BGE 82 II 292 - Verdrängungsboykott im Uhrenmarkt
 
42. Urteil der I. Zivilabteilung
vom 5. Juni 1956
i.S. Gruen Watch Mfg Co. SA gegen Groupement des Fournisseurs d'Horlogerie, Marché Suisse.
 
Regeste
Boykott; Zulässigkeit der Berufung, Art. 44 OG, 28 ZGB, 41 OR.
Nicht vermögensrechtliche Streitigkeit: Der Streit um die Mitgliedschaft bei einem Verein (Erw. 1).
Boykott, Begriff und Wesen; Verdrängungsboykott durch Nichtaufnahme in einen Verband (Erw. 2).
Voraussetzungen der Unzulässigkeit eines Boykotts (Erw. 3).
Unzulässigkeit wegen der Schwere der Folgen (Erw. 4-7).
Aufhebung des unzulässigen Boykotts durch Verpflichtung des Verbandes zur Aufnahme des Boykottierten (Erw. 8).
 
Sachverhalt
A.
Das "Groupement des Fournisseurs d'Horlogerie, Marché Suisse" ist gemäss seinen Statuten ein im Jahre 1925 gegründeter Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB. Er bezweckt nach Art. 2 der Statuten die kollektive Wahrung der allgemeinen Berufsinteressen seiner Mitglieder, sowie die Förderung des Verkaufs von Schweizer Uhren hoher Qualität durch möglichste Vereinheitlichung von Verkaufs- und Zahlungsbedingungen. Als Mitglieder können dem Groupement schweizerische Uhrenfabriken und Unternehmen des Uhrengrosshandels angehören.
Zwischen dem Groupement und dem Zentralverband Schweizerischer Uhrenmacher (ZVSU), einer Vereinigung von Ladengeschäften des Uhrenhandels, besteht ein Vertrag, die sog. Schweizer Konvention für den Uhrenhandel. Nach deren Art. 3 sind die Mitglieder des Groupement verpflichtet, im Gebiete der Konvention Uhren nur an die Mitglieder des ZVSU zu liefern, während anderseits die Mitglieder des ZVSU Uhren ausschliesslich bei den Mitgliedern des Groupement beziehen dürfen (Art. 4). Das Gebiet der Kantone Genf, Neuenburg und Tessin ist der Konvention nicht unterstellt. Die dort ansässigen Mitglieder des ZVSU sind daher im Einkauf der Uhren frei und können solche auch bei Fabriken oder Grossisten beziehen, die dem Groupement nicht angehören.
Neben dem ZVSU besteht ein von diesem unabhängiger Verband Schweiz. Uhrenfachgeschäfte. Überdies gibt es noch Uhrengeschäfte, die keiner Organisation angeschlossen sind.
Die Gruen Watch Mfg Co. SA ist eine 1903 gegründete A.-G. mit Sitz in Biel. Ihr Geschäftszweck ist die Fabrikation von Uhren und der Handel mit solchen. Sie war vorerst lange Jahre ausschliesslich auf den Export nach den USA eingestellt, wo sie eine eigene Verkaufsgesellschaft hat, die Gruen Watch Comp. Inc. in Cincinnati. In den Jahren 1928-1939 verkaufte sie in Zusammenarbeit mit der Firma "Alpina" auch Uhren in der Schweiz, gab dies dann aber wegen des in den Krisenjahren eingetretenen Umsatzrückganges auf. Um nicht ausschliesslich vom Export nach den USA abhängig zu sein, nahm sie nach dem zweiten Weltkrieg Bestrebungen auf, ihre Erzeugnisse auch in andern Staaten abzusetzen und gründete zu diesem Zwecke die Gruen Watch Export Co. SA in Genf.
Am 23. März 1953 stellte die Uhrenfabrik Gruen das Gesuch um Aufnahme in das Groupement. Sie begründete dieses Begehren mit dem Wunsche, ihre Erzeugnisse auch auf dem Schweizer Markt verkaufen zu können.
Mit Generalversammlungsbeschluss vom 6. Juli 1953 lehnte jedoch das Groupement dieses Aufnahmegesuch ab und gab hievon der Bewerberin mit Schreiben vom 11. Juli 1953 Kenntnis, ohne die Gründe für die Aufnahmeverweigerung zu nennen.
B.
Am 16. Februar 1954 erhob die Firma Gruen Klage gegen das Groupement mit dem Begehren, der Beklagte sei zu verurteilen, sie als Mitglied aufzunehmen, unter Androhung der gesetzlichen Folgen im Unterlassungsfalle; eventuell sei die Klägerin auf die Liste der Lieferanten zu setzen, welche zur Belieferung der Mitglieder des ZVSU berechtigt sind. Ferner forderte sie eine gerichtlich zu bestimmende Schadenersatzsumme. Zur Begründung machte sie geltend, die Weigerung des Beklagten, sie als Mitglied aufzunehmen, stelle zusammen mit den Auswirkungen der durch die Schweizer Konvention geschaffenen Kartellordnung einen Verdrängungsboykott dar, der darauf gerichtet sei, sie als Konkurrenzunternehmen der Mitglieder des Beklagten auf dem schweizerischen Uhrenmarkt auszuschalten; denn es werde ihr auf diese Weise verunmöglicht, die von ihr hergestellten Uhren in der Schweiz abzusetzen. Ihre Existenz werde zwar dadurch nicht bedroht, aber sie werde doch in ihrer Geschäftstätigkeit in übermässiger Weise behindert. Schutzwürdige Interessen des Beklagten, die Klägerin vom schweizerischen Uhrenmarkt fernzuhalten, bestünden nicht. Der über sie verhängte Boykott sei daher unzulässig.
C.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt das Vorliegen eines Boykottes, da die Klägerin ihre Erzeugnisse in der Schweiz auch absetzen könne, ohne dem Groupement anzugehören. Die Kantone Genf, Neuenburg und Tessin seien überhaupt frei, und auch in der übrigen Schweiz bestünden zahlreiche Uhrengeschäfte, die der Konvention nicht unterstehen. Die Klägerin habe jedoch keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, um sich auf dem Schweizer Markt durchzusetzen. So nütze sie die in den drei freien Kantonen bestehenden Möglichkeiten nicht aus und betreibe keine intensive Propaganda. Anderseits gab der Beklagte zu, dass die Klägerin die statutarischen Aufnahmebedingungen erfülle und dass seit 1945 andere Bewerber in den Verband aufgenommen worden seien.
D.
Der Appellationshof des Kantons Bern wies mit Urteil vom 12. Oktober 1955 die Klage ab. Die Begründung dieses Entscheides geht im wesentlichen dahin, es liege überhaupt kein Boykott der Klägerin vor; denn der Kartellvertrag zwischen dem Beklagten und dem ZVSU schaffe kein Monopol der beiden Verbände, sodass die Weigerung des Beklagten, die Klägerin aufzunehmen, diese nicht vom Schweizer Markt ausschliesse, sondern ihr lediglich die Betätigung auf diesem in einem allerdings erheblichen Masse erschwere.
E.- Gegen das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern ergriff die Klägerin die Berufung an des Bundesgericht mit dem erneuten Antrag auf Verurteilung des Beklagten, sie als Mitglied aufzunehmen, unter Androhung der gesetzlichen Folgen im Unterlassungsfalle, eventuell, sie auf die Liste der Lieferanten zu setzen, welche zur Belieferung der Mitglieder des ZVSU berechtigt sind. Das Begehren auf Schadenersatz hat die Klägerin nicht aufrechterhalten.
Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
 
Auszug aus den Erwägungen:
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Erwägung 1
1.- Die Zulässigkeit der Berufung, die von Amteswegen zu prüfen ist, steht ausser Zweifel. Der Streit um die Mitgliedschaft bei einem Verein ist nach der Rechtsprechung eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 44 OG und daher ohne Rücksicht auf den Streitwert berufungsfähig (BGE 51 II 527); denn der Entschluss einer Person, ob sie einem Verein angehören wolle oder nicht, erfolgt in Ausübung ihres durch Art. 28 ZGB geschützten Rechtes der Persönlichkeit. Dass im vorliegenden Falle die wirtschaftliche Seite des Rechts der Persönlichkeit in Frage steht, nämlich die Freiheit zur unbehinderten Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb, ändert nichts. Bei der Genossenschaft ist zwar nach der neuesten Rechtsprechung (BGE 80 II 75) der Streit um die Mitgliedschaft dann als vermögensrechtlich anzusehen, wenn das Interesse an der Mitgliedschaft rein finanzieller Art ist, wie z.B. bei Versicherungsgenossenschaften, insbesondere Krankenkassen. Die gestützt auf das Recht der wirtschaftlichen Persönlichkeit beanspruchte Zugehörigkeit zu einem Verein erschöpft sich indessen auf jeden Fall dort nicht in den damit verbundenen geldwerten Interessen, wo durch die Nichtaufnahme die wirtschaftliche Existenz in Frage gestellt wird. Aber auch wo dies nicht der Fall ist, sondern wie hier die Fernhaltung vom Verein lediglich eine Behinderung in der Betätigung der wirtschaftlichen Persönlichkeit zur Folge hat, überwiegt das persönlichkeitsrechtliche Element.
Wollte man aber in Anlehnung an die erwähnte Rechtsprechung zum Genossenschaftsrecht auch den vorliegenden Fall als vermögensrechtliche Streitigkeit ansehen, weil überwiegend finanzielle Interessen der Klägerin auf dem Spiele stünden, so wäre die Berufungsfähigkeit gleichwohl gegeben: Das Unternehmen der Klägerin weist zugestandenermassen einen Jahresumsatz von 11-12 Millionen Fr. auf. Es liegt deshalb auf der Hand, dass durch die Fernhaltung vom schweizerischen Markt oder doch mindestens von einem erheblichen Teil desselben, welche nach den Behauptungen der Klägerin die Nichtaufnahme in den beklagten Verein zur Folge hat, finanzielle Interessen in Mitleidenschaft gezogen werden, welche den Berufungsstreitwert von Fr. 4000.-- (bzw. von Fr. 8000.--für das mündliche Verfahren) weit übersteigen.
Auf die Berufung ist somit einzutreten.
 
Erwägung 2
Eine organisierte Meidung im Sinne dieser Begriffsumschreibung ist im vorliegenden Falle gegeben: Auf Grund der in der Schweizer Konvention getroffenen Abmachungen sind die im ZVSU zusammengeschlossenen Geschäfte verpflichtet, Uhren einzig bei den dem Beklagten angehörenden Fabrikations- und Grosshandelsgeschäften zu beziehen; sie dürfen sich bei Aussenseitern nicht eindecken. Infolge der Weigerung, die Klägerin in den beklagten Verband aufzunehmen, ist ihr also verwehrt, ihre Erzeugnisse in gleicher Weise wie die Mitglieder des Beklagten bei den im ZVSU organisierten Geschäften abzusetzen. Sie wird von diesen durch den Nichtabschluss von Geschäften gemieden. Diese Meidung ist organisiert, da sie planmässig, im gemeinsamen Einverständnis der an der Konvention beteiligten Wiederverkaufsgeschäfte und auf Veranlassung des beklagten Verbandes erfolgt.
Auch das weitere Begriffsmerkmal ist erfüllt, dass die Klägerin durch die organisierte Meidung zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden soll, nämlich dazu, auf ihr Vorhaben zu verzichten, ihre Uhren auf dem schweizerischen Markt auch durch Wiederverkaufsgeschäfte zu vertreiben, die dem ZVSU angehören.
Damit sind sämtliche Merkmale eines Boykottes verwirklicht, und zwar handelt es sich um einen Verdrängungsboykott, der auf die Ausschaltung eines Konkurrenzunternehmens der Mitglieder des beklagten Verbandes aus einem bestimmten Wirtschaftsbereich gerichtet ist. Ob der Beklagte durch die mit dem ZVSU getroffenen Abmachungen seinen Mitgliedern eine Monopolstellung zu verschaffen bezwecke und vermöge, ob mit andern Worten die Klägerin vom Schweizer Markt gänzlich oder nur teilweise ausgeschlossen werde, ist entgegen der Meinung der Vorinstanz für die Frage nach dem Vorliegen eines Boykottes nicht massgebend. Die Vereinbarung des ausschliesslichen Verbandsverkehrs bedeutet für jeden, der die betreffende Geschäftstätigkeit ausübt oder ausüben möchte, aber nicht in den Verband aufgenommen wird, einen Boykott. Mass und Umfang der Auswirkungen der Meidung sind für die Entscheidung der grundsätzlichen Frage, ob ein Boykott vorliegt, nicht von Belang; sie haben lediglich Bedeutung für die Frage nach der Zulässigkeit des Boykottes.
Unerheblich ist sodann auch, dass die Kartellorganisation nicht im Hinblick auf die Klägerin geschaffen worden ist, sondern schon lange bestand, bevor ihr Aufnahmegesuch in den beklagten Verband abgewiesen wurde (BGE 76 II 286). Es bedarf auch keiner besonderen Verrufserklärung; eine solche ist überflüssig, wenn die organisierte Meidung wie hier durch ein bereits bestehendes Vertragssystem und die darauf beruhenden gegenseitigen Verpflichtungen der Beteiligten automatisch ausgelöst wird (BGE 76 II 287).
 
Erwägung 3
3.- Ist mithin das Vorliegen eines Boykottes der Klägerin zu bejahen, so erhebt sich die weitere Frage nach seiner Zulässigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Boykott nicht unter allen Umständen unstatthaft. Er stellt vielmehr ein an sich erlaubtes Kampfmittel im Wirtschaftsleben dar. Denn mit der Verabredung und Durchsetzung der kartellmässigen Unterlassungspflicht übt der Urheber eines Boykottes an sich lediglich ein Recht aus, das ihm kraft der durch die schweizerische Rechtsordnung gewährleisteten privatrechtlichen Vertrags- und Koalitionsfreiheit zusteht. Unzulässig ist ein Boykott jedoch, wenn der mit ihm verfolgte Zweck oder die angewendeten Mittel rechtswidrig sind oder gegen die guten Sitten verstossen, oder wenn zwischen dem vom Urheber des Boykottes angestrebten Vorteil und dem Schaden, den der durch die Massnahme Betroffene erleidet, ein offenbares Missverhältnis besteht. Ein solcher übermässiger Eingriff verstösst gegen die guten Sitten und bedeutet zugleich eine vor Art. 28 ZGB nicht mehr haltbare Verletzung des Rechts auf Entfaltung der wirtschaftlichen Persönlichkeit des Boykottierten, das den oben genannten Freiheitsrechten des Urhebers des Boykottes gegenübersteht und diese einschränkt (vgl. hiezu BGE 81 II 124, 76 II 287, 73 II 76, 69 II 82). Dabei ist zu beachten, dass es genügt, wenn auch nur ein einziger der in Betracht kommenden Unzulässigkeitsgründe - Unerlaubtheit des Mittels oder des Zweckes oder Übermass des Eingriffes in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen - verwirklicht ist (BGE 76 II 293 Erw. 5).
 
Erwägung 4
4.- Unerlaubtheit der vom Beklagten verwendeten Mittel oder des mit der Kartellordnung angestrebten Zwecks behauptet die Klägerin mit Recht selber nicht. In der Tat kann der Abschluss von Vereinbarungen, durch die der ausschliessliche Verbandsverkehr eingeführt wird, für sich allein nicht als rechts- oder sittenwidrig angesehen werden; dasselbe gilt für den mit der Kartellordnung unmittelbar verfolgten Zweck, den Handel mit Qualitätsuhren zu fördern und gesunde Preisverhältnisse zu gewährleisten.
Es kann sich daher einzig fragen, ob der durch die Aufnahmeverweigerung gegen die Klägerin ausgelöste Boykott wegen übermässiger Schwere seiner Folgen unzulässig sei.
 
Erwägung 5
5.- a) Hinsichtlich der Wirkungen, die der Boykott für die Klägerin zur Folge hat, ergibt sich auf Grund der Akten und der Feststellungen der Vorinstanz das folgende Bild: Als Nichtmitglied des Beklagten kann die Klägerin die der Schweizer Konvention angeschlossenen Uhrengeschäfte nicht beliefern. In der ganzen Schweiz (mit Ausnahme der drei freien Kantone Genf, Neuenburg und Tessin) gibt es 931 solche Konventionsgeschäfte. Ihnen stehen - einschliesslich des Gebietes der drei genannten freien Kantone - ungefähr gleich viele freie Geschäfte gegenüber. Jedoch gehören - wiederum abgesehen von den drei freien Kantonen - die sog. Spitzengeschäfte, d.h. die alteingesessenen führenden Uhrenfachgeschäfte, welche die bekanntesten Markenuhren wie Omega, Zenith, Longines, Rolex usw. verkaufen, fast ausnahmslos der Konvention an. Wie die Vorinstanz weiter feststellt, befinden sich allerdings auch unter den nicht zur Konvention gehörenden, also frei belieferbaren Geschäften im Konventionsgebiet mehrere sog. Spitzengeschäfte, und daneben gibt es noch eine Anzahl sog. guter Geschäfte. Ferner kann die Klägerin in den drei freien Kantonen Genf, Neuenburg und Tessin mit sämtlichen Geschäften, also auch mit allen dort befindlichen Spitzengeschäften, frei Handel treiben, wobei dem Platze Genf im schweizerischen Uhrenhandel hervorstechende Bedeutung zukommt.
b) Die Klägerin ist somit vom schweizerischen Uhrenmarkt nicht völlig ausgeschlossen. Sie hat vielmehr auf ihm noch eine gewisse Betätigungsmöglichkeit, der jedoch, wie auch die Vorinstanz anerkennt, sehr fühlbare Schranken gesetzt sind. Die rechtliche Tragweite dieser Beschränkung wird nun aber von der Vorinstanz infolge ihrer unzutreffenden grundsätzlichen Auffassung des Boykottbegriffs unrichtig beurteilt. Nach den von der Vorinstanz als beweiskräftig befundenen Aussagen des Zeugen Manser, des Präsidenten des Verbands schweizerischer Uhrenfachgeschäfte (also einer Organisation nicht der Konvention angehörender Uhrenhändler) ist es nämlich für den Verkauf in der Schweiz nötig, die Spitzengeschäfte beliefern zu können, und zwar auch für eine auf dem Weltmarkt bereits eingeführte Marke. Anders ausgedrückt vermag sich also eine Uhrenmarke auf dem Schweizer Markt nicht mit Erfolg durchzusetzen, wenn sie sich nicht um die Kundschaft der sog. Spitzengeschäfte in der ganzen Schweiz bewerben, sondern sich nur an die konventionsfreien, zumeist weniger bedeutenden Wiederverkaufsgeschäfte und an die sämtlichen Geschäfte in den drei freien Kantonen Genf, Neuenburg und Tessin wenden kann. Dadurch, dass die Klägerin infolge der Aufnahmeverweigerung des Beklagten daran gehindert wird, ihre Uhren in nahezu sämtlichen führenden Geschäften des Konventionsgebietes abzusetzen, wird sie von einem wesentlichen Teil des inländischen Uhrenhandels ausgeschlossen, und zwar gerade von dem Teil, der für den Verkauf in der Schweiz von grösster Bedeutung ist.
Daneben hat der Boykott für die Klägerin eine weitere Wirkung. Sie wird durch ihn überdies aus dem freien Wettbewerb mit andern Herstellern von Qualitätsuhren verdrängt. Wie der Zeuge Manser weiter ausgesagt hat, ist es für den Vertrieb einer Uhr wichtig, dass sie in einem angesehenen und alteingesessenen Geschäft ausgestellt werden kann. Mit der Nichtaufnahme durch den Beklagten wird nun aber der Klägerin infolge der Kartellbindung der dem ZVSU angeschlossenen Ladengeschäfte die Möglichkeit genommen, ihre Erzeugnisse - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - in den Schaufenstern der bedeutendsten Spitzengeschäfte der grossen Städte und Kurorte neben den bekannten Markenuhren auszustellen. Es ist ihr damit verwehrt, mit den bestbekannten Uhrenfabriken in unmittelbaren Wettbewerb zu treten, deren Erzeugnisse mit den ihrigen vergleichen zu lassen und so auf dem Markte bekannt zu werden. Darin liegt eine unannehmbare Behinderung der Klägerin im freien Wettbewerb; diese wird verhindert, ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach ihrem Willen und ihren Absichten zu gestalten. Diese Möglichkeit soll aber einem schweizerischen Fabrikationsunternehmen, das seine Waren auf dem Schweizer Markt bekannt machen und absetzen will, nicht genommen werden können durch einen Boykott, sofern hiefür nicht schutzwürdige Interessen nachgewiesen sind, denen bei objektiver Betrachtung der Vorrang vor den Interessen der Klägerin an der freien Betätigung im Konventionsgebiet zuerkannt werden muss. Das durch Art. 31 BV gewährleistete System des freien Wettbewerbes darf ohne hinreichende Gründe auch durch privatrechtliche Abmachungen nicht vereitelt werden.
 
Erwägung 6
a) In der schriftlichen Mitteilung der Abweisung des Aufnahmegesuches der Klägerin gab der Beklagte überhaupt keine Gründe an und verweigerte auch auf Anfrage der Klägerin hin deren Bekanntgabe. Erst in der schriftlichen Klagebeantwortung vor der kantonalen Instanz machte der Beklagte dann gewisse Gründe geltend, die nach seiner Auffassung die Nichtaufnahme der Klägerin zu rechtfertigen vermöchten. So wies er darauf hin, dass der Klägerin anlässlich der Gründung des Verbandes (1925) der Beitritt freigestanden wäre, dass sie aber hievon keinen Gebrauch gemacht habe. Allein das ist kein zulänglicher Grund, sie heute nicht aufzunehmen. Denn es ist unbestritten, dass die Klägerin damals ausschliesslich auf den Export nach den USA ausgerichtet war, während sie heute ihre Erzeugnisse auch nach andern Ländern ausführen und sich auch auf dem Schweizer Markt betätigen möchte. Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich somit geändert. Hatte die Klägerin vor 30 Jahren kein Interesse an der Mitgliedschaft beim Beklagten, so ist heute das Gegenteil der Fall. Dazu kommt, dass nach den Aussagen des Sekretärs des Beklagten seit 1945 eine Anzahl von Unternehmen, die vorher ebenfalls nicht in der Schweiz gearbeitet hatten, in den Verband aufgenommen worden sind.
b) Der Beklagte beruft sich weiter darauf, dass seinerzeit der Schweizer Markt unter grossen finanziellen Opfern seiner Mitglieder saniert worden sei; indem die Klägerin heute auf diesem vorbereiteten Gebiet tätig sein wolle, ohne vorher entsprechende Opfer auf sich genommen zu haben, wolle sie ernten, wo sie nicht gesät habe. Auch dieser Einwand hält nicht stand. Nach Art. 20 der Statuten des Beklagten hat jedes neueintretende Mitglied ein Eintrittsgeld zu leisten, dessen Höhe von der Generalversammlung bestimmt wird. Dieses Eintrittsgeld stellt das Entgelt für die Vorteile dar, die das neue Mitglied mit seinem Beitritt erlangt. Bei der Festsetzung dieses Betrages kann den von den bisherigen Mitgliedern gebrachten finanziellen Opfern in gewissem Umfang Rechnung getragen werden. Abgesehen hievon hat sich der Beklagte durch Überlegungen dieser Art nicht davon abhalten lassen, seit 1945 andere Bewerber aufzunehmen, für die dasselbe galt wie für die Klägerin.
c) Der Beklagte scheint sodann die Nichtaufnahme der Klägerin damit begründen zu wollen, dass sie auf dem Schweizer Markt auch tätig sein könne, ohne dem Groupement anzugehören. Demgegenüber ist auf die oben gemachten Feststellungen hinsichtlich der Bedeutung zu verweisen, welche die Zugehörigkeit zum Beklagten für den Uhrenhandel in der Schweiz hat. Unbehelflich ist insbesondere auch der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne auch als Nichtmitglied die dem ZVSU angeschlossenen Geschäfte auf dem Umweg über einen dem Verband angehörenden Grossisten beliefern. Denn wegen des vom Grossisten beanspruchten Zwischengewinnes würde sich entweder der Verkaufspreis der Erzeugnisse der Klägerin entsprechend erhöhen oder ihre Gewinnspanne sich entsprechend verringern. Dadurch würde die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin aber derart beeinträchtigt, dass dieser Zugang zum Markt im Konventionsgebiet praktisch als für sie ungangbar erachtet werden muss.
d) Nach der Meinung des Beklagten kann sich die Klägerin über ihre Nichtaufnahme schon deswegen nicht beschweren, weil sie die gebotenen Möglichkeiten zur Durchdringung des Schweizer Marktes nicht ausgenützt habe. Das trifft nach den Feststellungen der Vorinstanz an sich zu, da die Klägerin in Genf nur in drei Geschäften, in Neuenburg nur in einem Geschäft und im Tessin überhaupt nicht vertreten ist. Die Klägerin begründet diese Zurückhaltung jedoch damit, dass die Unkosten einer vermehrten Betätigung in keinem tragbaren Verhältnis zum möglichen Absatz stünden, solange sie nicht den gesamten Schweizer Markt frei bearbeiten könne. Diese Erklärung leuchtet ein, wenn man in Betracht zieht, dass nach den Aussagen des Zeugen Manser die Einführung einer Uhrenmarke auf dem Markt sehr hohe Propagandakosten erfordert und dass gemäss den Darlegungen des Sekretärs des Beklagten z.B. die Propagandakosten für die Omegauhr in der Schweiz allein Fr. 200'000.-- - 300'000.--, diejenigen für Longines nach den Angaben des Zeugen Wirth über Fr. 100'000.-- im Jahr betragen.
e) Der Beklagte will schliesslich die Nichtaufnahme der Klägerin mit der Behauptung rechtfertigen, sie sei am Schweizer Markt gar nicht so sehr interessiert, sondern wolle nur in den Auslagen alteingesessener Spitzengeschäfte in Gesellschaft der berühmtesten Markenuhren glänzen und so für den Absatz ihrer Erzeugnisse im Ausland Propaganda machen. Allein abgesehen davon, dass das fehlende Interesse der Klägerin am Schweizer Markt nicht feststeht - behauptet sie selber doch das Gegenteil -, ist nicht einzusehen, warum der Klägerin im Gegensatz zu den Mitgliedern des beklagten Verbandes diese für Qualitätsuhren wichtige Reklamemöglichkeit verwehrt sein soll. Wie der Zeuge Manser hervorgehoben hat, ist es für den Verkauf nach dem Ausland von Bedeutung, dass eine Uhr in den guten alten Geschäften ausgestellt ist, wenn sie bekannt werden will. Dann kann aber das Bestreben der Klägerin, sich diese über die Landesgrenzen hinausreichende Propagandawirkung gleich wie die übrigen, dem Beklagten angehörenden Fabrikanten ebenfalls zu Nutze zu machen, keinen Grund für die Aufnahmeverweigerung abgeben.
Was der Beklagte zur Begründung der Aufnahmeverweigerung vorbringt, ist somit unstichhaltig. Ob das blosse Bestreben zur Ausschaltung eines nicht genehmen Konkurrenten oder eine rein persönliche Einstellung gegen die Klägerin für den Beschluss der Generalversammlung des Beklagten vom 6. Juli 1953 massgebend waren, kann dahingestellt bleiben. Denn sind die zur Rechtfertigung der Aufnahmeverweigerung vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig, so spielt es keine ausschlaggebende Rolle, auf was für andere, ungenannte Beweggründe die Abweisung der Klägerin zurückzuführen ist.
 
Erwägung 7
7.- Die Abwägung der gegenseitigen Interessen ergibt somit, dass der Beklagte kein rechtsschutzwürdiges Interesse an der Fernhaltung der Klägerin geltend zu machen vermag, während für diese die Nichtaufnahme eine wenn auch nicht existenzgefährdende, so doch schwerwiegende Beschränkung und Behinderung in der Einführung und im Absatz ihrer Erzeugnisse auf dem Schweizer Markt sowie eine Verdrängung aus dem freien Wettbewerb bedeutet. Bei diesem Sachverhalt verstösst die Nichtzulassung der Klägerin zum beklagten Verband wegen der einschneidenden Folgen, die zu den Vorteilen für die Mitglieder des Beklagten in keinem Verhältnis stehen, gegen die guten Sitten und verletzt das wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht der Klägerin im Sinne von Art. 28 ZGB. Der gegen sie gerichtete Boykott ist somit unzulässig, und sie hat Anspruch auf dessen Aufhebung.
 
Erwägung 8
Der Beklagte widersetzt sich dem Aufnahmebegehren der Klägerin unter Hinweis darauf, dass er als Verein befugt sei, einem Bewerber die Aufnahme auch ohne Grundangabe zu verweigern. Dieser Einwand ist jedoch nicht zu hören. Der Beklagte ist zwar äusserlich in die Rechtsform eines Vereins zu nicht wirtschaftlichen Zwecken im Sinne von Art. 60 ff. ZGB gekleidet. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei ihm um einen Zusammenschluss von Gewerbetreibenden zur Verfolgung ausgesprochen wirtschaftlicher Ziele, wie die Zweckumschreibung in Art. 2 seiner Statuten klar erkennen lässt. Die dort genannten Ziele, nämlich die kollektive Verteidigung der allgemeinen Interessen der ihm angehörenden Fabrikanten und Grossisten - also nicht der Uhrenindustrie in ihrer Gesamtheit -, die Förderung und der Schutz des Uhrenhandels, die Vereinheitlichung der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen, beziehen sich nicht auf irgendwelche ideale Zwecke, sondern sie sind darauf gerichtet, den Verbandsmitgliedern auf dem Wege der Marktregulierung eine Erhöhung des Umsatzes und des Gewinnes zu verschaffen. Es wäre daher sachlich richtiger und den Umständen angemessener gewesen, statt der Vereinsform diejenige der Genossenschaft zu wählen, bei der nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 839 Abs. 2 OR) der Eintritt neuer Mitglieder nicht übermässig erschwert (und noch weniger überhaupt verunmöglicht) werden darf. Es ist daher geboten, bei Vereinen von der Art des Beklagten die genannte Bestimmung des Genossenschaftsrechts analog zur Anwendung zu bringen, wie dies schon im Falle des BGE 76 II 294 angedeutet worden ist.
Die Klägerin stellt schliesslich das Begehren, der Beklagte sei unter Androhung der gesetzlichen Folgen im Unterlassungsfalle zu ihrer Aufnahme zu verpflichten. Allein das Prozessrecht des Bundes kennt für Berufungsurteile eine solche Strafandrohung nicht. Dem dahingehenden Berufungsantrag kann daher nicht entsprochen werden.
 
Entscheid:
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 12. Oktober 1955 wird aufgehoben und der Berufungsbeklagte verpflichtet, die Berufungsklägerin als Mitglied aufzunehmen.