BGE 64 II 361 - Aktienmantel
 
Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung
vom 8. November 1938
i.S. Winterhalter
gegen
Gläubigergemeinschaft der Metalltextilwerk A.-G.
Aktienrecht: Kauf eines Aktienmantels.
Begriff des Aktienmantels: das formale Gebilde einer wirtschaftlich liquidierten, rechtlich aber noch nicht aufgelösten A.-G.
Der Kauf  eines solchen Aktienmantels ist widerrechtlich und daher nichtig, Art. 20 OR.
Zulässig ist dagegen der Erwerb der Gesamtheit oder Mehrheit der Aktien einer bestehenden, wenn auch notleidenden A.-G.
Der Nachlassvertrag mit Abtretung aller Aktiven bedeutet keine Auflösung und Beendigung der A.-G.
 
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte Winterhalter hatte von der notleidenden Metalltextilwerk  A.-G. (Metex) die Reissverschlussabteilung zum Preis von Fr. 50,000. erworben. Gegenstand des Kaufvertrages waren a) die sämtlichen Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen, b) die für die Reissverschlussfabrikation dienenden Vorräte, c) der Goodwill der Reissverschlussabteilung, bestehend in der Kundschaft, den Fabrikationserfahrungen, Bezugsquellen, Kontingenten etc. Vom Kaufpreis entfielen Fr. 18,000. auf den Goodwill. Laut Vertrag sollte die Übertragung des Goodwill erst nach Übergabe sämtlicher Aktien an den Käufer, der die Tilgung sämtlicher Passiven der Metex durch einen Nachlassvertrag vorangehen sollte, als vollzogen gelten. Da sich die Durchführung des Nachlassvertrages hinauszögerte, konnten die Aktien dem Beklagen nicht übergeben werden, als er sie verlangte. Er gründete daher eine neue A.-G., trat vom Vertrag über den Goodwill zurück und erklärte, er betrachte sich von der Bezahlung des Kaufpreises von Fr. 18,000. als befreit.
Die Klage der Gläubigergemeinschaft Metex, auf die zufolge des Nachlassvertrages die Forderung gegen den Beklagten übergegangen war, wurde sowohl vom Handelsgericht St. Gallen, wie vom Bundesgericht geschützt.
 
Aus den Erwägungen:
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
Erwägung 1
Der Auffassung des Beklagten über die Nichtigkeit eines Kaufgeschäftes über einen Aktienmantel ist nun durchaus beizupflichten, sofern man unter einem Aktienmantel das rein formale Gebilde einer wirtschaftlich bereits liquidierten, juristisch aber noch nicht aufgelösten Gesellschaft versteht (Hauser, Der Mantel bei der A.-G. und G.m.b.H., § 3), so dass der Kauf eines solchen Mantels lediglich den Erwerb der äussern Rechtsform einer als juristische Person bestehenden Kapitalgesellschaft darstellt, die zufolge des Fehlens eines Unternehmens hohl, wirtschaftlich bedeutungslos geworden ist (Baumbach, Kommentar zum (deutschen) Aktienrecht, § 16, Bem. 1D). Wie nämlich das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, muss eine derartige tatsächlich aufgelöste, vollständig liquidierte und von den Beteiligten aufgegebene Gesellschaft im Handelsregister gelöscht werden (BGE 55 I 136, 195, 349). Der Verkauf und Erwerb des Aktienmantels, d.h. der Gesamtheit oder massgebenden Mehrheit der Aktien einer solchen Gesellschaft steht im Widerspruch zu der mit der tatsächlichen Auflösung und Liquidation entstandenen Löschungspflicht und bedeutet überdies einen falschen Gebrauch des Institutes der A.-G. und einen Versuch der Umgehung der Bestimmungen über die Gründung einer A.-G. (Siegwart, Die zweckwidrige Verwendung von Rechtsinstituten, Freiburger Rektoratsrede 1936, S. 29). Im Verkauf und Erwerb des Aktienmantels einer derartigen betriebslosen und vollständig aufgegebenen A.-G. liegt ein agere in fraudem legis. Mantelverkäufer und --käufer wissen wohl stets oder müssten es doch (zumal nach der gefestigten Gerichtspraxis) wissen, dass eine solche tatsächlich aufgelöste Gesellschaft auch im Handelsregister gelöscht und damit aus öffentlichen Interessen auch rechtlich beendigt werden muss. Die Unterlassung der Löschung wie die Verwertung des Mantels bedeutet unter solchen Umständen eine Missachtung und Vereitelung des Zweckes der Löschungspflicht und stellt einen Rechtsmissbrauch dar. Der Erwerb des Mantels einer tatsächlich beendigten Gesellschaft kann doch gar keinen andern Zweck haben, als die Verwertung der äusseren Rechtsform einer Gesellschaft, welche von Rechts wegen nicht einmal mehr ein formelles Dasein führen könnte. Auch aus diesem Grunde muss daher der Mantelkauf stets als widerrechtlich und nichtig erklärt werden.
 
Erwägung 2
2. a) Mit einem Tatbestand dieser Art hat man es jedoch im vorliegenden Falle entgegen der Meinung des Beklagten nicht zu tun. Gegenstand des Vertrages vom 23. Mai 1936 bildete nicht der leere Aktienmantel im oben umschriebenen Sinne, sondern ein Teil des Unternehmens -- die Reissverschlussabteilung -- einer tatsächlich noch bestehenden, noch tätigen A.-G., nebst der Gesamtheit der Aktien. Es geht nicht an, den auf den Übergang der Aktiengesamtheit gerichteten Teil des Vertrages aus dem ganzen Vertragsgebäude herauszureissen und gesondert zu betrachten, wie der Beklagte dies tut.
Gelegentlich wird allerdings auch der Verkauf aller Aktien -- oder der massgebenden Mehrheit derselben -- einer mindestens teilweise noch tätigen Gesellschaft als Mantelkauf bezeichnet. Da dieser Fall sich aber vom oben geschilderten Mantelkauf im eigentlichen Sinn wesentlich unterscheidet, spricht man hier zur Vermeidung von Missverständnissen besser von Kauf und Verkauf der Aktiengesamtheit oder Aktienmehrheit.
c) Der Prüfung dieser Frage vorgängig ist allgemein darauf hinzuweisen, dass zwei grundlegende Momente der schweizerischen Rechtsordnung nicht übersehen werden dürfen, nämlich einerseits die nach positivem Recht bestehende Möglichkeit einer Veräusserung aller Aktien, sowie die Möglichkeit der Vereinigung aller Aktien in einer Hand, und die daraus resultierende Zulässigkeit einer Einmann-Gesellschaft im Rahmen und mit den Beschränkungen von Art. 625 und 775 OR; anderseits die gesetzliche Möglichkeit, nach Massgabe von Art. 647 /9 und 784 OR den Zweck, die Firma, überhaupt die Statuten der Gesellschaft abzuändern, dabei auf den bisherigen Geschäftsgegenstand ganz oder zum Teil zu verzichten und unter Aufrechterhaltung der Identität der Gesellschaft eine neue wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, eine sog. wirtschaftliche Neugründung durchzuführen und zu diesem Zweck auch die Firma, die Organisation und die Verwaltung zu ändern usw. An dieser Tatsache scheitert auch die vom Justizdepartement in Verw. Entsch. 1927 Nr. 34 vertretene Meinung, dass eine Änderung des Zweckes oder der Firma oder der Verkauf von Aktien zwar einzeln erlaubt sei, dass aber das Zusammentreffen dieser Vorgänge als gesetzwidrig betrachtet werden müsse.
 
Erwägung 3
3. a) Die Unzulässigkeit des Verkaufs eines Aktienmantels wird gelegentlich damit begründet, dass er gegen die Vorschriften über die Gründung der A.-G., insbesondere über die Bildung des Aktienkapitals, verstosse (Botschaft zum rev. OR 1928, S. 55 f., Amstutz-Wyss, Eidgenössisches Stempelsteuerrecht, S. 86, Bem. 2, Verwaltungsentscheide 1927 Nr. 34, BGE 55 I 136). Allein dieser Einwand ist höchstens begründet für den Verkauf und die Verwertung des Mantels einer tatsächlich liquidierten und aufgegebenen Gesellschaft. Beim Verkauf des gesamten Aktienpaketes und der Maschinen, Vorräte, Fabrikationsrechte und Geschäftsbeziehungen (Goodwill) mit Bezug auf die weiter zu betreibende Reissverschlussabteilung im vorliegenden Falle scheidet eine Verletzung oder Umgehung irgendwelcher formeller Gründungsvorschriften oder Vorschriften über die Zahl der Gründer zum vorneherein aus. Das in Frage stehende Rechtsgeschäft hat mit der Gründung einer A.-G. nichts zu tun. Für eine Verpflichtung des Erwerbers, für den Weiterbetrieb des übernommenen Unternehmens eine neue Aktiengesellschaft zu gründen fehlt jede gesetzliche Handhabe.
Die Berufungsbegründung behauptet, dass der Erwerb des Aktienmantels der Metex beim Publikum, namentlich bei Lieferanten den Eindruck erwecken würde, dass ein haftbares Aktienkapital vorhanden sei, während dieses in Wirklichkeit verloren und die Aktiven veräussert seien. Diese Argumentation geht an der Sache vorbei. Gewiss bedeutet das Grundkapital einen statutarisch fixierten Mindestgarantiefonds für die Interessierten, für die Gläubiger, für dessen Erhaltung das Gesetz bis zu einem gewissen Grade sorgt.  Aber das Schwinden dieses Grundkapitals, sein ganzer oder teilweiser Verlust hat mit der Gültigkeit eines Aktienerwerbes nichts zu tun, ebensowenig wie die Tatsache, dass zur Abfindung der Gläubiger ein Teil oder alle noch vorhandenen Aktiven veräussert werden. Die Gesellschaft existiert trotzdem noch und könnte ja in rechtlich durchaus zulässiger Weise neu fundiert werden.
Der Beklagte behauptet in der Berufungsschrift weiter, dass die streitige Transaktion einer Umgehung von Art. 657 Abs. 2 aOR (Art. 725 OR) gleichkomme. Ob die Verwaltung der Metex gemäss Art. 657 Abs. 1 eine Generalversammlung einzuberufen hatte oder das unterliess, oder ob sie nach Art. 657 Abs. 2 eine Überschuldung hätte anzeigen müssen, sind indessen Fragen, welche die Existenz der Gesellschaft und die Gültigkeit der Veräusserung alle Aktien der Aktionäre der Metex, den Kauf einer Geschäftsabteilung zum Weiterbetrieb durch den Aktienerwerber in keiner Weise berühren. Wenn diese Bestimmungen verletzt und Dritte in die Meinung versetzt wurden, das alte Aktienkapital sei noch intakt, so mögen die davon Betroffenen oder Geschädigten ihre Rechte gegen die verantwortlichen Organe der Metex geltend machen. Der Beklagte aber kann auf keinen Fall im vorliegenden Prozess die Gültigkeit des von ihm geschlossenen Kaufvertrages unter Hinweis auf Art. 657 aOR bestreiten.
 
Erwägung 4
4. a) Im weitern ist zu prüfen, ob Vorschriften über die Auflösung der A.-G. verletzt worden seien. Die Gesellschaft Metax A.-G. bestand im Zeitpunkt des Verkaufes der Maschinen, Geschäftsbeziehungen usw. an den Beklagten noch in aller Form zu Recht. Sie befand sich freilich in Schwierigkeiten, welche sie zwangen, Teile ihres Geschäftes zu veräussern, andere Teile des Geschäftes eingehen zu lassen und mit ihren Gläubigern ein Nachlassabkommen zu treffen. In diesem Stadium einer A.-G. können Aktien noch immer übertragen werden, auch wenn (wie im vorliegenden Fall zugetroffen haben soll) das Aktienkapital tatsächlich bereits verloren ist. Da die Gesellschaft weder tatsächlich aufgelöst, noch gar gesetzlich liquidiert, noch von den Beteiligten längst aufgegeben war, standen einer Veräusserung der Aktiengesamtheit an einen Drittel durch die Gesellschaft (welcher die Aktionäre ihre Aktien überlassen hatten) jene rechtlichen Hindernissen nicht entgegen, die zur Verneinung der Zulässigkeit des Verkaufes des Mantels einer längst aufgelösten, liquidierten und aufgegebenen Gesellschaft führen.
Ein Auflösungsbeschluss war zur Zeit des Vertragsabschlusses mit dem Beklagten (23. Mai 1936) nicht gefasst und wurde es auch in der Folge nicht. Wohl hatte die Metex A.-G. begonnen, einzelne Aktiven zu verkaufen, die kleinen Gläubiger abzufinden und mit den grösseren Warengläubigern und den Finanzgläubigern einen aussergerichtlichen Nachlassvertrag anzubahnen. Dem Beklagten wurden Maschinen und Geschäftsbeziehungen usw. der weiter zu betreibenden Reissverschlussabteilung verkauft und übergeben. Er sollte auch die Aktien erhalten, aber die Aktien einer A-.G., deren Schulden vor Übergabe dieser Aktien getilgt wurden. Es gingen mit andern Worten wesentliche und charakteristische Bestandteile des Unternehmens der Metex auf den Beklagten über, der auch die gesamten Aktien kaufte. Mit den Aktiven und dem noch betriebsfähigen Teil des Unternehmens (Reissverschlussabteilung) sollten auch die andern immateriellen Bestandteile des Unternehmens übergehen (Einfuhrkontingentberechtigungen, Ansprüche auf Leistungen der produktiven Arbeitslosenfürsorge, Möglichkeit der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten in Ländern, mit denen für ihn wegen der bestehenden Lizenzverträge Erschwerungen oder Hindernisse bestanden). Die Organe der nach wie vor bestehenden Metex A.-G. sollten also lediglich für Tilgung der Passiven sorgen. Nachher sollte nach Meinung der Kaufvertragsparteien die A.-G. Metex weiter existieren, zum mindesten solange, als der vorgesehene einzige Aktionär, eben der Beklagte, dies für zweckmässig erachtete.
Man kann also nicht behaupten, dass der Beklagte Aktien einer nicht mehr bestehenden A.-G. gekauft hätte oder solche einer A.-G., deren rechtliche Auflösung und Liquidation im Zeitpunkt des Kaufes beschlossen gewesen wäre. Der Kauf war daher im Zeitpunkt seines Abschlusses, 23. Mai 1936, rechtlich gültig und nicht im Widerspruch mit dem Aktienrecht, insbesondere nicht im Widerspruch mit Vorschriften über die Auflösung und Liquidation einer A.-G.
b) Auch die Durchführung eines gerichtlichen Nachlassvertrages der Metex A.-G. im Jahre nach Abschluss des streitigen Kaufvertrages hat an diesem Rechtszustand nichts geändert. Durch diesen Nachlassvertrag wurde die Gesellschaft nicht etwa beendigt und es lässt sich daraus insbesondere auch nicht etwa eine (nachträgliche) Ungültigkeit des Kaufvertrages über die einzelnen Kaufsobjekte, insbesondere die Aktien ableiten. Selbst die Einleitung eines gerichtlichen Nachlassvertrages mit Abtretung aller Aktiven bedeutet keine Auflösung und Beendigung einer A.-G. (vgl. BGE 60 I S. 35 ff.). In einem solchen Falle muss höchstens der Eintritt ins Liquidationsstadium im Handelsregister eingetragen werden; aber nur dann, wenn mit dem Nachlassvertragsverfahren ein Auflösungsbeschluss der Gesellschaft Hand in Hand geht (BGE 60 I S. 48). Im vorliegenden Fall wurde ein solcher Auflösungsbeschluss nicht gefasst, sodass die Metex auch nach Einleitung oder Abschluss des Nachlassvertrages nicht aufgelöst wurde.
c) Der Beklagte hat nun freilich in der Berufungsbegründung geltend gemacht, dass die Aktien gemäss dem Vertrag erst nach erfolgter Veräusserung aller Aktiven und nach beendigter Liquidation aller Passiven übertragen werden müssen, also erst in einem Stadium, in dem die Gesellschaft, ohne Aktiven und Passiven und ohne Betrieb, nur noch nominellen Bestand habe. Er will damit offenbar den vorliegenden Fall demjenigen des Kaufes eines Mantels der vollständig liquidierten und längst aufgegebenen Gesellschaft gleichstellen und daraus die Widerrechtlichkeit ableiten.
Das ist aus verschiedenen Erwägungen unzutreffend. Auch wenn man der Darstellung des Beklagten zunächst folgt, muss man immerhin sagen, dass die streitige Übertragung der Aktien höchstens den letzten Akt der Liquidation darstellen würde. Das ist aber etwas anderes als der Verkauf des Aktienmantels einer seit Jahr und Tag total liquidierten und aufgegebenen Gesellschaft. Das Bundesgericht selbst hat im zuletzt entschiedenen Fall BGE 55 I S. 346 ff. trotz nahezu vollendeter Liquidation und längerem Ruhen der Tätigkeit eine A.-G. als nicht tatsächlich aufgegeben und aufgelöst erklärt und ihre Weiterexistenz anerkannt. Diese Tendenz, nicht zu formalistisch zu sein, verbietet auch, den vorliegenden Fall dem Kauf eines Mantels einer längst aufgelösten A.-G. gleich zu stellen.
Dazu kommt eine andere Überlegung: Es ist, wenn man den ganzen Kaufvertrag sich nochmals vor Augen hält, unzweifelhaft, dass der Beklagte den lebensfähigen Teil der Metex A.-G. zum Weiterbetrieb übernehmen wollte. Nur hat man zur Vermeidung gewisser Schwierigkeiten und Risiken und zur sofortigen Erlangung gewisser praktischer Vorteile für die Überleitung dieser Unternehmensteile die Rechtsform eines Kaufvertrages gewählt: die Maschinen, Fabrikationsvorräte und Goodwill (Kundschaft, Fabrikationserfahrungen, Bezugsquellen, Kontingente, laufende Fabrikationsaufträge und Geschäftsbeziehungen) wurden dem Beklagten verkauft. Er trat auch in die laufende Miete ein. Hätten nicht grössere Verbindlichkeiten der Metex bestanden, so hätte er zweifellos kurzerhand alle Aktien gekauft und dafür soviel bezahlt, als der betriebsfähige Teil des Unternehmens innerlich wert war und darnach hätte er in rechtlich statthafter Weise die Organisation, Statuten usw. den veränderten Verhältnissen entsprechend geändert. Wegen der bestehenden Schulden der A.-G. wählte man den Weg eines Kaufvertrages über die vorerwähnten Kaufgegenstände und einer Verpflichtung der A.-G., sich mit ihren Gläubigern auseinanderzusetzen und hernach für die Übertragung der Aktien zu sorgen. Den Kauf der Maschinen und Vorräte usw. wählte man, um dem Beklagten die sofortige Übernahme und die ununterbrochene Weiterführung der Reissverschlussabteilung zu ermöglichen. Im übrigen spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beklagte den Mantel für die Fortführung der Reissverschlussabteilung und allenfalls verwandter Zweige verwenden wollte. Dafür spricht auch das Verlangen vom 22. März 1937 auf Lieferung des Mantels und die Tatsache der nachfolgenden Gründung einer neuen A.-G. am 1. Juni 1937. Dass der Beklagte den Mantel für andere Zwecke verwendet hätte, ist nicht wahrscheinlich gemacht und nicht bewiesen. Ziffer 10 des Vertrages bestimmte bezeichnenderweise, dass es dem Beklagten freistehe, nach Übergabe der Aktien, "die Reissverschlussfabrikation wieder auf die Metex überzuleiten".
Einen solchen Fall der Aktienübertragung muss man richtigerweise gleich behandeln wie den Kauf aller Aktien vor Beginn einer Liquidation. Es ist nicht einzusehen, weshalb in solchen Fällen eine Löschung der bestehenden und tatsächlich fortbetriebenen Gesellschaft und dazu eine Neugründung erzwungen werden sollte. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass der sog. Mantelkauf eine durchaus wünschenswerte wirtschaftliche Transaktion darstellen kann und keineswegs eine Gesetzesumgehung bezweckt, "z.B. wenn es sich um die Sanierung eines ins Stocken geratenen Unternehmens oder um Verwertung vorhandener Bestände zu verwandten oder anderen Zwecken handelt" (Feine, G.m.b.H., in Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 3. Band, III. Abteilung S. 446). Um derartige Fälle nicht zu treffen und unmöglich zu machen, hat man auch bei der Revision des OR auf die Formulierung eines Verbotes des Mantelkaufes verzichtet (Botschaft zum rev. OR 1928 s. 56).
Auch wenn man also für die Beurteilung des streitigen Mantelkaufes nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (23. Mai 1936) abstellt, sondern auf den Zeitpunkt des Vollzuges (beendigte Tilgung der Passiven der Gesellschaft), so kann man nicht sagen, dass er mit gesetzlichen Bestimmungen über die Auflösung und Liquidation der A.-G. in Widerspruch stände.
 
Erwägung 5
Die Vorinstanz hat den steuerrechtlichen Gesichtspunkten grosse Beachtung geschenkt und erklärt, dass die Übertragung des Aktienmantels lediglich zur Ersparung von Steuern als Verstoss gegen die steuerrechtlichen Pflichten und daher als widerrechtlich anzusehen ist. Die Vorinstanz verneint aber im vorliegenden Fall eine Verletzung von Steuervorschriften deshalb, weil der Beklagte ja am 1. Juni 1937 eine neue A.-G. gegründet habe, mit neuen Statuten und anderem Namen, also tatsächlich die Übertragung des Mantels gar nicht zu ungunsten des Fiskus ausgenützt habe.
Es braucht hier nicht erörtert zu werden, ob diese grundsätzliche Auffassung der Vorinstanz haltbar ist oder ob nicht vielmehr zutrifft, was das Bundesgericht in BGE 55 I S. 354/5 über die Erlaubtheit der Vermeidung staatlicher Abgaben ausgeführt hat.
Gewiss ist nach Art. 52 und 53 lit. c des eidg. Stempelsteuergesetzes strafbar, wer der Pflicht zur Leistung der schuldigen Stempelabgabe nicht nachkommt oder wer durch Überlassung der Beteiligungsrechte an einer tatsächlich liquidierten Gesellschaft oder Genossenschaft zur Umgehung der in Art. 21 Abs. 2 festgestellten Abgabepflichten Beihilfe leistet (Art. 21 Abs. 2 statuiert die Abgabepflicht auf Kapitaleinbringungen, wenn eine Unternehmung unter Benutzung des Gesellschaftsmantels die Form einer A.-G. oder Genossenschaft annimmt, ohne dass eine Gründung und eine Kapitaleinbringung zur Eintragung gelangen).
Der streitige Mantelkauf hat aber bis heute eine solche Steuerpflicht nicht ausgelöst und war unter diesem Gesichtspunkt nicht widerrechtlich. Denn tatsächlich wurde der Mantel gar nicht im Sinne von Art. 21 II St.StG verwendet, was allein die Steuerpflicht auslösen würde. Überdies liegt gar kein Fall der Überlassung von Beteiligungsrechten an einer tatsächlich liquidierten Gesellschaft (Art. 53 lit. c) vor.
Von all dem abgesehen, muss es abgelehnt werden, als Folge einer allfälligen Zuwiderhandlung gegen stempelsteuerrechtliche Bestimmungen die zivilrechtliche Ungültigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes anzunehmen. Man mag Geschäfte, welche mit dem Steuerrecht in Widerspruch stehen oder vielleicht einmal eine Steuerumgehung ermöglichen, für strafbar erklären. Davon die grundsätzliche zivilrechtliche Ungültigkeit des Geschäftes daraus abzuleiten, war auch nie die Rede, als man (nach Erlass des St.StG) anlässlich der Revision des OR, die Frage eines Verbotes von Mantelkauf und Mantelverwertung liquidierter Gesellschaften diskutierte. Auch unter diesem letzten Gesichtspunkt ist daher der streitige Mantelverkauf als gültig zu erklären.