BGE 88 II 350
 
48. Urteil der I. Zlvilabtellung vom 31. Oktober 1962 i.S. Eberle gegen Käsereigesellschaft Hohentannen.
 
Regeste
Art. 32OR. Voraussetzungen der Stellvertretung, besonders der verdeckten (Erw. 1).
Art. 175 f.OR. Hat der Milchkäufer die Schulden der Genossenschaft gegenüber den Milchproduzenten übernommen? (Erw. 3).
 
Sachverhalt
A.- Die Käsereigesellschaft Hohentannen ist nach Art. 1 ihrer Statuten "eine Genossenschaft, welche die bestmögliche Verwertung der ihr zur Verfügung stehenden Milch zum Zwecke hat, sei es durch den Selbstbetrieb einer Käserei oder durch den Verkauf der Milch an einen Käser". Art. 3 der Statuten bestimmt, Mitglied der Genossenschaft könne "jeder Milchproduzent im Genossenschaftsrayon bisheriger Ausdehnung werden, der ihr die in seinem Betrieb produzierte Milch zur Verfügung stellt". Art. 9 verpflichtet jeden Genossenschafter, "alle erzeugte gesunde und käsereitaugliche Milch in die Käserei zu liefern, soweit sie nicht im eigenen Haushalt und zur Viehaufzucht in ortsüblichem Umfang benötigt wird". Art. 13 zählt unter den unübertragbaren Befugnissen der Generalversammlung der Genossenschaft den "Abschluss des Milchkaufvertrages" auf.
Am 18. Mai 1958 unterzeichneten der Präsident und der Aktuar der Käsereigesellschaft Hohentannen "namens der Verkäuferin" mit Max Müller als Käufer aufeinem gedruckten Formular des Thurgauischen Milchproduzentenverbandes einen Milchkaufvertrag. Dessen Art. 1 Abs. 1 Satz 1 lautet: "Die Käsereigesellschaft Hohentannen als 'Verkäuferin', Mitglied des Thurgauischen Milchproduzentenverbandes ..., verkauft hiemit an Herrn Max Müller als 'Käufer' die Milch der Kühe ihrer Mitglieder und der Gastbauern (Freilieferanten) für die Zeit vom 1. Mai 1958 bis 30. April 1959". Das Vertragsformular enthält am Schlusse zwei leere Seiten, die mit den Worten "Unterschriften der Milchlieferanten" überschrieben sind. Sie wurden im Vertrag vom 18. Mai 1958 nicht ausgefüllt.
Müller verwertete die Milch seit 1932 in der, der Käsereigesellschaft Hohentannen gehörenden Käserei. Im Jahre 1953 erstellte er auf der Liegenschaft mit Erlaubnis der Pächterin eine Schweinezuchtanlage. Als am 1. März 1960 über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, anerkannte die Verpächterin, ihm für diese Anlage Fr. 31'000.-- zu schulden. Sie erklärte, die Schuld mit der ihr gegen Müller zustehenden Pachtzinsforderung von Fr. 3471.60, mit der Kaufpreisforderung von Fr. 74'491.20 für die in den Monaten Januar und Februar 1960 gelieferte Milch und mit der Forderung von Fr. 12'621.45 für Rückbehalte Müllers auf dem Milchprcis aus der Zeit vom 1. November 1958 bis 31. Oktober 1959 verrechnen zu wollen.
Wegen Verzichts der Mehrheit der Gläubiger Müllers auf Geltendmachung der Forderung von Fr. 31'000. - durch die Konkursverwaltung trat diese den Anspruch am 2. Juni 1961 gemäss Art. 260 SchKG an Viktor Eberle ab.
B.- Eberle klagte beim Bezirksgericht Bischofszell gegen die Käsereigesellschaft Hohentannen auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 27'528.40 nebst Zins. Er anerkannte die Verrechnung der Schuld von Fr. 31'000.-- mit der Pachtzinsforderung von Fr. 3471.60, bestritt dagegen, dass die Beklagte auch mit der Kaufpreisforderung für die Milch, inbegriffen mit der Forderung auf Auszahlung der Rückbehalte, verrechnen könne.
Das Bezirksgericht verurteilte die Beklagte, der Konkursmasse Müller Fr. 27'528.40 zu zahlen.
Auf Berufung der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 19. Juni 1962 die Klage entsprechend dem Antrag der Beklagten ab.
C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Konkursmasse Müller Fr. 27'528.40 nebst 5% Zins seit 1. März 1960 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen, eventuell die Berufung angebrachtermassen abzuweisen, subeventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
a) Art. 32 Abs. 1 OR trifft zu, wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst. Anschliessend bestimmt Art. 32 Abs. 2 OR: "Hat der Vertreter bei dem Vertragsabschlusse sich nicht als solchen zu erkennen gegeben, so wird der Vertretene nur dann unmittelbar berechtigt oder verpflichtet, wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den Vertrag schliesse."
Abs. 2 setzt wie Abs. 1 ein "Vertretungsverhältnis" voraus, und zwar ein solches mit Ermächtigung (vgl. Randtitel zu Art. 32-37 OR). Der Vertragschliessende muss befugt sein, aus dem Vertrag unmittelbar einen andern zu berechtigen und zu verpflichten, und er muss beim Abschluss des Vertrages tatsächlich als Vertreter des andern handeln. Das Vertretungsverhältnis ergibt sich im Falle des Abs. 1 aus der Erklärung des Ermächtigten, er schliesse den Vertrag im Namen des andern. In den von Abs. 2 erfassten Fällen fehlt diese Erklärung, aber es liegen entweder Umstände vor, aus denen die Gegenpartei auf diesen Willen schliessen muss, oder es ist der Gegenpartei gleichgültig, wer ihr gegenüber berechtigt und verpflichtet werde.
b) Der Kläger führt nicht aus, dass und inwiefern die Beklagte ermächtigt gewesen sei, die Genossenschafter und die sogenannten Gastbauern (Freilieferanten) durch den Milchkaufvertrag mit Müller zu berechtigen und zu verpflichten.
Die Ermächtigung versteht sich nicht einmal für die Genossenschafter von selbst. Zwar ist in Art. 1 der Statuten vom Verkauf der Milch an einen Käser die Rede, erwähnt Art. 13 der Statuten unter den unübertragbaren Befugnissen der Generalversammlung den Abschluss des Milchkaufvertrages und verpflichtet Art. 9 der Statuten die Genossenschafter, die Milch in die Käserei zu liefern. Diese Bestimmungen erklären sich aber daraus, dass gemäss Art. 3 der Statuten jeder Genossenschafter der Beklagten die in seinem Betrieb erzeugte Milch zur Verfügung stellen muss und deren Verwertung, "sei es durch den Selbstbetrieb einer Käserei oder durch den Verkauf der Milch an einen Käser" (Art. 1 der Statuten) eine Angelegenheit der Genossenschaft ist. Dass diese beim Verkauf der Milch als direkte Stellvertreterin der Genossenschafter aufzutreten ermächtigt sei, ergibt sich daraus nicht.
Auf Ermächtigung seitens der Milchlieferanten, inbegriffen der Gastbauern, könnte allenfalls geschlossen werden, wenn deren Unterschriften sich auf den hiefür vorbehaltenen Seiten am Schlusse des Milchkaufvertrages befänden. Im vorliegenden Falle haben aber die Milchlieferanten nicht unterzeichnet.
Die Frage, ob die Beklagte ermächtigt gewesen sei, die Milchlieferanten gegenüber Müller zu berechtigen und zu verpflichten, kann jedoch offen bleiben, denn die Beklagte ist Müller gegenüber nicht als Vertreterin aufgetreten.
c) Der Kläger behauptet mit Recht nicht, die Beklagte habe im Sinne des Art. 32 Abs. 1 OR den Vertrag im Namen der Milchlieferanten abgeschlossen. Hätte sie das getan, so hätte sie die Milchlieferanten als Vertragsparteien oder als Verkäufer bezeichnen müssen. Art. 1 des Milchkaufvertrages nennt indessen ausdrücklich die Beklagte als Verkäuferin, und deren Präsident und Aktuar haben am Fusse des Vertrages "namens der Verkäuferin", nicht etwa "namens der Verkäufer" oder "namens der Milchlieferanten" unterschrieben. Auch sprechen verschiedene andere Bestimmungen des Vertrages von der "Verkäuferin". So führt Art. 2 Abs. 7 aus, "zur Sicherstellung des Milchpreises und anderer aus diesem Vertrage hervorgehenden Verpflichtungen gegenüber der Verkäuferin und dem zuständigen Verbande" leiste der Käufer eine Hinterlage oder Bürgschaft von Fr. 25'000.--. Art. 4 Abs. 3 bestimmt, die Brandassekuranz für die Gebäulichkeiten und die Käserei-Einrichtung nebst Inventar gehe "zu Lasten der Verkäuferin". Art. 20 befasst sich mit den "Meinungsverschiedenheiten, die sich in der Auslegung dieses Vertrages zwischen Käufer und Verkäuferin resp. einzelnen Milchlieferanten oder Verband ergeben". Nirgends bezeichnet der Vertrag die Genossenschafter und die Gastbauern als Verkäufer. In Art. 1 werden sie "Mitglieder und Gastbauern (Freilieferanten)" genannt, in andern Bestimmungen "Lieferanten" (Art. 2, 3, 5, 6), "Milchlieferanten" (Art. 1a, 2 b, 6, 9, 13), "Milchproduzenten" (Art. 2 b, 15) und "Produzenten" (Art. 5, 15).
d) Wegen dieser klaren Unterscheidung zwischen der "Verkäuferin" einerseits und den Milchlieferanten anderseits und angesichts der Tatsache, dass als Verkäuferin die "Käsereigesellschaft Hohentannen" bezeichnet und der Vertrag ausdrücklich "namens der Verkäuferin" unterschrieben ist, kann auch nicht gesagt werden, Müller habe aus den Umständen auf direkte Stellvertretung schliessen müssen. Für eine Auslegung aus den Umständen ist nur dann Raum, wenn nach dem Wortlaut des Vertrages Zweifel bestehen, ob jemand diesen im eigenen Namen oder als direkter Stellvertreter abgeschlossen habe. Im vorliegenden Falle lässt der Wortlaut keine Zweifel aufkommen.
Übrigens sprechen auch die Umstände nicht für direkte Stellvertretung. Dass die Milch von den Kühen der Genossenschafter und Gastbauern stammt, ist bedeutungslos; die Beklagte konnte sie dennoch im eigenen Namen verkaufen. Ebensowenig lässt der Umstand, dass die Beklagte sie nicht auf eigene Rechnung absetzte, also nicht auf einen Zwischengewinn ausging, auf direkte Stellvertretung schliessen; die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen der Mitglieder ist jeder Genossenschaft eigen (Art. 828 OR) und setzt nicht voraus, dass die Genossenschaft als direkte Stellvertreterin der Genossenschafter auftrete. Unerheblich ist auch, dass Art. 2 b des Milchkaufvertrages bestimmt, die Lieferanten seien verpflichtet, für ihre Selbstversorgung bestimmte Mengen Butter und Käse vom Milchkäufer zu beziehen; die Beklagte konnte dieses Versprechen im Sinne des Art. 111 OR abgeben, also ohne Stellvertreterin der Lieferanten zu sein. Auch das in Art. 3 des Milchkaufvertrages verurkundete Versprechen, die Einlieferung der Milch erfolge zu den daselbst angegebenen Tageszeiten, setzte nicht ein Handeln der Beklagten als Stellvertreterin voraus. Der Kläger weist ferner auf Art. 7 des Vertrages hin, dessen erster Satz bestimmt: "Sollten sich Milchlieferanten Fälschungen zuschulden kommen lassen, so sind sie dem Käufer schadenersatzpflichtig und haben eine Grundbusse von Fr. 100.-- und pro Kuh noch Fr. 20.-Zusatzbusse zu bezahlen." Da Milchfälschung eine unerlaubte Handlung ist, versteht sich die direkte Schadenersatzpflicht jedoch von selbst. Zudem lässt sich die genannte Bestimmung, namentlich auch hinsichtlich der Konventionalstrafe, als Versprechen zu Lasten Dritter im Sinne des Art. 111 OR verstehen. Hätten die Milchlieferanten den Vertrag auf dem dafür vorbehaltenen Raum des Formulars mitunterzeichnet, so wären auch sie gegenüber Müller vertraglich verpflichtet worden. Die Nichtunterzeichnung durch sie spricht gegen eine solche Verpflichtung. Umsoweniger können die Lieferanten als Verkäufer der Milch gegenüber Müller berechtigt sein. Der Kläger geht zu weit, wenn er geltend macht, die Unterzeichnung durch die Lieferanten sei unterblieben, weil Müller und der Beklagten klar gewesen sei, dass der einzelne Lieferant auch ohne seine Unterschrift berechtigt und verpflichtet werde. Eine Feststellung der Vorinstanz über einen diesbezüglichen tatsächlichen Willen beider Vertragschliessenden fehlt, und nach Treu und Glauben durfte keine Partei die Nichtunterzeichnung durch die Lieferanten als Ausdruck dieses Willens auslegen, sonst wäre es sinnlos gewesen, im Vertragsformular Raum für die Mitunterzeichnung zu lassen. Nicht einmal die Mitunterzeichnung wäre ein schlüssiges Anzeichen für die Verkäuferrolle der Lieferanten gegenüber Müller; sie könnte einfach bedeuten, dass die Lieferanten die zu ihren Lasten abgegebenen Versprechen als eigene Verpflichtungen anerkennten. Unterschriften werden ja vorwiegend abgegeben, um Verpflichtungen einzugehen (vgl. Art. 13 Abs. 1 OR), nicht um Rechte zu erwerben. Dem Kläger ist auch nicht beizupflichten, wenn er in Art. 20 Abs. 1 des Milchkaufvertrages einen für direkte Stellvertretung sprechenden Umstand sieht. Gewiss fallen Meinungsverschiedenheiten nur dann unter diese Bestimmung, wenn sie "den Milchpreis oder den Hüttenzins betreffen", und fragt man sich daher, weshalb sie "zwischen Käufer und Verkäuferin resp. einzelnen Milchlieferanten oder Verband" sollen entstehen können, statt nur "zwischen Käufer und Verkäuferin bzw. zwischen Pächter und Verpächterin". Es war aber denkbar, dass auch Milchlieferanten Rechte aus dem Vertrag ableiten würden, ohne sie wirklich zu haben. Auch solche Streitigkeiten wollten die Vertragschliessenden von der in Art. 20 Abs. 1 vorgesehenen "gemeinsamen Kommission" entschieden wissen. Das Wort "Verkäuferin" - nicht "Verkäufer", wie der Kläger schreibt - zeigt deutlich, dass die Verkäuferrolle der Genossenschaft, nicht den Milchlieferanten zukommt.
e) Die Frage, ob es Müller gleichgültig gewesen sei, mit wem er den Milchkaufvertrag abschliesse, würde sich nur stellen, wenn feststände, dass die Beklagte den Willen hatte - und ermächtigt war -, die Milchlieferanten zu Verkäufern zu machen. Die Gleichgültigkeit Müllers hätte unter diesen Voraussetzungen die (ausdrückliche oder sich aus den Umständen ergebende) Äusserung des Willens zur Stellvertretung seitens der Beklagten entbehrrlich gemacht. Gleichgültigkeit des Käufers ist dagegen nicht auch Ersatz für den innern Willen des Gegners, blosser Stellvertreter zu sein. Der Käufer - oder an seiner Stelle seine Konkursmasse oder sein Konkursgläubiger - kann nie mit der Behauptung, es sei ihm gleichgültig gewesen, mit wem er den Vertrag schliesse, den Gegner gegen dessen Willen in die Rolle eines blossen Stellvertreters drängen. Dass die Beklagte den inneren Willen, den Vertrag als direkte Stellvertreterin der Milchlieferanten abzuschliessen, gehabt habe, ist nicht festgestellt. Gegen diesen Willen spricht der Umstand, dass die Beklagte den Vertrag ausdrücklich im eigenen Namen einging, indem sie sich selbst als Verkäuferin bezeichnete.
Übrigens stellt der Kläger sich in der Berufung mit Recht nicht auf den Standpunkt, es sei Müller gleichgültig gewesen, ob die Beklagte oder die Lieferanten Vertragspartei seien.
f) Gemäss Art. 18 OR ist bei der Beurteilung eines Vertrages nach Form und Inhalt der übereinstimmende wirkliche Wille zu beachten, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise, die von den Vertragschliessenden aus Irrtum oder in der Absicht, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen, gebraucht wird. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragschliessenden vom Sinn abweiche, der sich aus ihren Äusserungen ergibt. Ein vom Wortlaut des Vertrages abweichender innerer Wille der Beklagten einerseits und Müllers anderseits ist indessen weder festgestellt, noch vom Kläger im kantonalen Verfahren behauptet worden. Art. 18 OR trifft daher nicht zu.
a) Art. 2 Abs. 4 des Milchkaufvertrages bestimmt: "Die Zahlung hat zweimonatlich bis zum 7. des folgenden Monats an die Lieferanten stattzufinden, unter Abzug allfälliger Vorauszahlungen und Naturallieferungen."
Daraus ergibt sich, dass Müller der Beklagten Zahlung an Dritte versprochen hat. Das reicht aber nicht aus, um im Sinne des Art. 112 Abs. 2 OR auf die Willensmeinung Müllers und der Beklagten zu schliessen, die Lieferanten sollten die Erfüllung selbständig fordern können. Auch der Hinweis des Klägers, dass die Milch von den Dritten geliefert wurde, genügt nicht. Die Lieferung erfolgte auf Grund von Verpflichtungen, welche die Lieferanten gegenüber der Beklagten zu erfüllen hatten, und begründete Forderungen der Lieferanten gegen die Beklagte. Diese hatte ein Interesse an einer vereinfachten Abwicklung der Zahlungen. Statt den Milchpreis beim Milchkäufer einzufordern und ihn an die Lieferanten weiterzugeben, liess sie sich Zahlung an die Lieferanten versprechen. Das konnte sie tun, ohne den Lieferanten gegenüber Müller ein selbständiges Forderungsrecht einräumen zu wollen.
Das sowohl der Gründung der Beklagten als auch dem Milchkaufvertrag zu Grunde liegende Bestreben, durch gemeinsame Verwertung der Milch die Interessen der Bauern kollektiv zu wahren, steht der vom Kläger vertretenen Auffassung im Wege. Die Geltendmachung der Milchpreisforderung durch den einzelnen Lieferanten gegen Müller widerspräche diesem Bestreben. Sie würde die Stellung der Beklagten gegenüber dem Milchkäufer schwächen. Der Beklagten ist besser gedient, wenn sie selber, und nur sie, forderungsberechtigt ist. Auch das Interesse des einzelnen Lieferanten erheischt, dass dieser weder berechtigt noch verpflichtet sei, seine Forderung gegen den Milchkäufer selbständig geltend zu machen. sondern dass er sich an die Beklagte halten könne, für deren Verbindlichkeiten gemäss Art. 11 der Statuten alle Genossenschafter persönlich und unbeschränkt haften. Daran muss dem einzelnen Lieferanten und der Beklagten umsomehr gelegen sein, als nicht jener, sondern diese den Milchkäufer auswählt.
Der Beklagten, nicht dem einzelnen Milchlieferanten, hat Müller denn auch die in Art. 2 Abs. 7 des Milchkaufvertrages vorgesehene Sicherheit in der Höhe von Fr. 25'000.-- versprochen. Gewiss konnte ihr an sich die Stellung einer Pfandhalterin eingeräumt werden. Aber sinnvoll wäre es nicht gewesen, die Kaufpreisforderung für die Milch in selbständige Forderungen der einzelnen Lieferanten aufzulösen und die Beklagte bloss zur Pfandhalterin zu machen. Wirksamer konnten die Interessen der Lieferanten und der Beklagten gewahrt werden, wenn Müller der Beklagten schuldete und diese auf die Sicherheit greifen konnte. Dass die Sicherheit in Wirklichkeit nicht geleistet wurde, ist unerheblich. Das Versprechen gemäss Art. 2 Abs. 7 kann dennoch herbeigezogen werden, um zu beurteilen, ob nach der Willensmeinung der Vertragschliessenden die Milchpreisforderung in selbständige Forderungen der einzelnen Lieferanten aufgeteilt wurde.
Dem Kläger hilft auch nicht der Hinweis darauf, dass von den Zahlungen an die Milchlieferanten der Preis für Naturallieferungen abgezogen werden sollte. Art. 2 Abs. 4 drückt diese Vereinbarung nicht durch den Ausdruck "Verrechnung" aus, den der Kläger verwendet, sondern spricht vom "Abzug" der Vorauszahlungen und Naturallieferungen. Es handelt sich um eine Anrechnung der Bezüge auf die Zahlungen, die Müller gemäss Art. 2 Abs. 4 den Milchlieferanten machen sollte. Dass die Lieferanten die Zahlung selbständig sollten fordern können, ergibt sich daraus nicht. Gegenteils leuchtet die vorinstanzliche Erwägung ein, dass das Recht Müllers, den Preis für die Naturallieferungen zu verrechnen, sich von selbst verstanden hätte, wenn die Vertragschliessenden den Milchlieferanten ein selbständiges Forderungsrecht hätten einräumen wollen. Ist dagegen auf den Milchpreis nur die Beklagte forderungsberechtigt, so musste gesagt werden, dass Müller dennoch den Preis der von den Lieferanten bezogenen Käsereierzeugnisse abziehen dürfe.
b) Nach Art. 112 Abs. 2 OR kann sich ein selbständiges Forderungsrecht des Dritten auch aus einer Übung ergeben.
Auch unter diesem Gesichtspunkt sind im vorliegenden Falle die Milchlieferanten nicht zu fordern berechtigt. Das Obergericht führt aus, es bestehe keine dahin gehende Übung. Darin liegt eine das Bundesgericht bindende tatsächliche Feststellung; denn nichts spricht dafür, dass die Vorinstanz von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der Übung ausgehe (BGE 86 II 257 und dort erwähnte Entscheide). Der Kläger behauptet das auch nicht.
3. Die das selbständige Forderungsrecht der Milchlieferanten widerlegenden Gründe stehen auch der vom Kläger in letzter Linie vertretenen Auffassung im Wege, Müller habe die Schuld der Beklagten gegenüber den Lieferanten intern durch Art. 2 Abs. 4 des Milchkaufvertrages und extern durch schlüssiges Verhalten übernommen, womit die Lieferanten sich durch fortwährende Annahme der Zahlungen Müllers stillschweigend einverstanden erklärt hätten. Es widersprach den Interessen der Beklagten und der Lieferanten, dass diese Schuldübernahme stattfinde. Zudem ist nicht zu ersehen, was die Beteiligten, ohne es ausdrücklich zu sagen, hätte veranlassen können, diesen lebensfremden Umweg zu beschreiten, statt den Lieferanten ein selbständiges Forderungsrecht im Sinne des Art. 112 Abs. 2 OR einzuräumen oder den Milchkaufvertrag in ihrem Namen abzuschliessen. Der Kläger nennt keine Gründe.
Gegen die Auffassung des Obergerichtes, dass auch die Bestimmungen des Konkursrechtes der Verrechnung nicht im Wege stehen, wendet der Kläger nichts ein.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 19. Juni 1962 bestätigt.