft "Innere Göhren" aus dem Nachlass seines Vaters erworben hat, ist diese Voraussetzung für das von der Klägerin als Schwester des Verkäufers geltend gemachte Vorkaufsrecht erfüllt.
Gegenstand des Verkaufs bildet allerdings nicht der gesamte Grundbesitz von Walter Niederberger, der nach Auffassung der Klägerin ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG darstellt, sondern nur eine Teilfläche desselben im Ausmass von 4'660 m2. Art. 6 Abs. 2 EGG, der die Kantone zur Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf die Geschwister des Verkäufers ermächtigt, nennt als Gegenstand des Vorkaufsrechts nur landwirtschaftliche Gewerbe, währenddem Absatz 1 der gleichen Bestimmung von landwirtschaftlichen Gewerben oder wesentlichen Teilen von solchen spricht. Trotz dieser unterschiedlichen Ausdrucksweise des Gesetzes ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, nicht anzunehmen, das Vorkaufsrecht der Geschwister beziehe sich nur auf ganze Landwirtschaftsgewerbe und nicht auch auf wesentliche Teile von solchen (BGE 81 II 76 f. Erw. 4; nicht publiziertes Urteil vom 28. Januar 1970 i.S. Schick gegen Aufsichtsbehörde des Kantons Freiburg über das Grundbuch, Erw. 1).
Das angefochtene Urteil geht jedoch davon aus, es müsse eine gewisse Rentabilität der Bewirtschaftung gewährleistet sein, damit eine Liegenschaft als landwirtschaftliches Gewerbe betrachtet werden könne; diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, da die Liegenschaft "Innere Göhren" mit einem Flächeninhalt von 1,8 ha zu wenig ertragreich sei, um die Anschaffung moderner landwirtschaftlicher Maschinen zu ermöglichen, wie sie im betreffenden Gebiet weitgehend gebraucht würden. Die Klägerin rügt diese Betrachtungsweise als bundesrechtswidrig und macht geltend, das Vorkaufsrecht des EGG finde auch auf Kleinheimwesen Anwendung, die eine Familie nicht zu ernähren vermöchten, weshalb auf Rentabilitätsüberlegungen nicht entscheidend abgestellt werden könne.
Art. 6 Abs. 1 EGG sagt nichts darüber aus, welche Mindestgrösse eine landwirtschaftliche Liegenschaft aufweisen muss, damit sie als landwirtschaftliches Gewerbe gelten kann, das dem bäuerlichen Vorkaufsrecht unterliegt. Hierin unterscheidet sich diese Bestimmung von Art. 620 Abs. 1 ZGB, der für das bäuerliche Erbrecht u.a. vorschreibt, ein landwirtschaftliches Gewerbe müsse eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bieten, um einem zu dessen Übernahme geeigneten Erben ungeteilt zum Ertragswert zugewiesen werden zu können. Diese Voraussetzung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur erfüllt, wenn eine Familie, bestehend aus einem Ehepaar und zwei schulpflichtigen Kindern, aus den Erträgnissen der landwirtschaftlichen Nutzung zumindest ihr Leben fristen kann (BGE 81 II 105 ff., BGE 83 II 117, BGE 89 II 21). Es stellt sich nun die Frage, ob der Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes in Art. 6 Abs. 1 EGG gleich zu verstehen ist wie im bäuerlichen Erbrecht (so KAUFMANN, SJK Nr. 961 S. 4 unten) oder ob aus dem Fehlen jeglichen Hinweises auf die Grösse des Betriebes geschlossen werden muss, das Vorkaufsrecht nach EGG finde auch auf bäuerliche Kleingewerbe Anwendung, die für sich allein einer mittleren Familie keine ausreichende landwirtschaftliche Existenz zu bieten vermögen. Das Bundesgericht hat sich in Anlehnung an seine Rechtsprechung zu Art. 18 ff. EGG (Einspruchsverfahren der Kantone) im zweiten Sinne entschieden (BGE 91 II 241 /42 Erw. 1). Dabei wies es insbesondere darauf hin, dass Art. 16 EGG die Kantone ermächtigt, das Vorkaufsrecht für landwirtschaftliche Gewerbe und Liegenschaften bis zu 3 Hektaren einzuschränken oder aufzuheben, was den Umkehrschluss erlaube, dass Kleingewerbe von weniger als drei Hektaren nicht schon von Bundesrechts wegen dem Vorkaufsrecht des Art. 6 EGG entzogen seien. - An dieser sich aus dem Zusammenhang des Gesetzes aufdrängenden Auslegung ist festzuhalten.
Für das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne des EGG genügt es also, dass der Verdienst, der sich aus der Bewirtschaftung des Bodens erzielen lässt, einen ins Gewicht fallenden Beitrag zum Einkommen des Bewirtschafters bildet und dass die betreffende Liegenschaft mit den darauf befindlichen Gebäulichkeiten einer Bauernfamilie als Lebenszentrum und als Grundlage für den Betrieb der Landwirtschaft zu dienen vermag (BGE 92 I 316 mit Hinweisen; BGE 94 I 176 /177 Erw. 1). Auf welche Weise der Ertrag erzielt wird und ob dieser auch eine Bewirtschaftung mit modernen landwirtschaftlichen Maschinen erlaubt, ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht massgebend; auf die Rationalität und Rentabilität der Bewirtschaftung kann es nicht entscheidend ankommen.
Dem Urteil des Obergerichts ist zu entnehmen, dass auf der Liegenschaft "Innere Göhren" ein Wohnhaus, eine Scheune und ein Bienenhaus stehen und dass Walter Niederberger darauf bis vor fünf oder sechs Jahren einen Landwirtschaftsbetrieb geführt hat. Damit scheint mindestens festzustehen, dass die Liegenschaft geeignet ist, einer Bauernfamilie als Lebenszentrum zu dienen. Hingegen enthält der Entscheid keine Feststellungen darüber, welcher landwirtschaftliche Ertrag sich aus der Bewirtschaftung des Landes erzielen lässt. Lediglich aus dem erstinstanzlichen Urteil geht hervor, dass Walter Niederberger nach seinen als Zeuge gemachten Aussagen auf dem fraglichen Land vier Kuheinheiten sowie vier bis sechs Mutterschweine halten konnte - eine Feststellung, zu der sich das Obergericht in keiner Weise ausgesprochen hat. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Tatbestand in dieser Hinsicht nicht der Vervollständigung bedürfe und die Sache gemäss Art. 64 Abs. 1 OG an die Vorinstanz zurückgewiesen werden sollte. Das kann aber dahingestellt bleiben; denn wie im folgenden auszuführen sein wird, fällt der Verkauf der streitigen Liegenschaft jedenfalls aus einem andern Grunde nicht unter das bäuerliche Vorkaufsrecht. Es erübrigt sich deshalb, die Frage des Ertrages weiterzuverfolgen. Aus dem gleichen Grunde braucht auch nicht geprüft zu werden, ob es sich beim veräusserten Land um einen wesentlichen Teil des ganzen Gewerbes handelte.
5. Um unter das bäuerliche Vorkaufsrecht zu fallen, muss die verkaufte Parzelle nicht nur zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne des EGG gehört haben, sondern sie muss selber einen landwirtschaftlichen Charakter aufweisen. Das ergibt sich aus Art. 1 EGG, dem sog. Programmartikel (BGE 90 I 271), der ausdrücklich sagt, die Vorschriften des EGG zielten darauf ab, den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes zu schützen, die Bodennutzung zu fördern, die Bindung zwischen Familie und Heimwesen zu festigen und die Schaffung und Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe zu begünstigen. Diese Zweckumschreibung zeigt deutlich, dass das Vorkaufsrecht des EGG grundsätzlich nur zum Zuge kommen soll, wenn es sich um landwirtschaftliche Grundstücke handelt. Beim Verkauf ganzer Gewerbe ist es zwar nicht immer möglich, dieser Forderung vollständig Rechnung zu tragen, nämlich dann nicht, wenn zu einem solchen Gewerbe auch Liegenschaften nichtlandwirtschaftlicher Art gehören, die für sich allein den landwirtschaftlichen Charakter des Betriebes nicht in Frage zu stellen vermögen (vgl. dazu Art. 10 lit. a und 21 lit. a EGG sowie das Beispiel in BGE 94 I 177). Wird jedoch von einem solchen Gewerbe, das auch Parzellen nichtlandwirtschaftlicher Art umfasst, jener Teil verkauft, der keinen landwirtschaftlichen Charakter aufweist, widerspräche es dem Zweck des Gesetzes, das Vorkaufsrecht zuzulassen; denn in diesem Falle könnte das bäuerliche Vorkaufsrecht ausschliesslich zum Erwerb nichtlandwirtschaftlichen Landes benützt werden, was mit dem Sondercharakter dieses Rechtsgebildes nicht vereinbar wäre (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen in BGE 95 II 395 /96, die das Bundesgericht dazu geführt haben, von der ungeteilten Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes an einen zu dessen Übernahme geeigneten Erben abzusehen, weil dieser das Heimwesen in einem den Zwecken des bäuerlichen Erbrechtes zuwiderlaufenden Sinne zu verwenden gedachte).
Wann kann nun aber angenommen werden, einer zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörenden Parzelle fehle der landwirtschaftliche Charakter? Ein Merkmal ist zweifellos die Art der Nutzung. So heisst es in Art. 2 Abs. 1 des EGG, das Gesetz finde auf Liegenschaften Anwendung, die ausschliesslich oder vorwiegend landwirtschaftlich genutzt würden. Bei näherer Prüfung erweist sich das Kriterium der Nutzung jedoch einerseits als zu eng und anderseits als zu weit. Es ist möglich, dass eine Liegenschaft während längerer Zeit überhaupt nicht genutzt wird, sondern brachliegt, oder dass sie bloss vorübergehend zu einem bestimmten Zweck gebraucht wird, so z.B. zur Ablagerung von Schutt oder Erde. In diesen beiden Fällen kann sich der landwirtschaftliche Charakter des Landes trotz der nichtlandwirtschaftlichen Nutzungsart daraus ergeben, dass es sich in einer rein bäuerlichen Umgebung befindet und dass der wirkliche und dauernde Wert des Landes durch die Möglichkeit seiner landwirtschaftlichen Bewirtschaftung bestimmt wird. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass der eigentliche Charakter des Landes nicht durch seine landwirtschaftliche Nutzung geprägt wird. Das ist vor allem der Fall bei baureifem Land, das auf Zusehen hin noch landwirtschaftlich bewirtschaftet wird, dessen innerer Wert sich aber in keiner Weise mehr aus dieser Nutzungsart ergibt. Art. 2 Abs. 1 EGG ist daher in dem Sinne einschränkend auszulegen, als auf die landwirtschaftliche Nutzung nur abgestellt werden kann, sofern diese auch tatsächlich der natürlichen Bestimmung des betreffenden Landes entspricht (so JOST, Handkommentar zum EGG, S. 10/11 sub Ziff. 3; KAUFMANN, a.a.O. S. 2). Das Bundesgericht hat aus der gleichen Überlegung den Anwendungsbereich des bäuerlichen Erbrechts eingeschränkt und eigentliches Bauland, ungeachtet seiner noch landwirtschaftlichen Nutzung, von der Integralzuweisung ausgenommen (BGE 83 II 113 f. sowie eine Reihe seither ergangener unveröffentlichter Entscheidungen, zitiert im ebenfalls nicht publizierten Urteil vom 2. Oktober 1970 in Sachen Lippuner gegen Blumer). Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, in Fragen des bäuerlichen Vorkaufsrechts anders zu entscheiden.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt dazu, dass der landwirtschaftliche Charakter der im Streite liegenden Parzelle verneint werden muss. Zwar steht nicht fest, ob es sich dabei um Bauland handelt, obwohl diese Bezeichnung im Kaufvertrag zwischen Walter Niederberger und der Beklagten verwendet worden ist. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich hingegen, dass das betreffende Land durch eine Eisenbahnlinie vom übrigen Grundbesitz des Verkäufers abgetrennt ist, dass es bereits seit dem Jahre 1965 zur Industriezone der Gemeinde Oberdorf gehört (während sich das übrige Land in der Landwirtschaftszone befindet) und dass die Beklagte das Grundstück zur Arrondierung ihres unmittelbar angrenzenden Betriebsareals erworben hat, um eine zukünftige bauliche und betriebliche Erweiterung sicherzustellen. Auch der Preis des Landes, der schon vor mehreren Jahren auf Fr. 18.- pro Quadratmeter festgesetzt wurde und ein Vielfaches des Ertragswertes beträgt, ist ein Indiz dafür, dass der wirkliche Wert dieser Parzelle nicht durch ihre landwirtschaftliche Bewirtschaftung bestimmt wird. Alle diese Tatsachen zusammen zeigen deutlich, dass der wahre Charakter dieses Landes nicht mehr ein landwirtschaftlicher ist. Es handelt sich vielmehr um Industrieland, dessen schon heute mit genügender Sicherheit feststehende Bestimmung es ist, in absehbarer Zeit einmal der baulichen oder betrieblichen Erweiterung des Unternehmens der Beklagten zu dienen. Diese bestimmte Erwartung bezüglich des künftigen Schicksals des Landes genügt, um seinen landwirtschaftlichen Charakter zu verneinen, so wie nach der Rechtsprechung nicht nur baureifes Land von der Anwendung des bäuerlichen Erbrechtes ausgenommen wird, sondern bereits solches, von dem auf Grund der gegebenen Umstände mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass es sich in den nächsten Jahren zu andern als landwirtschaftlichen Zwecken verwenden lasse (BGE 83 II 113 sowie das bereits zitierte unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichts in Sachen Lippuner gegen Blumer).
Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird auch von der subjektiven Seite her bestätigt: Die Klägerin hat das Vorkaufsrecht nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz lediglich deshalb ausgeübt, weil der verkauften Parzelle als Industrieland ein erheblicher Wert zukommt. Diesen Wert könnte sie nur realisieren, indem sie das Land früher oder später zu einem höheren Preis weiterveräusserte und es auf diese Weise seiner eigentlichen Bestimmung, nämlich der Verwendung zu industriellen Zwecken, zuführte. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie die Parzelle in irgendeinem Zeitpunkt ihrerseits der Beklagten verkaufen würde, die zur Erweiterung ihres Fabrikbetriebes darauf angewiesen ist. Eine solche Absicht läuft jedoch den Zwecken des EGG zuwider. Das bäuerliche Vorkaufsrecht soll nicht dazu dienen, offensichtliche Spekulationen mit Land, das bisher zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörte, zu ermöglichen. Es rechtfertigt sich deshalb, bei Verkäufen von solchem Land das bäuerliche Vorkaufsrecht nur insoweit zuzulassen, als es sich um Liegenschaften handelt, die wirklich noch einen landwirtschaftlichen Charakter aufweisen. Da dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, ist die Berufung abzuweisen.