BGE 82 II 525
 
69. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1956 i.S. Cavallini gegen Bruni.
 
Regeste
Art. 253, 259 Abs. 1 OR. Schadenersatzpflicht des Vermieters.
b) Der Vermieter einer zum Gebrauch als Wirtschaft vermieteten Sache verletzt den Vertrag, wenn er das dem Mieter zustehende Wirtschaftspatent "verkauft" und die Behörde zur Schliessung der Wirtschaft veranlasst (Erw. 4).
c) Verneinung von Herabsetzungsgründen nach Art. 43 Abs. 1, 44 Abs. 1, 99 Abs. 3 OR (Erw. 6).
 
Sachverhalt
A.- Franziska Bruni schloss mit Antonio Cavallini am 2. März 1953 einen ab 1. April 1953 wirkenden und frühestens auf Ende September 1958 kündbaren Mietvertrag, mit dem sie ihm in ihrem Hause Bäckerstrasse 113 in Zürich die Räume der Wirtschaft Torino und eine Wohnung zum Gebrauche überliess. Cavallini stellte seine Verpflichtungen aus dem Vertrage sicher, indem er ein Sparheft bei der Zürcher Kantonalbank hinterlegte.
Am 30. Juli 1953 verkaufte Frau Bruni die Liegenschaft dem Gustav Patscheider. Dieser erklärte im Kaufvertrag, er übernehme die bestehenden Mietverträge. Am gleichen Tage "verkaufte" er das für die Wirtschaft Torino bestehende Patent für Fr. 12'000.-- zwecks Verlegung auf eine andere Liegenschaft an die Baugesellschaft Baueg AG und versprach ihr, auf 1. April 1954 die Liegenschaft Bäckerstrasse 113 mit einem Wirtschaftsverbot belasten zu lassen. Am 31. Juli 1953 kündigte er Cavallini auf 31. Januar 1954 den Mietvertrag. Er beharrte indessen nicht darauf, da der Mieter sich widersetzte.
Im November 1953 wandte sich Cavallini wegen der Veräusserung des Wirtschaftspatentes, die ihm zu Ohren gekommen war, an die Finanzdirektion des Kantons Zürich. Er erhielt von ihr die Auskunft, der Regierungsrat habe der Erwerberin des Patentes die Neueröffnung einer Wirtschaft unter der Bedingung bewilligt, dass die Wirtschaft Torino auf 31. März 1954 dauernd geschlossen werde. Dem Ersuchen Cavallinis, die Frist zur Schliessung bis 31. Juli 1954 zu erstrecken, entsprach die Finanzdirektion. Am 11. Juni 1954 teilte Cavallini dem Patscheider mit, dass er wegen des erwähnten Beschlusses des Regierungsrates den Mietvertrag über die Wirtschaftsräume auf 31. Juli 1954 aus wichtigen Gründen auflöse.
B.- Cavallini klagte beim Bezirksgericht Zürich gegen Frau Bruni auf Schadenersatz in der Höhe von Fr. 39'500.-- nebst Zins zu 5% seit 4. September 1954 und auf Freigabe des hinterlegten Sparheftes.
Das Bezirksgericht ermächtigte den Kläger, über das Sparheft zu verfügen, wies dagegen sein Begehren um Schadenersatz ab.
Durch Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich hielt der Kläger an der Schadenersatzforderung fest. Mit Urteil vom 6. Juli 1956 erklärte das Obergericht die Berufung als unbegründet und wies das noch streitige Klagebegehren ab.
Das Obergericht ging davon aus, der Kläger habe Patscheider als neuen Schuldner angenommen, aber die Beklagte aus ihrer Mithaftung nicht entlassen. Die fortbestehende Verpflichtung der Beklagten, den Vertrag zu erfüllen, dürfe aber nicht bis zur Unbilligkeit getrieben werden. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, ihr Haus zu veräussern. Indem sie das Rechtsverhältnis zum Kläger dem Erwerber überbunden habe, habe sie alles getan, was die Vertragstreue von ihr verlangt habe. Von einem Verschulden ihrerseits könne daher keine Rede sein. Deshalb wäre es unbillig, die Beklagte nicht nur für einigermassen voraussehbare Mängel in der Vertragserfüllung ihres Rechtsnachfolgers, sondern auch für eine dem Vertragsinhalte ferner liegende Schadensursache, die nicht von Patscheider allein habe verschuldet werden können, haftbar zu erklären. Unter dieser von Patscheider nicht allein verschuldeten Schadensursache verstand das Obergericht die vom Regierungsrat beschlossene Schliessung der Wirtschaft. Es hielt den bezüglichen Beschluss für "rechtlich unrichtig", weil das Wirtschaftspatent nicht dem Eigentümer der Liegenschaft, sondern dem Kläger zugestanden habe und daher nicht ohne dessen Zustimmung habe "verkauft" werden können. Das Obergericht warf dem Kläger vor, er habe gegen die Schliessung der Wirtschaft nicht entschiedenen Widerstand geleistet, ansonst sie vielleicht unterblieben wäre. Dass er sich gegen das drohende Unrecht mangelhaft gewehrt habe, entlaste die Beklagte. Sie sei daher nicht ersatzpflichtig.
C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 39'500.-- nebst Zins zu 5% seit 4. September 1954 zu bezahlen.
D.- Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Art. 259 Abs. 1 OR bestimmt: "Wird die vermietete Sache nach Abschluss des Mietvertrages vom Vermieter veräussert oder auf dem Wege des Schuldbetreibungs- und Konkursverfahrens ihm entzogen, so kann der Mieter die Fortsetzung des Mietvertrages von dem Dritten nur fordern, wenn dieser sie übernommen hat, der Vermieter aber bleibt zur Erfüllung des Vertrages oder zu Schadenersatz verpflichtet." In der französischen Fassung lautet der Nachsatz, durch Strichpunkt vom Vordersatz getrennt, wie folgt: "... il peut seulement exiger du bailleur l'exécution du contrat, ou des dommages- intérêts." Daraus wäre zu schliessen, dass der Erfüllungs- bzw. Schadenersatzanspruch gegenüber dem Vermieter nur gegeben sei, wenn der Erwerber der Mietsache die Fortsetzung des Mietvertrages nicht übernimmt. Diese Auslegung des Artikels ist schon in BGE 79 II 385 abgelehnt worden. Das Bundesgericht hat dort ausgeführt, sie wäre vielleicht erlaubt, wenn das Gesetz nur den Schadenersatz vorbehalten würde; indessen sehe es vor, dass der Vermieter zur Erfüllung des Vertrages oder zu Schadenersatz verpflichtet bleibe, womit gesagt sei, dass der Mietvertrag für den veräussernden Vermieter ungeachtet der Überbindung an den Erwerber weitergelte, was im Einklang mit der obligatorischen Natur des Mietverhältnisses stehe, das nicht durch einseitiges Vorgehen einer Partei aufgehoben werden könne. Daran ist festzuhalten. Der Mieter erhält dadurch, dass der Erwerber der Mietsache die Fortsetzung der Vertrages übernimmt, einen neuen Schuldner, der neben den alten tritt. Es liegt nicht privative, sondern kumulative Schuldübernahme vor, die zu Solidarität zwischen altem und neuem Schuldner führt (Schuldbeitritt).
Was die Beklagte hiegegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Die Annahme, der Vermieter bleibe weiterhin verpflichtet, ist nicht wirklichkeitsfremd. Dass er Zeit seines Lebens zu befürchten habe, vom Mieter belangt zu werden, ist nicht richtig. Das Recht, sich durch Kündigung gemäss Vertrag, allenfalls Gesetz, seiner Verpflichtung zu entschlagen, bleibt ihm gewahrt. Bis zum Zeitpunkt, auf den er kündigen kann und tatsächlich kündigt, bleibt er freilich gebunden. Das ist aber nicht unbillig, hat er sich doch dazu verpflichtet; und die Mietsache ist ja von ihm veräussert worden, d.h. er schuf die Gefahr der Nichterfüllung des Mietvertrages. Übrigens kann er sich gegen diese Gefahr sichern, indem er bei der Veräusserung der Mietsache vom Erwerber Sicherheit verlangt.
Damit ist auch der Einwand der Beklagten entkräftet, es falle keinem Vermieter jemals ein, dem Mieter "nachzuspringen", um ihn um Entlassung aus dem Mietvertrag zu bitten. Das ist kein Grund, den Vermieter von Gesetzes wegen seiner Verpflichtung zu entheben, sobald der Erwerber der Mietsache die Erfüllung des Vertrages übernimmt und der Mieter den Erwerber als neuen Schuldner anerkennt. Vielmehr wird der Vermieter nur befreit, wenn der Mieter seiner Entlassung aus dem Schuldverhältnis ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zustimmt. Dadurch unterscheidet sich der Fall des Art. 259 Abs. 1 von dem des Art. 176 OR. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft letztere Bestimmung hier nicht zu und lässt die Schadenersatzpflicht der Beklagten sich nicht mit der Begründung verneinen, der Kläger habe Patscheider als neuen Schuldner anerkannt.
Der Kläger hat einen dahingehenden Willen aber auch nicht durch schlüssiges Verhalten geäussert. Da Art. 259 Abs. 1 OR den Vermieter neben dem neuen Schuldner weiterhaften lässt und die Beibehaltung des ersteren neben der Annahme des letzteren den Interessen des Mieters entspricht, darf die Annahme des neuen Schuldners nicht schon für sich allein als Zustimmung zur Entlassung des alten ausgelegt werden. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, die nach Treu und Glauben vom Veräusserer der Mietsache dahin ausgelegt werden dürfen, der Mieter wolle ihn seiner Verpflichtung entheben. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Sie können insbesondere nicht in der vorbehaltlosen Zahlung von Mietzinsen an den Erwerber der Mietsache gesehen werden. Zahlung leistet der Mieter nicht in seiner Eigenschaft als Gläubiger, sondern als Schuldner. Sie lässt also nicht schliessen, welchen Willen der Mieter betreffend seine Stellung als Gläubiger habe. Zudem hat der Mieter nicht die Wahl, an den alten oder den neuen Eigentümer der Mietsache zu zahlen; die Mietzinsforderungen können vom Vermieter ohne Einverständnis des Mieters abgetreten werden, und eine Abtretung ist normalerweise darin zu sehen, dass der Vermieter bei der Veräusserung der Sache durch seine Unterschrift dem Eintritt des Erwerbers in das Mietverhältnis zustimmt, ohne sich die Mietzinsforderungen vorzubehalten.
Weit davon entfernt, der Entlassung der Beklagten aus ihrer Schuld stillschweigend zuzustimmen, hat der Kläger dieser gegenteils nach Empfang der Kündigung vom 31. Juli 1953 sofort zu erkennen gegeben, dass er sie als Schuldnerin beibehalten wolle. Er liess ihr am 8. August 1953 schreiben, er mache sie für den ihm aus ihrem Vertragsbruch erwachsenden Schaden haftbar, falls er sich mit Patscheider nicht über die Fortführung der Miete einigen könnte. Das war so zu verstehen, dass der Kläger von der Beklagten Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Mietvertrages fordern werde, falls Patscheider ihn nicht in allen Teilen vertragsgemäss im Genuss der Mietsache lassen sollte. Da Patscheider das nicht getan, vielmehr das Wirtschaftspatent "verkauft" und dadurch den Regierungsratsbeschluss über die Schliessung der Wirtschaft veranlasst hat, der dem Kläger die bestimmungsgemässe Weiterbenutzung der Mietsache verunmöglichte, ist die Beklagte ihrer Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nicht enthoben. Sie wäre es selbst dann nicht, wenn aus den weiteren Briefen, die der Kläger durch seinen Anwalt mit Patscheider und der Beklagten hat wechseln lassen, geschlossen werden müsste, der Kläger habe in der Folge Patscheider als neuen Schuldner anerkannt, wie die kantonalen Gerichte angenommen haben. Der Kläger hatte keinen Grund, der ihn vernünftigerweise hätte veranlassen können, wegen einer solchen Anerkennung auf seine Rechte gegenüber der Beklagten zu verzichten. Vollends unverständlich wäre ein Verzicht von dem Augenblicke an gewesen, als der Kläger erfuhr, dass Patscheider das Wirtschaftspatent "verkauft" hatte. Dass er seinen Willen kundgab, Patscheider wegen dieses Verhaltens auf Schadenersatz zu belangen, durfte daher von der Beklagten schlechterdings nicht dahin verstanden werden, sie sei nun ihrer Pflichten ledig. Der Kläger scheint zwar anfänglich der Meinung gewesen zu sein, wenn Patscheider im Kaufvertrag mit der Beklagten die Vermieterpflichten übernommen habe, könne er, der Kläger, sich nur an Patscheider halten (Schreiben seines Anwaltes an die Beklagte vom 11. November 1953 und 16. Februar 1954). Diese Rechtsauffassung bedeutete aber nicht, dass der Kläger auf seine Rechte gegenüber der Beklagten verzichten wolle. Nachdem er durch nochmalige Überprüfung der Rechtslage sich seiner gegen die Beklagte bestehenden Rechte bewusst geworden war, gab er ihr denn auch ohne Verzug zu erkennen, dass er sie nun bedingungslos für seinen Schaden verantwortlich mache (Schreiben seines Anwaltes vom 4. Mai, 15. Mai und 26. Juni 1954).
Die Beklagte verkennt, dass, gleichgültig, wem das Wirtschaftspatent zugestanden habe, Patscheider auf Grund des ihm überbundenen Mietvertrages verpflichtet war, dem Kläger den Gebrauch der Mietsache zu überlassen (Art. 253 OR), und zwar den Gebrauch "als Wirtschaft" (und Wohnung), wie der Vertrag ausdrücklich bestimmte. Er durfte daher nach Treu und Glauben nichts unternehmen, was dem Kläger den Gebrauch der Mietsache als Wirtschaft verunmöglichen konnte. Indem er sich die in Zürich herrschende Auffassung, der Hauseigentümer könne über das Wirtschaftspatent verfügen, zunutze machte, das Patent an die Baugesellschaft Baueg AG "verkaufte" und den Regierungsrat zum Erlass des Schliessungsbefehls veranlasste, verletzte er in grober Weise seine Pflichten aus dem Vertrag; durch sein Vorgehen verunmöglichte er dem Kläger den Gebrauch der Mietsache als Wirtschaft.
Der Satz, dass ein Solidarschuldner durch seine persönliche Handlung die Lage der andern nicht erschweren kann, kennt jedoch Ausnahmen. Wie Art. 146 OR ausdrücklich sagt, gilt er nur, soweit es nicht anders bestimmt ist. Es kommt also darauf an, aus welchem Grunde die Solidarität entstanden ist. Im vorliegenden Falle geht sie darauf zurück, dass die Beklagte ihre Liegenschaft veräussert und die Erfüllung des Mietvertrages dem Patscheider überbunden hat, d.h. sich dieses Dritten für die Vertragserfüllung bedient hat. Dadurch konnte sie sich ihrer Verpflichtungen sowenig entschlagen wie irgend ein Schuldner, der sich, statt persönlich zu erfüllen, einer Hilfsperson bedient. Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht, wenn auch befugterweise, durch einen andern vornehmen lässt, hat dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht (Art. 101 Abs. 1 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes heisst das, dass der Schuldner für das Verhalten der Hilfsperson haftet, wie wenn er die von ihr vorgenommene Handlung selber begangen hätte (BGE 70 II 220 f.). Dass Patscheider nicht nur Hilfsperson, sondern kraft des Art. 259 Abs. 1 OR auch zweiter, neben die Beklagte getretener Schuldner war, ändert nichts. Das Gesetz sieht die doppelte Schuldnerschaft nicht vor, um den Vermieter irgendwelcher sich aus dem Vertrag ergebender Pflichten gegenüber dem Mieter zu entheben, sondern um die Stellung des Mieters, dessen Rechte durch die Veräusserung der Mietsache gefährdet werden, zu verstärken. Hätte der Vermieter nicht für Vertragsverletzungen einzustehen, die der von ihm mit der Erfüllung des Mietvertrages betraute Erwerber der Mietsache begeht, so wäre, wie schon in BGE 79 II 386 ausgesprochen worden ist, der gesetzlich vorgesehene Fortbestand des Vertrages zwischen Vermieter und Mieter wertlos.
6. Da die Beklagte aus dem Vertrage nicht entlassen wurde, kann sie von der Schadenersatzpflicht auch nicht entbunden werden mit der obergerichtlichen Begründung, es wäre unbillig, sie für Patscheiders Verhalten haften zu lassen. Die Auffassung des Obergerichts, mit der Überbindung der Vermieterpflichten an Patscheider habe sie alles getan, was sie habe tun können, ändert nichts. Die Beklagte hat für die Handlungen Patscheiders als ihres Erfüllungsgehilfen selbst dann einzustehen, wenn sie nicht voraussehen konnte, dass er sie verletzen würde, und ihr aus der Veräusserung der Liegenschaft kein Vorwurf gemacht werden kann. Nur wenn auch Patscheider keinerlei Verschulden träfe, ginge sie frei aus. Dass Patscheider den Vertrag schuldhaft verletzt hat, indem er die Schliessung der Wirtschaft erwirkte, steht aber ausser Frage. Für dieses Verschulden hat die Beklagte einzustehen, wie wenn es ihr eigenes wäre.
Das Fehlen eigenen Verschuldens der Beklagten ist auch kein Umstand, der gemäss Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 99 Abs. 3 OR ihre Ersatzpflicht zu mindern vermöchte. Nur Tatsachen, die für die Abwägung des Verschuldens ihres Erfüllungsgehilfen von Bedeutung wären, könnten unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmungen in Betracht gezogen werden. Tatsachen, die das Verschulden Patscheiders mindern würden, bestehen jedoch keine; er handelte vorsätzlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Schaden vermieden worden wäre, wenn der Regierungsrat so entschieden hätte, wie er nach der für das Bundesgericht verbindlichen Auffassung des Obergerichts hätte entscheiden müssen. Der Beschluss des Regierungsrates lautete so, wie ihn Patscheider haben wollte, war also nicht eine unabhängig von seinem Willen eingetretene und ihn daher billigerweise entlastende Mitursache für den Eintritt oder den Umfang des Schadens.
Ebensowenig liegen Umstände vor, für die der Kläger einstehen müsste und die daher dem Richter erlauben würden, gemäss Art. 44 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 99 Abs. 3 OR die Ersatzpflicht zu ermässigen oder gänzlich von ihr zu entbinden. Der Kläger hat in die Schädigung nicht im geringsten eingewilligt. Dass er sich der Schliessung der Wirtschaft nicht mit letzter Entschlossenheit widersetzt hat, gereicht ihm nicht zum Vorwurf. Der Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, erlaubt schlechterdings nicht, die Schadenersatzforderung des Opfers eines krassen Vertragsbruches abzuweisen oder zu mindern mit der Begründung, es hätte sich ihm energischer widersetzen sollen. Die Auffassung des Obergerichts ist umsoweniger zu verstehen, als das Vorgehen Patscheiders von der Regierung geschützt worden war und sich die Rechtswidrigkeit ihres Beschlusses nicht jedem Bürger aufdrängen musste. Die Beklagte selber ist im Prozesse vor den kantonalen Gerichten nicht auf den Gedanken gekommen, der Kläger hätte sich dem Beschlusse mit Erfolg widersetzen können.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Juli 1956 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.